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Veröffentlicht am 28.09.2021

Sally Rooney - Schöne Welt, wo bist du

Schöne Welt, wo bist du
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Nach einem langen Klinikaufenthalt flüchtet sich die Schriftstellerin Alice in ein kleines Örtchen an der irischen Küste. Dort hofft sie in der Ruhe und Abgeschiedenheit wieder Kraft zu finden. Schnell ...

Nach einem langen Klinikaufenthalt flüchtet sich die Schriftstellerin Alice in ein kleines Örtchen an der irischen Küste. Dort hofft sie in der Ruhe und Abgeschiedenheit wieder Kraft zu finden. Schnell macht sie Bekanntschaft mit dem Lagerarbeiter Felix, der so anders ist als die Menschen sonst in ihrem Leben. Etwa ihre beste Freundin Eileen, die in Dublin bei einem Literaturmagazin arbeitet oder Simon, Eileens Jugendfreund, mit dem sie eine on/off Beziehung pflegt. Über E-Mail stehen Alice und Eileen in Kontakt, tauschen alle Geheimnisse und vor allem die Sorgen, die sie plagen: was erwarten sie eigentlich von ihrem Leben? Was müssten sie tun, um wirklich glücklich zu sein? Gibt es so etwas wie Glück überhaupt?

Die vielfach für ihre Romane ausgezeichnete irische Schriftstellerin Sally Rooney gilt als Stimme ihrer Generation. Mit „Schöne Welt, wo bist du“ setzt sie das Thema fort, das sich schon in ihren ersten beiden Romanen, „Gespräche mit Freunden“ und „Normal People“, fand: eine Generation, der quasi die ganze Welt offensteht, die intellektuell gebildet ist und doch mit dem Leben hadert, geplagt wird von depressiven Verstimmungen und Selbstzweifeln; unfähig sich selbst zu lieben gelingen auch Beziehungen zu anderen kaum.

Die beiden Protagonistinnen Alice und Eileen verbindet eine langjährige Freundschaft, die auf ihre Studienzeit zurückgeht. Sie teilen alle intimen Gedanken und können philosophische Fragen ebenso miteinander erörtern wie ihr Liebesleben. Sie sind nicht mehr ganz jung, das Leben hat bereits Spuren hinterlassen: bei Alice war es durch den Erfolg ausgelöster Druck und Stress, die in einem Zusammenbruch endeten. Eileen hat das Ende einer langjährigen Beziehung nicht verwunden und wendet sich wieder ihrer Jugendliebe zu, was jedoch auch in einem komplizierten hin und her endet.

Es gibt tatsächlich eine nur recht reduzierte Handlung, was aber den Fokus auf das Innenleben der Figuren erlaubt. Mit Felix, der in vielfältiger Weise anders ist als die drei Freunde, wird ein interessanter Gegenpol geschaffen, der ausspricht, was die Figuren selbst vor sich nicht zugeben würden, der polarisiert und provoziert und so Spannungen überreizt. Zugleich leidet er genauso unter seiner eigenen Lebenssituation, ist ebenso unsicher mit Hang zur Depression wie Alice, Eileen und Simon.

Die Geschichte ist noch vor dem Lockdown angesiedelt, dabei befinden sich die Figuren schon längst in einem selbstgemachten Miniaturkosmos. Sie sind passiv, ihr Leben geschieht, sie gestalten nicht, haben zu viel Angst davor eine Entscheidung zu treffen und verharren daher eher, als dass sie etwas tun würden. Sie wollen den anderen nicht zu nahetreten und treten daher bei dem leisesten Anklang von Widerstand den Rückzug an. Sie wissen nicht, wer sie sind, was sie empfinden, was sie vom Leben erwarten. In dieser Weise von sich selbst verunsichert, wird es ihnen unmöglich, anderen offen zu begegnen und zu lieben.

Auch wenn ich nicht zu der geschilderten Generation gehöre und mich auch nicht mit den Figuren identifizieren kann, lese ich Rooneys Romane doch gerne. Was ihr auch in diesem gelingt, ist es Ambiguitäten einzufangen, die die Figuren authentisch wirken zu lassen und eine dauerreflexive Innensicht auch wieder mit literarischen Ausflügen zu verbinden.

Veröffentlicht am 29.03.2021

Maria Adolfsson - Doggerland. Fester Grund

Doggerland. Fester Grund (Ein Doggerland-Krimi 3)
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Ein wenig neidisch ist Karen Eiken Hornby schon auf Luna, die berühmteste Sängerin von Doggerland, die eine geheimnisvolle Aura umgibt, der auch Karens Partner Leo offenbar gerade verfällt. Nach Jahren ...

Ein wenig neidisch ist Karen Eiken Hornby schon auf Luna, die berühmteste Sängerin von Doggerland, die eine geheimnisvolle Aura umgibt, der auch Karens Partner Leo offenbar gerade verfällt. Nach Jahren des Rückzugs will die Sängerin wieder ein Album veröffentlichen und hat nun im Geheimen die Aufnahmen mit Leo und dem Team gemacht. Als sie zu den finalen Aufnahmen nicht erscheint, wird Karen gebeten, inoffiziell zu ermitteln, nur wenige Tage später jedoch gibt es schon wieder Entwarnung und Karen kann sich einem viel dringenderen Fall widmen: ein Serienvergewaltiger scheint wieder zugeschlagen zu haben. Nachdem er bereits im Herbst Frauen brutal misshandelt hat, ist nun ein weiteres Opfer zu beklagen und wieder kann dies kaum Angaben zum Täter machen. Vier Frauen, die nichts gemeinsam zu haben scheinen, doch irgendetwas muss sie verbinden. Obwohl gesundheitlich angeschlagen, vergräbt sich Karen in die Nachforschungen – bis ihre Ärztin sie bittet, sofort vorbeizukommen.

„Fester Grund“ ist der Abschluss der Doggerland-Trilogie der schwedischen Autorin Maria Adolfsson. Die Inselgruppe zwischen Dänemark und Großbritannien, die einst die britischen Inseln mit dem Kontinent verband, liegt heute versunken in der Nordsee. In ihren Romanen macht Adolfsson sie zum Schauplatz der Ermittlungen ihrer eigenwilligen Kommissarin Karen Eiken Hornby, die im Abschlussband gleich zwei Fälle bearbeiten muss, während sie selbst ziemlich angeschlagen ist.

Die Suche nach der Sängerin Luna wird zunächst vor allem durch negative Emotionen Karens geprägt, sie ist sich ihrer Beziehung zu Leo, die nach wie vor weitgehend undefiniert ist, nicht sicher und lässt sich durch die strahlende Diva völlig aus dem Gleichgewicht bringen. Dies hindert sie zwar nicht daran, genauso akribisch und ernsthaft wie immer ihre Nachforschungen zu betreiben, aber die Stimmung zu Hause ist mehr als vergiftet. Auch der zweite Fall geht ihr nahe, die Brutalität, mit der der Täter immer wieder zuschlägt, ist kaum auszuhalten. Offenkundig treibt ihn ein tiefer Hass, was für sie die Vermutung nahelegt, dass er seine Opfer gekannt und sich von diesen gedemütigt gefühlt haben könnte.

Nachdem mich „Fehltritt“, der erste Teil der Reihe, restlos begeistern konnte, weil Adolfsson eine unglaubliche Welt erschaffen hat, die man sich mit dem rauen Klima leicht bildlich vorstellen kann, ließ mich „Tiefer Fall“ etwas enttäuscht zurück, da sich hier die Handlung etwas in sich selbst verirrt hatte. „Fester Grund“ punktet dieses Mal nicht mit der Insellandschaft, sondern mit zwei interessanten Fällen und einer wieder überzeugenden Protagonistin, die neben dem scharfen Verstand und auch ihre Schwächen offenbart und so genau jenen Bruch zwischen mutiger, unerschrockener Ermittlerin und leicht zu verunsichernden Partnerin schafft, der sie zu einer vielseitigen und authentischen Figur macht.

Ein klassischer nordic crime, der keine Wünsche offenlässt, außer vielleicht jenem, dass die Trilogie auch bei uns fortgesetzt wird, im schwedischen original ist nämlich inzwischen ein vierter Band erschienen.

Veröffentlicht am 07.09.2020

Ilija Trojanow - Doppelte Spur

Doppelte Spur
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Ein Journalist erhält zwei kryptische Emails kurz hintereinander. Man will ihm geheime Unterlagen zuspielen. Offenbar derselbe Absender, doch nachdem er sein Interesse bekundet hat, muss er feststellen, ...

Ein Journalist erhält zwei kryptische Emails kurz hintereinander. Man will ihm geheime Unterlagen zuspielen. Offenbar derselbe Absender, doch nachdem er sein Interesse bekundet hat, muss er feststellen, dass ihm zeitgleich ein amerikanischer und ein russischer Whistleblower Informationen zukommen lassen. So unterschiedlich das Material auch ist, bald schon lassen sich Verbindungen ziehen, die schlimmste Befürchtungen zu untermauern scheinen: noch viel tiefer als bislang geglaubt scheinen die Präsidenten der beiden Länder in Korruption und illegale Verstrickungen verwickelt zu sein.

Ilija Trojanow greift in seinem aktuellen Roman Themen auf, die seit Jahren die Schlagzeilen dominieren: Verstrickungen Trumps mit Moskau, sein manipulierter Wahlkampf 2016, die Affäre um Jeffrey Epstein, verdächtige Geldflüsse mit zweifelhafter Rolle auch deutscher Großbanken. Man hat den Eindruck als sei das Ende des Kalten Kriegs nur eine Randnotiz der Geschichte gewesen und die Welt heute von einer Allianz aus FBI, KGB, Oligarchen und dubiosen Investoren regiert. Nicht nur lenken diese das Weltgeschehen und den internationalen Geldfluss, viel wichtiger noch: sie steuern Kommunikation und Information und entscheiden darüber, was vermeintlich wahr ist bzw. welche Variante von Wahrheit der Öffentlichkeit präsentiert und von dieser geglaubt werden soll.

„Der [Anm: der Präsident der USA] malt jede schwarze Katze rosarot. Es ist kein Betrug, wenn man nicht erwischt wird. Das interpretiert er wortwörtlich. Auch im ethischen Sinn. Wenn du nicht erwischt wirst, bist du unschuldig. (...) Da alle bescheißen, darf jeder bescheißen. Wer’s nicht tut, ist ein Trottel, schlimmer noch, ein Verlierer.“

Die Grenze zwischen Realität und Fiktion ist fließend, gerade das Ende wirft weitere Fragen auf: der fiktive Journalist Ilija Trojanow flüchtet und versteckt sich, da er um sein Leben fürchtet. Legt er letztlich nur das schützende Mäntelchen der vermeintlichen Fiktion über das, was eigentlich wahr ist? Der Roman könnte ebenso ein Enthüllungsbuch sein. Vielleicht ist es aber auch nur die richtige Antwort auf all jene, denen mit Fakten und Tatsachen nicht beizukommen ist, die lieber an Fiktionen glauben und denen durch diese wiederum die Augen geöffnet werden sollen.

„Doppelte Spur“ ist ein doppeltes Spiel in jeder Hinsicht. Das Buch liest sich gerade in der ersten Hälfte nicht wirklich wie ein Roman, zu viele Fakten werden aneinandergereiht, um eine Grundlage für die Deutung zu schaffen. Es passt jedoch perfekt in eine Zeit, in der Fake News neben echten Nachrichten publiziert werden und jede Schlagzeile zugleich wahrgenommen wird als „könnte wahr sein – oder eben auch nicht“. Nach dem Lesen hegt man jedenfalls nicht weniger Zweifel an dem, was einem tagtäglich präsentiert wird.

Veröffentlicht am 12.10.2019

Daniel Silva – Der russische Spion

Der russische Spion
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Ein eigentlich routinierter Fall für die Geheimdienste: ein Doppelspion will brisantes Material über die Russen liefern und dafür bei den Engländern untertauchen. Gabriel Allon und sein Team wollen ihn ...

Ein eigentlich routinierter Fall für die Geheimdienste: ein Doppelspion will brisantes Material über die Russen liefern und dafür bei den Engländern untertauchen. Gabriel Allon und sein Team wollen ihn in Wien in Empfang nehmen und an den MI6 übergeben, doch dazu kommt es nicht, denn der Mann wird auf offener Straße erschossen. Offenbar war man in Moskau informiert und dafür gibt es nur einen Grund: in den Reihen der Briten muss es einen Maulwurf geben. Diese leugnen dies, doch für den Chef des israelischen Dienstes ist der Fall klar. Doch als sein Kandidat in Bern ums Leben kommt, kommen ihm Zweifel: ist er auf eine geschickt gelegte falsche Spur hereingefallen? Womöglich, aber an den Maulwurf glaubt er immer noch und ist bereit alles dranzusetzen, diesen aufzudecken. Er ahnt nicht, wen er ins Visier nimmt und wie schlimm der MI6 tatsächlich unterlaufen wurde.

Auch im bereits 18. Fall von Daniel Silvas Superagenten des israelischen Geheimdienstes ist dieser kein bisschen müde, sich mit den größten globalen Verbrechern anzulegen. Hat er in den letzten beiden Fällen noch die islamistischen Terroristen gejagt, steht nun ein ungewöhnlich klassischer Fall im Vordergrund. Auch wenn der Kalte Krieg seit nunmehr 30 Jahren beendet ist, taugt die Konfrontation zwischen Ost und West noch immer zu großer Unterhaltung und so ist „Der russische Spion“ ein Thriller nach dem bewährten Muster der großen britischen Agenten James Bond oder George Smiley. Nur dass es der Chef des Mossad ist, der fast im Alleingang gegen die russische Übermacht kämpft.

„Gabriel klappte seinen Aktenkoffer auf und nahm drei Gegenstände aus dem Geheimfach. Eine Geburtsurkunde, eine Heiratsurkunde und ein in der Jesus Lane in Cambridge heimlich gemachtes Foto. Übel, dacht er. Verdammt übel.“

Die Erwartungen werden einmal mehr voll erfüllt. Ein spannungsgeladener Thriller, der zunächst einige undurchschaubare Verwicklungen liefert und dann das Katz-und-Maus-Spiel eröffnet. Interessanterweise lehnt sich Silva dieses Mal an eine reale Figur an: Kim Philby, ein britischer Geheimdienstmitarbeiter, der als einer der bekanntesten Doppelagenten und Informationslieferant für die Sowjets in die Geschichte eingegangen ist. Ebenso wie dieser historisch verbriefte Fall trifft auch der Maulwurf im Thriller den englischen MI6 Mitten ins Herz und macht den Fall damit besonders brisant.

Auch wenn die vorhergehenden Fälle durchaus an aktuelle Großkrisen der Welt angelehnt waren, fand ich dieses Mal die Vermischung von Fakt und Fiktion besonders gelungen. Auch die Tatsache, dass etwas weniger geschossen und in die Luft gejagt wird, sondern die altbewährten Spionagetechniken wieder zum Einsatz kommen dürfen – Beschattung, geheime Briefkästen, heimlich übergebene Umschläge – hat mich besonders gefreut und unterstreicht, dass Silva beides liefern kann: actiongeladene rasante Geschichten ebenso wie komplexe Spionagethriller. Lassen viele Serien im Laufe der Zeit nach, würde ich hier das Gegenteil konstatieren wollen: für mich einer der besten Romane von Daniel Silva.

Veröffentlicht am 18.09.2022

Angelique Vochezer - Omi, ich bin jetzt vegan!

Omi, ich bin jetzt vegan!
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Migräne war der Auslöser für Angelique Vochezer, sich mit veganer Ernährung auseinanderzusetzen. Neben ihrem ganz persönlichen Grund nennt sie noch unzählige weitere, die für eine tierproduktfreie Ernährungsweise ...

Migräne war der Auslöser für Angelique Vochezer, sich mit veganer Ernährung auseinanderzusetzen. Neben ihrem ganz persönlichen Grund nennt sie noch unzählige weitere, die für eine tierproduktfreie Ernährungsweise sprechen, bevor sie auch Hinweise zur Umsetzung und Gesundheitsaspekte anführt. Die größte Hürde war jedoch, auch ihre Familie und vor allem ihre Oma zu überzeugen, gab es doch gerade bei letzten unzählige leckere Gerichte in der Kindheit, die sie eigentlich nicht missen wollte. Hieraus ist letztlich das Kochbuch entstanden, das vegane Varianten von Klassikern der deutsch-österreichischen Küche liefert.

Die 74 Rezepte sind untergliedert in Suppen, Basics, Salate und Einmachen, bevor die drei großen Themenfelder Geburtstagsfeiern, Oster und Weihnachten folgen. Auf der Liste finden sich bekannte Alltagsgerichte wie Kartoffelsuppe, Käsespätzle oder Kaiserschmarrn und ebenso typische Feiertagsrezepte wie Osterlamm, Apfelstrudel und Kohlrouladen. Hier wurde tatsächlich nicht zu viel versprochen.

Was mich am meisten begeistert hat, waren zum einen die Übersichtlichkeit und klare Struktur, pro Rezept gibt es eine Doppelseite mit einmal dem Rezept und zum anderen einem meist schlichten, aber ansprechenden Bild. Die Rezepte kommen mit wenigen und vor allem handelsüblichen Zutaten aus, die einem das Nachkochen ohne großen Aufwand ermöglichen. Das Anforderungsniveau würde ich als sehr einfach einordnen, die Anweisungen sind leicht nachzuvollziehen und es wurde auf Spezialwortschatz verzichtet, so dass man auch als Kochanfänger problemlos folgen kann.

Ein Kochbuch, das in sich völlig stimmig ist und sich gut eignet für ungeübte und wenig passionierte Köche, die direkt loslegen und sich der veganen Ernährung annähern wollen. Passionierte Köche finden vielleicht an der Schlichtheit der Rezepte Gefallen bzw. punkten diese durch ihren Bekanntheitsgrad und die Kindheitserinnerungen, die sie auch vegan zu wecken vermögen.