Roman | Ein klassischer Noir vom Meister der Zwischentöne
Der Polizist Kay Oleander wurde auf einer Demo mit einer Bierflasche im Gesicht getroffen. Dabei hat er sein linkes Auge verloren. Vom Dienst freigestellt, bringt er sich eher mühsam durch den Tag, bis ihn das Schicksal mit Silvia Glaser zusammenführt. Seit einem Fahrradunfall ist auch sie eine Versehrte. Auf unverhoffte Weise finden die beiden Halt aneinander. Und das, obwohl sie im Verdacht steht, für Oleanders Unglück verantwortlich zu sein.
Silvia Glaser fand nach dem Unfall, der ihr Leben völlig auf den Kopf gestellt hat, Zuflucht bei einer rechtspopulistischen Partei. Sie möchte aussteigen, wagt es aber nicht, weil sie Repressalien fürchtet. Als sie von Plänen der Parteispitze zu einem Attentat erfährt, weiht sie Oleander ein. Die beiden beschließen, den Anschlag zu verhindern. Dafür brauchen sie Verbündete, doch die sind für zwei wie sie nicht leicht zu finden …
Friedrich Ani erzählt mitfühlend und lakonisch die Geschichte zweier Versehrter, die allen Widrigkeiten zum Trotz zueinander finden und sich zusammenraufen, um ein Mal etwas richtig zu machen in einem Leben, das sich schon lange falsch anfühlt.
Dieser Krimi hat mich wirklich gefesselt: Er erzählt die Geschichte eines wegen einer im Dienst erfahrenen Verltzung freigestellten Polizisten namens Kay, der in seiner Einsamkeit und Verbitterung Silvia ...
Dieser Krimi hat mich wirklich gefesselt: Er erzählt die Geschichte eines wegen einer im Dienst erfahrenen Verltzung freigestellten Polizisten namens Kay, der in seiner Einsamkeit und Verbitterung Silvia kennenlernt, mit der er sich anfreundet. Doch Silvia hat sich einer rechtsradikalen Gruppe angeschlossen, die möglicherweise für Kays Unfall verantwortlich ist.
Gemeinsam davon überzeugt, die Gruppe zu stoppen, setzen sie sich nun das Ziel, einen geplanten Anschlag zu verhindern.
Mich hat die Verknüpfung von Kriminalgeschichte und politischer Aktualität überzeugt. Auch wenn es auf den ersten Blick reißerisch klingt, die Geschichte ist toll geschrieben und die Figuren glaubwürdig gezeichnet.
Leider gibt es von dieser Art Literatur einfach zu wenig, spannende Krimis mit politischer Brisanz, von denen man nach dem Lesen sagen kann: jetzt bin ich ein bisschen klüger.
Kay Oleander und Silvia Glaser. Zwei Protagonisten, zwei versehrte Menschen in München. Gibt es eine Verbindung zwischen diesen beiden, dem Polizisten und der ehemaligen Apothekerin? Ist Silvia Glaser ...
Kay Oleander und Silvia Glaser. Zwei Protagonisten, zwei versehrte Menschen in München. Gibt es eine Verbindung zwischen diesen beiden, dem Polizisten und der ehemaligen Apothekerin? Ist Silvia Glaser eventuell sogar die Auslöserin von Oleanders schwerwiegender Verletzung am Rande einer Demo? Kay Oleander ist sich nicht sicher, einiges spricht dafür, anderes dagegen. Die beiden geraten in Kontakt, umschleichen einander, fassen Vertrauen, finden Gefallen und gegenseitigen Halt in ihrer derzeitigen merkwürdig taumelnden Lebensweise. Silvia Glaser gesteht Oleander einen schrecklichen Verdacht, der sich aus ihrem neuen Umfeld ergeben hat und große Auswirkungen haben könnte. Oleander beginnt zu recherchieren und stößt tatsächlich auf die Möglichkeit eines geplanten Anschlags.
Alles ist bei den beiden Protagonisten anders, nach ihren Unfällen, und schnell wird klar, Ani geht es hier nicht um einen Kriminalfall, um eine Ermittlung, nicht mal um die Skizzierung einer extremistischen Gruppierung und schon gar nicht die Darstellung der körperlichen Auswirkungen, die ursächliche physische Versehrtheit von Oleander und Glaser. Es entspinnt sich eine hochinteressante psychologische Betrachtung über Menschen, die den Halt verloren haben im Innen und Außen und nun versuchen ihn wieder zu finden.
Damit ist „Bullauge“ ein typischer Ani. Keine leichte Kost, aber perfekt komponiert, sprachlich ein Hochgenuss und wie immer ein Blick in das tiefste Innere des Menschen. Was bedeutet „Versehrtheit“, was ist da beschädigt worden? Eine Hüfte, ein Auge oder vielleicht doch eher kein greifbares Körperteil und Organ, sondern mehr so das Gefühl, die Sicht auf sich selbst und andere, Wahrnehmung nicht-physisch definiert, dass was das englische „mind“ in diesem Fall viel besser und konkreter beschreibt. Und für den Leser im Grunde genommen mal wieder die Erkenntnis, dass doch eigentlich niemand so ganz unbeschädigt ist. Ob es der Verlust eines Partners ist, durch Tod oder Scheidung, die Belastung eines Berufslebens, Einsamkeit, Orientierungslosigkeit, Angst – alles kann dazu führen, dass der Halt verloren geht, an falschen Stellen gesucht wird, Enttäuschungen und Täuschungen stattfinden.
Fazit: Friedrich Ani ist kein Autor von entspannter Wohlfühl-Lektüre. Aber von hoch spannenden psychologischen Betrachtungen, die immer auch ein bisschen zur Selbstreflexion anregen. Das alles in einem ganz eigenen Stil und sprachlich einfach nur zum Genießen – ich finde es einfach großartig. Und wieder: nur weil Polizisten drin vorkommen, ist es kein Krimi. Wer den erwartet ist vielleicht enttäuscht, aber man bekommt viel mehr, wenn man sich darauf einlässt!
Friedrich Ani ist ein Großer seines Fachs. Außergewöhnliche und doch zutiefst menschliche Charaktere, fließende natürliche Dialoge, spannender Stil kennzeichnen dieses Buch. Schlichte, einfache geradlinige ...
Friedrich Ani ist ein Großer seines Fachs. Außergewöhnliche und doch zutiefst menschliche Charaktere, fließende natürliche Dialoge, spannender Stil kennzeichnen dieses Buch. Schlichte, einfache geradlinige Sprache, die in den kurzen Sätzen die einander folgen, ganz klare und oft erstaunliche Bilder bieten: so beschreibt Kay Oleander seine Bekannte Via Glaser: “Sie führte eine Apotheke und dann nicht mehr. Sie verdingte sich als Fahrerin für einen Lieferservice und dann nicht mehr, sie war eine quirlige, gesunde, übermütige Frau und dann nicht mehr, sie war neugierig und den Menschen zugewandt und dann nicht mehr. Sie war unpolitisch und dann nicht mehr. Sie war friedliebend und dann nicht mehr. Sie war am Leben und dann nicht mehr. (S.181) Mit diesen knappen Worten erfahren wir, wie tief der Fahrradunfall Via verunsichert und verängstigt hat, wie sehr ihr Leben dadurch verändert wurde. Friedrich Anis Stil ist nicht einfach, aber wenn man sich darauf einlässt, ist das Buch eine Wucht und man mag es nicht mehr aus der Hand zu lassen. Fast surreal mutet der Dialog zwischen Kay und seinem Nachbar Gustav, Seiten 136 - 139, die mit den Worten enden: “Ein geschorener Maulwurf? Ich?” (S. 139)
Kay Oleander sieht sich selbst “- wie ein Schiffbrüchiger auf hoher See einen Leuchtturm. So einer war ich auch. Mein Schiff war gebrochen, mein Kompass zersplittert, über mir der Himmel sternenleer” (S. 152) nach seinem schrecklichen Unfall, bei dem er ein Auge verlor. Und doch lässt er sich nicht unterkriegen. Er will herausfinden, wer die Flasche geworfen hat, die ihn das Auge kostete. Letzten Endes findet er heraus, wer ihn so schwer verletzt hat, er kann auch einen rechtsgerichteten terroristischen Anschlag vereiteln, einen Mord aufklären, die Tatwaffe sicherstellen.
Die Flaschenscherben auf dem Titelbild stehen für den Auslöser der Handlung. Und das Opfer des Anschlags: Ein Bulle - also ein Polizist - hat ein Auge verloren.
"Einfach lesen und dann vermutlich Ani Fan werden" An diesem Ausspruch von Christine Westermann vom WDR2 ist irgendwie alles passend. So ging es mir letztes Jahr als ich meinen ersten Friedrich Ani Roman ...
"Einfach lesen und dann vermutlich Ani Fan werden" An diesem Ausspruch von Christine Westermann vom WDR2 ist irgendwie alles passend. So ging es mir letztes Jahr als ich meinen ersten Friedrich Ani Roman las.
Geschichte: Auf einer Demo bekommt Kay Oleander eine Bierflasche ins Auge und ist seitdem auf dem einen Auge blind. Krank geschrieben, hadert er mit dem Schicksal und lässt sich stark gehen. Sein Beruf als Polizist kann er zumindest im Außendienst nicht mehr nachgehen. Um wieder auf andere Gedanken zu kommen, versucht er die Videos der Demo nochmal zu schauen, ob er vielleicht Personen sieht, die eine Bierflasche geworfen haben könnten, denn die beiden mutmaßlichen Täter, die ihm sein Chef präsentieren will, waren zum Zeitpunkt nicht mal in der Nähe von ihm. In einem Interview während der Demo sieht er eine Frau mit einem Mann, die in Frage kommen könnten. Er kommt durch Zufall mit Frau Glaser ins Gespräch und stellt fest, dass auch sie behindert ist, Fahrradunfall ausgelöst durch einen Polizeiwagen...
Schreibstil und Personen: Die Stärke jedes Ani Romans ! Darsteller , jede Szene ist absolut schlüssig und klar und schon nach den ersten Zeilen ist klar : er hat mich wieder gepackt und es ist mir völlig egal von was er schreibt. Wir begleiten Oleander in seine tiefsten und trübsinnigsten Gedanken und sind gedanklich voll bei ihm, wie er die Welt sieht und die Hoffnungslosigkeit langsam weicht. Der angeblich böse Bulle ist dann doch auch nicht so wie Sylvia sich einen Polzisten vorstellt, denn sie sieht den Mensch der hinter der Fassade steckt und unverdient sein Augenlicht verliert.
Meinung : Es gibt kein Gut und kein Böse. Jeder hat seine Bedeutung und glaubt an das was ihm richtig erscheint. Durch die Bekanntschaft mit Sylvia entdeckt Oleander das es wichtigeres gibt als den Schuldigen zu suchen. Es ist absolut nicht spektakulär aber dieser Schreibstil löst eine Menge bei mir aus und selbst Banalitäten sind wie Gewürze, die eine Zutat zu einem gelungenen Roman sind.
Ich denke, dass er die Menschheit spalten kann und entweder man ist Fan oder findet ihn langweilig oder langatmig.
Fazit: Friedrich Ani ist für mich seit seinem letzten Buch 2021 eine Entdeckung für mich. Die ersten Teile der Tabor Süden Reihe sind ein Genuss und dieses Buch ist durch seine Erzählweise wieder etwas Besonderes, das bei mir hängen bleibt. 5 Sterne sind die logische Folge. Empfehlung an alle, die auch gerne psychologische Krimis mögen, wobei der Krimi hier eher der Nebenschauplatz ist. Für mich einfach stark !
MEINE MEINUNG
In seinem neuen Roman „Bullauge“ erzählt der mehrfach ausgezeichnete deutsche Autor Friedrich Ani eine düstere, aufwühlende und höchst fesselnde Geschichte über zwei physisch und psychisch ...
MEINE MEINUNG
In seinem neuen Roman „Bullauge“ erzählt der mehrfach ausgezeichnete deutsche Autor Friedrich Ani eine düstere, aufwühlende und höchst fesselnde Geschichte über zwei physisch und psychisch versehrte Menschen. Der versierte Autor versteht es zudem hervorragend, mit den alltäglichen zunehmenden Gewaltexzessen gegen Polizisten und der Radikalisierung von Anhängern der rechten, bürgerlichen Szene eine brandaktuelle Thematik in seinem in zwei Teile untergliederten Roman einzubinden. Dennoch handelt es sich hierbei nicht um einen Kriminalroman im eigentlichen Sinne.
Eindrucksvoll zeichnet Ani das beklemmende Psychogramm zweier Gestrandeter, die durch tragische Unfälle aus ihrem alten Leben gerissen wurden, in all ihrer Verletzlichkeit und Verzweiflung zueinanderfinden und einander trotz aller Widrigkeiten Halt geben. Sehr einfühlsam und schonungslos lässt er uns in die Abgründe ihrer desillusionierten und geschundenen Seelen schauen, die trotz allem immer noch auf berührende Weise Reste ihrer Selbstachtung und moralischen Wertevorstellungen bewahrt haben und an das Gute im Menschen glauben lassen.
Anis anspruchsvoller und ungewöhnlicher Erzählstil fordert uns zwar einiges an Aufmerksamkeit ab, doch ist es sehr fesselnd, wie sich die vielen Eindrücke genial miteinander zu verknüpfen und sich allmählich Verbindungen herstellen lassen, die sich schließlich zu einem erschütternden Gesamtbild zusammenfügen. Gekonnt fängt er Stimmungen und Bilder mit viel Feingefühl und Eindringlichkeit ein und bringt uns diese anschaulich näher.
„Ich schau durch dich hindurch wie durch ein Bullauge, und alles, was ich seh, ist ein schwarzes Meer“
Inszeniert als eine Art intimes Kammerspiel kreist die Handlung zunächst um den vom Dienst freigestellten Streifenpolizisten Kay Oleander, der bei einer Demonstration durch einen Bierflaschenwurf die Sehkraft auf seinem linken Auge verloren hat, mit seinem Schicksal hadert und sich mehr schlecht als recht durch den Tag kämpft. Eindringlich schildert Ani die Bemühungen des durch sein Schicksal deutlich gezeichneten Polizisten, zur alten Normalität zurückzukehen und aufgrund der erfolglosen Ermittlungen seiner Kollegen mehr über die Hintergründe und mutmaßlichen Täter zu erfahren. Zugleich gewährt er uns teilweise höchst befremdliche Einblicke in Oleansders angeschlagene Psyche und lässt uns in quälend bizarren Episoden schonungslos an seinen verzweifelten Zusammenbrüchen teilhaben.
Mit der mysteriösen Silvia Glaser und potentiellen Täterin betritt eine weitere faszinierende Figur die Bühne, die durch einen mutmaßlich von einem vorbeirasenden Streifenwagen verursachten Fahrradunfall behindert ist und in ihrem Hass auf die Polizei Zuflucht beim rechtspopulistischen Lager gefunden hat.
Nach einigen recht skurrilen Treffen, bei denen sie sich trotz Misstrauen und ihrer Verwirrtheit einander annähern und öffnen, berichtet Silvia Oleander von ihren Befürchtungen, dass ein rechter Terroranschlag geplant sei und die beiden beschließen, der Sache weiter auf den Grund zu gehen. So gewinnt die genial angelegte Handlung zunehmend an Fahrt, nimmt eine ungeahnte Wendung und gipfelt schließlich in einem erschütternden und für mich höchst überraschenden Finale. Sehr vielschichtig und beeindruckend zeichnet Ani seine verschiedenen Charaktere mit ihren gebrochenen Biografien, ihre Abgründe und persönlichen Schicksale. Sie alle sind ein jeder auf seine spezielle Weise wertvoll und liebenswert. Ani ist wieder ein faszinierendes, glaubhaft ausgearbeitetes Kaleidoskop aus verschrobenen Einzelgängern, Extremisten, Gescheiterten, (Über-)Lebenskünstlern und den vielen traurigen Verlierern dieser Gesellschaft gelungen. Ani lässt schließlich seinen aufwühlenden und nachdenklich stimmenden Roman trotz aller Düsternis mit einem durchaus hoffnungsvollen Ende ausklingen.
FAZIT
Ein vielschichtiger, sehr bemerkenswerter Roman mit einer tiefgründigen, bewegenden Geschichte die noch lange nachklingt!