Profilbild von Naraya

Naraya

Lesejury Star
offline

Naraya ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Naraya über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.10.2022

Interessanter Roman, aber etwas fehlt

Frau mit Messer
0

Hornclaw ist 65 Jahre alt und arbeitet schon ihr ganzes Leben als Auftragsmörderin – oder wie sie es nennen würde: in der „Schädlingsbekämpfung“. Doch langsam, aber sicher lassen sie nicht nur ihr Körper ...

Hornclaw ist 65 Jahre alt und arbeitet schon ihr ganzes Leben als Auftragsmörderin – oder wie sie es nennen würde: in der „Schädlingsbekämpfung“. Doch langsam, aber sicher lassen sie nicht nur ihr Körper und ihr Erinnerungsvermögen im Stich. Nein, sie fragt sich auch, ob sie eigentlich noch weiter so leben will und all diese Menschen wirklich den Tod verdient haben. Doch der Rückzug aus dem Gewerbe wird schwerer als gedacht, und noch dazu scheint es ein Kollege auf Hornclaw abgesehen zu haben.

„Frau mit Messer“ ist der erste ins Deutsche übersetzte Roman der koreanischen Autorin Gu Byeong-mo. Die Handlung wird aus der Sicht eines allwissenden Erzählers geschildert, der hauptsächlich die Perspektive der Protagonistin einnimmt, hin und wieder aber auch ihren Widersacher Bullfight begleitet. Die Sprache wechselt dabei regelmäßig von der Vergangenheits- in die Gegenwartsform, wenn bestimmte Szenen noch unmittelbarer und eindrücklicher geschildert werden sollen.

Nach und nach breitet sich Hornclaws Leben von der Kindheit und Jugend bis in ihr heutiges Alter vor uns aus. Von der eigenen Familie verstoßen, findet sie bei ihrem Mentor Ryu ein neues. Der bringt ihr vor allem das Töten bei, beschützt sie aber auch in jeder Situation. Von einer unsicheren 15-Jährigen entwickelt sie sich zur gefürchteten „Patin“. Zuhause hingegen kümmert sie sich liebevoll um ihre Hündin und zweifelt immer mehr an der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit; vor allem, als ein Arzt ins Kreuzfeuer gerät, der ihr das Leben gerettet hat.

Auch Bullfights Hintergrundgeschichte wird im Laufe der Handlung enthüllt. Es ist aber recht schnell klar, dass sich ihre Wege in der Vergangenheit schon einmal gekreuzt haben müssen. Ab einem gewissen Punkt driftet der Roman dann auch ins Actionreiche ab, was den vorherigen Erzählton etwas zunichte macht. „Frau mit Messer“ ist ein grundsätzlich sehr interessanter Roman über eine Frau, die sich unter Männern behauptet. Irgendetwas fehlt am Ende jedoch, vielleicht der Bezug zu den Charakteren? Immerhin wartet die Autorin am Schluss noch mit einer Überraschung auf.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.10.2022

Tolle Comicserie, manchmal etwas überfrachtet

Paper Girls SC
0

Mac, Tiffany und KJ sind ein unzertrennliches Trio. Gemeinsam tragen sie mit ihren Fahrrädern Zeitungen aus – eine Tätigkeit, die eigentlich Jungs vorbehalten ist. Wir befinden uns nämlich im Jahr 1988. ...

Mac, Tiffany und KJ sind ein unzertrennliches Trio. Gemeinsam tragen sie mit ihren Fahrrädern Zeitungen aus – eine Tätigkeit, die eigentlich Jungs vorbehalten ist. Wir befinden uns nämlich im Jahr 1988. Am Halloween-Morgen treffen die drei dann auf Erin und nehmen sie in ihre Gruppe auf. Von da an scheinen sich die Ereignisse zu überschlagen, denn die Mädchen werden Zeuginnen, wie sich zwei seltsame Parteien vor ihren Augen bekriegen: Außerirdische! Die vier werden mitten in die Geschehnisse gewirbelt und bald wissen sie nicht mehr, wem sie noch trauen können.

„Paper Girls“ erschien ursprünglich als Comicserie in insgesamt 30 Heften. Der Autor, Brian K. Vaughan, ist vor allem für seine Arbeit mit Marvel bekannt, die Illustrationen stammen von Cliff Chiang, die Kolorationen von Matt Wilson. Gerade letztere sind auch das, was beim Betrachten sofort ins Auge sticht: Die Farben sind nicht realistisch, sondern changieren von lila und pink, zu grün, gelb und orange – was denn Bänden den gewünschte futuristischen Look verleiht. Ansonsten sind die Zeichnungen sehr klar und realistisch.

Thematisch gesehen hat die Reihe so einiges zu bieten. Natürlich sind da zunächst einmal die außerirdischen Lebensformen und Techniken, die recht schnell auf Science Fiction als Genre hindeuten. Grundsätzlich stehen sich zwei Parteien mit unterschiedlichen Auffassungen dazu gegenüber, wie die Welt gestaltet sein soll bzw. welchen Verlauf ihre Geschichte nehmen soll. Dabei ufert das Ganze manchmal ein wenig aus, wenn immer neue Themen und Motive hinzukommen und natürlich reisen unsere Heldinnen auch durch die Zeit.

Die vier „Paper Girls“ sind der Dreh- und Angelpunkt der Handlung und sie unterscheiden sich grundlegend voneinander, sei es in ihrem kulturellen oder religiösen Hintergrund oder ihrem Charakter. Mac ist die harte Anführerin mit weichem Kern, Erin die schüchterne Asiatin. Tiffany ist Schwarz und liebt Videospiele, während KJ eine jüdische Sportskanone ist – ein wenig klischeehaft vielleicht, aber man muss die vier einfach gern haben. Witzig ist zudem der Blick auf die 80er Jahre, in denen ich aufgewachsen bin.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.09.2022

Über drei Schwestern

Triskele
0

Mercedes, Mira und Matea sind Schwestern. Im Moment haben sie jedoch den Bezug zueinander verloren oder vielleicht gab es den auch nie richtig? Mercedes und Mira trennen 16 Jahre Altersunterschied, genauso ...

Mercedes, Mira und Matea sind Schwestern. Im Moment haben sie jedoch den Bezug zueinander verloren oder vielleicht gab es den auch nie richtig? Mercedes und Mira trennen 16 Jahre Altersunterschied, genauso wie Mira und Matea – miteinander aufgewachsen sind alle drei also nicht wirklich. Dann jedoch begeht Simone, die Mutter der drei, Selbstmord und die Schwestern müssen nicht nur den Nachlass regeln, sondern auch wieder aufeinander zugehen.

„Triskele“ ist nach „Kintsugi“ Miku Sophie Kühmels zweiter Roman. Erzählt wird im Wechsel von allen drei Schwestern in der Ich- und Gegenwartsform. Wer genau gerade spricht, muss immer aus dem Kontext abgeleitet werden, aber nach kurzer Zeit erkennt man die Schwestern auch an ihrem Ton. Mercedes, die Älteste, ist eher still und analytisch, Mira in der Mitte sehr quirlig und laut, Matea, die Jüngste, eine Mischung aus beiden. Der Titel „Triskele“ bezieht sich natürlich auf die drei Schwestern, aber auch auf ein Schmuckstück, das Mira als Teenager in einem Frankreichurlaub gekauft und ihrer Mutter geschenkt hatte.

Der Roman hat sicherlich Trauer und den Umgang mit einem Suizid zum Thema. Über Mutter Simone finden wir nur in Anekdoten und Erinnerungen ihrer Töchter etwas heraus und scheinbar litt sie an Depressionen. Im Verlauf der Handlung fragt man sich unweigerlich, warum diese Frau eigentlich Kinder bekommen hat und warum in diesem großen Abstand – vermutlich wusste sie das aber selbst nicht. Miras Anhänger, zum Beispiel, trug sie nie. Über die Väter der drei Schwestern erfahren wir nichts, sie selbst haben alle drei nicht kennengelernt. Überhaupt spielen Männer nur eine sehr untergeordnete Rolle im Roman.

Das eigentliche Highlight sind die feinen Verbindungen zwischen den Schwestern, die nach und nach wieder an Stärke gewinnen. Am Anfang wissen sie kaum etwas voneinander. Mercedes verheimlicht Probleme im Job, Mira ihr Liebesleben und Mati findet online Zuflucht - bis sie am Ende durch die gemeinsame Auseinandersetzung mit ihrer Mutter und der Vergangenheit wieder zu einem Dreiklang werden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.09.2022

Würdiger Trilogie-Abschluss

Falling for Eve Brown (Brown Sisters 3)
0

Eve Brown hat schon die unterschiedlichsten Jobs ausprobiert, aber bei keinem ist sie lange geblieben. Als sie nach einem Vorfall während ihrer neusten Tätigkeit als Hochzeitsplanerin wieder einmal alles ...

Eve Brown hat schon die unterschiedlichsten Jobs ausprobiert, aber bei keinem ist sie lange geblieben. Als sie nach einem Vorfall während ihrer neusten Tätigkeit als Hochzeitsplanerin wieder einmal alles hinwirft, haben ihre Eltern genug: Eve soll endlich ausziehen und zumindest ein Jahr lang einer Arbeit treu bleiben. Gleichzeitig kämpft Jacob Wayne um den Erhalts seines Traums, eines kleinen Bed & Breakfast. Seine Köchin hat gekündigt und ein wichtiges Festival steht bevor – allein kann Jacob das alles nicht bewältigen. Durch Zufall platzt Eve in seine Bewerbungsgespräche für neues Küchenpersonal und bringt sein Leben und das „Castell Cottage“ ordentlich durcheinander.

„Falling for Eve Brown“ ist der finale Band der Trilogie der Autorin Talia Hibbert über die drei Brown-Schwestern. Er wird aus der Sicht der jüngsten – Eve – erzählt, aber auch Jacob kommt immer wieder zu Wort. Von Beginn an liefern sich die beiden einen verbalen Schlagabtausch und es ist deutlich zu spüren, wie gut es beiden tut, dass endlich jemand klar mit ihnen kommuniziert. Was Eve an Begeisterungsfähigkeit und Charme besitzt, ergänzt Jacob durch seinen analytischen Blick und seine Effizienz; die beiden sind bald ein perfektes Team – wenn da nur nicht eine große Entscheidung bevorstünde, die Eve zu treffen hat.

Talia Hibberts Romance Novel zeichnen sich durch ihre Diversität und gleichberechtigte Paare aus; das schätze ich so an ihnen. In diesem widmet sie sich dem Thema Autismus. Jacob lebt schon seit seiner Kindheit mit dieser Diagnose. Weil seine Eltern mit ihm nicht mehr umgehen konnten und wollten, wuchs er bei seiner Tante auf. Kommunikation und das Verhalten anderer zu deuten, fällt ihm schwer. Mit Eve hingegen ist alles einfach, denn sie trägt ihr Herz auf der Zunge.

Um ehrlich zu sein, ist Eve mit ihren lila farbenen Haaren und ihren Sprüche-T-Shirts mein Liebling unter den drei Brown-Schwestern. Sie ist absolut chaotisch (sie überfährt Jacob aus Versehen mit dem Auto!), aber unglaublich warmherzig und voller Kreativität – bisher hat ihr nur niemand zugehört, was sie im Leben wirklich will. Ein würdiger Trilogie-Abschluss.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.09.2022

Women's Prize 2022

Die leise Last der Dinge
0

Benny ist zwölf Jahre alt, als sein Vater, ein Jazzmusiker mit Drogenproblem, von einem Hühnerlaster überfahren wird. Nun ist er allein mit seiner Mutter Annabelle, die zwar versucht, die Familie über ...

Benny ist zwölf Jahre alt, als sein Vater, ein Jazzmusiker mit Drogenproblem, von einem Hühnerlaster überfahren wird. Nun ist er allein mit seiner Mutter Annabelle, die zwar versucht, die Familie über Wasser zu halten, aber immer mehr im Chaos versinkt. Eines Tages beginnt Benny, Stimmen zu hören, die immer lauter werden und sich irgendwann nicht mehr ausblenden lassen. Es sind die Gegenstände um ihn herum, die zu ihm sprechen, doch weil ihm das natürlich niemand glaubt, landet er in der Psychiatrie. Dort lernt er ein Mädchen kennen, das Aleph und sie und ihre Clique verändern Bennys Leben.

Für „Die leise Last der Dinge“ wurde Ruth Ozeki mit dem Women‘s Prize for Fiction ausgezeichnet und zumindest vom Aufbau des Romans gesehen, kann ich das gut nachvollziehen. Die Handlung wird auf besondere Weise erzählt, nämlich von einem der Dinge, das zu Benny spricht. Er selbst mischt sich auch immer wieder ein und wendet sich direkt an die Leser/-innen, um das Erzählte zu kommentieren. In kurzen, eindringlichen Sätzen wird so geschildert, wie sich das Leben von Mutter und Sohn ohne den Vater ändert.

Das zentrale Thema des Buches ist sicherlich seelische Gesundheit. Mutter Annabelle kann den Tod ihres Mannes Kenji nicht verwinden und spürt noch immer seine Präsenz im Haus. In ihrer Trauer hortet sie jede Menge Dinge, so dass im Haus kaum noch Platz ist und der Vermieter mit Räumung droht. Benny hingegen kann all diese Gegenstände hören – kein Wunder, dass er das schließlich nicht mehr aushält und „verrückt“ wird. Doch was bedeutet das eigentlich, verrückt zu sein? Sind wir nicht alle irgendwie verrückt? Das findet zumindest das Aleph.

Leider gelang es mir nicht, eine Verbindung zu den Figuren aufzubauen. Benny mag ein typischer Teenager sein, aber das machte ihn mir nicht unbedingt sympathischer. Mutter Annabelle ist furchtbar lethargisch und das auch noch dann, wenn sie droht, ihren Sohn zu verlieren. Zudem ist der Roman oft etwas langwierig und die Botschaft am Ende fragwürdig. Nicht mein Favorit für den Women‘s Prize, aber dennoch ein gut geschriebenes Buch mit wichtigem Grundthema.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere