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Veröffentlicht am 25.10.2022

Ein interessanter und informativer Klimaroman

Die Welt kippt
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Inhalt: Tessa Hansen und Shannon O’Reilly trennen Welten. Während Tessa bereits seit ihrem 14. Lebensjahr gegen die Klimakatastrophe kämpft, ist Shannon eine erfolgreiche Investorin im Silicon Valley. ...

Inhalt: Tessa Hansen und Shannon O’Reilly trennen Welten. Während Tessa bereits seit ihrem 14. Lebensjahr gegen die Klimakatastrophe kämpft, ist Shannon eine erfolgreiche Investorin im Silicon Valley. Als die beiden sich auf einer Konferenz treffen, merken sie aber, dass ihre Ansichten gar nicht so verschieden sind – bis auf eine Grundsatzfrage, die ihre sich bald entwickelnde Beziehung auf die Probe stellen wird. Im Hintergrund, vom Rest der Welt unerkannt, setzt China seine eigene Klimapolitik durch, deren Folgen für die Welt unkalkulierbar sind.

Persönliche Meinung: „Die Welt kippt“ von Heiko von Tschischwitz ist ein politischer Roman/Klimaroman, der die Bekämpfung des Klimawandels thematisiert. Der Roman spielt in der nahen Zukunft, hauptsächlich in den Jahren 2026 bis 2028. Erzählt wird der Roman aus vielen verschiedenen personalen Perspektiven. Die Figuren, aus deren Sichtweisen erzählt wird, sind dabei auf unterschiedlichsten Teilen der Welt beheimatet. Dadurch werden einerseits die Folgen des Klimawandels auf der ganzen Welt beleuchtet, andererseits werden unterschiedliche (politische) Umgangsformen mit dem Klimawandel aufgezeigt. So spielen neben den Perspektiven der Hauptfiguren Shannon und Tessa u.a. auch diejenigen des deutschen Bundeskanzlers Carsten Pahl und des chinesischen Wirtschaftskoordinators für Klimaschutz Zāng Li eine wichtige Rolle. „Die Welt kippt“ ist ein sehr diskursiver Roman. So werden von den Figuren viele Ansätze diskutiert, wie man den Klimawandel stoppen bzw. sogar rückgängig machen kann. Die Meinungen der Figuren werden dabei nicht nach einem Gut-Böse-Schema sortiert, sondern ergebnisoffen dargestellt. Es tritt auch keine (be)wertende Erzählinstanz auf, sodass den Lesenden selbst überlassen wird, wie sie die Meinungen der Figuren beurteilen. Durch die vielen Fakten und Prognosen zum Klimawandel kommt es innerhalb der Handlung manchmal zu einer kleinen „Informationsflut“. Die Informationen sind aber immer verständlich geschrieben, interessant und besitzen einen hohen informativen Grad, sodass sie für mich nicht störend waren. Neben der Thematik des Klimawandels finden sich in „Die Welt kippt“ außerdem dystopische Züge, Elemente eines politischen Thrillers und eine Liebesgeschichte. Spannung wird innerhalb der Handlung besonders dadurch erzeugt, dass man lange Zeit nicht genau weiß, was die chinesische Regierung plant. Insgesamt ist „Die Welt kippt“ ein informativer, realistischer und diskursiv angelegter Klimaroman, der in seiner Handlung Elemente verschiedener Genres vermischt.

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Veröffentlicht am 23.10.2022

Ein poetisch geschriebener Roman, der sich empathisch mit dem Thema "Trauer" auseinandersetzt

Schlangen im Garten
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Inhalt: Seitdem Johanne Mohn gestorben ist, ist für die Familie Mohn nichts mehr so, wie es mal war. Vater Adam ist schlichtweg überfordert mit der Situation, der jüngere Sohn Micha zieht sich in sich ...

Inhalt: Seitdem Johanne Mohn gestorben ist, ist für die Familie Mohn nichts mehr so, wie es mal war. Vater Adam ist schlichtweg überfordert mit der Situation, der jüngere Sohn Micha zieht sich in sich selbst zurück, die Tochter Linne beginnt, sich mit anderen Kindern zu prügeln, und der älteste Sohn Steve versucht irgendwie, die Familie durchzubringen. Erschwerend kommt hinzu, dass alle den Mitgliedern der Familie Mohn vorschreiben, wie diese zu trauern (oder besser: nicht zu trauern) haben. Doch dann treffen die Mohns auf drei Personen, die nicht unterschiedlicher sein könnten: einen schweigsamen Riesen, der auf dem Friedhof sitzt, eine Obdachlose, die einen Ball Gassi führt, und eine Handwerkerin, die Besonderes herstellt – Begegnungen, die das Leben der Mohns verändern werden.

Persönliche Meinung: „Schlangen im Garten“ ist ein Gegenwartsroman von Stefanie vor Schulte. Erzählt wird der Roman hauptsächlich aus den personalen Erzählperspektiven von Adam, Linne, Micha und Steve (später treten noch weitere Erzählinstanzen/-situationen hinzu, die ich aber hier nicht spoilern möchte). Inhaltlich dreht sich der Roman um das Thema „Trauer“ und den Verlust eines geliebten Menschen: So werden in emphatischer Weise einerseits die Trauerrituale der Mohns ausgeführt, andererseits die individuellen Bewältigungsstrategien der einzelnen Familienmitglieder erzählt. In diesen Trauerprozess treten immer wieder weitere, empathielose Figuren ein, die den Mohns vorwerfen, sie würden falsch trauern. Besonders die Nachbarn der Mohns bombardieren diese mit (scheinbar) weisen Ratschlägen, obwohl sie die Mohns wenig bis gar nicht kennen. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto stärker häufen sich phantastische Elemente, sodass die Handlung immer mehr in Richtung magischer Realismus tendiert. So entsteht bei „Schlangen im Garten“ ein schönes Wechselspiel zwischen erzählter Wirklichkeit und dem Wunderbaren, bei dem man letztlich nicht eindeutig zuordnen kann, was tatsächlich die erzählte Wirklichkeit und was das Wunderbare ist. Dadurch zieht sich eine latente Spannung durch die Handlung. Nicht alles wird innerhalb der Handlung von „Schlangen im Garten“ geklärt, vieles bleibt offen. Diese Offenheit des Romans passt aber sehr gut zu seinem Inhalt: Auch auf die im Roman aufgeworfene Frage, wie man „richtig“ trauert, kann es keine allgemeingültige Antwort geben; jede*r muss einen für sich passenden Weg finden. In diesem Sinne spiegelt sich die Offenheit der Frage nach dem „richtigen“ Trauern gewissermaßen im offenen Ende des Romans. Der Schreibstil von Stefanie vor Schulte ist sehr poetisch und metaphernreich, sodass man – obschon man ein Prosawerk liest – oft den Eindruck hat, Lyrik vor sich zu haben. Durch diesen lyrischen Ton entstehen während der Lektüre einige schöne und eindrückliche Bilder. Insgesamt ist „Schlangen im Garten“ ein poetisch geschriebener, z.T. surreale Bilder erzeugender Roman, der empathisch mit dem Thema „Trauer“ umgeht, allerdings auch Fragen offenlässt. Diese Offenheit hat mich aber weniger gestört, da sie zum Inhalt des Romans passte.

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Veröffentlicht am 17.10.2022

Ein sezierend geschriebener Roman, der sich (auch satirisch) mit der politischen Kultur der Gegenwart auseinandersetzt

Der Sandkasten
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Inhalt: Lange Zeit war Kurt Siebenstädter ein gefragter und gern gehörter Journalist. Doch die Welt hat sich geändert: Immer wieder eckt Siebenstädter mit seinen Äußerungen an; es ist nur noch eine Frage ...

Inhalt: Lange Zeit war Kurt Siebenstädter ein gefragter und gern gehörter Journalist. Doch die Welt hat sich geändert: Immer wieder eckt Siebenstädter mit seinen Äußerungen an; es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er eine terminale Grenze übertritt, sodass er für seinen Sender untragbar wird. Doch dann ändert sich von einem Tag auf den nächsten alles…

Persönliche Meinung: „Der Sandkasten“ ist ein politischer Gegenwartsroman von Christoph Peters. Der Roman spielt an einem einzelnen Tag zu Beginn des zweiten Lockdowns: dem 9. November 2020 (Der 9. November wird häufig als „Schicksalstag“ der deutschen Geschichte bezeichnet, was die Wahl dieses Tages als Handlungszeitpunkt umso interessanter macht). Erzählt wird die Handlung hauptsächlich aus der personalen Erzählperspektive von Kurt Siebenstädter (kurzzeitig wird auch die personale Perspektive von Prof. Bernburger, einem Gesundheitsexperten, eingenommen, aber diese fällt inhaltlich nicht so stark ins Gewicht). Trotz der personalen Perspektive erhält man tiefe Einsichten in die Gedankenwelt Siebenstädters: So finden sich häufig innere Monologe, in denen sezierend die Gedanken Siebenstädters offengelegt werden. Dabei offenbart sich Siebenstädter als zynischer und polemischer Anti-Held, der nahezu eigenschaftslos ist. Genau genommen hat er eine primäre Eigenschaft, mit der er bisher immer erfolgreich war: Er hinterfragt alles, räsoniert permanent, kommt aber nie zu einem endgültigen Ergebnis. Jetzt, wo diese Eigenschaft auf seiner Arbeit nicht mehr gefragt ist, fängt er an, das Räsonieren nach innen – auf sich selbst – zu richten, wodurch ihm bewusst wird, wie zerrissen er eigentlich ist. Dies führt letztlich zur eigenen Selbstdemontage. Neben Siebenstädter spielt auch die (politische) Öffentlichkeit der Gegenwart eine Rolle: Mehrfach baut Peters Figuren in die Handlung ein, die verschiedenen Politikern nachempfunden sind. Der Titel „Der Sandkasten“ besitzt dabei eine zweifache Bedeutung: Einerseits ist Siebenstädter, dadurch, dass er nie zu einer Meinung kommt und alles hinterfragt, formbar wie Sand. Andererseits erinnern die Konflikte innerhalb der Handlung und die Verhaltensweisen, die die Figuren an den Tag legen, an Sandkastenspiele: Die Figuren treten weniger als Erwachsene und stärker als große Kinder auf. Der Erzählstil von Christoph Peters ist häufig parataktisch, erzähltechnisch werden mehrfach schnelle Schnitte genutzt. Trotz der syntaktischen Komplexität ist der Text aber sehr flüssig lesbar und klar formuliert. Insgesamt ist „Der Sandkasten“ ein sezierend geschriebener Roman, der sich (auch satirisch) mit der politischen Kultur der Gegenwart auseinandersetzt.

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Veröffentlicht am 04.09.2022

Fünf Erzählungen Irvings, wobei besonders "Sleepy Hollow" und "Rip van Winkle" herausstechen

Die Sage von Sleepy Hollow
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„Sleepy Hollow und andere unheimliche Geschichten“ versammelt fünf Erzählungen von Washington Irving. Den Anfang macht Irvings bekannteste und titelgebende Erzählung „Die Sage von Sleepy Hollow“, die von ...

„Sleepy Hollow und andere unheimliche Geschichten“ versammelt fünf Erzählungen von Washington Irving. Den Anfang macht Irvings bekannteste und titelgebende Erzählung „Die Sage von Sleepy Hollow“, die von dem Landschulmeister Ichabod Crane handelt, der auf den kopflosen Reiter trifft. Es folgt „Rip van Winkle“, in der der titelgebende Protagonist in einen Zauberschlaf fällt. Beide spielen am Hudson River: Während die Handlung von „Sleepy Hollow“ (mehr oder weniger) zur Gegenwart von Irving stattfindet, spielt „Rip van Winkle“ zur Zeit der englischen Kolonisation Nordamerikas. Zudem stehen diese Anfangserzählungen in einem literarischen Zusammenhang: Beide stammen – so die Fiktion Irvings – aus den Unterlagen des Schriftstellers „Diedrich Knickerbocker“, der die Erzählungen auch in einem kurzen Nachwort bespricht. Dargestellt werden die Geschichten – teilweise mit einem leicht ironischen Ton – von einer allwissenden Erzählfigur. „Sleepy Hollow“ und „Rip van Winkle“ werden anschaulich und dicht erzählt, sodass eine angenehm schaurig-phantastische Atmosphäre entsteht, die einen besonderen Sog ausstrahlt. Mit der dritten Erzählung „Der Geisterbräutigam“ geht ein Wechsel des Handlungsortes einher: Diese spielt im Odenwald in Süddeutschland und handelt vom Baron von Katzenellenbogen, der seine Tochter vermählen möchte – was allerdings nicht so funktioniert, wie ursprünglich geplant. Auch hier tritt eine auktoriale Erzählfigur auf, die die Handlung anschaulich und atmosphärisch erzählt, allerdings ist die Dichte von „Der Geisterbräutigam“ nicht mit „Sleepy Hollow“ und „Rip van Winkle“ vergleichbar. Ein vollkommen anderes Handlungssetting besitzen die letzten beiden Erzählungen „Die Sage vom arabischen Sterndeuter“ und „Die Sage vom Vermächtnis des Mauren“. Im „Sterndeuter“ sorgt sich der König Aben Habuz vor Angriffen seiner Feinde, sodass er seinen magiekundigen Sterndeuter um Hilfe bittet – was, wie sich herausstellt, allerdings seinen Preis hat; im „Vermächtnis“ findet der arme Wasserträger Peregil unverhofft zu Reichtum, wodurch er in den Fokus der Behörden gerät. In beiden Erzählungen spielt Magie eine Rolle; Gruselelemente, wie sie in den ersten drei Erzählungen zu finden sind, treten allerdings zurück. Im Kern besitzen die beiden „Sagen“ einen schalkhaften Zug: Sie beinhalten jeweils eine List, aus der sich moralische Implikationen schließen lassen. Strukturell sind sie linearer aufgebaut als die ersten drei Erzählungen. Insgesamt lebt der Sammelband besonders durch „Sleepy Hollow“ und „Rip van Winkle“. Die anderen drei Geschichten sind nett und auch kurzweilig zu lesen, allerdings kommen sie nicht an die Atmosphäre der beiden Knickerbockers heran.

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Veröffentlicht am 15.08.2022

Ein spannender, flüissig zu lesender Kurzroman

Die Füchse von Hampstead Heath
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Inhalt: London. Seit einiger Zeit verschwinden Jugendliche, die sich in der Umgebung von Hampstead Heath aufgehalten haben, spurlos. Zwar tauchen sie nach kurzer Zeit wieder auf, doch können sie sich nicht ...

Inhalt: London. Seit einiger Zeit verschwinden Jugendliche, die sich in der Umgebung von Hampstead Heath aufgehalten haben, spurlos. Zwar tauchen sie nach kurzer Zeit wieder auf, doch können sie sich nicht daran erinnern, was ihnen widerfahren ist. Als auch Abigail von einer Grundschulfreundin zu einem „Event“ eingeladen wird, wird sie hellhörig: Die Freundin scheint verzaubert worden zu sein, und da Peter gerade auf Einhornjagd ist, stürzt Abigail sich kurzerhand allein in die Ermittlungen…

Persönliche Meinung: „Die Füchse von Hampstead Heath“ ist ein Fantasy-Kurzroman von Ben Aaronovitch. Der Roman spielt im „Die Flüsse von London“-Universum; Peter Grant tritt aber nicht auf. Peters Rolle wird von seiner 13-jährigen Cousine Abigail Kamara übernommen, die die Handlung aus der Ich-Perspektive erzählt. „Die Füchse von Hampstead Heath“ ist in sich abgeschlossen und kann daher auch ohne Kenntnis der „Die Flüsse von London“-Reihe gelesen werden (Das Lesevergnügen ist aber ungleich höher, kennt man sich ein bisschen in dem „Die Flüsse“-Universum aus). Abigail ist – trotz ihres jugendlichen Alters – eine abgeklärte Figur, die Gleichaltrigen weit voraus ist und auch mal einen sarkastischen Ton anschlägt. Begleitet wird Abigail in ihrer ersten Soloermittlung von knuffigen Sidekicks: einer Bande sprechender Füchse, die als Undercoveragenten arbeiten. Dies läuft nicht immer nach Plan, da die Füchse einen recht unbefangenen Charakter haben und die Menschenwelt nicht völlig durchschauen – was zu einigen komischen Szenen führt. Wie auch die Hauptreihe um Peter Grant zeichnet sich Abigails Abenteuer durch eine Mischung aus Krimielementen und Fantasy aus, sodass die Handlung von „Die Füchse von Hampstead Heath“ spannend, abwechslungsreich und unvorhersehbar ist. Was mir besonders gefallen hat: Als die Aufklärung des Falls näher rückt, gibt es einige verwirrende Szenen, die – da man sie zunächst gar nicht wirklich einordnen kann – für ein paar schöne Irritationsmomente sorgen (aber keine Sorge 🙃: Schrittweise ergeben die Szenen ein stimmiges Gesamtbild). Der Schreibstil von Ben Aaronovitch ist in „Die Füchse“ vergleichbar mit den Peter-Grant-Romanen. Anders als Peter nutzt Abigail allerdings häufiger jugendsprachliche Elemente. Der Aaronovitch eigene (trockene) Humor ist aber auch in Abigails Story vorhanden. Insgesamt ist „Die Füchse von Hampstead Heath“ ein spannender, flüssig zu lesender Fantasy-Krimi, der eine schöne Ergänzung zur Hauptreihe ist.

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