Bücherliebe ...
Fräulein Wünsche und die Wunder ihrer Zeit
Das Cover meines neusten Romans „Fräulein Wünsche und die Wunder ihrer Zeit“ von Juliane Michel wirkt wie aus einer anderen Zeit. Auf dem Buchumschlag sieht man teilendsättigt und coloriert beeindruckende ...
Das Cover meines neusten Romans „Fräulein Wünsche und die Wunder ihrer Zeit“ von Juliane Michel wirkt wie aus einer anderen Zeit. Auf dem Buchumschlag sieht man teilendsättigt und coloriert beeindruckende Gebäude, davor in einem erdbeerroten Kleid mit Tupfen, eine junge blonde Frau. Diese trägt keck ein modisches Hütchen, feuerrote Pumps und in der linken Hand ein blau-goldenes Buch. Der Titel ist in einer altmodischen Schrift in blau mit goldenem Schatten, so wie es in den 50ziger Jahren modern war. Der Klappentext ist spannend und verführt mich zum sofortigen Lesen. Die Protagonisten Karin Wünsche sowie deren Familie sind fein erdacht und gut beschrieben. Sie könnten so tatsächlich irgendwo gelebt und das alles erlebt haben. Der Roman startet mit einem packenden Prolog im Juni 1946. Dann folgt ein Zeitsprung nach Silvester 1949. Der Plot hat einige Stärken, aber auch Schwächen. Der Neuanfang, die Widerstände, der Neuaufbau sowie die Entbehrungen werden glaubhaft dargestellt. Die „Träume von der weiten Welt“ finde ich auch noch nachvollziehbar. Allerdings ist mir Karin irgendwie zu impulsiv und leicht entflammbar. Sie scheint mir etwas unreif für ihr Alter, manche spontanen Entscheidungen hätten besser zu einer etwas jüngeren Frau gepasst, wie ich finde. Auch die Liebelei mit dem afroamerikanischen GI Billy beginnt mir zu stürmisch. Was mir allerdings sehr gut gefällt, ist das die Liebe zu Büchern und das Lesen Grenzen überwindet. Seien es Sprachbarrieren, Standesunterschiede, sozialer Status, Nationalität oder auch Einheimische und Besatzer. Man lernt dabei, wird kreativ und es beflügelt gleichzeitig die Phantasie. Mir geht es genauso. Mein Kopfkino springt an und ich male mir die gelesen Szenen in den passenden Farben, wie bei einem Bild. Stück für Stück wird so nach und nach ein Gesamtes daraus, so auch hier. Als Leser darf man Kapitel um Kapitel erfahren, wie es Karin und ihrem Billy ergeht. Den „Zauber vom Anfang“, über die Träume der jungen Leute bis hin zum „Besatzungs-Baby“ Caroline. Einige Tabus werden durch diese Geschichte in den Fokus gerückt. Verhaltensweisen die uns heute „normal“ erscheinen, waren es zur damaligen Zeit noch lange nicht. Das Schicksal der Mütter und Besatzer-Kinder oder auch deren Väter wurde stillschweigend von allen toleriert. Diskriminierung war damals noch schlimmer als heute und kam sogar in Büchern wie „10 kleine Negerlein“ vor, was heute so bestimmt kein Verlag mehr drucken würde. Benachteiligung von dunkelhäutigen Personen wurde nicht gemaßregelt. Das Frauenbild in den 50ziger Jahren war klassisch. Sie dürfen weder über sich selbst bestimmen, siehe Kündigung des Lehrvertrages ohne Unterschrift des Vaters, noch andere wichtige Entscheidungen alleine und verantwortlich treffen. Das Karin und ihre Schwester von einer besseren Zeit oder Welt träumen ist da mehr als verständlich. Und das die Geschichte am Ende (fast) ein Happy End hat, passt für mich ebenfalls. Aber lest bitte selber, es lohnt sich!
Inhalt:
Ein Land wagt den Neuanfang und eine junge Frau kämpft gegen alle Widerstände um ihr Glück
Frankfurt, 1950: Zwischen den Trümmern ist der Wiederaufbau der Stadt in vollem Gange. Nach der Flucht aus Leipzig will sich auch Karin Wünsches Familie hier eine neue Existenz aufbauen. Die 20-jährige liebt Bücher und Geschichten und träumt von der großen weiten Welt. Als sie sich in den afroamerikanischen GI Billy verliebt, schwebt sie im siebten Himmel. Doch dann muss Billy zurück in die USA, und Karin macht eine Entdeckung, die ihr Leben auf einen Schlag verändert: Sie ist schwanger! Und sie ahnt, dass das Leben für die Mutter eines Besatzerkindes nicht leicht sein wird. Aber sie will kämpfen. Für sich und ihr Kind.
Die Autorin:
Bücher begleiten Juliane Michel schon ihr Leben lang. Sie wurde in Darmstadt geboren und studierte in Frankfurt am Main Bibliothekswissenschaften. Seit Jahren schreibt sie bereits erfolgreich Romane. Heute lebt sie mit ihrem Mann in der Nähe von Würzburg, ist aber in ihrem Herzen immer noch eine Hessin. Für die Geschichte von Fräulein Wünsche recherchierte sie akribisch über das Frankfurt der Nachkriegsjahre und sprach mit Menschen, deren Schicksal eng mit den amerikanischen Besatzern verbunden ist.
Fazit: **** „Fräulein Wünsche und die Wunder ihrer Zeit“ von Juliane Michel ist im Heyne Verlag erschienen. Das broschierte Taschenbuch hat 432 Seiten, die eine „unmögliche“ Liebe und deren Folgen in den Nachkriegsjahren thematisieren und sensibel für Diskriminierung und Anfeindungen machen.