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Eight_butterflies

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.10.2022

Berührend, tragisch, fesselnd

Feldpost
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Wo Mechtild Borrman drauf steht, ist immer auch Mechtild Borrmann drin. Wieder legt sie ein fulminantes Werk vor, das mich vom ersten Kapitel an bindet. Auch dieses Buch „Feldpost“, dessen Cover wunderbar ...

Wo Mechtild Borrman drauf steht, ist immer auch Mechtild Borrmann drin. Wieder legt sie ein fulminantes Werk vor, das mich vom ersten Kapitel an bindet. Auch dieses Buch „Feldpost“, dessen Cover wunderbar ausdrückt, was die Leserinnen und Leser erwartet, hat mich in den Bann gezogen und in einem Ritt lesen lassen bis zum letzten Satz, der einen so wendungsreichen Plot auf eine Weise abschließt, dass er noch lange nachhallt.
Die Geschichte beginnt zunächst ein wenig unauthentisch. Cara Russo ist Anwältin und erhält auf mysteriöse Weise von einer Unbekannten in einem Café eine Sammlung von sehr alten Briefen, Feldpost. Sie begibt sich auf Spurensuche in der Gegenwart, was nicht ganz zur vollständigen Aufklärung der Zeitebene von 1935 bis 1945 führt. Borrmann erzählt aber auf dieser Vergangenheitsebene eine komplette Geschichte, die authentisch, aufregend, spannend und schmerzhaft ist und die Ebene der Gegenwart rund um Cara und das Jahr 2000 fabelhaft ergänzt. Der Plot lebt von den auslösenden Emotionen, dem Mitgefühl und der tief sitzenden Tragik der Ereignisse im Nazionalsozialismus. Es geht um Vertreibung, Flucht, Exil, die Verfolgung Homosexueller, Enteignung, Familienzusammenhalt, Freundschaft, Verrat und Abhängigkeiten, aber vor allem um eine große Liebe. Es gelingt der Autorin in einem flüssigen Schreibstil und durch den geschickten Aufbau der glaubwürdigen Handlung Sympathien und Antipathien aufzubauen, die nicht nur schwarz und weiß malen, sondern in die Abgründe und Höhenflüge des Menschseins entführen, so wie es die Zeit des Nazionalsozialismus vermutlich hervorgebracht hat. Gekonnt wird dies im historischen Kontext platziert, gut recherchiert und glaubhaft dargestellt.
Nach jedem Buch von Mechtild Borrmann denke ich, jetzt ist dieser Stil und sind ihre Geschichten doch aber auserzählt. Und dann kommt ein neues Stück, wieder so faszinierend und mitreißend. Immer wieder gerne Mechtild Borrmann.

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Veröffentlicht am 07.10.2022

Familienrecherche aufgrund geerbter Wut

Verbrenn all meine Briefe
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Alex Schulmann kann es. Er kann typisch skandinavisch und wie schon in „Die Überlebenden“ in klaren, schnörkellosen Worten eine beklemmende Erzählung zeichnen. Ich konnte nicht aufhören zu lesen - schnell ...

Alex Schulmann kann es. Er kann typisch skandinavisch und wie schon in „Die Überlebenden“ in klaren, schnörkellosen Worten eine beklemmende Erzählung zeichnen. Ich konnte nicht aufhören zu lesen - schnell verflogen die 300 Seiten - trotz der Erwartung Schlimmerens, die zunehmend erfüllt wurde. Zum Teil traf mich schwelender Schmerz beim Lesen, bittere Resonanz in meinem Empathiezentrum und Betroffenheit beim Zusehen vor meinem geistigen Auge.
Auf der Basis existierender Personen und Begebenheiten, anhand von Briefen und Tagebüchern recherchiert, spinnt der Roman eine realbasierte Fiktion. Auf drei Zeitebenen, 1932, 1988 und in der Gegenwart baut die Geschichte Erklärungen für das ungewöhnliche Emotionsleben des Protagonisten Alex, denn er ist unberechenbar, jähzornig und angsteinflößend. Ausgehend vom Satz seiner Frau: „Ich weiß nicht, wie oft ich das noch ertragen kann.“ macht er sich auf die Spurensuche in der Vergangenheit und wird bei seinem Großvater fündig. Aus einer tiefgehenden Affäre der Oma, auf die der Großvater mit destruktiver Eifersucht reagiert, spinnt sich ein Meer negativer Emotionen. „Desillusion, Narzissmus und Einsamkeit. Ein schwerkranker Mensch mit Wahnvorstellungen, die ihn für alle, die ihm nahekamen, gefährlich machten.“, so resümiert Alex. Der „episch folgerichtige Hass“ des Opas zieht sich durch die Zeitebenen, denn der Großvater „verankert nicht in seiner Wut, sondern treibt hilflos mit ihr durch die Jahrzehnte“ und vergiftet damit nachfolgende Generationen.
Ich gebe eine klare Leseempfehlung für dieses schwedische Highlight.

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Veröffentlicht am 21.09.2022

Einfache und pragmatische Hilfe, die einen teuren Coach ersparen kann

Stachlige Eltern und Schwiegereltern
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Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt bereits auf: Hier geht es um nahezu alle belastenden Verhaltensweisen von (Schwieger-)Eltern gegenüber ihren Kindern. Abwertung, Blendung, Bestrafung, Vermeidung, ...

Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt bereits auf: Hier geht es um nahezu alle belastenden Verhaltensweisen von (Schwieger-)Eltern gegenüber ihren Kindern. Abwertung, Blendung, Bestrafung, Vermeidung, Grenzüberschreitung, Einschüchterung etc. Das Buch trägt somit dazu bei, unangenehme und belastende Verhaltensweisen von (Schwieger-)Eltern zu kategorisieren und Betroffenen Lösungsansätze aufzubereiten. Dazu führt Jörg Berger zu jeder Kategorie von Umgangsproblemen mögliche und aufklärende Ursachen auf, benennt Auswege und gibt auch verständliche und passende, vorformulierte, beispielhafte Formulierungen vor, die so in etwa gut gesagt werden können. Oft ändert sich nach solchen Aussagen, Verhaltensänderungen oder Kontrapunkten bereits etwas an der Beziehung und entlastet die Betroffenen. Berger denkt auch mit, wie ausgeprägt die jeweilige Eltern-Kind-Problematik ist und welche Grenzen die einzelnen Betroffenen möglicherweise ziehen sollten. Abschnitte über Bezüge zur christlichen Ideologie sind gekennzeichnet und ich habe sie als Ergänzung meines Wissenshorizontes gelesen, als Bereicherung empfunden. Man kann sie aber getrost überblättern. Die Einlassungen Bergers könnten, genauso wie das Buch sie präsentiert, die Ergebnisse von Coachingsitzungen sein, die sofort umgesetzt werden könnten. Allein die zum Teil auch sehr komplexen Situationen in Familien zu analysieren und individuelle Besonderheiten und Befindlichkeiten zu beachten, kann der Autor selbstverständlich nicht bearbeiten und somit in tiefgehenden oder umfangreichen Problemlagen den Coach oder Therapeuten nicht ersetzen. Überall da, wo eine sachliche Einsicht aus dem Konflikt mit den (Schwieger-)Eltern führen kann, setzen die Ausführungen an.
Auffällig ist in diesem Buch die Wertschätzung, die der Autor trotz aller Stachligkeit den (Schwieger-)Eltern entgegen bringt, wobei aber zugleich auch eine große Empathie für die betroffenen (Schwieger-)Kinder ausgestrahlt wird. Damit trägt das Buch zum Brücken Bauen in Familien bei, wo noch Fundamente sind. Es regt auch (Schwieger-)Eltern an, über ihre Umgangsformen mit den Kindern zu reflektieren und zu prüfen, welche Holzwege sie besser vermeiden möchten. Das Buch gibt eine für Laien klare und übersichtliche, wenn auch nicht tiefgehende Orientierung für schwierige Eltern-Kind-Beziehungen. Eine klare Leseempfehlung prophylaktisch für alle Familien und therapeutisch für alle Leidenden.

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Veröffentlicht am 04.09.2022

Ein grandioses Ausnahmebuch!

Der Gesang der Flusskrebse
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Ich habe das Buch nun zweimal gelesen und komme immer wieder zum selben Schluss. Ich habe seit langem, ach seit Ewigkeiten, nichts besseres gelesen als diese Geschichte. Es geht scheinbar um eine Tötung, ...

Ich habe das Buch nun zweimal gelesen und komme immer wieder zum selben Schluss. Ich habe seit langem, ach seit Ewigkeiten, nichts besseres gelesen als diese Geschichte. Es geht scheinbar um eine Tötung, einen vermeintlichen Mord. Aber eigentlich geht es um das Leben von Kya, dem sogenannten Marschmädchen, um ihre Ausgrenzung, ihre Form des Andersseins. Es geht um Liebe, gesellschaftliche Klassenunterschiede, Diskriminierung, Vorurteile. Es geht um eine herrliche Natur, zu der sich Kya verbunden fühlt, die sie liebt und lebt. Weil sie musste und weil sie es kann. Durch den gekonnten, nüchtern und zugleich sehr feinfühlig beschreibenden Erzählstil gelingt es Delia Owens, in mir eine große Sympathie für Kya zu entfachen, die mich von Anfang an um dieses Kind bangen lässt. Ich hoffe auf Toleranz für Kya, ich wünsche ihr Anerkennung und Respekt, Glück und Frieden für ihre Seele. Dieses Buch lässt meine Tränen nicht trocken, macht mein Herz warm. Ein Plädoyer für Großherzigkeit, Mitgefühl und Toleranz für alle Menschen, egal wie fremd sie scheinbar wirken.

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Veröffentlicht am 28.08.2022

Spannende und authentische Lebensgeschichte - typisch Allende

Dieser weite Weg
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Isabel Allende erzählt in ihrem berührenden, klaren Erzählstil eine authentische Geschichte über Flucht, Exil, Liebe, Ankommen, Familienbande und Menschlichkeit; eingebettet in den historischen Kontext ...

Isabel Allende erzählt in ihrem berührenden, klaren Erzählstil eine authentische Geschichte über Flucht, Exil, Liebe, Ankommen, Familienbande und Menschlichkeit; eingebettet in den historischen Kontext von 1938 bis 1994 in Spanien, Chile und Venezuela. Die Leser*innen erleben die Kriegswirren von Franco, den System-Change von Allende zu Pinochet und den Weg Chiles zur Demokratie, welche engen Einfluss auf das Leben des Arztes Victor, der Pianistin Roser und anderer Familienmitglieder haben. Berührt wird deren Weg von Salvador Allende und Pablo Neruda, die ganz glaubhaft in die Story verwoben sind.
Der Roman hat auch autobiographische Züge und ist damit ein Dokument zeitgenössischer Literatur auf dem südamerikanischen Kontinent, ganz so wie man es von Isabel Allende kennt. Ein Buch zum fesseln Lassen, zum Eintauchen und Miterleben.

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