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Veröffentlicht am 15.09.2016

Spurensuche

Wer ist Mr Satoshi?
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Foss hat es nicht leicht: seine Frau ist vor einiger Zeit gestorben, er leidet sehr darunter und hat so einige psychische Probleme entwickelt. Dazu kommt noch die Demenz seiner Mutter, die immer bedrohlichere ...

Foss hat es nicht leicht: seine Frau ist vor einiger Zeit gestorben, er leidet sehr darunter und hat so einige psychische Probleme entwickelt. Dazu kommt noch die Demenz seiner Mutter, die immer bedrohlichere Züge annimmt. Angesichts ihrer Verwirrtheit nimmt er sie zunächst nicht ernst als sie ein Päckchen an einen gewissen Mr. Satoshi schicken möchte. Könnte ja nur ein Hirngespinst sein. Doch eine alte Freundin bestätigt Satoshis Existenz. Foss lässt sich langsam aber sicher aus seinem Tran reißen und begibt sich auf Spurensuche.
Jonathan Lee hat mich mit seinem Buch völlig eingefangen. Diese subtile Charakterzeichnung und der verquere, aber sympathische Foss haben es mir angetan. Schnell wird man in die Geschichte gezogen, bei der die Frage nach Satoshi manchmal in den Hintergrund rückt. Viel wichtiger erscheint dem Leser die Frage ob und wie Foss wieder Boden unter den Füßen finden wird. Sehr quirlige und liebenswerte Hilfe bekommt er da von ganz unverhoffter Seite, über die ich jetzt gar nicht so viel verraten möchte. An sich ist die Handlung gar nicht so wahnsinnig spektakulär gestrickt, aber weniger ist eben manchmal wirklich mehr.
Besonders hervorheben möchte ich die sprachliche Gestaltung des Romans; selten habe ich ein Buch gelesen, das so leise, poetisch und elegant geschrieben ist ohne verblümt oder abgehoben zu wirken. Das Lob gilt natürlich auch der Übersetzerin, die hier hervorragende Arbeit geleistet hat. Es gibt so einige Passagen, die mir tief unter die Haut gingen und viele Formulierungen, die durch ihre klare Schönheit bestechen.

Fazit: Berührend, einfühlsam und tiefgründig. Lesen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Grandioser Krimigenuss für Fans der düsteren Atmosphäre

Gun Street Girl
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Belfast, mitten in den 80ern. Als wäre Sean Duffy mit den immer wieder aufflackernden Unruhen und Aufständen nicht schon genug unter Stress, als wäre der Status als katholischer Bulle nicht schon brisant ...

Belfast, mitten in den 80ern. Als wäre Sean Duffy mit den immer wieder aufflackernden Unruhen und Aufständen nicht schon genug unter Stress, als wäre der Status als katholischer Bulle nicht schon brisant genug, führt ihn ein Doppelmord in ganz ungeahnte Tiefen. Ein Ehepaar wurde vor dem heimischen TV eiskalt erschossen. Der zunächst glasklare Fall verzettelt sich mehr und mehr…
Knappe anderthalb Jahre sind seit den Geschehnissen vom vorherigen Band vergangen und doch hat sich für Irland im Allgemeinen und Duffy im Speziellen nicht viel geändert. Auf den ersten Blick zumindest. Mit einer subtilen Leichtigkeit erzählt McKinty von den politischen Entwicklungen dieser Zeit, von den gesellschaftlichen Umbrüchen und Veränderungen und damit meine ich jetzt nicht nur den veränderten Musikgeschmack ; )
Ich mag Duffy einfach, sein staubtrockener Humor und Sarkasmus, seine Liebe zu guter Musik & Literatur machen ihn sympathisch, ebenso seine Fehler und Schwächen, die ihn so schön menschlich machen. Man merkt ihm an, dass er so langsam aber sicher irgendwie den Boden unter den Füßen verliert und drückt ihm fest die Daumen, dass er die Kurve bekommt. Dieses Mitfiebern nicht nur für die Entwicklung des Falles, sondern eben auch für die Entwicklung der Protagonisten macht dieses Buch zu einem wahren Pageturner. McKintys Talent für düstere, raue Atmosphäre versetzt den Leser in die richtige Stimmung für die Story, seine z.T. geradezu poetische Ausdrucksweise (danke natürlich auch an den Übersetzer), ließen mich so schnell nicht wieder los. Irgendwo habe ich munkeln hören, dies solle der letzte Band mit Duffy sein. Wenn ja, hat der Autor der Reihe mit einem fulminanten Ausrufezeichen ein Ende gesetzt. Wegen mir darf er gerne noch weitere Bände nachschieben.

Fazit: einfach ein tolles Buch. Lesen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Violin

Die Larve
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Oslo wird Schauplatz eines Machtkampfes im Drogenmilieu, die neue Droge Violin bringt zusätzlichen Zündstoff. Da sollte ein weiterer toter Dealer doch eigentlich nicht weiter ins Gewicht fallen? Mitnichten, ...

Oslo wird Schauplatz eines Machtkampfes im Drogenmilieu, die neue Droge Violin bringt zusätzlichen Zündstoff. Da sollte ein weiterer toter Dealer doch eigentlich nicht weiter ins Gewicht fallen? Mitnichten, denn der Tatverdächtige ist ausgerechnet Oleg Fauke, Harry Holes Ziehsohn. Harry hat sein Leben in Norwegen eigentlich hinter sich gelassen, doch hier muss er einschreiten und mit allen Mitteln kämpfen.

Drei Jahre sind seit den Geschehnissen aus „Leopard“ vergangen, drei Jahre, die Hole zu seinem Besten genutzt hat. In Hongkong hat er ein neues Leben aufgebaut, hat den Alkohol endlich im Griff. Er ist also quasi in Bestform, als er den wahrscheinlich schwierigsten Fall seines Lebens aufnimmt. Die braucht er auch, denn Nesbo lässt seinem unkonventionellen Ermittler kaum Luft zum Atmen. Die Geschichte ist sehr schnell geschrieben, zudem sorgen Einwürfe des Mordopfers für zusätzliche Spannung, weswegen ich das Buch auch nur schwer zur Seite legen konnte. Wer schon Bücher des Autors gelesen hat, der weiß, dass zwar nicht unnötig Blut vergossen wird, aber für manche Szenen durchaus ein starker Magen gebraucht wird. Die Thematik des Drogenmissbrauchs hat Nesbo natürlich nicht neu erfunden, trotzdem ging sie mir diesmal erstaunlich nahe. Nicht zuletzt, weil man ja weiß, dass Hole suchtgefährdet ist und er somit immer mit einem Bein über dem Abgrund schwebt. Apropos Schwebe, in der lässt der Autor den Leser hängen. Mit einem Cliffhanger vom Feinsten. Zum Glück liegt hier der Folgeband „Koma“ schon bereit.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Geschichtsstunde mit Frau Gablé

Das Haupt der Welt
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„Er wusste es war ein Abschied für immer. Früher oder später würde sein Vater den erzwungenen Frieden mit dem Sachsenkönig brechen; kein Fürst konnte es sich auf Dauer erlauben, sich unterjochen zu lassen. ...

„Er wusste es war ein Abschied für immer. Früher oder später würde sein Vater den erzwungenen Frieden mit dem Sachsenkönig brechen; kein Fürst konnte es sich auf Dauer erlauben, sich unterjochen zu lassen. Die Sorge um das Wohlergehen seines Sohnes würde ihn nicht abhalten.“

929 n. Chr. Beim Fall der Brandenburg werden Hevellerprinz Tugomir und seine Schwester Dragomira von den siegreichen Sachsen unter König Heinrich gefangengenommen und als Geißel zur Sicherung des Friedens verschleppt. Während Dragomira sich recht schnell mit ihrem Schicksal abfinden kann, bleibt Tugomir zerrissen und ungewiss über seine Zukunft. Erst als er sich im Laufe der Jahre auf seine Fähigkeiten als Heiler berufen kann, findet er langsam einen Platz im Leben. Seine Gefangenschaft wird immer mehr in den Hintergrund gedrängt, wird er doch von den Prinzen Thankmar und Otto gar als Freund und Vertrauter angesehen. Prinz Otto, der als König Otto der Große in die Geschichte eingehen soll. Auch genannt Totius caput mundi, das Haupt der ganzen Welt…

Mit Das Haupt der Welt lässt Rebecca Gablé das erste Mal ein Stück deutscher Geschichte lebendig werden und für mich ist das Konzept voll aufgegangen. Obwohl die geschichtlichen Ereignisse zu dieser Zeit sehr turbulent und teilweise verwirrend sind, schafft sie es, dass der Leser die politischen Hintergründe durchschaut und den Überblick über das Wirrwarr der Völker behalten kann, die irgendwann einmal Deutschland bilden sollen.

Zeichnen sich ihre Bücher immer durch große historische Genauigkeit aus, geht die Autorin mit diesem Buch noch einen Schritt weiter: auch die Hauptfiguren sind historische Persönlichkeiten. Und doch gelingt es ihr die Figuren genauso griffig, detailliert und liebevoll zu zeichnen, wie man es von ihren fiktiven Protagonisten wie den Waringhams gewohnt ist.

Der Schreibstil ist gewohnt informativ und fesselnd zugleich, die Dialoge mit teilweise wunderbar trockenem Humor gespickt. Die Erzählperspektive wechselt v.a. zwischen Tugomir, Dragomira und Otto. So lernt man das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln kennen und kann sich noch besser einfinden. Bedingt durch Tugomirs Beruf als Heiler lernt man in diesem Buch so Einiges über die damaligen Heilmethoden. Das fand ich sehr interessant, manche dieser Methoden wurden fast bis in die heutige Zeit ähnlich angewandt.

Vielen Dank an Bastei Lübbe, dass ich das Buch vorab lesen durfte! Mir hat dieses Buch wieder ausnehmend gut gefallen, sodass ich mit Freude die Maximalpunktzahl vergebe. Zu einer Fortsetzung würde ich nicht Nein sagen.

Veröffentlicht am 17.11.2024

Mitreißender Historienthriller

Frevel
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Zeitungsschreiber Johann steht trotz seines schwachen Magens oft in erster Reihe, wenn in Frankfurt Grausames geschieht: Hinrichtungen, Aufstände, ja sogar an Mordschauplätzen ist er vorne mit dabei. Eine ...

Zeitungsschreiber Johann steht trotz seines schwachen Magens oft in erster Reihe, wenn in Frankfurt Grausames geschieht: Hinrichtungen, Aufstände, ja sogar an Mordschauplätzen ist er vorne mit dabei. Eine regelrecht ausgeweidete Frau erhitzt die Gemüter der Frankfurter Bürger, ein Schuldiger ist nicht in Sicht; dafür werden schnell vorgeschobene Sündenböcke gefunden, in der Judengasse nämlich. Arzt Theophil Pontus will Licht in den Fall bringen, ebenso dessen Tochter Manon; die hat als Frauenzimmer eigentlich nicht viel zu sagen, weiß sich aber trotzdem mit klugem Kopf durchzusetzen.
Nora Kain versetzt den Leser mit Leichtigkeit ins Jahr 1800; Gesellschaftsbild, Sozialgefüge und Gedankengut werden wieder lebendig, auch das Stadtbild selbst hat man schnell vor Augen. Gerade der ganz alltägliche Umgang mit Menschen jüdischen Glaubens, aber auch mit Frauen im Allgemeinen lässt einen als Leser schon mal stocken. Willkür, Verachtung und jede Menge Vorurteile sind an der Tagesordnung. Mittendrin Manon, die ihrer Zeit weit voraus scheint, sich aber auch mal den Konventionen beugen muss; zähneknirschend, denn sich unterzuordnen liegt ihr nun wahrlich nicht. Ich mochte ihre Figur sehr gerne, nicht zuletzt deswegen, weil sie die Wahrheit herausfinden will, ohne selbst einen Vorteil daraus zu ziehen. Johann ist ein guter Gegenpol, auch wenn er nicht immer gegen Manon ankommt. Einige weitere Figuren bleiben z.T. etwas blass und auf ihre Funktion für die Handlung reduziert, das hat aber den Lesegenuss nicht merklich geschmälert.
Die Autorin schildert auch grausame Szenen sehr präzise, das muss man als Leser vertragen können. Ich fand auch die medizinischen Details sehr interessant, ebenso Ausschnitte aus Theophils Obduktionsunterlagen. Der Erzählstil an sich ist sehr flüssig, Spannung wird sukzessive aufgebaut, temporeiche Szenen beleben die Handlung zusätzlich, und so entwickelt sich der Thriller schnell zu einem fesselnden Pageturner. Mir hat Frevel richtig gut gefallen. Die Mischung zwischen Historie, medizinischen Hintergründen und dem spannenden Fall selbst ging für mich voll auf. Klare Leseempfehlung!

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