Cover-Bild Maikan
21,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Wieser Verlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: allgemein und literarisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 220
  • Ersterscheinung: 01.09.2022
  • ISBN: 9783990295397
Michel Jean

Maikan

Der Wind spricht noch davon
Michael von Killisch-Horn (Übersetzer)

Während mehr als eines Jahrhunderts waren die zentralen Ziele der kanadischen Politik gegenüber den Indigenen die folgenden: die indigenen Regierungen eliminieren, die Rechte der Indigenen ignorieren, die geschlossenen Verträge beenden und mittels eines Prozesses der Assimilation dafür sorgen, dass die indigenen Völker aufhören, als gesetzliche, soziale, kulturelle, religiöse und rassische Entitäten zu existieren. Die Einrichtung und Betreibung der Internate war ein zentrales Element dieser Politik, die man als ‚kulturellen Völkermord‘ bezeichnen könnte.“ (Truth and Recociliation Commission of Canada).

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1996 wurden rund 150.000 Kinder in etwa 139 kirchlichen Internatsschulen (davon 10 in Québec), deren Ziel es war, den „Indianer im Kind zu töten“, „zivilisiert“. Der Roman erzählt das Schicksal von drei jungen Innu, Marie, Virginie und Thomas, die im August 1936 ihren Familien entrissen und mit dem Flugzeug in das 1000 km entfernte Internat Fort George in der James Bay gebracht wurden, wo es ihnen verboten war, ihre Sprache zu sprechen, sie nur noch eine Nummer waren und hilflos brutalen Übergriff en und sexuellem Missbrauch von Seiten der Mönche und Nonnen ausgesetzt waren, die sie „Wölfe“ (maikan) nannten. 2013 entdeckt die Anwältin Audrey Duval, die nach überlebenden ehemaligen Internatsschülern sucht, damit sie die Entschädigung bekommen, die die kanadische Regierung ihnen bewilligt hat, dass ihre Namen spurlos aus dem Indianerregister verschwunden sind. Mit Hilfe des alten Nakota „Jimmy“, der obdachlose Indigene mit Essen versorgt, macht sie Marie in einem abgelegenen Dorf im äußersten Osten Québecs ausfindig, wo sie als völlig verwahrloste Alkoholikerin lebt, und erfährt von ihr die ganze Geschichte.

Michel Jean wendet sich in seinem erstmals 2013 erschienenen Roman einer der finstersten Perioden der Geschichte Kanadas zu, die bis heute nicht wirklich aufgearbeitet ist. Durch die Funde von gut 1000 Überresten von Leichen indigener Kinder in Massengräbern in der Nähe ehemaliger Umerziehungsinternate 2021 und Anfang 2022 bekommt dieser erschütternde Roman noch einmal eine neue Aktualität und Brisanz.

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Lesejury-Facts

  • Dieses Buch befindet sich bei Venatrix in einem Regal.
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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.09.2022

Erschütternd - Genozid an den Inuit

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Dieser erschütternde Roman beschäftigt sich mit dem Genozid der Weißen an den Inuit Kanadas. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden rund 150.000 autochthone Kinder ihren Familien entrissen und in 139 ...

Dieser erschütternde Roman beschäftigt sich mit dem Genozid der Weißen an den Inuit Kanadas. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden rund 150.000 autochthone Kinder ihren Familien entrissen und in 139 Internatsschulen verbracht, um „den Indianer in ihnen zu töten“ und sie damit zu „zivilisieren“.

Dieser Roman erzählt die brutale Geschichte von drei jungen Innu, Marie, Virginie und Charles, die im August 1936 zwangsweise in das Internat Fort George gebracht wurden, rund 1.000 km von ihren Familien entfernt.

Die junge Anwältin Audrey Duval, die für zahlreiche betroffene Innu pro bono Entschädigungen des Staates erstritten hat, entdeckt dass die Namen der drei Kinder spurlos in der Geschichte Kanadas verschwunden sind. Vom Ehrgeiz gepackt, beginnt sie zu recherchieren und entdeckt in einer alkoholkranken Frau eines des beiden verschwundenen Mädchen. In zahlreichen Rückblenden erfährt Audrey das ganze Ausmaß der Tragödie...

“...es ist meine Aufgabe als Anwältin, denen Gerechtigkeit zu verschaffen, die ein Anrecht darauf haben. Und diese Männer werden wir verhaften und verurteilen lassen, unabhängig von ihrem Alter. Aber dafür muss ich noch eine Sache wissen. Was ist mit Virginie passiert?“ (S. 186)

Meine Meinung:

Obwohl ich schon zahlreiche Bücher zu Völkermorden (Shoa, Armenien, Ukraine etc.) gelesen habe, hat mich dieser Roman von Autor Michel Jean tief erschüttert.

Dieser Roman ist bereits 2013 unter dem Titel „Le vent en parle encore“ (auf deutsch „Der Wind spricht noch davon“) erschienen. Als 2021 und Anfang 2022 die Überreste von rund 1.000 indigenen Kindern in Massengräbern nahe der Umerziehungsanstalten gefunden worden sind, hat sich der Wieser Verlag zu einer aktualisierten Neuauflage entschlossen.

Der Titel „Maikan“ bedeutet Wölfe in der Sprache der Inuit, was sehr gut zum Inhalt des Buches passt. Denn die quasi als Gefangene gehaltenen Kinder im Alter zwischen 6 und 16 Jahren sehen ihre „Erzieher“, hauptsächlich katholische Geistliche und Nonnen als Wölfe, die sie belauern und beim kleinsten Anzeichen von Schwäche erbarmungslos zuschlagen. Die Kinder dürfen ihre eigene Sprache nicht mehr verwenden, müssen hungern, werden geschlagen und sind sexuellem Missbrauch ausgesetzt.

Von den 150.000 verschleppten Kindern sind mehr als 4.000 an Unterernährung, Seuchen und den erlittenen Misshandlungen während ihres Aufenthaltes in einer dieser Anstalten gestorben. Rund 80.000 der ehemaligen Zöglinge leben noch. Ihnen ist dieses Buch gewidmet, einige Familienmitglieder des Autors haben das Internat Fort George er- und überlebt. Eine sehr junge Cousine seiner Mutter ist dort unter ungeklärten Umständen gestorben.

Fazit:

Diesem erschütternden Dokument über die fanatische und systematische Ausrottung der First People in Kanada gebe ich 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung, auch wenn das Buch sehr schwere Kost ist.