Feelgood Lektüre mit Tiefgang - Vorsicht: Spoiler in der Rezension
Worum geht’s?
„Die kleine Bücherei der Herzen“ ist der aktuelle Roman der Hanseatin Jana Schikorra, erschienen im beHeartbeat-Verlag als erster Band einer Reihe. Es geht um Katherine, eine junge Frau, ...
Worum geht’s?
„Die kleine Bücherei der Herzen“ ist der aktuelle Roman der Hanseatin Jana Schikorra, erschienen im beHeartbeat-Verlag als erster Band einer Reihe. Es geht um Katherine, eine junge Frau, die von ihrer Tante Besitz in dem irischen Küstenort Howth erbt. Katherine hatte als Kind eine enge Beziehung zu ihrer Tante Fiona. Bis sich Katherines mittlerweile verstorbener Vater in Fiona verliebte, und die Familie verließ. Katherines Mutter Mary zerbrach daran, wurde depressiv und verbot Katherine den Kontakt zu Fiona.
Katherine hat schon länger das Gefühl, dass ihr in München, wo sie als Redakteurin arbeitet, etwas fehlt, und entschließt sich, sich ihr Erbe wenigstens einmal anzusehen. Sie entdeckt, dass sie nicht nur ein Haus geerbt hat, sondern auch die „Rainbow-Hearts-Library“, ein für die Dorfbewohner ganz besonderer Ort, hinter dem ein magisches Konzept steckt. In den Büchern, können die Büchereibesucher Briefe verstecken.
Katherine fühlt sich in der Bücherei auf Anhieb wohl. Die Entscheidung fällt ihr dennoch nicht leicht. Ihre Beziehung zu Mary ist zwar schwierig, aber Katherine fühlt sich verantwortlich für sie und möchte nicht gegen das Verbot der Mutter verstoßen. Zum Glück steht ihr ihre beste Freundin Luca mit wertvollen Ratschlägen zur Seite. Letztlich kann Katherine sich dem Zauber von Howth und der „Rainbow-Hearts-Library“ nicht entziehen. Sie kündigt Job und Wohnung in München und tritt das Erbe an. Vermutlich hat auch der gutaussehende fotografierende Polizist Cadan seinen Anteil an dem Ausgang der Entscheidung. Cadan und Katherine verlieben sich ineinander.
– VORSICHT SPOILER –
Trotz vieler Hindernisse werden Cadan und Katherine ein Paar, Katherine führt Fionas Erbe im besten Sinne fort und wird glücklich. Dies liegt auch daran, dass sie die Lüge aufgedeckt hat, mit der sie und Mary seit dem Kontaktabbruch zu Fiona lebten: Fiona hatte Katherines Vater nie zurückgeliebt, da sie eine Beziehung zu einer Frau hatte, die jedoch verheiratet war. Der Kontaktabbruch zu Fiona war also unnötig und beruhte auf falschen Annahmen. Nachdem Katherine ihrer Mutter dies geschrieben hat, können beide eine innigere Mutter-Tochter-Beziehung beginnen, die nicht mehr so sehr von einer Lüge überschattet ist.
Meine Meinung
Ich habe mich auf den ersten Blick in das Thema, den Schauplatz, die Charaktere und Jana Schikorras Art zu schreiben verliebt. Der warmherzige und lebendige Schreibstil hat mich so berührt, dass ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen wollte. Für "Gefühl" würde ich hier auch zehn Sterne geben, wenn es die gäbe.... Zwar wurde für meinen Geschmack das Wort „Seele“ ein bisschen zu häufig verwendet, aber das ist anderen vielleicht nicht einmal aufgefallen. Die Idee mit der „Rainbow-Hearts-Library“ finde ich großartig und originell.
Der Roman ist aus Katherines Sicht als personale Erzählerin geschrieben, und Katherine war mir auf Anhieb sympathisch. Ihre Ängste und Befürchtungen – besonders was die schwere Entscheidung das Erbe betreffend anging – wurden zu meinen. Als die Entscheidung getroffen war, habe ich ihren Mut bewundert, ein gut laufendes Leben in München für ein Wagnis in Howth aufzugeben und, entgegen des Verbots der Mutter, ihrem Herzen zu folgen. Ich war sehr froh, dass Katherine ihre beste Freundin Luca hatte, die hilfreiche Tipps gab und die beste Freundin war, die man sich wünschen kann. Dass die Freundschaft der beiden in so warmen Farben gemalt wurde, hat mich bewegt. Dies gilt im gleichen Maße für Katherines Beziehung zu Cadan, die ich meisterhaft dargestellt fand. Katherine reagiert richtiggehend körperlich auf Cadan, das Knistern zwischen den Beiden war spürbar.
Cadan wird als dreidimensionaler Charakter dargestellt, der bei aller Attraktivität Untiefen und widersprüchliche Charakterzüge hat und eine Entwicklung durchmacht. Zu Beginn des Romans ist er ein Polizist mit künstlerischer Ader, der Zettel in Büchern versteckt und am Ende des Romans ein Fotograf, der einmal hautberuflich Polizist war, und der sich nun ganz der Kunst widmen kann. Ich habe mich allerdings gefragt, ob ein junger Mann, der vom Vater so schlecht behandelt wurde, wie er, ein so großes Selbstbewusstsein entwickeln kann?
Sehr berührend fand ich die Symboliken, die dem Roman Tiefe geben. Beispielsweise die des Red Rock Beach, den Cadan zu Beginn des Romans mit einer heilen Kindheit assoziiert, die er nicht hatte. Weshalb er diesen Strand nie besuchte. Derselbe Strand wird für ihn später zum Symbol der Hoffnung und für den Neuanfang mit Katherine, mit der er den Strand das erste Mal seit damals wieder aufsucht. Oder auch die Symbolik der verschiedenfarbigen Augen von Katherines Vater. Er begründete die unterschiedlichen Farben seiner Tochter gegenüber damit, dass er ein Superheld sei, der seine Tochter vor allem Übel beschützt. Als Katherine zum ersten Mal in Howth ist, und sich entscheiden muss, ob sie das Erbe antritt, oder nicht, begegnet sie einer netten Nachbarin, die ebenfalls verschiedenfarbige Augen hat. Für Katherine ist es, als hätte sie von ihrem Vater einen Wink bekommen, das Erbe anzunehmen.
Was die Spannungskurve angeht, war es mir als passionierte Leserin relativ schnell klar, dass Katherine das Erbe antreten und die damit verbundenen Herausforderungen bestens meistern wird. Gleichermaßen gab es einige gelungene Wendungen. Beispielsweise die Liebe Fionas zu der verheirateten Nachbarin. Die Enthüllung dieser wurde sehr klug vorbereitet, indem Katherine zunächst dem Ehemann der Dame begegnet, der ihr zu verstehen gibt, dass es nicht gut für seine Frau wäre, die Bücherei zu betreten. Man ahnt, dass mehr dahintersteckt, aber man weiß nicht, was, und möchte es unbedingt wissen.
Was Katherine angeht, habe mich gefragt, ob sie es sich nicht, was ihre Beziehung zu Fiona angeht, etwas leicht macht. Es wird zwar erwähnt, dass sie Schuldgefühle wegen des Kontaktabbruchs hat, aber letztlich nimmt Mary alle Schuld auf sich. Dabei hatte Katherine als Kind ein enges Verhältnis zu Fiona, und sie hätte die Sicht ihrer Mutter als Heranwachsende durchaus in Frage stellen können. Andererseits zeichnet es Katherine natürlich gerade aus, dass sie unverbrüchlich zu ihrer depressiven Mutter hält. Und das Romanende gibt ihr recht: denn die zu Beginn des Romans brüchige Beziehung erhält durch das Aufdecken des Missverständnisses eine neue Intensität. Toll finde ich, dass es zwar ein gutes Ende gibt, aber dass kein rosarotes, unrealistisches Happy End erzwungen wird. Mary bleibt eine verzweifelte, einsame Frau, die Fehler gemacht hat.
Die Botschaft, die ich aus dem Roman mitnehme, könnte auch die sein, dass es in Beziehungen auf gewisse Weise so etwas wie Schuld nicht gibt, denn letztlich hat jede der Figuren vor dem eigenen Hintergrund nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und jede der Figuren hatte etwas Beteiligung an dem, was passiert ist. Vor allem aber wurde mir durch das Lesen noch einmal klar, wie wichtig es ist, in Herzensdingen zweimal hinzuschauen; nachzufragen; eigene, scheinbar erwiesene Wahrheiten und auch die eigene Motivation zu prüfen. Mir schien es nämlich, dass Mary auch aus Neid heraus handelte.
Ähnlich wie anderen fielen mir auch kleinere Fehler auf, die haben mich aber nicht so gestört. Sehr gefallen hat mir das Lay-Out, sowohl das Cover, als auch die Zeichnungen von Briefen oder Büchern am Kapitelanfang.
Mein Fazit
Lesen ist für mich, wenn das Buch gut geschrieben ist, meine Lieblingsart dem stressigen Alltag zu entfliehen. Mit diesem Roman gelingt das perfekt. Katherine, Cadan und Luca haben mich mit auf die Reise in eine Welt genommen, in der ich mich sehr wohl fühlte und meine Sorgen für die Lesezeit lang vergessen konnte. Ich wurde an eine atemberaubende Kulisse entführt, den die Autorin so schön beschrieben hat, dass ich am liebsten gleich morgen tatsächlich ein Ticket nach Howth kaufen würde. Wir brauchen, wie ich finde, diese Wohlfühlliteratur, die mit jeder Zeile Hoffnung und etwas Positives verströmt und die gleichzeitig nicht an der Oberfläche bleibt, denn ich habe mich während des Lesens auch mit tiefergehenden Themen, wie Tod, Schuld, Verrat und Familienmissverständnissen auseinandergesetzt. Ich habe jede einzelne Zeile genossen, eine weitere Lieblingsautorin gefunden und freue mich sehr auf den nächsten Band!