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Venatrix

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Veröffentlicht am 16.10.2022

Ravenna - Stadt der goldenen Mosaike

Ravenna
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Mit der Teilung des riesigen Römischen Reiches um 395 in ein west- und ein oströmisches Reich beginnt der Niedergang des antiken Roms. Während das oströmische Reich mit der Hauptstadt Konstantinopel noch ...

Mit der Teilung des riesigen Römischen Reiches um 395 in ein west- und ein oströmisches Reich beginnt der Niedergang des antiken Roms. Während das oströmische Reich mit der Hauptstadt Konstantinopel noch bis 1453 den anstürmenden Völkern die Stirn bieten kann, muss das weströmische Reich seine Hauptstadt Rom aufgeben um 400 n.Chr. und findet in Ravenna eine neue.

Ravenna, geschützt in der Emilia Romagna gelegen, ist vom 5. bis 8. Jahrhundert Treffpunkt der griechischen, lateinischen, christlichen und barbarischen Kulturen und Dreh- und Angelpunkt zwischen Ost und West. Ungewöhnlich detailreich erzählt Judith Herrin auch von den Menschen dieser Zeit: von Kaiserinnen und Königen, Bischöfen und Gelehrten, Ärzten und Handwerkern.

In neun Kapiteln, die mit zahlreichen Farbfotos angereichert sind, lässt die Archäologin und Autorin diese Glanzzeit Revue passieren.

1. Galla Placidia
2. Der Aufstieg der Bischöfe
3. Theoderich der Gote
4. Justinian I und die Feldzüge in Nordafrika und Italien
5. König Alboin und die Eroberung durch die Langobarden
6. Die islamische Expansion
7. Die beiden Regierungszeiten von Justinian II
8. Ravennas allmählicher Abstieg
9. Karl der Große und Ravenna

Der Aufschwung und die Bautätigkeit, die Ravenna in der Zeit zwischen dem 6. und dem 8. Jahrhundert erlebt, ist gigantisch. Tausende Bauwerke mit feinsten Mosaiken entstehen. Jeder Herrscher, jeder Bischof möchte sich durch ein kunstvolles Bauwerk ein Denkmal setzen. Der Großteil der Gebäude ist Bestand, obwohl auch hier im Zweiten Weltkrieg einiges zerstört worden ist.

Imposant sind die vielen Informationen, die die Autorin aus diversen Archiven zusammengetragen hat! Das ist vielleicht auch der einzige kleine Kritikpunkt: Judith Herrin verzettelt sich manchmal in Details, die schon sehr speziell sind. Denn ob der oströmische Exarch auch noch in Rimini ein feudales Anwesen mit Innenhof und Garten anmietet, ist vielleicht für ihn bedeutend, für die Weltgeschichte jedoch nicht.

Leser, die in dieser Zeit nicht so bewandert sind, könnten die Zusammenfassung„Ravennas glanzvolles Erbe“ von S. 454 als Einstieg vorab lesen.

Fazit:

Ein Meisterwerk der Recherche, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 16.10.2022

Eine gelungene Fortsetzung

Tausend wogende Wellen
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Als der frühpensionierter Kriminalbeamte Joe Prohaska anlässlich der Beerdigung seiner alten Tante Olga in dem kleinen Ort in Slawonien eintrifft, begegnet er seiner Jugendliebe Lydia, die seinerzeit mit ...

Als der frühpensionierter Kriminalbeamte Joe Prohaska anlässlich der Beerdigung seiner alten Tante Olga in dem kleinen Ort in Slawonien eintrifft, begegnet er seiner Jugendliebe Lydia, die seinerzeit mit ihrer Mutter nach Kanada ausgewandert ist. Sie zeigt ihm einen geheimnisvollen Brief, den Olga ihr hinterlassen haben soll und recht bald wird Joe mit Gerücht, die alte Olga sei keines natürlichen Todes gestorben, konfrontiert. Doch wie recherchiert man ohne Befugnis und noch dazu im Verwandtenkreis?

Und was haben die seltsamen Andeutungen von Neven Popović Lydia gegenüber zu bedeuten?

Als Joe sich dann doch breitschlagen lässt, ein wenig nachzuforschen, kommen einige streng gehütete Familiengeheimnisse ans Tageslicht, die vermutlich besser ungedeckt geblieben wären.

Meine Meinung:

Dieser 5. Fall für Joe Prohaska ist eher das Psychogramm einer Sippe, denn ein Krimi. Ja, es wird zwar gemordet und irgendwie sind einige Familienmitglieder darin verstrickt, aber wer einen Krimi mit „Tat, Kriminaltechnik, Tätersuche und Fahndungserfolg“ erwartet, liegt hier nicht ganz richtig. Joe Prohaska ist nach einem missglückten Einsatz in Deutschland frühpensioniert worden und verbringt seinen Lebensabend in Kroatien. Ermitteln will er eigentlich nicht mehr. Dennoch stolpert er in den einen oder anderen Todesfall - wie eben jenen von Tante Olga. Obwohl der Krimi eher langsam daherkommt, ist es spannend Joe bei seinen Recherchen über die Schulter zu schauen. Die dabei entdeckten Familiengeheimnisse werfen ein nicht allzu schönes Bild auf so manches Familienmitglied.

Fazit:

Ein ruhiger Krimi, der ob der Verstrickungen diverser Familienmitglieder der Vergangenheit und Gegenwart, ein interessantes Psychogramm einer Sippe abgibt. Gerne bewerte ich diese Geschichte mit 5 Sternen.

Veröffentlicht am 28.09.2022

Herrlicher Krimispaß

Kalamitäten im Sparverein
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Dass in einem Krimi nicht immer erwürgt, erschossen, erstochen oder sonst wie gestorben werden muss, um eine spannende Geschichte zu erzählen, beweist Thomas Hrabal mit diesem Buch.

Auf Wunsch oder besser ...

Dass in einem Krimi nicht immer erwürgt, erschossen, erstochen oder sonst wie gestorben werden muss, um eine spannende Geschichte zu erzählen, beweist Thomas Hrabal mit diesem Buch.

Auf Wunsch oder besser gesagt auf Befehl des kürzlich verstorbenen Bürgermeisters wird dessen Schwiegersohn, der zugezogene Steuerberater Peter Gerl, als Kassier des örtlichen Sparvereins gewählt. Die Freude der Mehrheit der Sparvereinsmitglieder hält sich in Grenzen, zumal es langjährige Gepflogenheiten gibt, die nun aufzufliegen drohen.

Noch bevor man sich weitere Gedanken machen kann, macht sich Peter Gerl unter Mitnahme der Sparvereinskassa mit dem Stolz der Freiwilligen Feuerwehr, dem Oldtimer-Feuerwehrauto „Barbara“ auf und davon. Die Empörung ist groß, die Wut auch. Als die „Barbara“ in den sozialen Medien als Star einer Fahrzeugbergung in Ungarn gefeiert wird, macht sich eine Gruppe der Dorfbewohner auf, den abtrünnigen Kassier die Leviten zu lesen.

Meine Meinung:

Mit diesem Buch hat mir Autor Thomas Hrabal einige amüsante Lesestunden beschert. Leider war das Buch ruckizucki ausgelesen. Ich hätte da noch einige Seiten mehr „vertragen“.

Thomas Hrabal zeichnet das Bild einer scheinbaren dörflichen Idylle hinter der es brodelt. Obwohl in der Gemeinschaft wenig verborgen bleibt, tut man so als ob alles in Ordnung wäre. Erst mit dem Ausflug auf dem Balkan zerbröckelt die Scheinwelt und die Beziehungen werden neu gemischt.

Die Geschichte wird kurzweilig und flott erzählt und die Charaktere sind gut ausgearbeitet.

Das Glossar am Ende des Krimis gibt Auskunft über nationale Eigenarten der deutschen Sprache.

Fazit:

Ein köstlicher Krimi, der in einer dörflichen Idylle angesiedelt ist, die so idyllisch gar nicht ist. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 28.09.2022

Fesselnd bis zur letzten Seite

Wenn der Nebel schweigt
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Jana, die seit der Ermordung ihrer Mutter keinen Kontakt zu ihrem Vater hat, reist nach einem Anruf über seinen Gesundheitszustand doch in ihr ehemaliges Heimatdorf. Sie findet den Vater, der seinerzeit ...

Jana, die seit der Ermordung ihrer Mutter keinen Kontakt zu ihrem Vater hat, reist nach einem Anruf über seinen Gesundheitszustand doch in ihr ehemaliges Heimatdorf. Sie findet den Vater, der seinerzeit unter Mordverdacht stand, und das Elternhaus in einem unerträglichen vermüllten Zustand vor.

Bei dem Versuch ein wenig Ordnung zu schaffen, entdeckt sie vergilbte Briefe, die eine andere Perspektive auf den Tod der Mutter eröffnen. Unschlüssig, wem sie vertrauen kann, bringt sie etwas ins Rollen, ohne zu wissen, dass sie in allerhöchste Gefahr geraten wird.

Meine Meinung:

Wie alle anderen fünf Thriller von Roman Klementovic besticht auch dieser hier durch seinen hohen Spannungsbogen. Der wird unter anderem durch die bedrohliche Kulisse eines nebelverhangenen Tales hervorgerufen.

Die Charaktere sind wie immer lebendig beschrieben. Man kann sie schnell sympathisch oder eben unerträglich finden. Der Schreibstil ist wie immer flüssig und fesselnd.

Geschickt lockt der Autor seine Leser auf falsche Fährten. Die Auflösung ist gelungen.

Zum Abschluss muss ich wieder einmal Heimito von Doderer zitieren: „Wer sich in Familie begibt, kommt darin um.“

Fazit:

Ein gelungener Thriller, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 28.09.2022

Ein penibel recherchierter hist. Krimi

Die Totenärztin: Donaunebel
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"..jenen Toten eine Stimme geben, um die sich niemand kümmert ..."


Wien, 1909. Dass der jungen Gerichtsmedizinerin Fanny Goldmann bei einer Obduktion auch die kleinsten Details auffallen, ist Fluch und ...

"..jenen Toten eine Stimme geben, um die sich niemand kümmert ..."


Wien, 1909. Dass der jungen Gerichtsmedizinerin Fanny Goldmann bei einer Obduktion auch die kleinsten Details auffallen, ist Fluch und Segen zugleich. Es bedeutet einerseits, dass sie ausgesprochen gut ist in dem, was sie tut, andererseits entdeckt sie immer wieder Geheimnisse, die besser unentdeckt geblieben wären. Ihre Neugier und ihr Wissensdurst hat Fanny schon mehr als einmal in Lebensgefahr gebracht.

In diesem dritten Fall für Fanny gibt es ein Novum: Sie wird gemeinsam mit ihrem Kollegen Franz Wilder an einen Tatort am Donauufer nächst Albern gerufen. Sechs Menschen liegen tot in ihren ärmlichen Lehmhütten und eine Todesursache ist zunächst nicht sichtbar. Es wird von einer Bestie gesprochen, die die Menschen überfällt und tötet. Bei den Obduktionen fällt Fanny dann ein zerstörtes Lungengewebe auf. Ähnliches hat sie schon bei der Leiche eines Hausmeisters gesehen, der zusätzlich noch Brandblasen an den Händen hatte.

Neugierig geworden, beginnt sie gemeinsam mit Cousin Schlomo und Freundin Tilde zu recherchieren, um das zu tun, was seit dem ersten Fall „Wiener Blut“ ihr Credo ist: "..jenen Toten eine Stimme geben, um die sich niemand kümmert ..."

Dass sie zu Recherchezwecken im Altarm der Donau, dem Gänsehäufel muss, hätte sie nicht gedacht. Blöderweise herrscht dort strikte Geschlechtertrennung, außer man ist ein Ehepaar. Schlomo und Tilde sowie Fanny und Franz tun als ob. Dabei erfahren sie unter anderem, dass das Grundstück auf dem die Behausungen der Toten stehen, für den Ausbau des Alberner Hafens gedacht ist.

Meine Meinung:

Es scheint, als hätte Autor René Anour einige Anmerkungen seiner Leser genau gelesen und diese im dritten Band berücksichtigt.

So hat Cousin Schlomo mehr Platz erhalten und der Autor gönnt Erzherzog Ludwig Viktor, genannt „Luziwuzi“, dem homosexuellen und nach Salzburg verbannten Bruder des Kaisers, einen kurzen Auftritt.

Einen etwas längeren Auftritt haben die beiden deutschen Chemiker Wilhelm Lommel und Wilhelm Steinkopf, wenn auch „nur“ durch ihr chemisches Produkt „LOST“, später als Senfgas bezeichnet, das hier eine entscheidende Rolle spielt.

Dafür kommt dem undurchsichtigen Graf Waidring diesmal keine Rolle zu, sorgt aber dafür auf der letzten Seite für einen Cliffhanger.

Fannys Rolle als Gerichtsmedizinerin hat diesmal wieder mehr Raum erhalten. Sie hat auch einiges dazugelernt, was vor allem ihrem Kollegen Dr. Franz Wilder zu verdanken ist. Denn nach wie vor wird sie von Prof. Dr. Kuderna und Dr. Clemens Valdery nicht ernst genommen. Allerdings hat unser werter Herr Autor möglicherweise schon ein Ausstiegsszenario im Kopf: Immerhin hat sie ja gemeinsam mit Franz einen Artikel über Fuchsbandwürmer verfasst, der in der Zeitschrift für Pathologie veröffentlicht worden ist. Und dann gibt es noch die Histologie, die vielleicht eine neugierige Forscherin benötigt. Lassen wir uns überraschen.

„Meinen Sie, ich brauche noch einen Speichellecker an meinem Institut? Zuerst die Sache mit der gemeinsamen Obduktion. Es hat Sie doch niemals interessiert, ob Sie noch etwas lernen können, nur dass ich Sie lobe, darum ging‘s!“
Da hat der alte Kuderna ja nicht ganz unrecht.

Allerdings, ein Lob zur rechten Zeit, ist ein gewaltiger Ansporn, immer nur gemaßregelt zu werden, regt den Widerspruchsgeist an, wie wir bei Fanny ja sehen.

Daher darf ich dem Herrn Autor ein großes Lob für seine medizin-historischen Kenntnisse und deren Vermittlung aussprechen. Ich habe diesen dritten Teil mehr oder weniger in einem Tag ausgelesen. Dazu hat der fesselnde, bildhafte Schreibstil sehr viel beigetragen. Ich gebe zu, dass ich recht bald auf das LOST gekommen bin. Das hängt allerdings damit zusammen, dass ich mehrere Bücher über den Ersten Weltkrieg (Stichwort Ypern) gelesen habe.

Fazit:

Schade, dass hier nicht mehr als 5 Sterne vergeben werden können. Die gibt es auf jeden Fall sowie eine unbedingte Leseempfehlung. Ich freue mich auf den vierten Fall „Schattenwalzer“.