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Veröffentlicht am 05.09.2022

Rau und poetisch

Das Flirren der Dinge
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"Er lächelte in sich hinein. Zum ersten Mal war das Findelkind aus dem Pammatone für seine Gabe dankbar. Das Leben gab ihm zurück, was es ihm bei der Geburt weggenommen hatte. Er trat zu ihr, drückte sie ...

"Er lächelte in sich hinein. Zum ersten Mal war das Findelkind aus dem Pammatone für seine Gabe dankbar. Das Leben gab ihm zurück, was es ihm bei der Geburt weggenommen hatte. Er trat zu ihr, drückte sie an sich. Antonio Casagrande würde keinen einzigen Tag auf der Welt ohne Caterina verbringen. Was wollte er mehr?"

Vorweg, ich kannte "Bella Ciao" von der Autorin und war daher an diesem Buch interessiert. Bei "Das Flirren der Dinge" habe ich allerdings eine ganz schöne Zeit gebraucht, um in das Buch hineinzufinden. Antonio Casagrande wächst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einem Waisenhaus in Genua auf. Er ist auf einem Auge blind. Als er elf ist wird Antonio vom Fotografen Alessandro Pavia aus dem Waisenhaus geholt - fortan soll er sein Assistent sein. Von Alessandro Pavia lernt Antonio nicht nur lesen und schreiben, sondern auch die hohe Kunst der Fotografie. Doch er lernt auch etwas anderes: sein blindes Auge kann vorhersagen, wie und wann ein Mensch sterben wird, wenn er damit durch den Auslöser der Kamera schaut. Lange kann Antonio dies nicht deuten...

Der historische Roman folgt dem ganzen Leben von Antonio. Ich habe etwas gebraucht, um hineinzukommen. Die Ereignisse werden sehr detailliert geschildert. Es gibt keine geschönten Momente, und dennoch unterliegt der Erzählung eine gewisse raue Romantik. Das Buch schildert zudem historische Momente sehr eindrücklich. Wenn man gerne historische Romane liest, die das ganze Leben einer Person erzählen, wird man auch dieses Buch lieben.

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Veröffentlicht am 28.05.2022

Ein interessanter biographischer Roman

Vegetarianer
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Der Deutsche Karl Wilhelm Diefenbach war ein Maler und Sozialreformer im 19. Jahrhundert. So glaubte er unter anderem an den Vegetarismus, die Freikörperkultur, das Leben im Einklang mit der Natur, sowie ...

Der Deutsche Karl Wilhelm Diefenbach war ein Maler und Sozialreformer im 19. Jahrhundert. So glaubte er unter anderem an den Vegetarismus, die Freikörperkultur, das Leben im Einklang mit der Natur, sowie Ablehnung von Monogamie und Religion. Der Vegetarismus, den Diefenbach gelebt hat, würde man heute als Veganismus bezeichnen, hat er doch jegliche tierischen Produkte abgelehnt. Der biographischen Roman von Felix Kucher beschäftigt sich mit dessen Leben und Wirken.

Ich kannte Karl Wilhelm Diefenbach bisher nicht. Die altertümliche Sprache gibt der Geschichte ein authentisches Flair, hat aber auch bewirkt, dass ich etwas brauchte, um in das Buch hineinzukommen. Das Leben des Exzentrikers und Schmarotzers Diefenbach wird sehr interessant dargestellt. Ich habe das Buch gern gelesen, es wird in mir noch länger nachwirken.

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Veröffentlicht am 16.04.2022

Ein interessantes Zeugnis einer starken Frau

Ich, die Kämpferin
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Sara Aduse ist in Äthiopien aufgewachsen. Dort wurde sie unter der Obhut ihrer Großmutter als Siebenjährige beschnitten. Female Genital Mutilation (FGM) ist in Afrika, Südostasien und im mittleren Osten ...

Sara Aduse ist in Äthiopien aufgewachsen. Dort wurde sie unter der Obhut ihrer Großmutter als Siebenjährige beschnitten. Female Genital Mutilation (FGM) ist in Afrika, Südostasien und im mittleren Osten nach wie vor weit verbreitet. Sara beschreibt im Buch, wie sehr sie dieser Eingriff in ihrem Leben beeinträchtigt hat. Auch nachdem sie mit der Mutter und ihren vier Geschwistern in die Schweiz flüchtet, spürt sie weiterhin die Auswirkungen dieses Ereignisses, insbesondere das Gefühl, dass ihre Mutter und Großmutter sie damals im Stich gelassen haben. Das Buch ist Saras Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte. Sie erzählt von ihrer Kindheit in Äthiopien, der Flucht in die Schweiz und dem Leben dort. Als sie beginnt, sich mit dem Thema FGM zu beschäftigen, gibt es in ihrem Leben eine Wende. Sie spricht sich fortan gegen FGM aus, nach einem Zeitungsartikel mit Video wird ein Film gedreht. Beim Film wird ihre Reise nach Äthiopien begleitet, und zeigt, wie sie dort der Frau, die sie beschnitten hat, gegenübertritt...



Ich fand das Buch sehr interessant. Die Sprache ist einfach gehalten, und das Buch lässt sich schnell lesen. Einige Dinge werden im Buch leider nicht erklärt (was macht der Vater?) oder nehmen zu wenig Platz ein, was ich schade fand. Auch gab es Passagen, die ich kritisch betrachte, zum Beispiel die Szene in ihrer ehemaligen Schule in Harar. Dabei erklärt Sara Mädchen, die zum Teil schon beschnitten sind, dass die Beschneidung sie ihrer Weiblichkeit berauben würde. Ich denke nicht, dass solche Aussagen den bereits beschnittenen Mädchen gut tun, auch wenn ich verstehe, dass sie mit ihrem Besuch hauptsächlich die noch nicht beschnittenen Mädchen animieren wollte, sich zu wehren. Insgesamt ein sehr interessantes Buch zu einem wichtigen Thema. Sara ist eine starke und inspirierende Frau und ich bin froh, dass sie sich mit ihrer Geschichte gegen FGM einsetzt.

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Veröffentlicht am 05.04.2022

Ein aufrüttelnder, feministischer Roman

Die Wut, die bleibt
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"Der Zorn in ihr ist nicht mehr der kleine, hämmernd heiße Ball. Er hat sich über ihr Inneres gestülpt und sie vollständig ausgekleidet. Es ist still, sie schlafen ein, sie haben einen gemeinsamen Frieden, ...

"Der Zorn in ihr ist nicht mehr der kleine, hämmernd heiße Ball. Er hat sich über ihr Inneres gestülpt und sie vollständig ausgekleidet. Es ist still, sie schlafen ein, sie haben einen gemeinsamen Frieden, oder vielleicht ist es die Ruhe vor dem Sturm. Denn da ist ein Ziehen und ein feines, glühendes Simmern. Das ist die Wut, die bleibt."

Mitten in der Pandemie steht Helene eines Tages während dem Abendessen mit der Familie auf und stürzt sich 12 Meter den Balkon hinunter. Dieser Akt verändert alles unwiederbringlich: er rüttelt den Leser wach, er verändert das Leben von Helenes Familie radikal, allen voran der fünfzehnjährigen Tochter Lola, und Helenes bester Freundin Sarah. Fortan erzählen Lola und Sarah kapitelweise diesen Roman, das Leben nach diesem abrupten Halt oder Riss. Helene hinterlässt einen leeren Platz, der nur schwierig zu füllen ist. Beide Frauen realisieren nach und nach, wie viel Helene auf sich genommen hat, dass sie sich nie beschwert hat, wie schwierig dieser Stempel Mutter ist, wieviele Positionen gleichzeitig zu besetzen sind. Und wie die Männer meist alles voraussetzen und nie erkennen, wieviel Arbeit dahinter steckt. Wie hilflos sie im Umgang mit ihren eigenen Kindern sein können. Wieviel Ungleichheit da immer noch ist, selbst in 2022. Und noch so vieles mehr.

"Aber gleichzeitig hat sie verstanden: dass es gar kein Gleichgewicht war. Sondern verinnerlichter Glaube, dass die männliche Energie mehr wiegt als die weibliche, dass Männer lauter sein und mehr Platz einnehmen dürfen, ihre Wut rauslassen und ihre Aggression."

Dieses Buch ist einzigartig, wütend, zornig, laut und rüttelt wach. Ein feministisches, aktuelles Buch, welches zeigt, wie ungleich alles immer noch verteilt ist. Ich konnte mich mit beiden Protagonistinnen identifizieren, habe Teile von mir in Sarah und Teile in Lola wiedererkannt. Mit vielen der Themen habe ich mich schon auseinandergesetzt, jedoch fand ich die Themen im Roman nochmals sehr anschaulich umgesetzt. Lola war mir allerdings oft etwas zu radikal, zu impulsiv und zu kritisch, Sarah etwas zu langsam in ihrer Entwicklung. Insgesamt ein sehr interessantes, gut geschriebenes Buch zu einem nach wie vor aktuellen Thema.

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Veröffentlicht am 15.03.2022

Berührende Familiengeschichte zwischen Ost- und Westdeutschland

Die Enkelin
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"In seiner Trauer, in der er Birgit immer und überall vermisste, als sei sie immer und überall um ihn gewesen, hatte er vergessen, wie oft und wie weit sie weg gewesen war."

Birgit und Kaspar lernten ...

"In seiner Trauer, in der er Birgit immer und überall vermisste, als sei sie immer und überall um ihn gewesen, hatte er vergessen, wie oft und wie weit sie weg gewesen war."

Birgit und Kaspar lernten sich als Studenten während dem kalten Krieg in Berlin kennen. Er ist aus dem Westen, sie aus dem Osten... Sie möchten zusammen sein, und so verhilft Kaspar Birgit zur Flucht. Viele Jahre später, nach ihrem Tod, entdeckt er in ihren Aufzeichnungen, was sie im Osten alles zurücklassen musste, um bei ihm zu sein. Kurz vor der Flucht gebar sie eine Tochter, die sie im Osten zurückliess, und die sie seither finden wollte, jedoch nicht den Mut dazu hatte. Und so beschließt Kaspar, Birgits Tochter zu finden...

Ich lese sehr gerne Bernhard Schlinks Romane. Sein ruhiger, kalkulierter, aber auch poetischer Schreibstil mit historischen Details gefällt mir, und auch "Die Enkelin" ist wieder in seinem typischen Stil geschrieben. Das Thema Rechtsradikalismus steht an zentraler Stelle und war für mich nicht immer einfach zu verdauen. Tragisch und aufrüttelnd verbleiben seine Worte in mir. Ein trauriges Buch, welches noch lange nachwirken wird.

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