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Veröffentlicht am 28.10.2022

Geplatzte Hochzeit mit Knalleffekt

Todesfalle Hochzeit in St. Peter-Ording
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Schon der Titel "Todesfalle Hochzeit in St. Peter-Ording" suggeriert: Der Start ins Eheglück steht in Stefanie Schreibers Buch um die Kommissarin Charlotte Wiesinger und den Hausmeister und "Hilfssheriff" ...

Schon der Titel "Todesfalle Hochzeit in St. Peter-Ording" suggeriert: Der Start ins Eheglück steht in Stefanie Schreibers Buch um die Kommissarin Charlotte Wiesinger und den Hausmeister und "Hilfssheriff" Torge Trulsen unter keinem guten Stern. Alle Festgäste samt Familie sind für die Hochzeit von Hotelerbin Constanze von Haferkamp erschienen, nur der Bräutigam fehlt. Er hat es sich nicht etwa in letzter Minute anders überlegt, sondern wird tot im Strandkorb gefunden, ausgerechnet von der Schwester der Braut, mit der er früher einmal liiert war.

Hat die Sitzengelassene ein Motiv? Oder der Ex-Freund der Braut, der verdächtig schnell zum Trösten und in der Hoffnung auf eine zweite Chance an ihre Seite eilt? Warum hatte das Brautpaar kurz vor der Hochzeit so erbittert um den Ehevertrag gestritten?

Torgen Trulsen jedenfalls jubiliert - er ist den professionellen Ermittlern in diesem Cozy-Krimi zunächst einen Schritt voraus, schließlich ist er als erster auf den Vermisstenfall gestoßen, weil seine Ehefrau Braut gucken wollte. Da ist es für ihn Ehrensache, weiter zu ermitteln - und praktischerweise wohnen die Hochzeitsgäste und naheliegenden Verdächtigen alle auf der Hotelanlage, die er als Hausmeister bestens kennt.

Die von Haferkamps, das stellt sich schnell heraus, sind nicht gerade eine große glückliche Familie, sondern untereinander ziemlich zerstritten. Doch auch der tote Bräutigam hat ein paar pikante Geheimnisse, die die geplante Ehe in ein ganz neues Licht rücken.

Wie in so manchem Cozy geht es hier eher um die Atmosphäre und die schöne Nordseelandschaft als um einen ausgeklügelten plot und charakterliche Tiefen. Die Schrulligkeit des blondgelockten Hausmeisters, der sich gerne durch polizeiliche Heldentaten hervortun will, wird zur Genüge ausgereizt. Wäre ich hier die ermittelnde Kommissarin, würde mich die Einmischung des Amateurs gewaltig nerven, aber die Autorin ist offenbar "Team Torge" und lässt ihm vieles durchgehen, was im wirklichen Leben no go wäre. Ich vermute aber, dass es den Fans der Serie ohnehin nicht um realistische Ermittlungsabläufe geht. Der Roman kommt eher langsam auf Touren, aber für Freunde des Nordens gibt es genügend Lokalkolorit, um das zu verzeihen.

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  • Handlung
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Veröffentlicht am 01.10.2022

Mythos Mogadischu

GSG 9 – Terror im Visier
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Am Anfang stand das tragische Disaster der Geiselnahme israelischer Sportler während der Olympischen Spiele in München samt gescheiterter Befreiungsmission. In diesem Jahr wird nicht nur an die Opfer des ...

Am Anfang stand das tragische Disaster der Geiselnahme israelischer Sportler während der Olympischen Spiele in München samt gescheiterter Befreiungsmission. In diesem Jahr wird nicht nur an die Opfer des Terroranschlags vor 50 Jahren erinnert, es war auch, weit weniger öffentlich, die Geburtsstunde der GSG 9, die nach der Erkenntnis aufgebaut war, dass die deutsche Polizei mit einem Terroranschlag wie in München offenbar hoffnungslos überfordert war.

Der breiten Öffentlichkeit wurde die Spezialeinheit des damaligen Bundesgrenzschutz, die heute zur Bundespolizei gehört, wenige Jahre später im deutschen Herbst ein Begriff: Die Befreiung der Geiseln aus der entführten Lufthansa-Maschine "Landshut" auf dem Flughafen Mogadischu wurde zum Mythos: Die Männer der GSG 9 waren die Helden in einem Drama, an dessen glücklichen Ausgang keiner mehr zu hoffen wagte - und den es für den von einem RAF-Kommando entführten Arbeitgeberpräsidenten Schleyer dann auch nicht mehr gab.

Der ARD-Journalist Michael Götschenberg hat für sein Buch "GSG 9 - Terror im Visier" mit Beteiligten an der damaligen Befreiungsaktion gesprochen, mit heutigen Kommandeuren und Mitgliedern der Einheit, die allesamt wie üblich anonym bleiben und nur mit ihrem Spitznamen zitiert werden. Als Experte zum Thema Sicherheit ist er schon lange dran an den Spezialeinheiten und das merkt man - im Guten und im weniger Guten.

Es gibt im Journalismus ja oft diese Abwägung - wie viel Nähe, wie viel Distanz zum Thema und den Akteuren der Recherche? Wie Vertrauen schaffen, ohen Komplize, Ally, Partei zu werden? Nähe kann Zugang schaffen, aber auch den eigenen Blick trüben. Das sorgt in diesem Buch für Licht und Schatten. Ja, Götschenberg kommt an Gesprächspartner heran, die den Kontakt mit Journalisten sonst tunlichst meiden, den Medien gegenüber eher misstrauisch sind. Er erfährt von denen, die dabei waren, wie es war in Mogadischu, in Bad Kleinen, bei den Vorbereitungen auf die dann in letzter Minute abgeblasene Befreiungsaktion des von somalischen Piraten gekaperten Schiffs "Hansa Stavanger". Das ist natürlich eine spannende Lektüre, gerade weil die Menschen hinter der Funktion sichtbar werden, ihre Meinungen und Motivationen.

Klar ist aber auch schon aufgrund der Schreibweise, dass hier einer ziemlich persönlich angetan ist von der GSG 9 und ihren Mitgliedern. Da werden die Korridore der Einheit zur "große Jungs WG", da wird die Faszination an dem schweren Gerät, den Waffen, den körperlichen Höchstleistungen deutlich spürbar. Da wird auch an mancher Stelle zu wenig hinterfragt - dass es bis heute keine Frauen gibt, wird mit Blick auf die unterschiedliche Physis erklärt, nur kurz heißt es mal, es handele sich überwiegend um eine Gruppe weißer Männer.Selbst dort, wo im Zusammenhang mit Extremismusverdacht in anderen Polizeieinheiten und dem Toten- und Elitekult im Zusammenhang mit dem Frankfurter SEK die Rede ist, gibt es keinen verschärften Blick auf die GSG 9 - obwohl bei den Beschreibungen des Standorts ebenfalls von Gedenkwänden mit Bildern der im Einsatz um Leben gekommenen Beamten die Rede war.

Das sind für mich die Schwachstellen des sicherlich sehr langwierig und aufwändig recherchierten Buchs. Auch wirkt der Aufriss der Herausforderungen beim Thema innere Sicherheit und die notwendige Werte- und Führungsdiskussion angesichts der diversen Polizeiskandale etwas aufgepfropft, als häten nur noch Buchseiten gefüllt werden müssen.

Veröffentlicht am 14.09.2022

Mehr Promifaktor als Kochgenuss

Wenn ich das kann, kannst du das auch!
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Das Buch "Wenn ich das kann, kannst du das auch!" von Ex-Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis mit ihrer "persönlichen Rezeptesammlung" lässt mich reichlich zwiegespalten zurück. Einerseits ist es ein niedrigschwelliges ...

Das Buch "Wenn ich das kann, kannst du das auch!" von Ex-Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis mit ihrer "persönlichen Rezeptesammlung" lässt mich reichlich zwiegespalten zurück. Einerseits ist es ein niedrigschwelliges Angebot für Kochmuffel und -neulinge mit passendem Storytelling: Zervakis konnte nicht kochen. Dann kam Corona. Immer nur Lieferdienst war auch kein Vergnügen. Sie probierte, kochte mit Freunden und Voila - am Ende steht ein Kochbuch!

Dem Storytelling und Promifaktor folgt das Buch denn auch durchgehend. Es gibt launige Anekdoten und Bilder, besonders oft mit Zervakis. Mal trägt sie mit Selfie-Flunsch eine Wasserelone, mal herzt sie die Mama, mal feiert und kocht sie mit Freunden. Das mag ja ganz nett sein für Leute, die bekannten Leuten in den Kochtopf blicken wollen, ist aber nicht so wirklich zielführend, wenn es darum geht, neue Rezepte kennen zu lernen. Und dort, wo es dann tatsächlich inhaltlich wird, ist die Lage eher überschaubar, nach meinem Epfinden zu überschaubar für ein fast 20 Euro teures Buch.

Immerhin, so bin ich an ein lecker klingendes Rezept für einen Dattel-Dip gekommen, auch das Omelette Greek Style übereugt und für Mezze-Fans wie mich sind das Muhamarra-Rezept einer syrischen Freundin der Moderatorin und der persische Auberginendip, der von einer weiteren Freundin beigesteuert wurde, auf jeden Fall lohnenswert. Auch die Brioche mit Orangenmarmelade sehen sehr ansprechend aus und werden sicherlich nachgebacken.

Mehr Selbstbespiegelung, mehr Content, das wäre hier wirklich gut gewesen. Zervakis-Fans werden mit der Aufteilung vermutlich trotzdem zufrieden sein, aber mit hat das definitiv nicht gereicht - Datteldip hin, Muhamarra her.

Veröffentlicht am 05.08.2022

Mittelprächtig

Rupert undercover - Ostfriesisches Finale
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Mit dem ostfriesischen Finale endete die Triologie um die Undercover-Mission des ostfriesischen Kleinstadtpolizisten Rupert als Drogenboss Federico, samt "Mietehefrau", die sowohl Bodyguard- als auch Callgirl-Qualitäten ...

Mit dem ostfriesischen Finale endete die Triologie um die Undercover-Mission des ostfriesischen Kleinstadtpolizisten Rupert als Drogenboss Federico, samt "Mietehefrau", die sowohl Bodyguard- als auch Callgirl-Qualitäten hat. Für Rupert, den Möchtegern-Frauenhelden, eine rundum erfreuliche Sache, jedenfalls, nachdem er den vegetarischen Weinexperten Federico vorsichtig zum currywurstfutternden Biertrinker umstylen konnte, ohne dass dessen Kumpane sich darüber wunderten. Das war bereits Thema der ersten beiden Bände, nun geht es im Ostfriesen-Spin Off von Klaus Peter Wolf darum, verschiedene Erzählstränge zusammenzuführen - der totgeglaubte Federico taucht ebenso wieder auf wie der psychopathische Serienkiller "Geier" und der eher ethisch veranlagte Serienmörder Doktor Sommerfeld. Das kann schon mal konfus werden.

Schon bei den beiden vorangegangen Bänden hatte ich gemischte Gefühle - der Eindruck bleibt auch am Ende des Finales. Denn einerseits ist es eine witzige Idee: Der Möchtegern-Superbulle, Kleinstadtcasanova und nicht gerade intellektuell brillierende Rupert, der immer von höheren Dingen wie einer Karierre beim BKA geträumt hat und im Schatten seiner Kollegin Ann-Kathrin Klaaasen stand (niemand fasste so viele Serienmörder wie sie), kann sich endlich mal beweisen. Kann in die Rolle eines Mannes schlüpfen, der ihm ähnelt wie ein eineigier Zwilling, aber unterschiedlicher nicht sein könnte: kunstsinnig, über Rotwein philosophierend und heimlich schwul. Das darf unter den Machos seines Gangsterimperiums natürlich nicht bekannt werden.

Alles sehr überzogen und stellenweise sehr witzig - jedenfalls da, wo der Autor mit ironischer Distanz und einem Augenzwinkern das Geschehen seinen Lauf nehmen lässt.Das sind dann die bei weitem gelungensten Szenen des Buches, die mir gut gefallen haben.

Die ebenfalls überzeichneten Psychopathen sind dann nicht wirklich witzig und so manche Bluttat scheint eher eine Sache des Effekts zu sein. Da fehlt mir dann ein bißchen die Stringenz der Geschichte. Entweder Ironie oder härterer Krimi, die Kombination funktioniert vielleicht bei Tarrantino, aber nicht bei Wolf.

Und leider, leider verschenkt der Autor das Potenzial des Buches, eine Nebenfigur der Hauptserie in den Mittelpunkt zu stellen, ein neues Setting zu erarbeiten und etwas weitgehend Neues zu schaffen. Doch weit gefehlt - das Finale wird einmal mehr zur Ann Kathrin Klaasen-Show. Der Schwerpunkt verrutscht immer stärker zu Ruperts ostfriesischen Kollegen, die bereits in einer eigenen Reihe den Ton angeben und auch jetzt wieder die entscheidende Rolle spielen können.

Ja, es ist schon klar, der Autor hat eine Schwäche für seine Kommissarin. Aber so perfekt, so brillant, so entscheidend für jeden Fall nervt sie mich einfach. Superhelden und Superheldinnen sind, gerade weil so super, für mich eher langweilig. Es ist ja eh klar - am Ende retten sie die Welt, lösen den Fall etc etc

Insofern - hübsche Idee, aber leider nur mittelprächtig ausgeführt.

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Veröffentlicht am 19.07.2022

Single-Mutter käpft un Weg aus der Armut

Maid
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Die Netflix-Serie "Maid" ist mir unbekannt (ja, es gibt noch Menschen, die haben kein Netflix. Ich gehöre dazu.) Die Beschreibung der Lebensgeschichte von Stephanie Land fand ich aber interessant. Nachdem ...

Die Netflix-Serie "Maid" ist mir unbekannt (ja, es gibt noch Menschen, die haben kein Netflix. Ich gehöre dazu.) Die Beschreibung der Lebensgeschichte von Stephanie Land fand ich aber interessant. Nachdem ich das Buch gelesen habe, habe ich allerdings durchwachsene Reaktionen: Es zeigt einerseits eindrücklich auf, wie schnell der Abstieg in Armut und Obdachlosigkeit drohen, wenn ein Job, eine Beziehung etc wegbricht und plötzlich der Kampf ums Überleben anfängt. Das ist in den USA mit ihrem viel schlechteren sozialen Netz sicherlich noch deutlich schlimmer und schneller als hierzulande, ebenso wie das Stigma von Armut und Bezug von Sozialhilfe.

Auf der anderen Seite fand ich die Autorin an vielen Stellen larmoyant, emotional bedürftig und sich in eine Opferrolle hineinsteigend. Sich als Opfer ehelicher Gewalt darzustellen, weil ihr Ex sie angeschrieen hat und dann jahrelang Panikattacken geltend zu machen - mein Gott, was sollen denn da erst Frauen sagen, die echte Gewalterfahrungen machen müssen. Auch das Gejammere, so wenig Zeit für sich zu haben, weil sie 20 Stunden arbeitet. Ich kenne genügend Single-Mütter, die Vollzeit arbeiten und denen auch gar nichts anderes übrig bleibt. Merkwürdig fand ich auch, dass sie sich zum Freigeist stilisiert, weil sie Tattoos hat - die sind doch heutzutage eher die Regel als die Ausnahme, und das Umland von Seattle ist nun wirklich nicht für reaktionäres Klima bekannt.

Na ja, anscheinend hat sie ja schon ausgiebig in ihrem Blog, das dem Buch zugrunde liegt, innere Nabelschau gehalten und Hilfsaufrufe gestartet beziehungsweise sich selbst bedauert. Mich persönlich nervt so eine Haltung, deswegen habe ich auch beim Lesen immer wieder mit den Zähnen geknirscht, vor allem dann, wenn sich Stephanie auf Beziehungen eingelassen hat, die mehr Versorgungscharakter hatten als auch irgendwelchen Gemeinsamkeiten oder Gefühlen beruhten, dass sie eine starke Frau sein will und dann eine Schulter zum Anlehnen sucht. Gerade dann, wenn eigentlich schnell klar ist, dass die betreffende Schulter nicht geeignet ist!

Interessant fand ich dann wieder die Erkenntnisse und Beschreibungen der Häuser, in denen sie geputzt hat, das Verhältnis oder Nicht-Verhältnis zu den Bewohnern, die unterschiedlichen sozialen Gefüge, den Aufstieg oder Abstieg innerhalb einer Familie. Schließlich hatten die eigenen Großeltern in einem Trailer gelebt, die Familie hatte Lebensmittelmarken bezogen - es war also nicht eine völlig neue oder schockierende Erfahrung, plötzlich auf staatliche Unterstützung angewiesen zu sein. Insofern habe ich mich beim Lesen mitunter gefragt, wieso Stephanie mitunter so eine "Ich alleine gegen die böse, harte Welt"-Haltung hat, wenn sie doch genau weiß, dass sehr viele Menschen in einer ähnlichen Situation sind und kämpfen müssen, über die Runden zu kommen.

Das Thema, raus aus der Armutsfalle, ist sehr aktuell und leider auch hierzulande etwas, was immer mehr Menschen betrifft. Steigende Energiepreise und Inflation werden das sicher noch weiter antreiben. Schade nur, dass die Umsetzung eher mittelmäßig ausfiel.