Der neue Roman von Theresia Enzensberger. "Eine brillante Zukunftsvision, so unterhaltsam wie klug konstruiert und schnörkellos geschrieben." Corinne Orlowski, WDR3 Lesestoff
Yada wächst als Bürgerin einer schwimmenden Stadt in der Ostsee auf. Ihr Vater, ein libertärer Tech-Unternehmer, hat die Seestatt als Rettung vor dem Chaos entworfen, in dem die übrige Welt versinkt. In den Jahren seit ihrer Gründung ist der Glanz vergangen, Algen und Moos überwuchern die einst spiegelnden Flächen. Yadas Vater fürchtet, sie könne das Schicksal ihrer Mutter ereilen, die vor ihrem Tod an einer rätselhaften Krankheit litt. Und Yada macht eines Tages eine Entdeckung, die alles ins Wanken bringt. Klug, packend und visionär erzählt Theresia Enzensbergers großer Roman von den utopischen Versprechen neuer Gemeinschaften und dem Glück im Angesicht des Untergangs.
Yadas Vater hat vorausschauend vor etlichen Jahren eine schwimmende Stadt gegründet die möglichst autark in der Ostsee schwimmt. Doch mit den Jahren ist der Glanz dieser Vision verblasst. Yada hat immer ...
Yadas Vater hat vorausschauend vor etlichen Jahren eine schwimmende Stadt gegründet die möglichst autark in der Ostsee schwimmt. Doch mit den Jahren ist der Glanz dieser Vision verblasst. Yada hat immer stärker den Drang den ewigen Kontrollen und Routinen zu entkommen. Eines Tages stößt sie auf brisante Unterlagen über die Hintergründe dieser schwimmenden Stadt.
Auf dem Festland dagegen kämpft Helena mit ihrer plötzlichen Berühmtheit als neu entdeckte Künstlerin und Gründerin einer Sekte. Sie tingelt von Wohnung zu Wohnung und hat kein festes Ziel.
Auf den ersten Blick erschließt sich nicht wie die beiden Protagonisten zusammengehören. Das wird erst nach und nach offenbar.
Der Schreibstil abwechselnd aus Sicht von Yada und Helena ist gewöhnungsbedürftig. Zum einen blieben mir die Hintergründe von Yadas und Helenas Leben eher wage und die Personen arg konstruiert. Trotzdem bleibt ein gewisser Spannungsbogen bis zur Auflösung erhalten.
Das Cover fällt auf alle Fälle aus dem Raster und wirkt etwas aus der Zeit gefallen. Auf alle Fälle ein etwas anderes Buch zu einem ernsten Thema.
Je ernster die wirtschaftliche Weltlage wird, je deutlicher die Zeichen des Klimawandels zutage treten, die Augen sich vor den Folgen, vor einer möglichen, unausweichlichen Zukunft nicht mehr verschließen ...
Je ernster die wirtschaftliche Weltlage wird, je deutlicher die Zeichen des Klimawandels zutage treten, die Augen sich vor den Folgen, vor einer möglichen, unausweichlichen Zukunft nicht mehr verschließen lassen, desto mehr wünscht man sich einen Plan B herbei. Eine Möglichkeit, dem anthropogenen Untergang zu entkommen. Unglaublich klug und über allem das Menschliche, Weiche nicht verlierend, entwirft Theresia Enzensberger in „Auf See“ das Bild einer dem Untergang geweihten Seestatt, deren utopische Motivation allmählich zu einer Dystopie verfällt. Gebaut auf Geld und Einfluss, ist Vineta eine futuristische Art der Zweiklassengesellschaft: Während auf den Waben der Seestatt die überwiegend männliche, elitäre Neureiche und Wissenschaftler wohnen, treibt nebenher ein altes Kreuzfahrtschiff mit ausländischen Mitarbeiter*innen. Kinder gibt es auf der Seestatt nicht, sie sind Parasiten, wie Yadas Vater ihr einmal sagte. Freunde hat sie deswegen keine; sie wächst in einer sterilen, streng überwachten Umgebung auf, erhält wissenschaftlichen Unterricht via Videocall. Jeder Raum für Fantasie und Kreativität wird ihr unterbunden. Doch Yada nutzt jede Chance, die Allmacht ihres Vaters, seine Idee einer Utopie zu unterwandern und rebelliert. Enzensberger macht aus ihrer jungen Ich-Erzählerin eine Heroin, die für sich selbst einsteht, für ihre Zukunft, ihr Leben kämpft, die klug und gewitzt ist, gleichermaßen verletzlich wie zäh ist.
Aus einer auktorialen, etwas distanzierteren Perspektive hingegen tritt Helena auf den Plan. Ihr Leben ist eine andere Art der Dystopie, von den Zeichen der gesellschaftlichen Armut und neoliberalen Machthungers gezeichnet. Menschen leben auf den Straßen, in Autos, in Zelten, das Leben ist unbezahlbar, die Zukunft dunkelgrau. Während das World Building in Yadas Passagen großformatig, in bunten Farben und Details geschieht, liegt der Fokus in Helenas Passagen eher auf dem Innenleben der Protagonistin, auf ihrer Gegenwart und möglichen Zukunft. Nach und nach wird Helenas Charakter komplexer, mysteriöser, die Frage um ihre Vergangenheit lauter. Und die nach der Rolle des Archivs in ihrem Leben: Immer wieder lässt Enzensberger mosaikartig kurze, historische Texte zu Inseln, den Versuchen der Staatengründung und Landeroberung einfließen, deren Bezüge und Verknotungen mit den Handlungssträngen immer mehr zutage treten.
Die Klugheit, Komplexität und Sanftheit der Beschreibungen, die zugrundeliegende Gesellschaftskritik und die Einzigartigkeit der Idee haben mich gleichermaßen begeistert wie beschäftigt: Welche Zukunft wollen wir gemeinsam gestalten, wie wollen wir leben – ohne, dass Macht, Einfluss und Geld uns vorschreiben, wie wir es zu tun haben? Nicht immer fand ich mit Yada und Helena zusammen, war zwischenzeitlich genervt und fand den Plot stellenweise konstruiert und vorhersehbar, doch manchmal braucht man auch ein bisschen Zeit und Distanz, um das Gegenüber besser zu verstehen. Und so wirkte die Geschichte nach, veränderten sich meine Perspektive und die stürmische Seeluft tat ihr Übriges, mich wieder ins Boot zu ziehen.
„Auf See“ von Theresia Enzensberger ist auf den ersten Blick eine Dystopie, wie man sie aus Hollywood-Filmen kennt: eine jugendliche Heldin in einer Enklave auf dem Meer, die nach dem Kollaps der modernen ...
„Auf See“ von Theresia Enzensberger ist auf den ersten Blick eine Dystopie, wie man sie aus Hollywood-Filmen kennt: eine jugendliche Heldin in einer Enklave auf dem Meer, die nach dem Kollaps der modernen Gesellschaft ein isoliertes Dasein fristet. Auf den zweiten Blick werden aber die vielen interessanten Ebenen offensichtlich, die die Autorin geschickt zu einem bewegenden und vor allem nachdenklich machenden Ganzen verwebt.
Die junge Yada lebt in der Seestatt, einer künstlichen Insel vor der Küste Deutschlands, die ihr Vater als futuristische Rettungsarche entworfen hat. An ihre Mutter kann Yada sich kaum erinnern, und auch sonst hat sie kaum persönliche Kontakte und schlägt sich mit Einsamkeit und Langeweile herum, die erst durchbrochen wird, als ihr Vater mit seiner Geheimnistuerei ihr Misstrauen weckt. Während Yada Nachforschungen anstellt, eröffnet ein zweiter Erzählstrang die bizarre Welt der alternden, immens erfolgreichen Künstlerin Helena, deren Werk aus dem Ruder gelaufen ist. Wie diese beiden Geschichten verknüpft sind, enthüllt das Buch erst nach und nach.
Der Zauber von „Auf See“ besteht in der Ernüchterung, die den geschilderten bahnbrechenden Ereignissen immer zugleich innewohnt. Die Seestatt ist kein High-Tech-Paradies, das noble Aussteiger auffängt, sondern ein langsam zerfallendes Experiment, das sich kaum allein auf den Beinen halten kann. Helena ist kein künstlerisches Ausnahmetalent, sondern rutscht zufällig und ungewollt in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Diese Nüchternheit setzt die Autorin auch mit Einschüben zu scheinbar unzusammenhängenden Berichten über die Welt- und Naturgeschichte fort, die nach und nach größere Zusammenhänge offenlegen. Mit oft zynischem Blick seziert Theresia Enzensberger die Schwächen der modernen Gesellschaft: den unbedingten Glauben an Innovation, den Wunsch nach Vernetzung und Anerkennung um jeden Preis, das ungesunde Verhältnis zur Natur und nicht zuletzt die schwindende Solidarität. Dabei entgleiten ihr jedoch manchmal ihre Charaktere: Trotz des intensiven Fokus auf zwei Protagonistinnen kommt man als Leserin nicht richtig an die Figuren ran. Das Buch ist insofern eher politisch als persönlich, und auch das Tempo leidet manchmal etwas unter der Ausgestaltung bestimmter Themenkomplexe. Nichtsdestrotrotz kann es damit durchaus überzeugen.
„Auf See“ ist ein politischer Roman, der viele gesellschaftliche Themen anschneidet und dabei nicht auf große Gesten und heldenhafte Charaktere setzt. Im Vordergrund stehen die großen Zusammenhänge und Entwicklungen, die seine Lesenden herausfordern und zum Nachdenken anregen. Eine lohnenswerte Lektüre!
Das Cover finde ich auf Anhieb genial. Vintage oder Retrolook. Erinnert an Science Fiction der 70er Jahre. Fast schon klassisch.
Enzensberger? Verwandt mit Hans Magnus Enzensberger? Nach Recherche ...
Das Cover finde ich auf Anhieb genial. Vintage oder Retrolook. Erinnert an Science Fiction der 70er Jahre. Fast schon klassisch.
Enzensberger? Verwandt mit Hans Magnus Enzensberger? Nach Recherche die Tochter. Da hat sich Theresia Enzensberger ja in ganz große Fusßstapfen vorgewagt. SF Klassiker und ein Autor, der es zu Lebzeiten in der Schulunterricht geschafft hat.
Wenn man das alles im Hinterkopf hat und dann das Buch liest, arme Autorin.
Ein erster Schmunzler: das Inhaltsverzeichnis erinnert an den englischen Grammatikunterricht.
Ich habe zudem den Eindruck, dass Theresia Enzensberger von einer ganz anderen Position aus schreibt, Leser müssen da erst einmal hinkommen. Ihr Postskriptum unter dem Titel Lektüre ist eine Ansammlung von Autoren, Veröffentlichungen und Querverweisen, die ich nicht einmal dem Namen nach kenne. Und auch Lord Byron als Anfangszitat im Buch ist hoch gegriffen.
Ansonsten ein ganz lesenswertes Buch, bei dem ich immer den Eindruck hatte, als Leser nicht zu genügen.
"Auf See" ist der zweite Roman von Theresia Enzensberger. Die auffällige Covergestaltung erinnert stark an Romane der 70er Jahre, allerdings spielt ihre Geschichte nicht in der Vergangenheit, sondern ist ...
"Auf See" ist der zweite Roman von Theresia Enzensberger. Die auffällige Covergestaltung erinnert stark an Romane der 70er Jahre, allerdings spielt ihre Geschichte nicht in der Vergangenheit, sondern ist eine Dystopie, deren Handlung in der relativ nahen Zukunft geschieht.
Es wird die Geschichte von Yada und Helena erzählt, wobei zunächst unklar bleibt, welche Verbindung zwischen den beiden besteht. Yada lebt mit ihrem Vater in der Seestatt, einer künstlichen Insel vor der deutschen Ostseeküste. Diese Seestatt gründete er gemeinsam mit anderen anfangs enthusiastischen Mitstreiter:innen, um dort ein möglichst autarkes Leben zu führen, während es mit der restlichen Welt abwärts geht. Aber, der Putz bröckelt mittlerweile stark, einige der zu Beginn beteiligten Wissenschaftler:innen haben sich schon wieder von dem Projekt und der Insel verabschiedet und die einfachen Arbeitskräfte werden dort ebenso schlecht oder gar noch schlechter behandelt, wie am europäischen Festland. Yada selbst wird komplett von der Welt außerhalb dieser Insel abgeschirmt.
Helena dagegen lebt in Berlin als Künstlerin, die unbeabsichtigt für eine Art Guru gehalten wird, der in die Zukunft sehen kann. Sie verabscheut diesen Rummel um ihre Person aber und flüchtet immer wieder vor der Aufmerksamkeit und führt so ein recht chaotisches und unstetes Leben.
Der Roman verbindet die Leben der beiden Frauen im Laufe der Geschichte miteinander, was für eine gewisse Spannung sorgt. Etwas zu dürftig für meinen Geschmack bleibt aber die Schilderung des Zusammenlebens in der utopischen Seestatt mit all den damit verbundenen Konsequenzen und auch die von "Helenas Welt" im Berlin und im Europa der nahen Zukunft. Dadurch, dass alles aus der Perspektive der beiden Frauen beschrieben ist, kann man sich aber gut in sie hineinversetzen. Unterbrochen wird die Handlung immer wieder durch kurze Einschübe unter der Überschrift "Archiv", die "echte" utopische Ideen zum Zusammenleben aus den letzten Jahrhunderten vorstellen und kritisch kommentieren, das fand ich recht interessant, da so deutlich wird, dass die Handlung gar nicht so abwegig und aus der Luft gegriffen ist. Auch ansonsten ist der Schreibstil der Autorin sehr ansprechend, wenn auch schon teilweise relativ anspruchsvoll mit einer recht hohen Dichte an Fachbegriffen.