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Veröffentlicht am 27.09.2022

Wohlfühlgeschichte, die die Spezies der Riesenkraken in den Mittelpunkt rückt

Das Glück hat acht Arme
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Bei Fischer Krüger erscheint Shelby Van Pelts Roman "Das Glück hat acht Arme".

Die Rentnerin Tova Sullivan putzt im Aquarium von Sowell Bay, sie liebt ihren Job und hat besonders die Hauptattraktion, ...

Bei Fischer Krüger erscheint Shelby Van Pelts Roman "Das Glück hat acht Arme".

Die Rentnerin Tova Sullivan putzt im Aquarium von Sowell Bay, sie liebt ihren Job und hat besonders die Hauptattraktion, den Pazifischen Riesenoktopus Marcellus in ihr Herz geschlossen. Dem intelligenten Kraken erzählt Tova aus ihrem Leben, besonders von ihrem verschwundenen Sohn, den sie schmerzlich vermisst.

Eines Tages erscheint der junge Cameron auf der Bildfläche und Marcellus bringt es auf eine besondere Weise zustande, dass Tova und Cameron in ihrem Leben wieder glücklich werden.


"Menschen. Meistens sind sie stumpfsinnig und tollpatschig. Doch hin und wieder sind sie erstaunlich kluge Geschöpfe." Zitat Seite 453


Marcellus ist ein schlauer Riesenkrake, er hat ungeahnte Fähigkeiten und macht sich nach Publikumsbesuch auf Wanderschaft, um im Nachbarbecken Seegurken zu stibitzen. Als er sich bei so einer nächtlichen Aktion in Gefahr begibt, hilft ihm Tova und beide freunden sich an.

Neben Marcellus und Tova gehört auch Cameron zu den Hauptfiguren. Der perspektivlose 30jährige hat gerade seinen Job und seine Freundin verloren, seine Kindheit verbrachte er bei seiner Tante, die ihn trotz aller Geldsorgen liebevoll umsorgte. In einer alten Kiste seiner Mutter findet Cameron ein Foto seines ihm unbekannten Vaters. Seine Suche führt ihn nach Sowell Bay, wo er auf Tova und Marcellus trifft.

Anfangs habe ich mich nur schwer auf den sprechenden und nahezu heldenhaften Erzähler Marcellus einlassen können. Ich weiß von der Intelligenz der Oktopusse, manche Fähigkeiten im Roman erscheinen mir aber zu idealisiert und auf bestimmte Weise schon etwas übersinnlich. Doch dann wurde ich von der Faszination für Marcellus und der ganzen Story gepackt und ließ mich in die fantastische Geschichte fallen. Ich muss sagen, sie hat mich regelrecht bezaubert, schon allein durch die liebenswerten und problembehafteten Charaktere und die unterschiedlichen Erlebnisse aller Beteiligten.

Der außergewöhnliche Held Marcellus in dieser Geschichte ist für viele Leser:innen sicherlich ein Anlaß, sich mehr über diese Spezies zu informieren. In der Handlung erfährt man einige Infos und von den erstaunlichen Fähigkeiten von Oktopoden, die mir aber noch lange nicht gereicht haben. Allerdings ist es ja auch ein Roman und kein Sachbuch. Die Haltung solcher Lebewesen in Aquarien sollte man meiner Meinung nach einmal überdenken.
Was hier zunächst etwas eigenartig beginnt, entwickelt sich zu einer bezaubernden und beglückenden Wohlfühlgeschichte, die ich noch lange im Gedächtnis behalten werden. Durch Marcellus wird der Blickwinkel verändert und man betrachtet nun einmal die Menschen aus Sicht der Tiere.


Ein schön erzählter, fantasievoller Roman über Einsamkeit, Familie und einen intelligenten Oktopus, der zum eigentlichen Held der Geschichte entwickelt.

  • Einzelne Kategorien
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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.09.2022

Ein gefühlvoller Familienroman

Chiemseesommer
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Im Penguin Verlag erscheint Franziska Blums Roman "Chiemseesommer".

Nelly lebt in Berlin und als ihre Mutter an Krebs verstirbt, löst sie deren Wunsch ein, endlich ihren leiblichen Vater Anton kennenzulernen. ...

Im Penguin Verlag erscheint Franziska Blums Roman "Chiemseesommer".

Nelly lebt in Berlin und als ihre Mutter an Krebs verstirbt, löst sie deren Wunsch ein, endlich ihren leiblichen Vater Anton kennenzulernen. Dazu reist sie an den Chiemsee, wo sie Antons Lakritz-Manufaktur kennenlernt und sofort von den leckeren Kreationen begeistert ist. Im Laden wird sie für die neue Aushilfe gehalten und spielt diese Rolle gleich mit, so muss sie sich nicht gleich ihrem Vater zu erkennen geben. Es gefällt ihr dort sehr gut, noch mehr als sie Quirin kennenlernt und dadurch in ihrem Bauch die Schmetterlinge flattern.

Bei diesem Roman taucht man in das schöne Urlaubsflair des Chiemsees ein, hat den Geschmack der herrlichen Lakritzvarianten auf der Zunge und erlebt eine Liebes- und Familiengeschichte, die wirklich gut unterhält.

Ich habe mich gefragt, wie es mir ergangen wäre, wenn ich meinen Vater erst als junge Frau kennengelernt hätte. Nelly hat jedenfalls einige Zweifel und die werden gut und nachvollziehbar dargestellt. Allerdings lernt sie Anton ja als Angestellte kennen, die kleine Lügengeschichte verselbständigt sich und Nelly muss irgendwann Farbe bekennen.

Nelly ist eine sympathische junge Frau, ihr macht die Arbeit im Lakritz-Geschäft viel Spaß, sie entwickelt Ideen für neue Sorten und steht dafür mit ihrem Vater in der Lakritz-Küche. Beide kommen gut miteinander aus. Sie lernt auch ihre Halb-Schwestern kennen und muss sich darauf erst ein wenig einstellen, denn sie sind nicht gleich Freundinnen.

Es ist sehr interessant, die Herstellung von Lakritze mitzuerleben und durch den schönen Erzählstil und die wunderschön gezeigte Gegend am Chiemsee habe ich mich in dem Roman gleich wohl gefühlt.

Die fein gezeichneten Charaktere werden mit vielen Emotionen gezeigt, sie alle haben ihre Sorgen und Nöte zu tragen, was sie sehr lebensnah und authentisch wirken lässt. Es hat mich berührt, wie sie sich alle immer mehr öffnen und zu einer neuen Familie zusammenwachsen. Auch die Liebesgeschichte mit Quirin sorgt für eine schöne Erweiterung der Geschichte, hier werden romantische Momente gezeigt, die deutlich machen, dass sich Nelly hier am Chiemsee immer mehr heimisch fühlt und neuen Familienanschluss noch dazugewinnt.


Ein leichter und doch auch mit tiefsinnigen Dingen angereicherter Familienroman, der mich gut unterhalten hat und mir an der Nordsee echtes Chiemsee-Flair geschenkt hat.

Veröffentlicht am 19.09.2022

Wohlfühlroman mit Selbstfindungsthematik einer Hebamme

Kaputte Herzen kann man kleben
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Kristina Günaks Roman "Kaputte Herzen kann mam kleben" erscheint im Lübbe Verlag.

Hebamme war schon immer Luisas Traumberuft, doch sie ist alleinerziehend, ihr Ex drückt sich um die Unterhaltszahlungen ...

Kristina Günaks Roman "Kaputte Herzen kann mam kleben" erscheint im Lübbe Verlag.

Hebamme war schon immer Luisas Traumberuft, doch sie ist alleinerziehend, ihr Ex drückt sich um die Unterhaltszahlungen der gemeinsamen Tochter Amelie und sie hat ihre liebe Not, alles zeitlich und finanziell zu stemmen. Die Überforderung macht sich mit starken Rückenschmerzen bemerkbar und Luisa wird krankgeschrieben. Die Zeit nutzt sie, um mit Amelie ihre Tante in St. Peter-Ording zu besuchen. Sie bekommt Physio beim ortsansässigen Tom, der für seine beruflichen Qualitäten überall bekannt ist, aber ansonsten als verschlossen gilt. Am Strand freundet sich Luisa mit einer liebenswerten Frauen-Clique an und auch Amelie fühlt sich auf dem Ponyhof und am Meer richtig wohl. Sie will gar nicht mehr zurück nach München.


Luisa erkennt bei den Gesprächen mit ihren neuen Freundinnen, dass nicht nur sie allein unter Mehrfachbelastung leidet und sie lernt, dass Amelie doch schon selbstständiger ist als Luisa sich eingestehen möchte. Amelie kommt mit Mimi, Fiete und den neuen Freundinnen wunderbar zurecht und so kann Luisa sich auch mal um sich selbst kümmern. Langsam entwickeln sich Gefühle zum Physiotherapeuten Tom, der nicht nur heilende Hände hat, sondern auch ein einfühlsamer Typ ist.

Bei diesem Buch habe ich zu den beschriebenen Figuren viel Nähe aufbauen können und war gerne mit dem Fahrrad unterwegs, genoss das Leben auf Mimis Hof und erlebte das Nordseeflair St. Peter-Ordings mit Meer, Sturm und dörflicher Gemeinsacht. Alle Charaktere werden mit ihren speziellen Lebenssituationen beschrieben und es war mir, als würde ich sie alle kennen.

Kristina Günak schreibt sehr lebendig, situationsbeschreibend und flott, sie beschreibt vielfältige Emotionen, schöne Erlebnisse auf dem Ponyhof und sogar mehrere Geburtsvorgänge, die die Handlung wirklich bereichern.

Die Autorin erklärt sehr deutlich, was der verantwortungsvolle Beruf der Hebamme mit sich bringt und wie Personalmangel, Arbeitszeiten und finanzielle Belastung durch Versicherungen diesem Berufsstand zu schaffen machen. Ich habe die authentisch dargestellte Situation des Berufes interessiert verfolgt und kann nur hoffen, dass sich weiterhin viele Frauen diesem Beruf widmen. Es geht im Buch aber auch um Frauensolidarität, um echte Freundschaft und soziales Miteinander. Die Liebesgeschichte verläuft eher auf Sparflamme, doch für Luisa und Amelie ist es in erster Linie mal wichtig, in einer neuen Heimat anzukommen und alles andere wird sich zeigen.


Auch wenn hier einige Themen und Probleme angesprochen werden, war dieses Buch für mich ein Wohlfühlroman mit einer speziellen Atmosphäre und einer liebenswürdigen Gemeinschaft.

Veröffentlicht am 17.09.2022

Fesselnder Urlaubskrimi und Reihenauftakt mit Nordseeflair

Halligmord (Ein Minke-van-Hoorn-Krimi 1)
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"Halligmord" ist der Auftakt der Minke-van-Hoorn-Krimi-Reihe von Greta Henning, die im Ullstein Verlag erscheint.

Auf der kleinen Hallig Nekpen wird nach einem Herbststurm ein Skelett freigelegt und Minke, ...

"Halligmord" ist der Auftakt der Minke-van-Hoorn-Krimi-Reihe von Greta Henning, die im Ullstein Verlag erscheint.

Auf der kleinen Hallig Nekpen wird nach einem Herbststurm ein Skelett freigelegt und Minke, die gerade neu als Kommissarin nach Friesland gekommen ist, soll den über dreißig Jahre zurückliegenden Fall aufklären. Was ist damals geschehen? Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, denn zusätzlich zu dem Mordfall hält Minke eine Entführung in Atem.



Mit "Halligmord" startet Greta Henning ihre neue Krimireihe um die Kommissarin Minke van Hoorn, die in die Fußstapfen ihres verstorbenen Vaters tritt. Angesiedelt auf den Halligen in der Nordsee ist dieses Buch ein Handlungsort mit besonderem Flair und der ständigen Gefahr von Sturmfluten.

Minke ist eine entschlossene, zielstrebige Person, sie engagiert sich in ihrer Freizeit als Watt-Rangerin und Robbenretterin und hat bei ihrem neuen Fall mit den alteingesessenen Familien auf Nekpen zu kämpfen, die die Ermittlung behindern und wohl etwas zu verbergen haben. Als der Sohn des alten Deichgrafen verschwindet, gewinnt die Ermittlung an Brisanz.

Leider ist ihr Kollege Klaus, ein waschechter Friese, der bald pensioniert wird, Minke keine große Hilfe, er möchte die letzten Arbeitstage lieber mit der Vorbereitung seines Ausstandes verbringen als die Aufklärung des Verbrechens zu unterstützen. Doch Minke kämpft sich wacker durch alle Hindernisse und bringt immer mehr Zusammenhängs ans Licht, die das Verbrechen vor über 30 Jahren erklären können.

Der Krimi liest sich durch den flüssigen und situationsbeschreibenden Stil sehr lebendig, die Charaktere werden mit ihren besonderen Eigenheiten erkennbar dargestellt und der mysteriöse alte Fall, sowie der aufkommende Sturm sorgen für düstere Szenen, die der Handlung eine bedrohliche Stimmung verleihen. Außerdem würde eine Sturmflut auch alle Spuren beseitigen, die Minke jetzt noch zu dem Vermissten führen könnte.

Greta Henning legt bei diesem undurchsichtigen Fall immer wieder falsche Fährten, die etwaige Schlussfolgerungen über den Haufen werfen. Wer verschweigt hier etwas und warum wurde der Tote ermordet? In Rückblenden erfahren wir einzelne Puzzleteile, die am Ende sehr schlüssig aufgeklärt werden und deutlich machen, wieso Menschen zu Mördern werden können.

Ein atmosphärischer und fesselnder Nordseekrimi mit Hallig-Atmosphäre, der mich gut unterhalten hat.

Veröffentlicht am 16.09.2022

Fesselnd, atmosphärisch und wieder recht brutal

Blinde Furcht
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"Blinde Furcht" ist der 13. Band der Amish-Thriller-Reihe von Linda Castillo der Fischer Verlage.

Als Kate Burkholder zu einem Tatort in Painters Mill gerufen wird, wartet die übel zugerichtete Leiche ...

"Blinde Furcht" ist der 13. Band der Amish-Thriller-Reihe von Linda Castillo der Fischer Verlage.

Als Kate Burkholder zu einem Tatort in Painters Mill gerufen wird, wartet die übel zugerichtete Leiche einer jungen Frau auf sie, Kate ist geschockt, denn sie kennt das Opfer von früher. Es ist Rachael Schwartz, eine unbeugsame und rebellische junge Frau, die sich vor zehn Jahren von ihrer Familie und der Amish-Gemeinde abgewandt hat. Warum ist sie nun in ihre Heimat zurückgekehrt und wer wollte sie aus dem Weg räumen?


Diese Reihe ist immer wieder spannend, weil sie uns neben einer Mordaufklärung das Leben der Amischen und deren Werte und Lebensvorstellungen näher bringt. Rachael hat sich gegen diese Lebensweise entschieden, aber warum kehrt sie jetzt zurück? Kates Ermittlungen gestalten sich schwierig, denn es gibt etwas in Rachaels Vergangenheit, über dass die Bewohner von Painters Mill schweigen. Es dauert eine Weile bis Kate erfährt, dass Rachael ein Enthüllungsbuch über das Leben in einer Amish-Gemeinde geschrieben hat. Wollte sich der Mörder für eine bestimmte Äußerung darin rächen?

Die flüssig erzählte Story wird aus verschiedenen Perspektiven und Zeitebenen gezeigt, in Rückblenden erleben wir Vorgänge aus Rachaels Jugend. Das schafft einen gelungenen Spannungsaufbau, dem man sich nicht entziehen kann. Die Ermittlungen sind mit Befragungen und neuen Erkenntnissen gespickt, einige Wendungen sorgen für fesselnde Momente. Immer wieder erfahren wir interessante Fakten aus dem Leben der Amishen, die diese Lebensweise und ihre Einschränkungen deutlich machen. Kate kommt dem Geheimnis Rachaels auf die Schliche und bringt sich damit selbst in Gefahr. Es gibt eine sehr dramatische Schlusshandlung, in der es ziemlich brutal zugeht und bei der ich mich wirklich gefragt habe, wieso Kate bisher schon so viele Übergriffe ohne bleibende Schäden überlebt hat.

Das Motiv für den Täter erklärt die Absicht, aber für mich war das in ihrer Brutalität ein völlig überdimensionierter Mord. Diese Gewalt und das überdramatisiert dargestellte Ende war in meinen Augen absolut übertrieben, weshalb ich einen Stern abziehe.

Linda Castillo hat mit ihrem Einsatz für die Gerechtigkeit gekämpft, ihr Partner John Tomasetti taucht in diesem Band nur am Rande auf und es wird mehr Augenmerk auf den neuen Fall gelenkt. Das Privatleben wird dieses Mal nicht näher beleuchtet, was aber auch nicht unbedingt der Fall sein muss.

Dieses Buch zeigt sehr brutale Szenen, ich konnte gut nachvollziehen, dass Kate diesen Fall unbedingt aufklären wollte. Die überraschenden Wendungen haben mich ans Buch gefesselt und der geschickt konstruierte Plot hat mir Gänsehaut beschert und mich gepackt.

Ein toller Fall der Reihe, der Einblick in das besondere Leben der Amishen gewährt und mit einer spannenden Handlung fesseln kann.