Das sagenumwobene Rungholt
Das Gold der KüsteDie nordfriesische Stadt Rungholt steht im Jahr 1361 inmitten seiner Blühte. Denn durch die Salzgewinnung und den internationalen Handel ist die Heimat der jungen Fenna Jaspers, Tochter des Redjeven, des ...
Die nordfriesische Stadt Rungholt steht im Jahr 1361 inmitten seiner Blühte. Denn durch die Salzgewinnung und den internationalen Handel ist die Heimat der jungen Fenna Jaspers, Tochter des Redjeven, des gewählten Oberhaupts der Stadt, reich geworden. Doch Fennas Vater sieht sich von Äußeren und inneren Feinden umrundet. So streiten sich seit jeher Fennas Vater und Ove Barwegen, der Amtsmeister der Fischer um die Macht in der Stadt. Einen Streit, den Fenna und Jorik, der Sohn Oves nicht nachvollziehen können. Denn die beiden hegen schon länger verbotene Gefühle für einander. Hinzu kommt noch, dass Rungholt als wohlhabende Stadt zunehmend zum Spielball der umliegenden Fürstentümer und Königreiche wird. Nicht zu vergessen wäre noch die immer weiter steigende Gefahr von Seiten des Meeres aus, denn der Salzabbau schädigt zunehmend die Stabilität der Deiche, etwas, dass Fenna nicht entgangen ist, und vor dem sie verzweifelt versucht, die Bewohner:innen der Stadt zu warnen. Doch kaum jemand will hören.
Rungholt steht untrennbar mit der Marcellusflut und dem Begriff "deutsches Atlantis" verbunden. Insofern sollt jedermann klar sein, bevor mit dem Lesen begonnen wird, welche Richtung die Geschichte einschlagen wird. Gereizt hat mich an de Buch nun aber, wie die Autorin den Untergang der Stadt aufarbeiten, vor allem aber, wie sie ihn in einen fiktionalen Rahmen betten wird. Dabei habe ich mir viel mehr einen unterhaltsamen und locker-leichten historischen Roman erwartet, als ein literarisch anspruchsvolles Werk. Und genau so etwas habe ich geboten bekommen.
Die Geschichte ist linear aufgebaut, umspannt nur einen recht geringen zeitlichen Rahmen - etwa ein Jahr. In dieser Zeit bekommt man geboten, wie Fenna als Powerfrau versucht, ihre geliebte Heimatstadt gegen die verschiedenen Bedrohungen zu verteidigen, ohne dabei die Liebe aus den Augen zu verlieren. Erzählt wird dabei aus drei unterschiedlichen Perspektiven, jedoch immer nur zu dem einen Handlungsstrang. Der Fokus liegt hier also ganz klar auf Fenna, ihre Gefühle für Jorik und ihr politisches Engagement. Dafür zieht sich ein beständiger Spannungsbogen durch das gesamte Buch, der von der Autorin gut ausgebaut wird und beständig neu gefüttert wird. So hat das Buch kaum ruhige Phasen. Fast schon kann man sagen, dass eine Katastrophe die nächste jagt. Zusammen mit dem überaus lockeren und leicht verdaubaren sprachlichen Stil der Autorin ergibt sich ein Buch, dass sich sehr schnell weglesen lässt.
Allerdings muss ich sagen, dass das Buch gerade was die Ausarbeitung der Protagonist:innen angeht, Federn gelassen hat. So haben weder Fenna noch Jorik, unsere beiden wichtigsten Figuren, noch sonst jemand emotionale Tiefe oder sind auf emotionaler und rationaler Ebene gut nachvollziehbar. Es fehlt einfach der Einblick in die Köpfe der Handlungstragenden. Entscheidungen stehen oft plötzlich da, ohne dass man zuvor über die Gefühlslage der jeweiligen Person gelesen hätte.
Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits ist, dass die Autorin in ihrer Bemühung, ein spannendes und rasantes Buch zu schreiben oft ein wenig über ihre eigenen Füße stolpert. Denn an vielen Stellen, wie beispielsweise der Marcellusflut hätte das Buch durchaus mehr handlungstechnische Tiefe vertragen. Gewisse stellen wirken gehetzt, zeitlich enorm gerafft, sodass eventuell wichtige logische Aspekte verloren gehen, wodurch auch die Glaubhaftigkeit des präsentierten leidet.
Kurzum hat Isabel Voss mit diesem Buch einen durchaus spannenden historischen Roman geschrieben, der, auch wenn er stellenweise zu wünschen übrig lässt und bei weitem nicht perfekt ist, gute Unterhaltung und Momente des Abschalten bietet.