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Veröffentlicht am 04.10.2022

Warmherzig und klug erzählt

Kleine Freuden
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Zum Inhalt:

Wir befinden uns im Jahr 1957 in London.Die ledige Journalistin Jean Swinney lebt ein recht einsames und eintöniges Leben. Für eine kleine Regionalzeitung schreibt sie kleinere Artikel, in ...

Zum Inhalt:

Wir befinden uns im Jahr 1957 in London.Die ledige Journalistin Jean Swinney lebt ein recht einsames und eintöniges Leben. Für eine kleine Regionalzeitung schreibt sie kleinere Artikel, in denen sie Kochrezepte und Haushaltstipps weitergibt, eine Arbeit die ihr durchaus Freude bereitet. Nach Feierabend wartet zu Hause aber nur noch ihre kränkliche, schwierige Mutter, die sie, die nicht verheiratete Tochter zu betreuen hat. Freundschaften pflegen ist ihr mit dieser Verpflichtung unmöglich, und die Liebe hat Jean mit ihren 40 Lebensjahren nach einer gescheiterten Beziehung aufgegeben.

Jean‘s beschauliches Leben ändert sich schlagartig mit dem Erscheinen eines Leserbriefes, in dem eine Mrs Gretchen Tilbury behauptet, dass ihre 10jährige Tochter Margaret eine „Jungfrauengeburt“ sei. Zur Zeit der Empfängnis hätte sie sich bettlägerig in einer Klinik befunden, immer unter der Aufsicht der Schwestern und ihrer Zimmergenossinnen, die ebenfalls ans Bett gefesselt waren.

Keiner der Zeitungsredakteure will sich diesem Thema widmen, und so ist die Recherche und das Verfassen des Artikels für Jean eine große Chance. Jean geht auch sehr gewissenhaft und mit Hilfe aktueller wissenschaftlicher Methoden daran den Wahrheitsgehalt des Leserbriefes zu prüfen. Nie hätte sie gedacht, dass sie diese eher unglaubwürdige Geschichte in große Gewissenskonflikte stürzen wrüde.

Die Charaktere:

Jean Swinney war mir wirklich sympathisch. Ich fand es schrecklich, wie sie ihr eigenes Leben ständig zurückgestellt hat. Man konnte ihr nicht verdenken, dass sie hin und wieder gegen ihre Schwester, die weit weg in Kenia ein aufregendes Leben führte, Groll empfand.

Jede Stunde Freizeit musste sich Jean erst erkämpfen, denn die Mutter konnte man nicht alleine lassen. So habe ich mich sehr über die zarten freundschaftlichen Bande zur Familie Tilbury für Jean gefreut, auch wenn immer die Gefahr für sie bestand, ihre Objektivität zu verlieren.

Ein weiterer wichtiger Charakter in dem Roman ist Howard Tilbury. Er ist ein bescheidener, freundlicher Mann, der seiner Frau und Margaret, die er wie sein eigenes Kind angenommen hat, treu ergeben ist. Auch er ist ein Sympathieträger, der im Gegensatz zu seiner quirligen Frau und der liebenswerten Margaret eher im Hintergrund bleibt.



Was macht das Buch aus?

Da ist zunächst einmal die Zeit. London in den 50er Jahren zu erleben hat schon mal einen gewissen Reiz. Da wabert der Nebel von der Themse über die Gassen und die Sekretärin konzentriert die Kurbel der Kopiermaschine. Herrlich!

Der Erzählton ist sehr ruhig und warmherzig und irgendwie sehr britisch.Trotzdem gibt es durch die Recherche von Jean und gewissen Entwicklungen auch einen Spannungsbogen, und man möchte als Leser dem Rätsel unbedingt auf die Sprünge kommen.

Außerdem beinhaltet die Geschichte noch eine zarte Liebesgeschichte, die sehr berührend und kein bisschen kitschig ist.

„Kleine Freuden“ ist auf jeden Fall sehr schön zu lesen, auch wenn es für mich jetzt kein absolutes Lesehighlight war.

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Veröffentlicht am 15.09.2022

Bleiben oder gehen?

Der Papierpalast
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Der Papierpalast“ ist der mitreißende Debütroman der amerikanischen Autorin Miranda Cowley Heller, die so scheint es, einige Gemeinsamkeiten mit ihrer Protagonistin Elle hat.


Diese reflektiert an einem ...

Der Papierpalast“ ist der mitreißende Debütroman der amerikanischen Autorin Miranda Cowley Heller, die so scheint es, einige Gemeinsamkeiten mit ihrer Protagonistin Elle hat.


Diese reflektiert an einem Tag ihr bisheriges Leben, die vielen Sommer, die sie im Ferienhaus der Familie in Cape Cod verbracht hat. Über die Autorin liest man, dass auch sie viele Sommer in dem beliebten Sommerurlaubsziel in Massachusetts verbracht hat. Vielleicht sind ihr ihre Naturbeschreibungen deshalb so plastisch nachfühlbar und einfach toll gelungen. Elle ist um die 50 Jahre alt, eine weitere Gemeinsamkeit mit der Autorin, die mit 50 begonnen hat diesen Roman zu schreiben. Sie ist verheiratet, hat 3 Kinder und führt eigentlich ein glückliches Leben an der Seite ihres Mannes Peter. Wenn da nicht noch Jonas wäre, ihre Liebe aus Kindertagen und zugleich ihr Seelenverwandter, mit dem sie ein schreckliches Geheimnis teilt. Am Ende des Tages muss sie sich wohl entscheiden.


Man merkt, dass die Autorin aus dem Filmbereich kommt. Immer wieder werden Szenen herangezoomt und bis auf kleinste Details beleuchtet, bevor wir wieder einen Blick auf das große Ganze werfen. Die Zeitsprünge waren zuweilen verwirrend, aber mit Fortgang der Geschichte gewöhnte man sich daran. Ich wurde auch zunehmend in die Geschichte hineingezogen und konnte das Buch oft nur schwer aus der Hand legen. Es geht um erschütternde Themen wie dysfunktionale Familien, Inzest und Vergewaltigung , so dass es verwundert, dass eine Triggerwarnung komplett fehlt. Der Klappentext lässt auch eher eine leichtere Geschichte erwarten. Es ist eine Dreiecksgeschichte, in der es um mehr geht als um die Wahl des richtigen Mannes. Es geht vielmehr um traumatische Erfahrungen und ihre Auswirkungen im Erwachsenenleben, um Schuld und Vergebung.


Das Ende lässt zwar Interpretationsspielräume zu, hat mir aber trotzdem nicht so gut gefallen. Insgesamt fand ich den Roman aber wirklich gut, auch wenn er sich ganz anders entwickelt hat, als ich anfänglich erwartet hatte.

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Veröffentlicht am 02.09.2022

Jetzt wird‘s persönlich - Toller 2. Teil

Wer mit den Toten spricht
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Im 2. Teil der Thrillerreihe rund um Cassie Raven, toughe Sektionsassistentin der Pathologie mit einem Faible für Piercings und Tatoos und der leicht spröden DS Phyllida Flyte von der britischen Polizei, ...

Im 2. Teil der Thrillerreihe rund um Cassie Raven, toughe Sektionsassistentin der Pathologie mit einem Faible für Piercings und Tatoos und der leicht spröden DS Phyllida Flyte von der britischen Polizei, wird es dieses Mal sehr persönlich .

Phyllida und Cassie suchen beide Antworten zum Tod eines geliebten Menschen. Cassie will die Todesursache ihrer Mutter geklärt wissen,und die Polizistin Phyllida leidet auch nach Jahren noch an dem Verlust ihres Baby‘s und will unbedingt herausfinden, ob der tragische Tod vermeidbar gewesen wäre.

Die Reihe lebt wirklich von ihren Figuren. In Teil 1 haben sich die zwei sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten schon angenähert und begegnen sich nach anfänglicher Abneigung inzwischen mit Respekt und einer verhaltenen Zuneigung. Cassie behandelt ihre Fälle in der Leichenhalle wie Gäste und entdeckt oft Kleinigkeiten, die die Aufklärung der Todesursache voranbringen. Auch die Angehörigenbetreuung ist eine ihrer Aufgaben, bei der sie sich viel Mühe gibt. Nur mit Ärzten, die sich für etwas besseres halten und die es nicht leiden können, dass sie bei der Obduktion ihre eigenen Thesen äußert, hat sie Schwierigkeiten.

Phyllida arbeitet am liebsten streng nach Vorschrift aber für Cassie wagt sie sich schon mal in Randbereiche und ermittelt in Richtungen, die sie ernsthaft in Schwierigkeiten bringen könnte. Zusammen sind sie ein tolles Team.

Natürlich ist Cassie völlig durch den Wind als ihre Großmutter ihr gesteht, dass ihre Eltern nicht, wie all die Jahre vermutet, bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Vielmehr ist ihr Vater als Mörder ihrer Mutter verurteilt worden, und dieser beteuert jetzt seine Unschuld.

Der Fall führt zurück in die Hippievergangenheit ihrer Mutter,an die Cassie so gar keine Erinnerungen hat . Mit jedem aufgedeckten Puzzleteilchen lernt sie ihre Mutter neu kennen und revidiert das Bild, dass sie sich von ihr gemacht hatte.

Die Autorin kommt ohne brutale Szenen aus und vermittelt nebenher spannende Einblicke in die Rechtsmedizin. Es geht viel um Gefühle und Umgang mit dem Tod und die Bedeutung der Abklärung einer Todesursache für die Angehörigen. Auf dem Cover steht zwar Thriller drauf, aber Krimi bzw. Spannungsroman wäre treffender gewesen. Man kann als Leser wunderbar miträtseln und wird doch immer wieder durch neue Wendungen überrascht.

Mir gefällt die Reihe wirklich gut und ich hoffe demnächst auf weitere Fälle dieses sympathischen Duos.

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Veröffentlicht am 13.08.2022

Erschreckend

Die Kinder sind Könige
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Die französische Autorin Delphine de Vigan hat sich ein topaktuelles Thema vorgenommen, nämlich die Welt der Familien-YouTuber , die Welt der Eltern, die ihre Kinder in sozialen Medien vermarkten, um es ...

Die französische Autorin Delphine de Vigan hat sich ein topaktuelles Thema vorgenommen, nämlich die Welt der Familien-YouTuber , die Welt der Eltern, die ihre Kinder in sozialen Medien vermarkten, um es mal knallhart auszudrücken.

Mélanie, eine der Protagonistinnen in der Geschichte hat es mit ihrem YouTube Kanal Happy Récré zu einer Internet Berühmtheit geschafft. In Zeiten von Fernsehformaten wie „Big Brother“ aufgewachsen, hatte auch sie das Ziel mediale Aufmerksamkeit zu erreichen und ein Star zu werden. Da ihr dies selbst nicht gelungen ist, hat sie ihren Wunsch quasi auf ihre Kinder übertragen. Mit kleinen Filmchen, die sie ins Netz stellt, fängt es an. Doch Mélanie wird schnell professioneller, indem sie erfolgreiche andere Kanäle im In-und Ausland kopiert. Ihre Kinder sind in ihren Internet-Inszenierungen die Hauptpersonen und müssen von klein auf damit klar kommen, dass sie ständig gefilmt werden und die Follower des Kanals mit irgendwelchen Challenges bespaßen. Mélanie‘s Engagement ist so lukrativ, dass ihr Ehemann Bruno irgendwann seinen Job kündigt und die Familie ihren Lebensunterhalt und darüberhinaus eine Menge Luxus über die Filmerei finanziert.

Doch eines Tages, die Kinder spielen mit den Nachbarkindern einmal unbeaufsichtigt Verstecken, ist die 6jährige Kimmy plötzlich verschwunden.

Hier lernen wir die 2. Protagonistin, die Polizistin Clara kennen, der die Internet Präsenz der Familie völlig fremd ist und die ihre Sicht bei den Ermittlungen zum Fall des verschwunden Mädchens schildert. Clara ist das komplette Gegenteil von Mélanie, eher introvertiert, behütet aufgewachsen bei politisch sehr engagierten Eltern, hat sie sich bewusst für ein Leben ohne Kinder entschieden.

Das Thema des Roman‘s finde ich wirklich wichtig, bestimmen die sozialen Medien doch zunehmend unseren Alltag. Mélanie hätte ich manchmal gerne geschüttelt. Sie hat im Glauben die beste Mama der Welt zu sein, bis zuletzt gar nicht gemerkt, was sie ihren Kindern angetan hat. Interessant fand ich deshalb auch einen 3. Strang der Geschichte, der einen Ausblick in die Zukunft gibt und die Folgen dieser unfreiwilligen Internetkarriere aufzeigt.

Es ist zwar der erste Roman der Autorin für mich, aber ich hatte mir eine mehr literarische Sprache vorgestellt. Das war hier nicht der Fall. Der Roman hat eine sehr sachliche, nüchterne Sprache, die allerdings auch sehr gut zum Thema passt. Den 3. Teil hätte ich mir vielleicht noch etwas ausführlicher gewünscht.

Zwischendurch sind immer wieder Zusammenfassungen von Mélanie‘s Video‘s eingestreut. Auch das fand ich sehr interessant und konnte nur staunen auf was für abstruse Ideen man kommen kann.

Das Buch ist aus meiner Sicht auf jeden Fall eine Leseempfehlung. Es liest sich schnell und bietet reichlich Diskussionsstoff.

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Veröffentlicht am 08.08.2022

Ein gelungener 2.Band der Charité Reihe

Die Charité: Aufbruch und Entscheidung
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Inzwischen befinden wir uns im Jahre 1903 und begleiten den Werdegang der jungen, ehrgeizigen Dr.Rahel Hirsch, die als erste weibliche Ärztin an die Charité kommt und natürlich nicht von jedem in der ...

Inzwischen befinden wir uns im Jahre 1903 und begleiten den Werdegang der jungen, ehrgeizigen Dr.Rahel Hirsch, die als erste weibliche Ärztin an die Charité kommt und natürlich nicht von jedem in der Ärzteschaft mit offenen Armen empfangen wird.

Eine 2. Protagonistin ist die Arbeiterin Barbara Schubert, die ihren Lebensunterhalt in der Wäscherei der Charité verdient und sich in der Arbeiterbewegung für Emanzipation und gerechtere Löhne engagiert.

Die zwei so unterschiedlichen Frauen treffen aufeinander und mit der Zeit entsteht eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen ihnen, die auch die kommenden schwierigen Zeiten überdauert.

Dadurch, dass sich Rachel in einen jungen Piloten verliebt, erfährt man als Leser auch mehr über die tollkühnen Pioniere der Luftfahrt.

Der 1. Weltkrieg ist eine furchtbare Zeit, die Ulrike Schweikert sehr eindrücklich beschreibt. Beide Frauen haben ihre Päckchen zu tragen, aber die Arbeiterklasse für die Barbara stellvertretend steht, ist stetig von Obdachlosigkeit und Hunger bedroht. Wie gut dass Rahel ihrer Freundin und deren Tante nach Kräften unterstützt.

Wie nicht anders erwartet, hat die Autorin für ihren Roman sehr gut recherchiert und einen spannenden Mix aus Fiktion und wahren Begebenheiten geschaffen.

Mir hat die Geschichte wieder richtig gut gefallen, wobei mich Teil 1 ein bisschen mehr begeistern konnte, auch wenn ich gar nicht genau benennen kann, woran es lag. Trotzdem freue ich mich auf den 3. Teil, der schon bereit liegt.

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