Eine Karrierefrau, wie sie im Buche steht
Frau in den WellenBeatrix Kramlovsky erzählt von der „Frau in den Wellen“, von Joni, einer erfolgreichen Frau, die – so scheint es mir – stets sich selbst als erstes sieht. Sie ist unkonventionell, willensstark, sie ist ...
Beatrix Kramlovsky erzählt von der „Frau in den Wellen“, von Joni, einer erfolgreichen Frau, die – so scheint es mir – stets sich selbst als erstes sieht. Sie ist unkonventionell, willensstark, sie ist selbstbestimmt und über die Maßen selbstbewusst. „Ihr solitäres Leben wäre Beweis für Überheblichkeit und Bindungsangst…“ so wird sie von außen betrachtet.
Warum ist Joni so, wie sie ist? Die Kindheit prägt – natürlich! Sie ist ganz anders als ihre Eltern und doch ist sie ihnen in ihrem Freiheitsdrang sehr ähnlich. So nach und nach erfahre ich mehr von ihr, sie begibt sich auf die politische Ebene mit Georg, er nimmt sie mit nach Ostberlin in seiner Funktion als Diplomat. Gattin sein ist ihr nicht genug, da kann ich sie gut verstehen. Sie will mehr, auch ihre Tochter steht ihr dabei nicht im Weg, gibt es doch noch den Vater dazu. Und hinter ihm steht seine österreichische Familie, da kann Joni unbesorgt um die Welt jetten. Joni habe ich als selbstbewusste, ja als egoistische Karrierefrau wahrgenommen, die sich gerne selbst beweihräuchert, die groß denkt, für das tägliche Allerlei jedoch keine Zeit verschwenden will. Eine Frau, die alles erreicht hat und mit ihren Kindern glänzen kann, ihnen den Alltag jedoch strikt verweigert. Sie ist einfach nicht da. Auch als ihr Sohn geboren wird, hält sie nichts in der Bürgerlichkeit. Sie widmet sich voll und ganz ihrer Karriere, die Kinder werden in den wenigen gemeinsamen Stunden mit Luxus überschüttet.
Diese Frauen mag es geben, keine Frage. Aber eher legt so ein konsequentes Verhalten ein Mann an den Tag und wird von seiner Frau, seiner Familie nach Kräften unterstützt. Hier ist es umgekehrt und schon wird „Die Frau in den Wellen“ kritisiert.
Aus mehreren Blickwinkeln betrachte ich Joni. Sie erzählt sich selbst ihre Gedanken, spricht über ihr Leben. Über die weltoffene Frau mit ihren globalen Kontakten, auch über ihre Rolle als Mutter zweier Kinder, die eher mit Abwesenheit glänzt als das sie für sie da wäre. In diesen kursiv gehaltenen Passagen habe ich zwar viel von ihr erfahren und doch waren mir diese Eindrücke zu steril, zu fremd. Gelesen habe ich sie dennoch, war aber jedes Mal froh, wenn diese ihre Zwiesprache mit sich selbst ein vorläufiges Ende hatte.
Ein weiterer Erzählstrang widmet sich dem Cybermobbing und seinen Auswüchsen, die ins echte Leben abgleiten. Diese Einblicke waren sehr interessant, die Wirklichkeit in den gar nicht so sozialen Foren spricht genau diese Sprache.
Überfrachtet war Jonis Weltbild mit politischen und gesellschaftlichen Einwürfen, die allesamt in diese Zeit passen. Überfrachtet deswegen, weil vieles angeschnitten wurde und doch keine Tiefe fand.
„Eine Frau geht ihren eigenen Weg und zahlt dafür einen Preis.“ So wird das Buch beworben. Aber welcher Preis ist damit gemeint? Sie nimmt sich alles, lässt für die anderen nur das übrig, was sie sowieso nicht will. Nein, einen Preis zahlt sie nicht, den zahlen eher die anderen.
Für das Buch habe ich mir Zeit gelassen, die Person Joni mochte ich meistens nicht. Ihre Geschichte ist gut erzählt und auch da mochte ich die Selbstgespräche am wenigsten, sie waren mir zu langatmig. Es ist kein Buch, das ich mal so nebenbei lese. Nicht mal eins, das ich am Stück konsumiere, mir kurz Gedanken mache, ein paar Zeilen schreibe und – das Nächste bitte! Nein, in Jonis Geschichte musste ich mich hineinfinden. Es war nicht immer einfach, zu sperrig waren viele Seiten. Das antiquierte Rollenbild wird hier aufgebrochen, keine Frage. Aber mit welchen Mitteln? Eine starke Frau mit Anhang kann immer nur dann stark sein, wenn andere für sie bedingungslos da sind. Und so ein Agieren nenne ich verantwortungs- und rücksichtslos. Das hat nichts mit Stärke zu tun.