Cover-Bild Dein Schweigen, Vater
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18,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Urachhaus
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 24.08.2022
  • ISBN: 9783825162542
Susanne Benda

Dein Schweigen, Vater

Das Schweigen überwinden

Was ist es, das die Geschwister Maria und Uli so umtreibt? Woher stammen ihre Blockaden, wenn es um wichtige Lebensentscheidungen geht? Haben sie etwas mit dem Schweigen ihres Vaters zu tun, der mit 12 Jahren aus seinem glücklichen Leben in Brünn gerissen wurde? Und dem es nie möglich war, über seine Erlebnisse aus dem Mai 1945 zu sprechen, als seine Familie gemeinsam mit 27.000 weiteren deutschstämmigen Bewohnern aus der Stadt vertrieben wurde? Immer deutlicher erkennen Maria und Uli, dass die traumatischen Zustände ihres Vaters in ihnen fortleben, auch sie sind Vertriebene. Und ihnen wird klar, dass sie ihre eigenen Wege gehen müssen, um das Schweigen zu durchbrechen.
Als sie sich zu einer Reise entschließen, wird schnell deutlich: Es wird eine Reise zu den Wurzeln ihrer Familie …

In ihrem beeindruckenden Debüt begibt sich Susanne Benda auf die Spuren der Kriegsvergangenheit in ihrer eigenen Familie.

Bis heute zeigen sich in der Generation der zwischen Anfang der 60er- und Mitte der 70er-Jahre Geborenen - der »Kriegsenkel« - dunkle Flecke, entstanden aus dem Schweigen der Eltern und Großeltern. Für Susanne Benda ist dieses Thema ein sehr persönliches. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Familiengeschichte hat sie sich intensiv mit den Auswirkungen dieses Schweigens auseinandergesetzt. Im Anhang schildert sie die Hintergründe des »Brünner Todesmarsches«.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.08.2022

Beeindruckendes Debüt

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MEINE MEINUNG
Mit ihrem beeindruckenden Debüt „Dein Schweigen, Vater“ ist der deutschen Autorin Susanne Benda ein anspruchsvoller, sorgsam recherchierter Roman gelungen, der von ihrer eigenen Familiengeschichte ...

MEINE MEINUNG
Mit ihrem beeindruckenden Debüt „Dein Schweigen, Vater“ ist der deutschen Autorin Susanne Benda ein anspruchsvoller, sorgsam recherchierter Roman gelungen, der von ihrer eigenen Familiengeschichte inspiriert wurde, und mich sehr berührt, aufgewühlt und sehr nachdenklich zurückgelassen hat.
Hierin behandelt sie zum einem die grauenvollen Verbrechen, die sich unmittelbar nach Ende des 2. Weltkriegs rund um den Todesmarsch von Brünn ereigneten. Zum anderen widmet sie sich sehr nachdrücklich den weitreichenden Auswirkungen von Kriegstraumata auf die damaligen Opfer (Kriegskinder), ihre weitere Entwicklung und Beziehungen aber auch generationenübergreifend auf ihre Nachkommen, die Kriegsenkel. Eine schwierige und sehr facettenreiche Thematik, die erst seit den Büchern von Sabine Bode vermehrt Aufmerksamkeit erhalten hat.
Die Autorin hat ihren Roman auf drei unterschiedlichen Zeitebenen angelegt. Durch den bildgewaltigen und sehr ansprechenden Schreibstil und die interessanten Charaktere wird man rasch in die Geschehnisse hineingezogen und folgt gebannt dem weiteren Fortgang.
Im ersten Teil der sehr eindringlich erzählten Handlung erleben wir die Hintergründe für die Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach Österreich und die schockierenden Geschehnisse während des Todesmarsches am Fronleichnamstag den 31. Mai 1945 aus der Perspektive des 12-jährigen Paul. Wir haben Anteil an grauenvollen Szenen, die teils schonungslos geschildert werden und teils nur indirekt angerissen werden, aber allesamt mit ihrer Intensität unter die Haut gehen und einen nicht mehr loslassen. Umso mehr, da alles auf wahren Begebenheiten beruht. Über 2.000 Menschen starben damals durch Krankheiten, Schwäche, aber auch durch kaltblütigen Mord, zudem mussten die Vertriebenen willkürliche Folter und Vergewaltigungen erdulden – traumatische Erlebnisse, die die Überlebenden zeitlebens belasten werden.
Im zweiten Teil erleben wir nach einem Zeitsprung, wie die Lebensgeschichte von Paul weiterging, lernen ihn als Vater und Ehemann sowie seine Frau Christa kennen. Im letzten Teil widmet die Autorin sich Pauls erwachsenen Kindern Maria und Uli in der Gegenwart. Nach dem Tod des Vaters begeben sie sich auf eine gemeinsame erkenntnis- und ereignisreiche Spurensuche, die sie in der Hoffnung auf Antworten schließlich auch nach Brünn in dessen ehemalige Heimat führen wird. Gekonnt zeigt Benda auf, dass die unbewältigten Traumata des Vaters, seine Sprachlosigkeit und seltsamen Bewältigungsmechanismen auch fatale unmittelbare Auswirkungen auf ihr eigenes Leben haben und unwissentlich an sie weitergegeben wurden. Gekonnt veranschaulicht sie in verschiedenen Episoden sehr nachvollziehbar und vielschichtig die unterschiedliche Entwicklung ihrer Figuren und ihr individuelles Handeln. Der Autorin ist es hervorragend gelungen, aufzuzeigen, wie wichtig es für alle Beteiligten ist, das verhängnisvolle Schweigen zwischen den Generationen zu beenden und Emotionen zuzulassen, damit die durchlebten oder weitergegebenen Traumata endlich verarbeitet werden können.
Im interessanten Nachwort des Romans finden sich für alle Interessierten weitere historische Erläuterungen und Erklärungen zu ihrer eigenen Familiengeschichte, die als Grundlage zu diesem beeindruckenden Roman diente.

FAZIT
Ein sehr bewegender Roman über ein dunkles historisches Kapitel und eine berührende Familiengeschichte, die auf wahren Begebenheiten basiert. Sehr lesenswert und lehrreich!

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Veröffentlicht am 06.09.2022

Der Krieg endet nicht mit dem Vertrag

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Brünn im Mai 1945. Der Krieg ist zwar offiziell zu Ende, doch vom Frieden in der Stadt kann keine Rede sein, die angespannte Atmosphäre ist deutlich spürbar.
Paul, Marie und Pavel spielen gerne zusammen; ...

Brünn im Mai 1945. Der Krieg ist zwar offiziell zu Ende, doch vom Frieden in der Stadt kann keine Rede sein, die angespannte Atmosphäre ist deutlich spürbar.
Paul, Marie und Pavel spielen gerne zusammen; sie sind beste Freunde. Sowohl Paul wie auch Pavel würden gerne Marie heiraten; nur sie sind erst zwölf und Marie sechs. Seit neuestem müssen Paul und Marie eine weiße Armbinde mit dem N für Némec tragen, wenn sie nach draußen gehen. Und sie wohnen jetzt nicht mehr in ihrem alten schönen Haus, sondern in einer ihrer Familie zugeteilten Kellerwohnung. Auch für die Kinder ist es keine leichte Zeit, denn sie begreifen nicht, was die neue Lage mit sich bringt. Paul überlegt „wo genau er hingehört und ob er Sieger ist oder Verlierer“. (12)

Am 31. Mai 1945 wurde Pauls Familie aus Brünn vertrieben. Zusammen mit vielen anderen deutschstämmigen Familien wurden sie zu einem 60 Kilometer langen Marsch in Richtung Österreich gezwungen. Es waren alte Menschen, Frauen, Kinder und Kranke dabei; viele haben diesen Fußmarsch, ohne Essen und Wasser, nicht überlebt.

Während des ganzen Lebens ist Paul über die Erlebnisse von damals nicht hinweggekommen. Er schwieg und wollte nie über seine Vergangenheit sprechen. Erst nach seinem Tod versuchen Maria und Uli, Pauls zwei erwachsenen Kinder, das Rätsel um sein Schweigen zu lösen.

Über die Schilderung der Ereignisse in Brünn aus der Sicht des damals zwölfjährigen Paul musste ich immer wieder schmunzeln. Die Bilder des Todesmarsches unter den unmenschlichen Bedingungen konnte ich dagegen nur schwer ertragen. Schonungslos erzählt Susanne Benda über die dramatischen Ereignisse während des Todesmarsches, scheinbar emotionslos schildert sie seine Auswirkungen auf den minderjährigen Paul. Doch es ist von Anfang an klar, dass Paul, genauso wie viele anderen Vertriebenen, diesen Weg „sein Leben lang weitergegangen ist“ (162).

Die bewegenden Bilder dieser Geschichte, die auf wahren Tatsachen beruhen, gehen tief unter die Haut. Im Nachwort erklärt die Autorin die historischen Zusammenhänge und den genauen Verlauf der Vertreibung.

Der Debütroman von Susanne Benda ist somit ein literarisches Zeugnis des Verbrechens, dem viele Unschuldige zu Opfer gefallenen sind. Es ist ein wichtiges Buch, gerade jetzt, in der angespannten, unruhigen Zeit.

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Veröffentlicht am 10.08.2022

Späte Folgen

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Maria und Uli haben einen liebevollen Vater, aber immer wenn sie nach seiner Kindheit fragen, antwortet er: Dafür seid ihr noch zu klein, später. Es gibt kein Später. Er schweigt, erzählt nie ...

Maria und Uli haben einen liebevollen Vater, aber immer wenn sie nach seiner Kindheit fragen, antwortet er: Dafür seid ihr noch zu klein, später. Es gibt kein Später. Er schweigt, erzählt nie von seiner Kindheit in Tschechien. Von der Vertreibung nach Österreich. Die ältesten Fotos von ihm zeigen ihn als Studenten. Von der Zeit davor gibt es keine Belege. Für seine Kinder ist das Schweigen belastend, es begleitet sie ihr Leben lang. Es erschwert ihre Entscheidungen, auch sie reden wenig über Gefühle und Empfindungen. Ist das Schweigen erblich? Sind Kindheitstrauma auf die eigenen Kinder übertragbar?
Pschychologen bestätigen diese Fragen. Die Mechanismen die wir entwickeln wenn wir ein Trauma erleiden übertragen sich auf unsere Nachkommen. Sie kopieren Verhaltensweisen obwohl sie dem Trauma nie ausgesetzt waren.
Die Autorin erzählt in Bildern von diesen Reaktionen. Melancholische, fast schon traurige Bilder. Sie sind überzeugend, genau wie die Reaktionen des Umfelds von Paul dem Vater. Seine Frau liebt ihn, betrachtet ihn aber auch als ihre Aufgabe. Seine Kinder lieben ihn, haben aber Abstand zu ihm. Wenn er sich auf einmal zurück zieht in seine eigene Welt, spricht eine Tante von "Flüchtlingsaugen".
Diese Bilder öffnen einen Zugang zu den möglichen Gedanken der Betroffenen. Die phantasievolle Darstellung vermittelt einen Eindruck wie die Last weiter gegeben wird.
Als die erwachsenen Kinder sich auf eine Reise in die Vergangenheit begeben, treffen sie auf Zeitzeugen und erfahren dadurch endlich etwas von dem Schicksal ihres Vaters und sie können daraus Rückschlüsse auf sich selbst ziehen.
Die Figuren schweigen in dem Buch, die Bilder von der Autorin reden.
Es ist ein nachhaltiges Buch über ein wichtiges Thema.

Veröffentlicht am 04.08.2022

das Schweigen durchbrechen

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Der 12-jährige Paul wurde mit seiner Familie nach Kriegsende aus Brünn vertrieben. Aus seiner Familie überlebt er diesen Todesmarsch als Einziger und es gelingt ihm nicht über dieses Traumata mit seiner ...

Der 12-jährige Paul wurde mit seiner Familie nach Kriegsende aus Brünn vertrieben. Aus seiner Familie überlebt er diesen Todesmarsch als Einziger und es gelingt ihm nicht über dieses Traumata mit seiner späteren Frau und seinen Kindern zu sprechen. Nach seinem Tod machen sich seine Kinder auf eine Spurensuche und treffen dabei auf einen Zeitzeugen.

Die Autorin setzt sich in diesem Roman mit der Vergangenheit ihrer eigenen Familie auseinander. Ihr Schreibstil ist flüssig und sehr emotional. Der Roman spielt auf 3 Zeitebenen. Da ist zuerst die Zeit des Brünner Todesmarsches 1945 als sich die Täter-und Opferrolle umdreht. Dann die Gründung einer eigenen Familie mit Christa und den Kinder Maria und Uli. Und dann die Gegenwart in der Maria und Uli Antworten auf oft gestellte Fragen suchen.

Der Roman ist gut strukturiert und der Sprachgebrauch ist sehr tiefgründig. Der Leser erkennt schnell, das Pauls nie ausgesprochene Kriegstraumata auch seine Frau und seine Kinder belasten. Keiner kann es so richtig greifen, aber die Schatten der Vergangenheit sind allgegenwärtig. Eine zufällige Begegnung auf ihrer Reise in die Vergangenheit läßt Maria und Uli vieles besser verstehen.

Diese Verknüpfung von historischen Tatsachen mit fiktiven Personen und Handlungen hat mich tief beeindruckt und läßt Geschichte und ihre Auswirkungen lebendig werden.

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Veröffentlicht am 27.07.2022

Diese Reise nach Brünn, Tschechien, ist eine Spurensuche nach der Kriegsvergangenheit – bewegend!

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Die längst erwachsenen Kinder des bereits verstorbenen Paul Lustig machen eine für sie wichtige Reise nach Brünn, wo ihr Vater bis zum 12. Lebensjahr aufwuchs. Sie fragen sich: Kann man vorwärtskommen, ...

Die längst erwachsenen Kinder des bereits verstorbenen Paul Lustig machen eine für sie wichtige Reise nach Brünn, wo ihr Vater bis zum 12. Lebensjahr aufwuchs. Sie fragen sich: Kann man vorwärtskommen, indem man zurückgeht in diese wohl beklemmenden Orte der Vergangenheit? Könnte es eine Reise zur eigenen Vergangenheitsbewältigung und traurigen Sinnsuche mit privaten Orientierungsproblemen und schlechtem Gewissen für Maria und Uli selbst werden?
Geschichtlich belegt ist der Brünner Todesmarsch vom 12. Mai 1945 von 27.000 deutschstämmigen Bewohnern dieser Stadt bis an die österreichische Grenze, ohne Verpflegung, eine sehr wilde Vertreibung. Paul überlebt und kommt mit 14 Jahren in Wien bei seiner Tante an nach dem Verlust seiner Großeltern und auch seiner Mutter. Ihm ist es nicht möglich, über die in ihm fortlebenden traumatischen Zustände zu sprechen oder zu schreiben, denn er möchte sie verdrängen, vergessen und verharrt dafür lieber in tiefer Traurigkeit und Einsamkeit. Seine erwachsenen Kinder fragen sich nach seiner Beerdigung nun: Wer war ihr Vater? Konnte oder wollte er nichts über sein junges Leben erzählen, ohne dass alte Wunden aufbrechen, die scheinbar nie heilen können.
Besonders der Schluss mit Pavel hat mich sehr berührt. Ich bewundere den besonders einfühlsamen Schreibstil der Autorin.

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