Gerade so interessant
Dieses Buch ist ein Thriller, so steht es jedenfalls auf dem Cover. Von einem Thriller erwarte ich, dass ich mich grusele, oder gespannt Seite um Seite weiter blättere, dass ich mit den Protagonisten mitfiebere ...
Dieses Buch ist ein Thriller, so steht es jedenfalls auf dem Cover. Von einem Thriller erwarte ich, dass ich mich grusele, oder gespannt Seite um Seite weiter blättere, dass ich mit den Protagonisten mitfiebere und wissen will, was hinter allem steckt. Das einzige, was dieses Buch geschafft hat, war, dass ich wissen wollte, was hinter allem steckt.
Schon der Schreibstil ist mir direkt negativ aufgefallen: Ich-Perspektive und Präsens, durchbrochen von Erzählungen aus der Vergangenheit, die in der entsprechenden Zeitform geschrieben sind. An sich ist das Buch gut geschrieben, doch insbesondere die Zeitform hat mich häufig gestört. Meines Erachtens trägt der gewählte Stil nichts dazu bei, die Geschichte spannender zu machen oder sie anderweitig zu unterstützen.
Abwechselnd aus der Perspektive von Quinn, der jungen Frau aus dem Klappentext, und Alex, einem jungen Mann, der zunächst schwer zuzuordnen ist, werden wir über Esther und einige andere involvierte Menschen aufgeklärt. Das ist interessant. Aber auch wahnsinnig langweilig. Immer wieder nimmt sich die Autorin Zeit, Kleinigkeit sehr ausführlich zu beschreiben, sodass meine Thriller-Instinkte aufmerksam lesen, weil ich ahne, dass es später wichtig sein wird für die Aufklärung. Leider ist das nicht der Fall. Obwohl ich vor Ende des Buches auf die Lösung gekommen bin, trugen etwa 90 Prozent der ausführlichen Beschreibungen nichts zur Erkenntnis bei. Sie waren einfach nur da, für den Plot unerheblich, für die Charakterdarstellung selten von Belang. Ich bin mir sehr sicher, dass man das Buch um etwa 100 Seiten raffen könnte, ohne Inhalt zu verlieren.
Tatsächlich ist es nämlich auch so, dass die ersten 250 bis 300 Seiten nichts geschieht, was der Klappentext nicht bereits angedeutet hätte. Gewiss, wir wussten vom Klappentext nichts über Alex, doch seine Abschnitte erscheinen so belanglos, dass man sie schnell wieder vergisst. Die Ermittlungen von Quinn hingegen kommen über sehr, sehr weite Strecken des Buches nicht über den Klappentext hinaus. Das ist ungünstig, da so keinerlei Spannung entsteht.
Entsprechend erscheint das Ende dann recht plötzlich. Viele Erkenntnisse kommen mit einem Mal, viel wird gleichzeitig aufgeklärt, es wird spannend und dramatisch und dann ist es schon wieder vorbei. Man muss bei diesem Buch wirklich ganz bis zum Schluss durchhalten, um den Ansatz eines Thrillers geliefert zu bekommen. Das ist nicht für jeden etwas, so interessant die eigentliche Geschichte auch ist. Zusätzlich saß ich am Ende da und fragte mich, was mir diese Geschichte nun eigentlich sagen wollte. Kaputte Familien produzieren kaputte Menschen? Gib Acht auf deine Mitbewohner? Ich weiß es leider nicht.
FAZIT:
Der Thriller „Don’t you cry – Falsche Tränen“ von Mary Kubica ist ein interessantes Buch, welches über die ersten 300 Seiten hinweg leider keinerlei Spannung aufbauen kann. Der gewählte Stil ist ungewöhnlich, viele Passagen erscheinen übermäßig gestreckt und erzeugen damit das Gefühl von Langatmigkeit und Langeweile, obwohl es sich ansonsten flüssig liest. Insgesamt geschieht erstaunlich wenig in diesem Buch. Auch, wenn es nicht wirklich schlecht war, kann ich doch keine Kaufempfehlung aussprechen.