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Veröffentlicht am 14.10.2022

Wahnwitzige Abenteuer

SoKo Börsenfieber
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Mit "Soko Börsenfieber" hat Gerhard Henschel nunmehr den dritten Band um die Abenteuer des Uelzener Kommissars-Ehepaars Gerold und Fischer vorgelegt - und bleibt dabei dem Rezept des ersten Bandes "Soko ...

Mit "Soko Börsenfieber" hat Gerhard Henschel nunmehr den dritten Band um die Abenteuer des Uelzener Kommissars-Ehepaars Gerold und Fischer vorgelegt - und bleibt dabei dem Rezept des ersten Bandes "Soko Heidefieber" treu: Hier wird gnadenlos überzeichnet, das Regionalkrimigenre persifliert, und auch der leidgeprüfte Schriftsteller Thomas Gsella samt seines Autorenkupels Frank Schulz auf eine Tour der Leiden geschickt, diesmal quer durch Südamerika. Hier kann der Autor Henschel sämtliche sadistische Fantasien, was er seinen Figuren antun kann, genüsslich ausleben. Nebenbei gibt es Seitenhiebe auf die Finanzwelt, die Kirche, die Mafia und Superhelden in Polizeidiensten. Auch Linguisten kommen einmal mehr auf ihre Kosten, schließlich spricht die Fischerin friesisches Platt.

Nein, allzu ernst sollte man das alles nicht nehmen, aber in der Übertreibung ist auch Soko Börsenfieber lustig - auch wenn das Erzählschema mittlerweile vertraut und ein wenig abgenutzt ist. Wie es einmal mehr gelingt, aus dem beschaulichen Uelzen internationalen Verbrecherkartellen das weltumspannende Geschäft zu verderben, dem Tod ein Dutzend mal von der Schippe zu springen und beim nächsten Abenteuer noch eine Schippe raufzulegen - das ist auch dann ausgesprochen unterhaltsam, wenn man schon ahnt, dass es gleich mit der nächsten Kapriole weitergeht.

Diesmal ist es ein harpunierter Banker, der Kommissar Gerold von niedersächsischen Nachbarschaftsstreitigkeiten und Ladendiebstählen ablenkt. Er kämpft allein gegen Mafia und Blutrache, jettet als Ermittler um die Welt und auch seine Ehefrau kann wieder zu großer Tour auflaufen. Doch so wirklich wichtig ist der Plot nicht, geht es doch darum, die Polizisten und Autoren um den Globus zu schicken und immer wahnwitzigeren Situationen auszuliefern.

Klar, dass weder Bombenanschläge noch Killerkommandos, Schiffsuntergänge oder Volkanausbrüche Henschels Protagonisten aufhälten können. Ein wenig angeschlagen und um etliche Erfahrungen reicher werden sie sicher noch weiteren Abenteuern entgegenblicken. Denn noch sind nicht sämtliche Genreparodien ausgereizt.

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Veröffentlicht am 12.10.2022

Mord auf der Hallig

Halligzorn (Ein Minke-van-Hoorn-Krimi 2)
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Angesichts der geringen Bevölkerungszahl auf den Halligen in der Nordsee wird die von Greta Henning erdachte Kriminanlpolizistin Minke van Hoorn erstaunlich oft zu Leichen gerufen. In "Halligzorn", dem ...

Angesichts der geringen Bevölkerungszahl auf den Halligen in der Nordsee wird die von Greta Henning erdachte Kriminanlpolizistin Minke van Hoorn erstaunlich oft zu Leichen gerufen. In "Halligzorn", dem nunmehr zweiten Band der Nordsee-Krimiserie, ist es erneut ihre Heimathallig. Ausgerechnet bei dem von Minkes Mutter organisierten Mittsommerfest wird die 17-jährige Leonie tot am Strand gefunden. Das Mordwekzeug ist schnell ermittelt - ein Eispickel, mit dem zuvor das Wappen Frieslands in einen Eisblock gehauen wurde. Wer der Täter sein könnte, das ist die schwierigere Frage.

Als verwöhnte Tochter eines reichen Bauunternehmers war die schöne und selbstbewusste Leonie der Star an der Schule. Besonders sympathisch war das Mordopfer allerdings nicht, wie Minke schnell merkt - gnadenlos habe die jnuge Frau die Schwächen anderer aufgedeckt und andere gerne bloßgestellt. Von ihrem Freund, der einkommenstechnisch weit von ihrer Welt entfernt war, hatte sie sich kürzlich getrennt, eine Lehrerin schien den Teenager regelrecht gefürchtet zu haben und auch sonst gibt es Menschen, die Leonie nicht gerade gelebt haben.

Minkes schwäbische Kollegin kümmert sich demnächst um den Fall eines verschwundenen Bernsteinpferdes, das Archäolgen bei Ausgrabungen auf der Hallig gefunden haben. Minke delegiert die Suche nach dem "Pferdle" gerne an ihre Assistentin, denn der Chefarchäologe, der schon überzeugt ist, das "friesiche Atlantis", eine in einer kalten Januarnacht in einer Monsterflut untergegangene Stadt gefunden zu haben., zeigt ein gar zu penetrantes Interesse an ihr.

In einer anderem Erzählebene kommen Freunde alter Sagen auf ihre Kosten, denn die Autorin führt ins Mittelalter zu der Hochzeit der Tochter eines reichen Kaufmanns mit dem Sohn des Bürgermeisters, zeichnet das Stittengemälde einer Stadt, die - wir ahnen es - noch vor der Hochzeitsnacht vom Meer verschlungen wird. Zum Plot trägt das zwar nicht bei, sondern ist eher eine Geschichte in der Geschichte, aber wer sich dadurch gestört fühlt, kann ja einfach weiterblättern, bis es wieder mit der eigentlichen Handlung weitergeht.

Beim Lesen hat man schon ein bißchen den Geruch der Salzwiesen in der Nase oder glaubt glitschigen Wattschlick zwischen den Zehen zu spüren. "Halligzorn" hat sympathische Protagonisten und lebt vor allem von seinem Lokalkolorit. Nordseefreunde werden auf ihre Kosten kommen.

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Veröffentlicht am 20.09.2022

Ein angekündigter Tod

Stille blutet
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Es gibt Mordopfer, die sind einem trotz ihres plötzlichen und gewaltsamen Todes einfach nicht sympathisch. Nadine Just in Ursula Poznanskis Kriminalroman "Stille blutet" ist so ein Fall. Die 27-jährige ...

Es gibt Mordopfer, die sind einem trotz ihres plötzlichen und gewaltsamen Todes einfach nicht sympathisch. Nadine Just in Ursula Poznanskis Kriminalroman "Stille blutet" ist so ein Fall. Die 27-jährige hat steile Karriere bei einem privaten Fernsehsender gemacht, wobei sie ihren Erfolg klar ihrem Aussehen und der Nähe zm Senderchef und nicht etwa journalistischen Qualitäten verdankt. Unbeliebt ist sie aber vor allem wegen ihres Charakters, den Angriffen auf alle, die nicht so jung und schön wie sie sind, die Herabwürdigung ihrer Opfer in sozialen Medien. Und dann ist da die Nachrichtensendung, in denen sie live vom Teleprompter abliest, es werde in Kürze zum Tod einer bekannten Fernsehmoderatorin kommen. Ein Verbrechen könne nicht ausgeschlossen werden. Der Name des Opfers sei - Nadine Just.

Der Werber Tibor Glaser hat sich zwar vor ein paar Monaten von Nadine getrennt, ist aber dennoch erschrocken, als er die Sendung sieht. Als er Nadine telefonisch nicht erreichen kann, fährt er zum Sender und findet sie schließlich tot in ihrer Garderobe. Da die Polizei ebenfalls die Statistik kennt, dass bei Morden der Täter in der Regel im persönlichen Umfeld zu suchen ist, gerät natürlich auch Glaser ins Blickfeld - Trennung hin oder her.

Zu den Ermittlern gehört Serafina (Fina) Plank, bei geringer Körpergröße eher kompakt gebaut, was bei ihr zu gehörigen Komplexen und Unsicherheiten im Umgang mit ihrem Äußeren führt. Das wird nicht gerade leichter durch ihren Chauvie-Kollegen Oliver beim Wiener LKA, der keinen Hehl daraus macht, dass er die Mordkommission lieber wieder als frauenfreie Zone hätte und kräftig mobbt.

Dann kündigt ein freie Fotograf in seinem Blog seinen Tod an - und als er in der Tat tot aufgefunden wird, trendet in den sozialen Medien der hashtag inkürzetot. Pech für Björn Glaser, dass es auch in dem zweiten Fall eine Verbindung zu ihm zu finden scheint. Je mehr er versucht, seinen Ruf zu retten, desto mehr verstrickt er sich in ein Netz, das er nur ahnen kann. Sein Partner will ihn aus der Werbeagentur haben, da der Verdacht gegen den Werber geschäftsschädigend ist, in den sozialen Medien wird er an den virtuellen Pranger gestellt und die Polizei hat sich auf ihn als Hauptverdächtigen eingeschossen. Wenn Fina Plank andere Optionen untersuchen will, muss sie sich gegen den Vorwurf verteidigen, eine Schwäche für den gutaussehenden Werber zu haben und daher voreingenommen zu sein. Während Glaser immer neue und erschreckende Dinge über Nadine erfährt, lässt sich erahnen, dass er nur eine Figur im Spiel eines Unbekannten ist.

Die Charaktere des Romans sind womöglich ein bißchen holzschnittartig und lassen wenig Tiefe erkennen. Spannend ist der Fall allemal und erinnert an so manchen Hitchcock. Die Auflösung samt Cliffhanger-Ende lässt einige Fragen offen. Dennoch habe ich mich gut und spannend unterhalten gefühlt.

In der Hörbuch Version gefällt mir Julia Nachtmann als Sprecherin einmal mehr sehr gut. Sie hat eine warme, angenehm zu hörende Stimme und spricht auf eine zurückgenommene, nicht übermäßig dramatisierende Art, die für mich gut passte.

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Veröffentlicht am 17.09.2022

Sorgt für Überraschungen

Faust
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Manchmal kann man als Leser auch ohne Vorkenntnisse in eine bereits bestehende Romanserie einsteigen. In "Faust" von Gustav Skördeman funktioniert das nrr sehr bedingt. Zwar gibt es einige Erläuterungen ...

Manchmal kann man als Leser auch ohne Vorkenntnisse in eine bereits bestehende Romanserie einsteigen. In "Faust" von Gustav Skördeman funktioniert das nrr sehr bedingt. Zwar gibt es einige Erläuterungen und Hinweise zu den Ereignissen im Vorgängerband "Geiger" und man kann sich so einiges zusammenreimen. Doch beim Lesen hatte ich immer wieder das Gefühl, zu große Lücken zu haben, um die Proagonisten wirklich gut zu verstehen, allen voran die Hauptfigur, die Polizistin Sara Nowak.

Was Geheimdienst-Schläfer der Stasi in Schweden zu tun hatten, warum die Stasi ausgerechnet Schweden als Zuflucht für einen neuen Start für RAF-Terroristen ausgewählt haben soll - da fiel mir schon die zeitliche Zuordnung schwer, wann die Handlung eigentlich spielt. Es ist eben alles schon eine Weile her, und ich schreibe das als eine, die sich nicht nur an den Mauerfall erinnern kann, sondern auch Kindheitserinnerungen an den deutschen Herbst und die RAF-Plakate an allen Postämtern (die es damals noch überall in der Nachbarschaft gab - ist wie gesagt lange her) hat. Für jüngere Leser*innen dürfte die Herausforderung also noch grüßer sein.

Interessant, spannend und vielschichtig ist der Roman dennoch, denn es gibt ja auch die "private" Sara Nowak, deren Tochter gerade auszieht, deren Sohn mitten in der Pubertät steckt und deren Mann als Konzertveranstalter in einer ganz anderen Welt lebt. Wie sie als Polizistin versucht, die Distanz zum Geldadel zu halten, zu dem auch ihre Schwiegerfamilie gehört, macht Nowak sympathisch.

Mindestens ebenso spannend wie die Verstrickungen in Geheimnisse und Geheimdienste ist ein aktueller Fall Saras aus der ganz normalen Polizeiarbeit, bei dem es um die Misshandlung einer Prostituierten geht. Frauenfeindlichkeit, Gewalttätikeit und Exzesse von Männern, die glauben, sich alles kaufen zu können, führen zu einer Eskalation, die Sara buchstäblich nahe geht. Das Buch endet mit schmerzlichen Einsichten und einem Cliffhanger, der neugierig auf die Fortsetzung macht. Und in der Zwischenzeit werde ich sicher noch den ersten Band lesen.

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Veröffentlicht am 03.09.2022

Ein Entführungsfall wird persönlich

Das 13. Kind aus St. Peter-Ording
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Es muss nicht immer Blut fließen für spannende Unterhaltung - auch wenn eingefleischte Horror-Fans das sicherlich energisch bestreiten. Für alle, die nicht ganz so hardcore sind, hat Stefanie Schreiber ...

Es muss nicht immer Blut fließen für spannende Unterhaltung - auch wenn eingefleischte Horror-Fans das sicherlich energisch bestreiten. Für alle, die nicht ganz so hardcore sind, hat Stefanie Schreiber für alle Nordseeliebhaber den mittlerweile dritten Band ihrer Serie um den kauzigen Hausmeister Torge Trutsen geschrieben, der der örtlichen Polizei stets gern unter die Arme greift - ob die das nun will oder nicht. In "Das 13. Kind aus St. Peter Ording" muss er sogar in eigener Sache ermitteln.

Eigentlich wollte Torgen pünktlich Feierabend in der Ferienhausanlage "Weiße Düne" machen, schließlich steht Enkelbesuch an. Doch als eine aufgeregte Mutter das Verschwinden ihres sechsjährigen Sohnes meldet, leiert er sofort eine Such- und Hilfsaktion an. Bei Küstenkommissar Knud Petersen weckt die Vermisstennachricht schlimme Erinnerungen: Vor fünf Jahren verschwanden Monatelang Konder aus St Peter Ording. Die meisten tauchten nach wenigen Tagen wieder auf, offenbar ohne körperliche oder seelische Schäden. Doch ein dreijähriges Mädchen blieb seitdem spurlos verschwunden. Geht es nun wieder los?

Torge Trutsen ist nicht der einzige "Zivilist", der sich am Hilfseinsatz beteiligt. Auch Society-Reporterin Gloria von Brandenburg, die sich an der Nordsee bisher gelangweilt hatte - hätte es denn nicht wenigstens Sylt sein können! - wird aktiv. Recherchieren ist schließlich ihr Metier. Die Erleichterung ist groß, als der kleine Timo wieder auftaucht - und sie währt kurz: Bei einem Ausflug verschwindet ausgerechnet Torgens kleine Enkelin. Nun ist die Sache persönlich - und die "richtigen" Polizisten möchten ihn angesichts der persönlichen Betroffenheit am liebsten außen vor halten. Doch da haben sie die Rechnung ohn Torge Trutsen gemacht.

Ein bißchen romantisches Flirren liegt auch in der Nordseeluft, denn der bodenständig-zurückhaltende Knud reagiert für seine Verhältnisse ungewohnt heftig, als Kommissarin Charlotte Wiesinger einen smarten Hamburger Profiler mit überbordenden Selbstbewusstsein anfordert. Was womöglich auch damit zu tun hat, dass ihm die Kollegin ausnehmend gut gefällt und auch der hinzugezogene Kollege anfällig für die Reize der Kommissarin zu sein scheint.

Ein vermisstes Kind - im wirklichen Leben gibt es nur selten ein happy end, wenn ein Kind tatsächlich entführt wird. In Schreibers Cozy-Krimi werden zwar ebenfalls Ängste geschürt, doch das der Fokus liegt auf den zwischenmenschlichen Beziehungen der Ermittler und ihrer zivilen Mitstreiter. Klar ist am Ende eines: So aufregend hätte sich Lifestyle-Reporterin von Brandenburg ihren Urlaubsort nicht vorgestellt. Und wer nicht im Strandkorb mit Nordseeblick lesen kann, bekommt auf jeden Fall einen Cozy-Krimi mit Nordseeflair.

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