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Venatrix

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Veröffentlicht am 04.09.2022

Ein gelungener Reihenauftakt

Fräulein vom Amt – Die Nachricht des Mörders
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Dieser Krimi entführt uns in das Jahr 1922 nach Baden-Baden. Es ist eine Zeit des Umbruchs. Das Kaiserreich perdu, auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen wie die Großmutter von Protagonistin Alma Täuber. ...

Dieser Krimi entführt uns in das Jahr 1922 nach Baden-Baden. Es ist eine Zeit des Umbruchs. Das Kaiserreich perdu, auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen wie die Großmutter von Protagonistin Alma Täuber. Die Folgen des Großen Krieges, wie man der Ersten Weltkrieg damals nannte, deutlich spürbar. Die Weimarer Republik ist in großen Nöten, wurden doch mehrere Politiker wie Erzberger und Rathenau ermordet. Das ist das historische Umfeld dieses Buches.

Worum geht’s?

Alma Täuber, Telefonfräulein aus Leidenschaft, hört während ihre Schicht eine extrem unangenehme Stimme von „einem erledigten Auftrag“ und von den „Kollonaden“ erzählen. Diese Gesprächsfetzen bekommen eine Bedeutung als sie am nächsten Tag von einer ermordeten Frau nächst den Kollonaden in der Zeitung liest. Ihr messerscharfer Verstand zählt eins und eins zusammen - sie hat ein Gespräch des Mörders vermittelt.

Ihre Beobachtung wird von der Kriminalpolizei skeptisch aufgenommen. Man will den Fall schnell abschließen, denn die Tote sei ja bloß eine Bordsteinschwalbe. Nur der Kriminalkommissaranwärter Ludwig Schiller schenkt ihr Glauben. Er ist von Alma fasziniert und überschreitet ihretwegen seine Kompetenzen.

Gemeinsam beginnen sie zu ermitteln. Der Mord an der vermeintlichen Prostituierten entpuppt sich als komplexer Fall, der weite Kreise zieht.

Meine Meinung:

Hinter dem Autorinnennamen Charlotte Blum stecken die Autorinnen Dorothea Böhme und Regine Bott. Beide haben unkonventionelle Großmütter, deren Leben die Idee zu diesem Buch lieferten. Regine Botts Großmutter war ein „Fräulein vom Amt“.

Der Krimi lässt sich leicht und locker lesen. Neben der eigentlichen Krimihandlung erfahren wir einiges über das Frauenbild von damals.

Die Charaktere wie Alma, Emmi, Ludwig oder ALmas Cousin sind liebevoll gestaltet. Man kann sich den ernsthaften Ludwig und den Medizinstudenten Walter sehr gut vorstellen.

Alma Täuber, die sich eine winzige Mansardenwohnung mit der Floristin Emmi Wolke teilt, ist eine patente junge Frau. Sie hilft im Telegraphenamt ihren Kolleginnen und muss sich dem „Drachen“ (= der Schichtleiterin) als auch dem „Zerberus“ (=der Vermieterin) gegenüber behaupten. Das macht sie mit Schalk und Chuzpe, bleibt aber bodenständig.

Fazit:

Ein gelungener Auftakt zu einer neuen Reihe, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 03.09.2022

Fesselnd bis zur letzten Seite

Die Toten von Cork
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Kriminalkommissar Markus Felchlin macht mit seinen Kindern und seiner allein erziehenden Kollegin Urlaub im Süden Irlands. Es scheint, als wären die Urlauber in dem alten Cottage nicht erwünscht. Eine ...

Kriminalkommissar Markus Felchlin macht mit seinen Kindern und seiner allein erziehenden Kollegin Urlaub im Süden Irlands. Es scheint, als wären die Urlauber in dem alten Cottage nicht erwünscht. Eine verstopfte Toilette, Drohungen und ein blutigen Schafskopf trüben den auf der grünen Insel.

Dann taucht ein verwahrlost wirkendes Mädchen namens Deirdre auf, die niemandem abzugehen scheint, aber einen Bärenhunger hat. Als die Urlauber das Mädchen wenig später mit ihrer Mutter bei einem Supermarkt entdecken, folgt Markus heimlich dem Auto.

Das sind jedoch nicht die einzigen seltsamen Beobachtungen, die bei Markus die Alarmglocken schrillen lassen.

Einmal Polizist, immer Polizist - getreu diesem Motto meldet Markus die Vorfälle bei der Garda, wo man ihn vorerst abwimmelt.

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist mein erster von der Schweizer Autorin Gerlinde Michel. Sie packt in diesem fesselnden Krimi gleich mehrere heiße Eisen an, über die ich jetzt nicht schreiben werde (Spoilergefahr).

Ein kleines bisschen stört mich, dass Markus‘ Kollegin zur Statistin degradiert ist und fast gar nichts zu den Ermittlungen beitragen darf. Da wurde Potenzial verschenkt.

Der Schreibstil gefällt mir sehr gut, ist er doch im Präsens gehalten und besticht durch kurze schnörkellose Sätze. Die Leser können daher die Ereignisse quasi „live“ miterleben.

Ein interessantes Stilmittel ist auch, dass Markus Felchlin fast durchgehend nur mit seinem Nachnamen genannt wird. Will sie hier den Urlauber Markus vom Kommissar trennen? Jedenfalls, geschickt gemacht.

Fazit:

Ein gelungener Krimi, der nur wenig Urlaubsidylle aufkommen lässt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 03.09.2022

Fesselnd bis zur letzten Seite

Erdenkinder
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„Erdenkinder“ ist erste Fall für die Polizistin Christina Kayserling aus dem oberösterreichischen Steyr. Obwohl mit Wilhelm, einem wohlhabenden Geschäftsmann, verheiratet, hat sie Freude am Beruf. Natürlich ...

„Erdenkinder“ ist erste Fall für die Polizistin Christina Kayserling aus dem oberösterreichischen Steyr. Obwohl mit Wilhelm, einem wohlhabenden Geschäftsmann, verheiratet, hat sie Freude am Beruf. Natürlich hat sie es als Kriminalbeamtin mit Mord und Totschlag zu tun, was sie manchmal an ihrer Tätigkeit zweifeln lässt.

In ihrem ersten Fall muss sie den Giftmord an Josef Lehner aufklären. Der wohlhabende Bauer hat, zum Unwillen seiner bereits erwachsenen Söhne, einen Teil seiner Flächen den „Erdenkindern“, einer Öko-Kommune, überlassen. Der harte Kern von rund fünfzig Personen lebt in Jurten und ausschließlich von selbst angebauten Feldfrüchten und selbst hergestellter Kleidung. Diese Menschen leben im Einklang mit der Natur und haben dem Konsum abgeschworen.

Gemeinsam mit dem patenten Landpolizisten Raimund Brandstätter begibt sie sich auf Spurensuche. Dabei wird es ihr nicht wirklich leicht gemacht. Und dann verschwindet noch einer der Öko-Jünger ...

Kurz bevor das Landeskriminalamt den Fall übernimmt, finden die beiden das Ende des Fadens und dröseln das verstrickte Knäuel aus Missgunst, Neid, Hass und Familienzwist auf.

Meine Meinung:

Ich finde diesen ersten Krimi rund um Christina Kayserling ausgezeichnet. Er hebt sich vor allem dadurch von den zahlreichen anderen Kriminalroman ab, dass seine Ermittler ganz normale, ja fast schon stinknormale, Bürger sind.

Interessant sind die Einblicke in die ökologische Permafrost-Landwirtschaft. Die ist mir in groben Zügen bekannt, aber vielen Details waren mir bislang nicht so geläufig. Den Oberösterreichern sagt man nach, dass sie ziemliche Sturschädel seien. Nun ja, einigen davon begegnen wir hier.

Gut gefällt mir die Figur des Robert Wieser, einem Techniker, der sein bisheriges unbefriedigendes Leben hinter sich lässt, und bei den Erdenkindern eine neu Zukunft finden wird.

Das Thema Ressourcenverschwendung, Kraftwerksbau, der miese Umgang mit der Natur und die industrielle Nahrungsmittelerzeugung passen hervorragend in die aktuelle (welt)politische Lage. Dabei ist der Krimi bereits vor einigen Jahren erschienen und nun vom Gmeiner-Verlag neu aufgelegt worden.

Das Spannungsfeld zwischen Öko-Freaks und Hochverbrauch ist sehr gut beschrieben. Mir persönlich ist Extremismus in jede Richtung ein Gräuel.

Wie ich es von Günter Neuwirth gewohnt bin, zeichnet sich auch dieser Krimi durch gute Recherche vor Ort in Steyr sowie eine angenehme Sprache aus. Hin und wieder darf auch ein wenig Humor aufblitzen. Ich freue mich schon auf die anderen Fälle mit Christina Kayserling.

Fazit:

Ein gelungener Oberösterreich-Krimi, der sich von vielen anderen durch seine Ermittler und die angenehme Sprache abhebt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 29.08.2022

Aller Neuanfang ist schwer

Töchter der Speicherstadt – Das Versprechen von Glück
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Der Zweite Weltkrieg ist vorbei und Hamburg muss sich und seinen Überseehandel erst mühsam wiederaufbauen. Da werden Fleete mit dem Bombenschutt zugeschüttet und die Speicherstadt errichtet. Nach wie vor ...

Der Zweite Weltkrieg ist vorbei und Hamburg muss sich und seinen Überseehandel erst mühsam wiederaufbauen. Da werden Fleete mit dem Bombenschutt zugeschüttet und die Speicherstadt errichtet. Nach wie vor halten die alten Männer die Zügel des Kaffeebusiness fest in der Hand.

Cläres Tochter Anna darf ihren Neigungen, Kunst zu studieren nicht nachgeben. Als sie Hansi, einen begabten Musiker kennenlernt, scheint sie zu rebellieren. Doch dann geht sie den Weg des geringsten Widerstandes und heiratet Jost, einen Kaufmannsohns. Cläre ist von ihrem Schwiegersohn nicht restlos überzeugt und gibt ihm keine Prokura. Das unterschwellige Unbehagen bestätigt sich. Jost betrügt Anna, verspekuliert sich und begibt ausgerechnet in die Hand von Cläres Todfeind.

Daneben gibt es noch den Handlungsstrang, der in der DDR spielt. In den Wirren des Krieges ist Irma, Cläres Nichte, im Osten geblieben und lebt nun mit ihrer Tochter in Magdeburg. Von den reichen, Hamburger Behmers und den Nazis enttäuscht, tauscht sie die braune Diktatur gegen die rote. Als ihr Mann in den Westen flieht, wird sie von einem Mitarbeiter der Stasi erpresst.

Meine Meinung:

Dieser dritte Teil ist bei weitem nicht so spannend wie seine beiden Vorgänger. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass wir Leser an diesen Zeiten zu nahe dran sind und eigene Familienerinnerungen dazu haben.

Da Annas Geschichte jener von Cläre ähnelt, kann sich der Leser schon fragen, warum Cläre ihrer Tochter nicht mehr Verständnis entgegenbringt.

Gut gefällt mir die Entwicklung die Erna durchmacht. Vom schüchternen Küchenmädchen bis zur resoluten Gemahlin eines Schiffers, immer den Traum vom eigenen Haus vor Augen, der ihren Mann zu waghalsigen Geschäften verleitet.

Wie wir es von Anja Marschall kennen, sind historische Detail geschickt in die Handlung eingewoben. So findet die Sturmflut von 1962 Eingang in die Geschichte und die weitere Entwicklung im Kaffeehandel ist gut beschrieben.

Fazit:

Ein versöhnlicher Abschluss der Trilogie rund um eine Hamburger Kaffeehändler-Familie. Trotz ein paar kurzer Längen gebe ich gerne wieder 5 Sterne.

Veröffentlicht am 28.08.2022

Bauen für Menschen

Architektur als soziales Handeln
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Wenn Gunter Wratzfeld behauptet, dass „jeder zehnte Bregenzer in einer Wohnung wohnt, die von mir geplant wurde“, klingt das verdächtig nach Eigenlob und Größenwahn. Ist es aber nicht, wie dieses Buch ...

Wenn Gunter Wratzfeld behauptet, dass „jeder zehnte Bregenzer in einer Wohnung wohnt, die von mir geplant wurde“, klingt das verdächtig nach Eigenlob und Größenwahn. Ist es aber nicht, wie dieses Buch von Karin Mack zeigt.

Karin Mack hat das Werk des 1939 in Bregenz geborenen Architekten akribisch unter die Lupe genommen und rund 50 Projekte für dieses Buch ausgewählt. Gunter Wratzfelds hat den sozialen Wohnbau erneuert. Mit viel Liebe zum Menschen und zur Natur hat er für Grundstücke mit ungünstigen Grundrissen seine Wohnbauten geplant. Und wer sagt, dass sozialer Wohnbau hässlich sein muss? Farbliche Akzente in der sonst eher schnörkellosen Fassadengestaltung geben den Bauwerken ein charakteristisches Merkmal

Wratzfeld hat Ressourcen schonend gebaut, als das Wort „Nachhaltigkeit“ vor allem im sozialen Wohnbau noch völlig unbekannt war.

Gerne verwendet er Holz als Baustoff. Holzbauten haben in Vorarlberg schon lange Tradition und warum nicht auch im sozialen Wohnbau verwenden?

Herausgeberin Karin Mack stellt 50 von Gunter Wratzfeld Bauten vor. Zahlreiche Grundrisse, Schnitte und rund 150 Fotos geben den Lesern einen Eindruck vom Schaffen des Architekten. Auf Grund der kleinräumigen Struktur in Vorarlberg beschäftigte er sich mit verschiedenen Typen von Reihenhäuser und viele seiner Häuser sind in steilem Gelände im Einklang mit der Natur errichtet.

Interessant ist auch das Frühwerk, das u.a. ein Kinderspital (1966/67) in Westafrika und Unterkünfte für Ingenieure in Algerien (1970) umfasst und aus von der VOEST vorgefertigten Teilen bestand.

Das Cover finde ich nicht so ganz gelungen. Das Grau dominiert und die das angedeutete Gebäude ist kaum zu entdecken.

Fazit:

Ein gelungenes Buch über einen Architekten, der Architektur nicht als Selbstverwirklichung des Planers sondern als soziales Handeln verstanden hat. Gerne gebe ich diesem Buch 5 Sterne.