Profilbild von DetlefKnut

DetlefKnut

Lesejury Star
offline

DetlefKnut ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit DetlefKnut über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.09.2022

Blutige Morde im Lande des Rodeos

Blutrodeo
0

In diesem Kriminalroman entführt uns Frauke Buchholz erneut in die weiten Landschaften Kanadas.

In Calgary wird zwei alten Männern die Kehle durchgeschnitten. Der Profiler Ted Garner wird hinzugerufen. ...

In diesem Kriminalroman entführt uns Frauke Buchholz erneut in die weiten Landschaften Kanadas.

In Calgary wird zwei alten Männern die Kehle durchgeschnitten. Der Profiler Ted Garner wird hinzugerufen. Doch die ehrgeizige Polizistin Samantha Stern ist gar nicht erfreut. Auf einen arroganten Büromenschen kann sie gerne verzichten.

Es stellen sich Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Toten heraus. Zunächst ist da ihr Alter, aber mehr noch, dass beide an einem Achten eines Monats ermordet wurden. Dieses Datum muss irgendeine besondere Bedeutung haben. Nur erschließt sich diese den beiden Ermittlern noch nicht auf den ersten Blick.

Obwohl sich beide Ermittler hassen beziehungsweise verabscheuen, arbeiten sie notgedrungen zusammen. Obwohl irgendwann jeder von ihnen das Handtuch werfen will.

Frauke Buchholz lässt hier zwei Figuren mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften aufeinanderprallen, wobei sie in der Tiefe ihrer Seelen vielleicht gar nicht so unterschiedlich sind. Sas Zusammenspiel von Stern und Garner hat mir besonderen Spaß bereitet. Ihre Dialoge, ihr widersprüchliches Verhalten, ihr Einander-Näherkommen sorgt für ausreichend Konflikt und schreit nach einem Happy End. Doch darauf kann der Leser lange warten.

Die zweite Faszination erreicht Frauke Buchholz mit der detailreichen und bildhaften Beschreibung der Regionen, in der der Roman spielt. Landschaften, Wetter, Saloons und Straßenzüge, alles wird vor dem inneren Auge lebhaft und überschattet von den Gipfeln der Rocky Mountains im Hintergrund. Und bei allem fiebern die Bürger der Region dem größten Ereignis des Jahres entgegen: der Calgary Stampede. (Am ehesten vielleicht vergleichbar mit dem Oktoberfest in München.)

Die Ermittlungen gehen lange Zeit schleppend voran, reißen jedoch nie ab und heizen so die Spannung an. Die Leser werden außerdem durch Rückblenden, die in erster Person erzählt werden, mit Hintergrundinformationen versorgt. Diese Informationen fehlen zwar den Ermittlern, helfen den Lesern aber auch nicht bei der Auflösung, sondern machen ihn nur noch neugieriger auf das große Ganze, auf den Zusammenhang mit den Morden.

Spannend, faszinierend und sehr kanada-authentisch. Man möchte am liebsten schon beim Lesen Alberta sofort als nächstes Reiseziel angehen.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2021

Veröffentlicht am 17.09.2022

ein hochbrisanten Thriller mit verschiedenen Themen.

Was im Dunkeln liegt
0

Der in Deutschland frisch erschienene Thriller von Harlan Coben ist eine mysteriöse Geschichte mit vielen Themen der heutigen Zeit. Im Mittelpunkt steht mehr denn je der Privatdetektiv Wilde, der jedem ...

Der in Deutschland frisch erschienene Thriller von Harlan Coben ist eine mysteriöse Geschichte mit vielen Themen der heutigen Zeit. Im Mittelpunkt steht mehr denn je der Privatdetektiv Wilde, der jedem Geheimnis früher oder später auf die Spur kommt.

Wilde ist als Kleinkind in den Wäldern der Appalachen ausgesetzt worden. Als er gefunden wurde, wurde sein Alter auf fünf bis sieben Jahre geschätzt. Im Alter von 40 bis 42 Jahren findet er zum ersten Mal in seinem Leben seinen leiblichen Vater. All die Jahre hatten seine Freunde ihn gedrängt, nach seiner familiären Herkunft zu suchen. Er hat es nie mit großem Engagement betrieben, aber dann doch einmal seine DNA in eine Datenbank eingetragen. Bingo! Es gab einen Volltreffer. Aber in was er dann verwickelt wird, nachdem er seinen Vater gefunden hatte, hätte er sich nicht in seinen kühnsten Träumen ausmalen können.

Harlan Coben lässt in dieser Geschichte viele Themen von heute einfließen, die in dieser Kombination sehr spannend auf mich einwirken. Da ist zunächst die Möglichkeit, DANN-Recherchen über entsprechende Internetportale selbst durchführen zu können. Ein zweites Thema ist das Verhalten sogenannter Trolle in Social Media. Getoppt wird dies mit dem Thema des Reality-TV, in dem es um das Berühmtwerden durch Kaputtmachen anderer Menschen geht.

Die Figur des Privatdetektivs Wilde übte einen besonderen Reiz auf mich aus. Auf unerklärliche Weise war mir diese Figur auf Anhieb sympathisch. Das ist normalerweise sonst nicht der Fall. Figuren müssen sich schon anstrengen, wenn ich sie mögen soll. Es reicht nicht aus, dass sie zu den „Guten“ gehören. Doch bei Wilde war das anders. Das kann nur an dem besonderen Stil von Harlem Coben liegen, an seiner Einführung in die Figur.

Der Verlauf der Handlung bringt sehr viele Wendungen und Überraschungen mit sich. Man sollte nichts hinnehmen, als würde es Bestand haben. Erst auf den letzten Seiten kommt Licht in das Dunkel der verschlungenen Ermittlungen. Es schließen sich alle Kreise.

Ein spannender Thriller mit vielen Toten, wenig Action, aber sympathischen Figuren, dem ich gerne die höchste Punktzahl gebe.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2022

Veröffentlicht am 03.09.2022

eine dramatische Geschichte aus dem zweiten Weltkrieg

Das Verschwinden der Sterne
0

Mit diesem Roman von Kristin Harmel wurde mir der jetzt deutscher Übersetzung erschienene Folgeroman von »Das letzte Licht des Tages« empfohlen. Ich musste erfreulicherweise festellen, dass er nicht weniger ...

Mit diesem Roman von Kristin Harmel wurde mir der jetzt deutscher Übersetzung erschienene Folgeroman von »Das letzte Licht des Tages« empfohlen. Ich musste erfreulicherweise festellen, dass er nicht weniger spannend ist.

Jona wird im Alter von zwei Jahren von ihren deutschen Eltern in Berlin geraubt von einer alten Frau. Es ist 1922, doch die Herrschaft der Nazis wirft ihre Schatten voraus. Die über 80jährige Entführerin bringt das kleines Mädchen in die Wälder von Polen an die Grenze von Belaruss und erzieht das Kind im jüdischen Glauben. Jona lernt das Leben, das Überleben im Wald. Sie lernt keine Menschen kennen, aber um so mehr Sprachen. Als die Alte im Alter von 102 Jahren stirbt, tobt bereits der zweite Weltkrieg, auch um die Wälder herum.

Jona wandert alleine weiter in den Wäldern umher, doch sie trifft auf Menschen, jüdische Menschen. Sie muss schlimme Erfahrungen machen, nachdem sie einer kleinen Familie geholfen hat, diese sich von ihr abwendet, dann aber von den Deutschen hingerichtet wird. Jona beginnt zu verstehen, warum ihr gelehrt wurde, Menschen mit äußerster Vorsicht zu begegnen. Dennoch kommt sie nicht umhin, weiteren jüdischen Flüchtlingen, die aus den Ghettos vor den deutschen Nazis geflohen sind, zu helfen. Sie kennt sich im Wald aus. Es wird ihre Lebensaufgabe.

Kristin Harmel hat erneut einen extrem dramatischen, dennoch unterhaltsamen Roman geschaffen, der einen realen historischen Hintergrund hat. Während die Geschichte und die Figuren komplett fiktiv sind, hat es die verschiedenen Flüchtlingsgruppen, die sich im Wald vor den Deutschen versteckten, tatsächlich gegeben. Die größte von ihnen umfasste sogar 1.200 Mitglieder, von denen fast alle den Krieg überlebt hatten. Der Anführer dieser Gruppe stand der Autorin beratend bei Recherchen zur Seite.

Für die Spannung im Roman sorgt nicht nur der Konflikt zwischen den Deutschen und die Juden. Der ist zwar das tragende Element, aber die Konflikte innerhalb der Flüchtenden und zu Jona, die selbst nicht aus einem Ghetto kommt, sind zusätzlich Treibstoff für den Drive in der Handlung. Auch zarte Liebesbande werden harten Zerreißproben unterzogen.

Der Roman »Das Verschwinden der Sterne« ist ein schwerer Roman mit einem sehr ernsten und traurigem Thema, aber Kristin Harmel hat ihn auch in der Übersetzung von Veronika Dünninger so wunderschön geschrieben, dass er trotz aller geschilderten Gräueltaten leicht zu lesen ist. Die Spannung um die Protagonisten schafft es, dass man gar nicht lange an die schrecklichen Dinge denken kann.

Aufschlussreich sind in diesem Buch zweifellos auch die Hinweise zu Entstehen des Romans und den Recherchen. Sie geben einen Blick hinter die Kulissen einer Schriftstellerin.

Ein wunderschöner Roman mit einer herzergreifenden Geschichte, in dem es zwar um Verbrechen geht, der aber dennoch ein Kriminalroman ist.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2022

Veröffentlicht am 29.08.2022

Wenn spanische Faschisten in Portugal wirken

Rache im Alentejo
0

Der Kriminalroman ist der zweite Krimi von Catrin Ponciano, der in Portugal spielt. In ihm werden neben dem Verbrechen ein ganz besonderer Landstrich Portugals und interessante historische Verflechtungen ...

Der Kriminalroman ist der zweite Krimi von Catrin Ponciano, der in Portugal spielt. In ihm werden neben dem Verbrechen ein ganz besonderer Landstrich Portugals und interessante historische Verflechtungen beschrieben.

Inspetora-Chefe Dora Monteiro hat den Dienst quittiert, ist jetzt a.D. und widmet sich nun der Malerei. Doch ein alter Freund bittet sie um Hilfe. Er ist verhaftet worden, weil man davon ausgeht, dass er seinen alten Feind getötet hat. Und zwar genau an der Korkeiche, wo vor dreißig Jahren sein Vater auf gleiche Weise ums Leben kam. Doch wie auch damals, als behauptet wurde, der Tod des Fischers sei Selbstmord gewesen, wird jetzt versucht, den Mord mit der Verhaftung des Sohns und seinem Motiv von Rache die Tat so schnell wie möglich unter den Tisch zu kehren.

Dora Monteiro hilft ihrem alten Freund, ist sich aber selbst nicht sicher, ob er tatsächlich unschuldig ist. Da sie nicht mehr im Dienst ist, tritt sie ihrem Nachfolger und damaligen Assistenten bei der Kripo in Lissabon auf die Füße. Mit ihren Ermittlungen sticht sie immer wieder in ein Wespennest und setzt sich selbst der Gefahr aus, einem Verbrechen zum Opfer zu fallen.

Catrin Ponciano hat es wieder geschafft, die Landschaft zusammen mit historischen Momenten fiktiv in einen spannenden Kriminalfall einzupacken. Besonders die Beschreibungen des Landstrichs erzeugten eine Atmosphäre, die ich sonst von dem spanischen Schriftsteller Vincente Blasco Ibanez kannte. Auch in dem heutigen Krimi geht es um das karge Leben der Fischer an der Küste, dem Salzabbau, dem Akzeptieren der Obrigkeit ohne zu murren. Es wirkt bedrohlich und man fragt sich, ob man in einer solchen Gegend leben möchte.

Das wird im Roman aber wieder gutgemacht, indem die „modernen“ und „städtischen“ Menschen einen frischen Wind in dieser Region aufkommen lassen. Hier spürt man das Leben, wie man es gerne haben möchte. Die Balance ist sehr gut gelungen.

Die Spannung ist weit gefächert über verschiedene Stränge. Immobilienspekulationen, Familienfehden, Mordfälle – alles gewürzt mit einer Prise Romantik. Das macht diesen Roman besonders unterhaltsam und empfehlenswert. Und wenn jemand meint, er wäre eine Rabenmutter, nur weil die zugeflogenen Raben Eier ausbrüten, dann entbehrt das nicht eines gewissen Humors.

Von ihrer Sprödigkeit hat die Hauptfigur noch nicht gänzlich abgelassen. Sie ist nicht auf den Mund gefallen und lässt sich nicht gerne etwas vorschreiben. Dass aber auch ganz anders kann, zeigen die Szenen, in denen sie intimer mit ihren Freunden und Verwandten ist.

Die Gestaltung des Buches sorgt zusätzlich für nette Momente und Durchblick im Roman. Rezepte aus der portugiesischen Küche runden es nämlich ab. Wem beim Lesen das Wasser im Mund zusammenläuft, kann die Speisen gleich mal selbst ausprobieren. Mit der Landkarte am Ende verliert der Leser nicht die Orientierung, wenn es an der Blauen Küste (Costa Azur) hin und her geht.

Mir bleibt gar nichts anderes übrig, als diesen Kriminalroman zu empfehlen.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2022

Veröffentlicht am 23.08.2022

Ein Spiel für Dave Robicheaux und Clete Purcel

Die Tote im Eisblock
0

Der neunzehnte Roman aus der Dave-Robicheaux-Reihe von James Lee Burke ist mittlerweile in einer deutschen Übersetzung bei Pendragon erschienen. Es ist zwar immer noch ein Kriminalroman, aber der Schwerpunkt ...

Der neunzehnte Roman aus der Dave-Robicheaux-Reihe von James Lee Burke ist mittlerweile in einer deutschen Übersetzung bei Pendragon erschienen. Es ist zwar immer noch ein Kriminalroman, aber der Schwerpunkt hat sich schon ganz schön verändert. Es geht immer noch um Verbrechen und deren Aufklärung, keine Frage. Aber die Figuren der Protagonisten Dave Robicheaux und Clete Purcel, ihr Lebensumfeld und die Politik in den USA nehmen einen immer gewichtigeren Faktor ein. Doch der Roman hat deshalb nichts an Spannung und Unterhaltsamkeit verloren, im Gegenteil.

Der Roman beginnt mit Unannehmlichkeiten sowohl für Dave als auch für Clete. Beide hatten zuletzt viel Prügel eingesteckt. Dave liegt immer noch in der Klinik, damit seine Wunden verheilen. Hier erscheint ihm Nachts eine junge Frau, Tee Jolie Melton. Sie unterhält sich mit ihm und schenkt ihm einen iPod, auf dem sie seine Lieblingsmusik draufkopiert hat. Doch als Dave das Krankenhaus verlassen darf, stellt er fest, dass Tee Jolie verschwunden ist. Und das schon seit Monaten. Die Musik auf dem iPod kann auch nur er hören, seine Tochter Alafair findet die Titel nicht und seine Frau Molly ist ebenso verzweifelt wie Dave selbst.

Clete hatte es nicht so schlimm getroffen und er musste nicht länger im Krankenhaus verbleiben. Aber er wird mit einem alten Schuldschein erpresst. Der ist Jahrzehnte alt, wurde längst beglichen. Warum dieser Schuldschein wieder auftaucht, kann sich keiner erklären. Die Erpresser stammen aus dem Giacano-Umfeld, der Mafia in New Orleans, die in nahezu allen Romanen dieser Reihe zumindest einen Gastauftritt haben. Doch dann werden Cletes Erpresser umgebracht. Er wird sogar bei einem Mord Zeuge und glaubt, den Killer zu erkennen.

Doch es bleibt nicht bei den Morden an den Erpressern. Am Ufer wird auch ein riesiger Eisblock an geschwemmt. Als Fracht transportiert er eine weibliche Leiche. Es ist Blue Melton, die jüngere Schwester von Tee Jolie. Es riesiges Spielfeld für Ermittlungen ist geöffnet. Und natürlich bleiben Anschläge auf Clete und Dave nicht aus.

Der Erzählstil von James Lee Burke umfasst ein riesiges Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten. Landschaften, Örtlichkeiten, Figuren und Geschehnisse werden ausgewogen neben die wörtliche Rede gestellt und geben ein umfassendes Bild. Mit dieser Erzählweise schafft es Burke, dass sich der Leser voll in das geschilderte Geschehen integriert fühlen kann. Die Figuren werden Familienmitglieder. Oftmals siegt das gute Herz in den Figuren, dass man als Leser gewillt ist, eine schreckliche Tat zu entschuldigen. Schließlich ist es nicht so, dass die Protagonisten immer und ausschließlich nur positiv handeln. Im Gegenteil, macht doch diese Widersprüchlichkeit den Reiz dieses Romans aus.

Dennoch glaube ich, einen neuen Zug in diesem Roman entdeckt zu haben. Sarkasmus spielte in den Dialogen immer eine Rolle. Doch in diesem Roman kommt, vielleicht dank junger Frauen im Leben der Protagonisten, Humor dazu. Freche und frivole Dialoge sorgen für Spritzigkeit. Manchmal ist dieser Humor ein ganz spezieller Humor zwischen Dave und Clete. Ihre langjährige Freundschaft gestattet ihnen Wortwechsel, wie sie nur zwischen alten Freunden möglich sind. Ich bin mir nicht mal sicher, ob jemand, der mit diesem Roman den ersten Dave-Robicheaux-Krimi liest, diese hintergründigen Sätze versteht. Ich bilde mir jedenfalls ein, dass ich dazu gehöre und die beiden Jungs deshalb so gut verstehe. Das ist einfach nur sehr gut gemacht.

Der hier besprochene Roman gehört mit seinen 670 Seiten zu den umfangreichsten dieser Reihe. Trotzdem komme ich einfach nicht um eine Empfehlung herum. Gerade wegen der besonderen Freundschaft der beiden Hauptfiguren und der Brisanz des Themas in einem Dixii-Land der USA ist er ein besonders lesenswerter Roman.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2022