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Veröffentlicht am 01.09.2017

Die Angst der Unsicherheit - 3. Teil der Thriller Reihe um Hauptkommissar de Bodt

Giftflut
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Hauptkommissar de Bodt und sein Team werden nach Berlin-Friedrichshafen an den Schauplatz eines inszenierten Verbrechens gerufen. Der Chef des hiesigen Wasserwerks und dessen Ehefrau liegen ertränkt in ...

Hauptkommissar de Bodt und sein Team werden nach Berlin-Friedrichshafen an den Schauplatz eines inszenierten Verbrechens gerufen. Der Chef des hiesigen Wasserwerks und dessen Ehefrau liegen ertränkt in der eigenen Badewanne. Zeitgleich verzeichnet auch die Pariser- und die Londoner Polizei inszenierte Morde, an den jeweiligen Chefs der dortigen Wasserwerke.

Kurz darauf explodieren die Oberbaumbrücke an der Spree, danach die Seinebrücke in Paris und die Tower Bridge in London. Es gibt kein Bekennerschreiben und keine Botschaft.

Das bittere Resultuat:

Hunderte Tote und zahlreiche schwer Verletzte.

Hauptkommissar de Bodt und sein Team glauben zu erkennen, dass alle Verbrechen mit dem Element „Wasser“, dem Grundstoff allen Lebens, in Verbindung stehen. Um den Tätern auf die Spur zu kommen, suchen de Bodt und sein Team nicht nur nach möglichen Motiven, sondern sie recherchieren auch unter Hochdruck, wer scheinbar finanziell unabhängig, diese kaltblütigen Verbrechen in Auftrag gegeben haben könnte, die professionell ausgeführt worden sind.

Trotz enger Zusammenarbeit mit den französischen und britischen Behörden tappt die SOKO im Dunkeln und die Ermittlungen gestalten sich schwieriger denn je. Europa steht Kopf und verfällt in Panik, während Aktienkurse abstürzen und die Wirtschaft zum Stillstand kommt. Vor allem aber verfestigt sich die Angst in den Köpfen der Bevölkerung vor einem neuen Terrorakt.

Erst als de Bodt spürt, wie die Täter ticken, kann er erste Theorien für Motive entwickeln, die ihm außer seinem Team, jedoch niemand abnimmt.

Eine intelligente Jagd beginnt.

Der Autor:

Christian v. Ditfurth, geboren 1953, ist Historiker und lebt als freier Autor in Berlin und in der Bretagne. Er hat zahlreiche Sachbücher geschrieben, zuletzt Deutsche Geschichte für Dummies. Neben Thrillern wie Der 21. Juli und Das Moskau-Spiel hat er Kriminalromane um den Historiker Josef Maria Stachelmann veröffentlicht, die auch in den USA, in England, Australien, Frankreich, Spanien und Israel veröffentlicht wurden. Bei carl's books erschien zuletzt »Zwei Sekunden. Kommissar de Bodts zweiter Fall«.

Reflektionen:

Giftflut ist der dritte Teil der Thriller-Reihe um Hauptkommissar Eugen de Bodt und sein Team und auch dieser Thriller überzeugt durch intelligente Komplexität und ein kontinuierlich rasantes Tempo.

Giftflut könnte als „stand alone“ gelesen werden, doch ich rate dringend davon ab. Christian von Ditfurth hat die Grundzüge seiner starken Charaktere bereits im ersten Teil der Reihe „Heldenfabrik“ beschrieben und aufgebaut und die Entwicklung der detailreichen Charaktere im zweiten Teil der Reihe „Zwei Sekunden“ weiter gefestigt. Dem Leser würde zu viel entgehen, wenn er auf Heldenfabrik und Zwei Sekunden verzichtete, außerdem würde man der Flut an Figuren nicht genussvoll folgen können.

Christian von Ditfurth produziert mit seinen kurzen und prägnanten Sätzen einen flüssigen Schreibstil im melodischen Takt, der knackig und im hohen Tempo durch die Seiten drillt. Einzig die Legenden der vielen Figuren, die bereits in den Vorgänger-Thrillern begannen, lassen kurz innehalten, um sich zu erinnern, denn sie sind relevant.

Die Hauptfigur Eugen de Bodt hasst es Polizist geworden zu sein. Dementsprechend verbindet ihn emotional nichts mit Kollegen und Vorgesetzten, außer mit seinem Team. Er tickt anders als alle und er zieht alles so durch, wie er es für richtig hält. Neid und Missgunst seiner Kollegen und Vorgesetzten sind im stets gewiss. So eigenbrötlerisch wie de Bodt auch ist, er ist ein äußerst intelligenter Sympathieträger, der philosophisch Fundiertes stets parat hat. Selbst Teammitglied Yussuf, ein blonder Zappelphilipp-Türke, beginnt inzwischen zu philosophieren, wenn er mal nicht gerade mit spitzfindigen Bemerkungen und Kommentaren Kollegen in den Wahnsinn treibt. Die dritte im Bunde ist Silvia Salinger, die manchmal unnahbar erscheint und dann wieder de Bodts Nähe sucht. Als der französische Kollege Lebranc mit de Bodt ermittelt fühlt sich Salinger zurückgesetzt und als eine Frau in de Bodts Leben tritt, trägt sie ihre Emotionalitäten direkt auf der Zunge.

Dieses Ermittlungsteam stemmt fast Unmögliches. Sie sind fachlich absolut kompetent, agieren authentisch, akzeptieren unorthodoxe Ermittlungsmethoden und sind ein richtig gut aufeinander abgestimmtes Team. Bei diesem gigantischen Fall sind sie erneut kaltgestellt und nicht in der SOKO vertreten. Man drückt de Bodt nieder wo man nur kann, provoziert ihn dieses Mal sogar zum sonst verpönten Alleingang.

Sehr reich an Details ausgearbeitete Figuren begleiten diese rasante Geschichte. Die Spekulationen der möglichen Tätermotive verleihen der Handlung eine erschreckend realistische und nachvollziehbare Tiefgründigkeit.

Christian Ditfurth spielt intelligent mit meisterhaft inszenierten Perspektiven, verstrickt Handlungen vieler Figuren miteinander und dreht so die Schrauben der Dramaturgie und Hochspannung bis zum Anschlag.

Die Täterperspektive gibt Aufschluss über deren professionelle Vorgehensweise, ohne das Motiv zu benennen. Sie erhält noch einmal eine besondere Dynamik, als Jan, ein IT-Begeisterter Tourist, auf der pazifischen Insel Palau zufällig auf die Täter stößt. Diese wollen ihn ausschalten, treffen jedoch seine Freundin und töten sie. Damit setzten sie in Jan eine unbändige Wut frei, die er bald gegen die Täter einsetzt.

Erst auf den letzten Seiten löst von Ditfurth die geschickten Verflechtungen auf, führt die Handlungsstränge zusammen und überrascht mit einem unfassbar authentischen Motiv.

Fazit und Bewertung:

Der dritte Teil der Hauptkommissar de Bodt Thriller-Reihe überzeugt erneut. Giftflut ist ein intelligenter, ansprechend komplexer Thriller, der besonders durch geschickt inszenierte Perspektiven und Verflechtungen besticht. Außergewöhnliche und intensiv gezeichnete Charaktere sowie realistisch fundierte Tiefgründigkeit bei der Motivermittlung präsentieren einen Hochgenuss an Spannung.

Leseempfehlung.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 30.08.2017

Schuld und Buße – 1-855-2-Nowhere Man – Herausragend, intelligent und hochspannend

Projekt Orphan
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Agent Orphan X tötete im geheimen Auftrag der US-Regierung. Kaltblütig, reich an Action und stets von Erfolg gekrönt, führte er verlässlich komplexe Aufträge aus.

Seine Tarnung ist die beste. Sein Zuhause ...

Agent Orphan X tötete im geheimen Auftrag der US-Regierung. Kaltblütig, reich an Action und stets von Erfolg gekrönt, führte er verlässlich komplexe Aufträge aus.

Seine Tarnung ist die beste. Sein Zuhause gleicht einer Festung. Es ist Schuss sicher, ausgestattet mit der modernsten Überwachungs- und Sicherheitstechnik, einem hängenden Kräutergarten mit Bewässerungssystem und einem Base-Jumping-Schirm, für einen möglichen schnellen Abgang. Es ist ein Hochsicherheitstrakt, in das kein Eindringling vordringen kann, aber es ist auch das Heim eines von außen unnahbaren, einsamen Menschen.

Für seine Nachbarn ist Evan ein Vertreter der Industriereiniger vermarktet. Nur Nachbarin Mia, mit ihrem kleinen Sohn Peter, weiß von Evans verdecktem Leben. Evan und Mia wissen beide, dass all die Zuneigungen die sie füreinander empfinden, das Risiko nicht wert sein können, sich näher aufeinander einzulassen und doch schwächelt Evans Vernunft.

Einsam zwar, aber finanziell unabhängig lebt Evan nach seinen 10 Geboten, die ihm sein Ziehvater Jack Jones antrainierte und lehrte, nach dem er Evan aus einem dreckigen Leben ins Orphan Programm rekrutiert hatte. Jack Jones hat Evan zum besten und gefragtesten Orphan ausgebildet und er trainierte ihn auch, seine Menschlichkeit zu bewahren.

Heute hilft Evan unentgeltlich denen, die sich in einer lebensbedrohlichen Notlage befinden und keinen Ausweg mehr sehen. Die unkonventionelle Hilfe, die er diesen Menschen zukommen lässt, ist seine Form der Buße für all die von ihm Getöteten und es ist sein Umgang mit der Schuld, die er am Tod von Jack Jones trägt.

Evan Smoaks Ausstieg, macht ihn zum meist gejagten Orphan. Seine Gegner wenden alle Mittel auf, um ihn auszuschalten.

Als Evan einer Jugendlichen helfen will, die droht einem Mädchenhändlerring zum Opfer zu fallen, wird er überwältigt und entführt. Evan erwacht in einem luxuriös ausgestatteten Chalet und stellt bald fest, dass sein Entführer in absurden Dimensionen denkt und handelt, die die seiner üblichen Gegner bei weitem übertreffen.

Evan kämpft um sich zu befreien und er will das Mädchen retten, denn das 10. Gebot gilt weiterhin:

Lasse niemals einen Unschuldigen sterben.

Der Autor:

Gregg Hurwitz schreibt neben Thrillern Drehbücher für die großen Hollywood-Studios sowie Comicbücher für so prestigeträchtige Verlage wie Marvel (Wolverine, Punisher) und DC (u.a. Batman). Mit seinen Büchern hat er den Weg auf die New York Times-Bestsellerliste gefunden und seine 15 Thriller sind mittlerweile in 22 Sprachen übersetzt worden. (Quelle: HarperCollins)

Die Verfilmung von Orphan X ist bereits in Planung und wir dürfen sicher ein komplexes und intelligentes Filmhighlight erwarten.


Reflektionen:

Projekt Orphan ist der zweite Teil der Orphan-Trilogie von Greg Hurwitz, der durchaus auch als stand alone gelesen werden kann. Doch ich rate dringend davon ab, denn wer sollte schon freiwillig auf extrem spannende Lesestunden verzichten, indem er Orphan X nicht liest.

Mit Projekt Orphan überzeugt Gregg Hurwitz erneut literarisch. Nüchtern, unverblümt, zackig und angereichert mit Akzenten eines Drehbuchs, produziert Gregg Hurwitz einen Schreibstil, der auf fesselnde Weise kontinuierlich an der Hochspannungsschraube dreht.

Obwohl der Schreibstil flüssig und leicht zu lesen ist, kann nur durch ein konzentriertes Lesen die Intelligenz und Komplexität des Thrillers erfasst werden, der noch immer ein wenig an den Agenten Jason Bourne erinnert.

In diesem Teil der Trilogie erlebt man den Ex-Agenten Evan Smoak auch schwächelnd am Boden. Zwar verliert er nie sein selbstbewusstes Auftreten und kontert in gewitzten und feurig spritzigen Dialogen, aber in diesem Thriller spielen auch Evans Emotionen eine tragende Rolle.

Wieso?

Jack hebt den von Blut überzogenen Arm. Und deutet weg von sich. Damit verbannt er Evan vom intimen Anblick seiner letzten, mühsamen Atemzüge.

Verdammt Evan dazu, ein Leben lang für diesen Fehler zu büßen. Entfremdet Evan von sich selbst. Das blutige Flanellhemd um die Hand gewickelt, flieht Evan. Er flüchtet in die Dunkelheit, denn nur sie kann seine abgrundtiefe Schuld verhüllen. Und nur in der Dunkelheit ist er allein.

Überwältigt und entführt muss Evan all seine Kräfte mobilisieren, um sich zu befreien und es wird brutal und blutig. Angetrieben und hoch motiviert durch sein Ziel ein Menschenleben zu retten, scheitert er dennoch, fällt zurück, doch es würde nicht seiner intelligenten und scharfsinnigen Persönlichkeit entsprechen, wenn er nicht mit zusammen gebissenen Zähnen, unter der Selbstbeherrschung seines Körpers kämpft wie ein Tier. Rückschläge würden jeden anderen zermürben, doch Evan kämpft stets mit seinem Ziel vor Augen.

Evan Smoaks einzigartige Persönlichkeit und seine Gedankenwelt werden in vielschichtiger Weise dargestellt. Manchmal nur Stück für Stück, ähnlich wie geschickt platzierte Cliffhanger und manchmal perspektivisch, in Form eines maßvollen Rückblicks, wie alles anfing und sich um ihn entwickelte.

Als Nowhere Man war Evan bisher in jedem Kampf unschlagbar und ein Gewinner, aber nun erlaubt Gregg Hurwitz seiner Figur durchaus Schwächen. Auch als Orphan X agierte, war es dem Autor gelungen seine intelligente Figur nachvollziehbar und glaubhaft zu präsentieren, aber durch Evans Versagen in diesem Thriller, unterstreicht Gregg Hurwitz die Authentizität der Figur nochmals um Weiten.

Überhaupt gelingt es dem Autor scheinbar spielend leicht, komplexe Figuren interessant zu erschaffen. Die Figur des Entführers besitzt ebenso eine intelligente Tiefe, wenn auch auf anmaßende Weise, absurde Denkweise und egoistischem Verhalten. Ob Hauptfiguren oder Nebencharaktere, es macht einfach viel Spaß, sich auf Hurwitz Figuren einzulassen.

Betrachtet man die Story, stellt man fest, dass sie mit der des Orphan X kaum zu vergleichen ist. Wie ursprünglich vermutet, dass der Kern des Reihenauftaktes aufgegriffen würde, überrascht Hurwitz mit einer Wendung in der Geschichte. Zwar genießt man weiterhin Details von Technik, Waffen, Kämpfen und James-Bond-Features, aber die Story dreht sich plötzlich anders.

Manche Rezensionen erzählen von empfundenen Längen, doch ich konnte keinerlei dessen empfinden. Von der ersten bis zur letzten Seite war ich in Hurwitz Stil versunken und durch eine herausragend entwickelte Agenten-Story enorm spannend, interessant und außergewöhnlich unterhalten.

Projekt Orphan ist für mich ein Highlight.

Fazit und Bewertung:

Projekt Orphan ist der zweite Teil der Agenten-Reihe um Evan Smoak. Erneut überzeugt Hurwitz literarisch, mit einer intelligenten Handlung, außergewöhnlichen Charakteren bestückt mit einer angenehmen Tiefe und einer fesselnden Agenten Handlung. Wer Nervenkitzel liebt und wen es nicht stört, dass es hin und wieder brutal zugeht, der darf sich diesen fesselnden Agenten-Thriller nicht entgehen lassen.

5 Sterne

©nisnis-buecherliebe.de

Veröffentlicht am 23.08.2017

Das Highlight unter den Handlettering-Büchern

Handbuch Handlettering
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Handlettering ist im Trend - auf Postkarten, Kreidetafeln und Verpackungen oder als dekorative Wohnaccessoires. Das Schöne am Lettering: Man kann machen, was man will. Das ist sogar genau das, was Lettering ...

Handlettering ist im Trend - auf Postkarten, Kreidetafeln und Verpackungen oder als dekorative Wohnaccessoires. Das Schöne am Lettering: Man kann machen, was man will. Das ist sogar genau das, was Lettering ausmacht: «Hauptsache, es sieht gut aus!»

Damit die Schriftzüge gut aussehen, vermittelt Chris Campe im ersten Teil des Buches die Grundlagen und i-Tüpfelchen der Schriftgestaltung. Danach kann es losgehen mit Pinselstiften (Brush Lettering) und dem Entwerfen illustrativer Schriften. Übungen geben Impulse und Beispielgalerien zeigen inspirierende Möglichkeiten. Zum Abschluss erklärt die Autorin, wie man die handgezeichneten Buchstaben digitalisiert.

Die Autorin:

Chris Campe ist gelernte Buchhändlerin und hat Kommunikationsdesign und Kulturwissenschaften studiert. Seit 2014 ist sie mit ihrem Büro "All Things Letters" auf Typografie und Handlettering spezialisiert und gestaltet alles mit Buchstaben: Buchumschläge, Illustrationen, Logos, Verpackungen oder Schaufenster. (Quelle: Haupt Verlag)

Reflektionen:

Bei dieser Rezension frage ich mich, wie soll ich euch Lesern dieses bedeutsame must have am besten ans Herz legen, damit ihr nachvollziehen könnt, dass dieses Buch über Handlettering, alles Fachliche und bisher von mir Gelesene, bei weitem übertrifft?

Fangen wir so an:

Wer dem aus Amerika überschwappenden Trend Handlettering ein wenig folgen möchte, ab und an ein paar Alphabete abpausen möchte und diverse Letterings aus dem Netz nachahmen möchte, für den ist dieses Buch nichts.

Wer aber Handlettering zu seinem Hobby erklären möchte, wer Handlettering wirklich erlernen will, wer seinen eigenen Stil entdecken und entwickeln möchte und, wer bereit ist dafür zu lernen und zu üben, ja für den ist dieses Buch von Autorin Chris Campe ein wertvoller Schatz.

Dieses Buch weist mit vielen Inhalten und Themenschwerpunkten kaum Ähnlichkeiten mit den modern in Szene gesetzten Handlettering Büchern auf, die alle ähnlich aufgemacht und gestylt sind und inhaltlich kaum Neues beziehungsweise Tiefgründiges zu bieten haben.

Das hochpreisige, schnörkellos und erfrischend formulierte und anmutig schlicht aufgemachte Buch, widmet sich inhaltlich ganz dem Titel, nämlich:

„Eigene“ Buchstaben & illustrative Schrift gestalten.

Dafür bedarf es allerdings einer bewussten Sichtweise auf Buchstaben, ihrer Geschichte und ihrer Formen und Köper, um Handlettering fundiert erlernen zu können. Ob Anfänger oder Profi, dieses Buch lenkt den Blick des Lesers in eine wissende und kritische Betrachtung und Richtung, von der man ausgehend gut gerüstet Letterings kunstvoll gestalten kann. Mit diesem ausführlichen und hoch interessanten Werk ist man in der glücklichen Lage Unebenheiten auf einer Zeichnung zu entdecken, die das Auge beim Anblick eines Letterings als störend diagnostizieren würde und versteht warum. Auch wenn Letterings keinerlei Regeln unterliegen, so gibt es dennoch ein Grundwissen, dass sich nach und nach festigt, wenn man sich die Erläuterungen der gelernten Buchhändlerin Chris Campes zu Herzen nimmt und vor allen Dingen übt.

Chris Campe hat Kommunikationsdesign studiert und so erklärt es sich, dass sie analytisch und tief im Detail genau erläutert. Jede noch so kleine Linie eines jeden Buchstabens wird beleuchtet, ergründet und das Bild des persönlichen Wissens über Buchstaben und Schrift wird angenehm vollständig. Mit diesem Buch hat man nicht nur die Chance das künstlerische Handlettering fachlich sicher zu erlernen, sondern man erweitert auch seinen wissensdurstigen Horizont zum Thema Handlettering auch dahingehend, dass man Buchstaben plötzlich bewusst und ja, ganz anders wahrnimmt.

Besonders bedeutsam ist auch die Interpretation von anmutenden Stilen und des jeweiligen Ausdrucks, die man mit seinen Letterings erreichen möchte, denn Handlettering ist eine Form illustrativer Kommunikation. Die Autorin vermittelt mit ihrem fundierten Knowhow, welche Schriften wie wirken und begründet nachvollziehbar verständlich.

157 mit fachlicher Kompetenz gefüllte Seiten vermitteln nicht nur Wissen, sie leiten auch fundiert an. Intensive Lernmöglichkeiten begleiten und versorgen den Leser 21 Tage lang mit Übungen.

In diesem Buch findet man bewusst entschieden kein Alphabet zum abpausen, sondern zahlreiche Praxisbeispiele, die unter anderem den Blick schulen.

Neben einer ausführlichen Einleitung und den genau erklärten Grundlagen findet man auch eine gut erläuterte Materialkunde, aber was dieses Buch so wertvoll macht sind intensive Betrachtungen von folgenden Themenschwerpunkten:

Einleitung – Ein a ist ein a ist ein a

Kapitel 1:

Lettering: Begriffe, Geschichte, Werkzeuge – dieses Kapitel beantwortet die häufigsten Fragen
Einleitung: Was ist was?
Inspiration: Siehste?
Material & Werkzeuge: Pinsel, Schere, Papier

Kapitel 2:

Grundlagen – Damit Lettering am Ende gut aussieht, sollte man am Anfang typografische Basics lernen.

Buchstabenanatomie – Hand und Fuß
Buchstabenstruktur – Haut und Knochen
Parameter - Körperbaukasten
Dekoration – Die i-Tüpfelchen
Optischer Ausgleich – Nach Auge
Abstände & Ligaturen – Pi mal Daumen
Zierlinien – Go with the flow
Layout & Komposition – Bitte Platz nehmen
Schriftklassen - Styleguide
Schriftanmutung – Yeeehaw!

Kapitel 3:


Brushlettering – Kalligrafie ist die beste Basis für Lettering, eine verbundene Pinselschrift dient als Einstieg.
Intro – Schöner Schreiben
Werkzeuge & Handhabung - Handwerk
Grundstriche – Und eins und zwei
Buchstabengruppen – Strich für Strich
Alphabetvorlagen – A bis Z
Verbindungen – Hand in Hand
Häufige Fehler - Troubleshooting
Übung Ausdruck - Freihand
Übung Layout – All meine Freunde
Übung Komposition – Guter Rat
Übungsplan – 21 days to build a habit
Motivationstipps – Üben, üben, üben
Galerie - Brushpen Lettering

Kapitel 4:

Illustrative Schrift – Schritt für Schritt von der ersten Skizze bis zur Reinzeichnung eines Lettering-Entwurfs
Ideenfindung – Was fällt Ihnen ein?
Skizzieren – Denken mit der Hand
Zeichentechnik – Zack, Zack, Zickzack
Entwurfprozess - Vielschichtig
Selbstkritik – Soll das so?
Häufige Fehler - Troubleshooting
Reinzeichnung - Zielgerade
Übung Variationen - Hellbox
Übung Komposition – Uhhhh, Shopping
Praxisbeispiel – Mahlzeit!
Galerie – Illustrative Schrift

Kapitel 5:

Digitalisieren – Vom analogen zum digitalen Lettering: die digitale Bearbeitung analoger Zeichnungen
Intro - Werkzeugkasten
Scannen – Punkt, Punkt, Punkt
Pixelbilder – Pixel schubsen
Automatisch vektorisieren - Autopilot
Bézierkurven - Rumkurven
Manuell vektorisieren – Pfade finden
Übung Logoschriftzug – Signature Style

Anhang

Wer, wie, was? Bücher und Websites weisen den weiteren Weg, der Index listet alles noch einmal alphabetisch auf.
Quellen – Wie weiter?
Index – Wo steht das geschrieben
About
Grundlinienraster

Diese Themen sind jeweils sehr! ausführlich und genau beschrieben. Anschauliche Beispiele intensivieren das Verständnis und Fachwissen für diese Kunst.

Man darf Chris Campes Handlettering Buch bitte nicht mit denen vergleichen, die jeweils nur drei Sätze zum Thema schreiben, Schmuckelemente und Alphabete zum abpausen anbieten und mit Leerseiten ihre Bücher füllen.

Dieses Buch ist Handlettering Kompetenz mit erdenklich vielschichtigen Facetten. Wer dieses Buch liest, wird begeistert sein.

Chris Campes Buch wird mich noch sehr lange begleiten. Es wird neben mir liegen, wenn ich lernen möchte, es wird neben mir liegen, wenn ich üben möchte und es wird auch neben mir liegen, wenn ich selbstkritisch meine Letterings betrachte. Eines Tages wird es entgegen meiner Lesegewohnheiten Gebrauchsspuren aufweisen, aber auch dann noch sage ich Danke Chris Campe, für diesen grandiosen Einblick in die Kunst des Handletterings und die zahlreichen und vielfältigen Inspirationen.

Buchrezensionen sollte man nicht mit emotionalen Superlativen anreichern, aber ich muss meine Begeisterung für dieses Buch auf diese Weise hinausschreiben, damit euch dieses Buch auf keinen Fall entgehen kann.

Wenn ihr Fragen zu diesem Buch habt, dann schreibt mir gern.

Fazit und Bewertung:

Wer dem aus Amerika überschwappenden Trend Handlettering ein wenig folgen möchte, ab und an ein paar Alphabete abpausen möchte und diverse Letterings aus dem Netz nachahmen möchte, für den ist dieses Buch nichts.

Wer aber Handlettering zu seinem Hobby erklären möchte, wer Handlettering wirklich erlernen will, wer seinen eigenen Stil entdecken und entwickeln möchte und, wer bereit ist dafür zu lernen und zu üben, ja für den ist dieses Buch von Autorin Chris Campe ein wertvoller Schatz.

Leseempfehlung!

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 26.07.2017

Bangii-Agawaateyaa – Kleiner Schatten – Einfach großartig

Die Moortochter
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Hellen Pelletier lebt mit ihrem Ehemann Stephen, ihren beiden kleinen Töchtern Iris und Mari, und ihrem dreibeinigen Hund Rambo in der einsamen Wildnis von Upper Peninsula in Michigan. Stephen ist Naturfotograf ...

Hellen Pelletier lebt mit ihrem Ehemann Stephen, ihren beiden kleinen Töchtern Iris und Mari, und ihrem dreibeinigen Hund Rambo in der einsamen Wildnis von Upper Peninsula in Michigan. Stephen ist Naturfotograf und Helen bessert ihr gemeinsames Einkommen, in der beschaulichen und bescheidenen Einöde, mit dem Verkauf von selbstgemachten Marmeladengelees auf.

Helens indianischer Vater lehrte sie in Kindertagen Fährten zu lesen und zu jagen, was ihr in dieser wilden Gegend zugutekommt. Immer wieder zieht es sie für ein paar Tage in die Wildnis, während Stephen und die Kinder zurückbleiben.

Als Helen eines Tages von einem Gefangenenausbruch aus dem Hochsicherheitsgefängnis erfährt, weiß sie sofort, dass es sich dabei um ihren sadistischen, gefährlichen und psychopathischen Vater handelt, den sie einst verraten hat. Stephen weiß nicht, dass sie als Kind zwölf Jahre lang als Gefangene in einer einsamen Blockhütte gelebt hat und er weiß auch nicht, dass ihr nazistischer Vater ein Vergewaltiger und Entführer ist.

Helen hat ihn damals ins Gefängnis gebracht und nur sie wird ihn erneut hinter Gitter bringen können. Nur sie wird ihre Familie retten können und nur sie kann ihm ebenbürtig sein.

Die Autorin:

Karen Dionne hat in jungen Jahren mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter ein alternatives Leben in einer Hütte auf der Upper Peninsula geführt. Ihre damaligen Erfahrungen in der Wildnis hat sie nun in ihren außergewöhnlichen Psychothriller "Die Moortochter" eingebracht. Heute lebt Karen Dionne mit ihrem Mann in einem Vorort von Detroit, wo sie an ihrem nächsten Psychothriller schreibt. (Quelle: Goldmann Verlag)

Reflektionen:

Die Moortochter hat mich von Anfang an sehr gefesselt und mich nicht mehr losgelassen. Ich bin tief in die Wildnis von Upper Peninsuler eingetaucht, konnte die Einsamkeit dort spüren, das Knistern und Brechen von Zweigen hören, wenn Tiere durch die Wildnis streiften, ich konnte das Moor riechen und ich konnte die Gänze der wunderschönen Natur genießen.

Dieser Thriller ist großartig geschrieben. Abwechselnd sanft und stark im Ausdruck, geschmeidig flüssig und berührend. Karen Dionne hat die Handlung des hoch spannenden Thrillers in die Wiege der wilden Natur gelegt. Es ist ihr intelligent gelungen, die dramatische Gegenwart, der zunächst unsichtbaren Bedrohung durch den nazistischen Vater mit der Vergangenheit und Kindheit der lange gefangengehaltenen Hauptprotagonistin Hellen Pelletier vielschichtig ohne Längen zu erzählen, ohne die Handlung in irgendeiner Weise zu überladen. Die Geschichte ist so außergewöhnlich und weit von dem entfernt, was man sonst inhaltlich in thematisch ähnlichen Büchern liest. Helens Kindheit stellt dabei den Haupterzählstrang dar.

Ich nicke erneut. Eine Geste, von der ich hoffe, dass Stephen sie als Entschuldigung und Geständnis zugleich auffassen wird. Ja, Jacob Holbrook ist mein Vater. Ja, ich habe dich belogen von dem Tag an, als wir uns kennenlernten. Ja, das Blut dieses bösen Mannes fließt in den Adern unserer gemeinsamen Töchter. Es tut mir leid. Es tut mir leid, dass du es auf diese Weise erfahren musstest. Es tut mir leid, dass ich es dir nicht eher gesagt habe.
Es tut mir leid, leid, leid. (Zitat)


Zwölf Jahre lang sieht Helen außer ihren Eltern keinen anderen Menschen. Körperkontakt und Liebe wie wir sie kennen sind ihr fremd. Sie wächst in der Annahme auf, dass das Leben genau so sein muss, wie sie es kennt. Ohne Uhr, ohne Elektrizität, ohne fließend Wasser und einzig im Einklang mit der Natur, völlig isoliert. Für uns schwer zu begreifen so zu leben, aber es gelingt der Autorin, die Normalität dieser Familie authentisch und glaubhaft in alltags Details zu erzählen.

Zum fünften Geburtstag bekommt Helen vom Vater ein Messer geschenkt, tötet ihr erstes Kaninchen. Mit sechs Jahren erlegt sie ihre erste Hirschkuh, die mit Zwillingskitzen trächtig war und fiebert so ihrem Ziel immer mehr entgegen, ein „Mann“ der Wildnis zu werden. Sie lernt Spuren und Fährten zu lesen und wetteifert mit dem Vater, ihrem Held, den sie abgöttisch zu lieben glaubt, auch wenn er sie zur Bestrafung von Respektlosigkeit in einen Brunnenschacht stürzt, den er vorher mit scharfkantigem und spitzem Müll am Grund befüllt hat.

Das einzige was sie mit der Welt draußen verbindet, sind fünfzig Jahre alte Geographic-Magazine, in denen sie immer wieder blättert und deren Inhalt sie erst spät vorsichtig hinterfragt.

Die Rolle der von Helens Vater einst entführten, wehrlosen Mutter ist unscheinbar und passt zu ihrer leblosen, blassen Existenz. Karen Dionne versteht es, die allseits präsente Angst der Mutter vor alltäglicher Gewalt emotional berührend in die Handlungen der Mutter einzuflechten und widerzuspiegeln. Als nach zwölf Jahren Gefangenschaft ein Ereignis eintritt ist es Helen, die ihre Mutter und sich selbst vor dem Vater retten kann, indem sie das vom Vater Erlernte gegen ihn verwendet.

All diese Dinge werden rückblickend und eindringlich erzählt. Die Perspektiven zwischen Gegenwart und Vergangenheit sind gut pointiert platziert. Helen weiß, dass ihr aus dem Gefängnis ausgebrochener Vater sie jagen wird und nur sie kann ihre Familie retten, aber Helen dreht den Spieß um und beginnt mit einer gefährlichen Jagd auf ihren Vater, der sie stets manipuliert hat.

Bevor ich sagen konnte, dass es mir wirklich, wirklich leistet und dass ich bestimmt daran denken würde, in Zukunft vorsichtiger zu sein, und dass ich mir nie, nie wieder auf meinen Daumen schlagen würde, ballte er seine Hand zur Faust und ließ sie auf meinen Daumen niederkrachen. Ein Sternenregen explodierte vor meinen Augen, und ein weißblühender Schmerz schoss mir in den Arm.

Ich wachte auf dem Boden auf. Mein Vater kniete neben mir. Er hob mich hoch, setzte mich auf einen Stuhl und gab mir meinen Löffel. Meine Hand zitterte, als ich ihn nahm. Mein Daumen tat schlimmer weh als unmittelbar nach dem Schlag mit dem Hammer. Ich blinzelte die Tränen weg. Mein Vater mochte es nicht, wenn ich weinte. "Iss". (Zitat)

Diese Geschichte ist eine leise, aber dennoch voller Tempo. Sie ist gewaltgeschwängert, aber nicht bluttriefend, obwohl es blutige Szenen und Morde gibt. Die Spannung knistert von Anfang an und sie wartet immer wieder mit überraschenden Spannungshöhepunkten auf, die zusätzlich dafür Sorge tragen, dass eine kalte, kribbelige Gänsehaut langsam den Rücken des Lesers hinaufkrabbelt.

Fazit und Bewertung:

Die Moortochter ist ein faszinierendes und fesselndes Thriller-Highlight. Ich bin so dankbar für dieses großartige Buch und möchte es am liebsten jedem ans Herz legen.

Karen Dionne erzählt in einer ausdrucksstarken Sprache eine außergewöhnliche, hoch spannende und dramatische Geschichte, die in der wilden Natur von Michigan spielt. Der Wechsel geschickt pointierter Perspektiven, die zwischen der Gegenwart und der Kindheit der Hauptfigur wechseln, produzieren eine knisternde Spannung, die bis zur letzten Seite bestehen bleibt. Großartig.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 27.06.2017

Verloren, in einem Augenblick – Ein überzeugendes, atmosphärisch dichtes und spannendes Thriller-Debüt

... und morgen werde ich dich vermissen
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Thorkild Aske, suspendierter Verhörspezialist der Polizei, wird aus dem Gefängnis entlassen. Seelisch am Abgrund, geplagt von Schuldgefühlen und unter starken Schmerzen leidend, erwartet ihn außer einer ...

Thorkild Aske, suspendierter Verhörspezialist der Polizei, wird aus dem Gefängnis entlassen. Seelisch am Abgrund, geplagt von Schuldgefühlen und unter starken Schmerzen leidend, erwartet ihn außer einer unendlichen Leere lediglich ein Resozialisierungsprogramm des Arbeitsamtes.

Nach einem Gespräch mit seinem Freund und Psychologen Ulf, überredetet ihn dieser nach dem vermissten Rasmus Moritzen zu suchen, der hoch im Norden Norwegens auf einer kleinen Leuchtturminsel ein Erlebnishotel baut. Unter Ulfs Androhung, Thorkild die morphinhaltigen Medikamente zu verwehren, die der so dringend benötigt und hinsichtlich einer nicht beglichenen Schuld gegenüber der Familie Moritzen, reist Thorkild schließlich ans tobende Meer Nord Norwegens, um Rasmus zu suchen.

Herbstlich stürmisch wütet das Meer, als Thorkild auf der Schäreninsel ankommt. Labil erschöpft und im medikamentösen Delirium entdeckt er eine Frauenleiche ohne Gesicht und kurz darauf sieht er einen Taucher, der die Frau zurück ins Meer zieht. Die von Thorkild zur Hilfe gerufen Lensmänner (ländliche Polizisten), kommen nie auf der Leuchtturminsel an.

Selbstzweifelnd, ob er tatsächlich eine Frauenleiche gesehen hat, ist er dennoch der Letzte, der zu den verschwundenen Polizisten Kontakt hatte. Für die hinzugerufene Tromsøer Polizei, wird er zum wichtigen Zeugen und bald steht er unter Verdacht.

Thorkilds Ermittlerinstinkt kehrt zurück.

Der Autor:

Heine Bakkeid, Jahrgang 1974, ist in Norwegen ein renommierter Jugendbuchautor. «... und morgen werde ich dich vermissen» ist sein erster Kriminalroman und Auftakt der Reihe, die in 11 Ländern erscheint. Bakkeid beherrscht die Kunst des filmischen Erzählens, die raue, maritime norwegische Landschaft ist die perfekte Kulisse dafür.

Reflektionen:

... und morgen werde ich dich vermissen ist ein Thriller mit einer atemraubenden und intensiven Atmosphäre, von dem man nur schwer loskommt.

Diesen Thriller liest man nicht nur, sondern man hört auch das Rauschen und das Toben des wilden Meeres. Man hört wie Gischt spritzt, wie Wellen brechen und wie Luftblasen aus den Lungenautomaten von Tauchern blubbern.

Heine Bakkeid schreibt in einer bebilderten, aber klaren und flüssigen Sprache, die wie ein perspektivisch gemalter Hintergrund, in jedem seiner Sätze eine klangvolle Satzmelodie komponiert.

Atmosphärisch dicht und psychologisch intelligent aufgebaut, entwickelt sich bereits kurz nach dem angenehmen Einstieg in die Geschichte ein Sog, der den Leser für sich einnimmt. Dieser Sog ist nicht stetig mit Tempo gleichzusetzen, es gibt auch hier und da Längen, die jedoch in Einklang mit der Handlung und Stimmung auf ihre Weise wirken.

Die Grundstimmung liegt zunächst diffus, nicht greifbar, im Nebel. Sie ist ein Schleier aus mentaler und medikamentöser Verwirrtheit, Angst oder Verzweiflung der Figur Thorkilds. Ab und zu schwappt sie über ins parapsychologische, als Thorkild auf die Frau eines Muschelfarmers trifft, die als Medium übernatürliche Kräfte besitzt und mit ihm eine Séance mit schwerwiegenden Folgen abhält.

Zunächst ist nicht klar, was die Handlung bereithält. Es scheint, als sei das mentale Wrack Thorkilds in einem Nebel aus Medikamenten gefangen, in dem er sich letztendlich verliert. Seine subtile bis bizarre Gedankenwelt ist nicht sofort zu durchschauen und man erwartet fast, dass dieser Thriller ausschließlich auf psychologischer Ebene weiterspielt. Als dann Thorkilds Ermittlerinstinkt geweckt wird und der Polizist in ihm erwacht, spielt Heine Bakkeid mit diesen beiden Perspektiven und er ergänzt sie noch um weitere. Erleichtert darüber, dass die psychologische Ebene nicht allein agiert, liefert der Autor einen spannenden und informativen Rückblick, der den Leser darauf schließen lässt, was in Thorkilds Leben schiefgelaufen ist und was in dem Keller des Gefängnisses geschah.

Thorkild, der perfekte Sündenbock, kämpft mit sich und seinem Umfeld. Medikamentenabhängig und psychisch am Ende seiner Kräfte, kämpft er sich als Einzelgänger durch diese Geschichte. Als er von der Polizei verhört wird und sein ehemaliger Chef auftaucht, der noch eine Rechnung mit ihm offen hat, wird es verbal und körperlich gewalttätig, so dass einiges an Blut fließt. Grundsätzlich fließt in diesem Thriller nicht viel Blut, aber es gibt einige unschöne Szenen, die einem zart Besaiteten Leser den Magen umdrehen könnten.

Im Verhör und in zahlreichen Gesprächen beweist sich Thorkild als redegewandter Gesprächspartner und auch Gegner. Neben den nebeligen Gedanken der Figur, sind es authentische und knackige Dialoge, die die Handlung anpfeffern und erfrischen.

Gut inszeniert ist die rückblickende Beziehung von Frei und Thorkild, die durch ein Kennenlernspiel ein kurzes aber feuriges Intermezzo liefert, bevor es emotional zum Worst Case Szenario kommt.

Heine Bakkeid ist es durch die intensive Zeichnung des Charakters Thorkild gelungen, ein überzeugendes Debüt zu schreiben. Auf der einen Seite taucht er außergewöhnlich tief ein in die Psyche dieser schwer labilen Figur ein und auf der anderen Seite kreiert er mit ihr einen spannenden Ermittler-Thriller, der den Leser sehnsüchtig auf einen nachfolgenden Thriller warten lässt.

Gegen Ende, als Thorkild als Ermittler im Vordergrund steht, löst Bakkeid vollkommen auf, doch auf der letzten Seite hinterlässt er einen Cliffhanger, der noch lange nachknistert.

Fazit und Bewertung:

... und morgen werde ich dich vermissen ist ein atmosphärisch dichter, psychologisch intelligent aufgebauter Ermittler-Thriller. Er ist spannend, präsentiert eine herausstechende Figur und er ist in einer bebilderten Sprache geschrieben, die wie ein perspektivisch gemalter Hintergrund jedem Satz eine klangvolle Satzmelodie zukommen lässt.

Leseempfehlung.

©nisnis-buecherliebe