Ein Auftakt der Lust auf mehr macht
Mit „Minna“ legt Carla Berling ihren ersten Familienroman vor, der gleichzeitig ihr persönlichster Roman ist. Und mit „Minna“ hat sie einen Volltreffer gelandet, an dem ich nur ganz minimal etwas zu bemäkeln ...
Mit „Minna“ legt Carla Berling ihren ersten Familienroman vor, der gleichzeitig ihr persönlichster Roman ist. Und mit „Minna“ hat sie einen Volltreffer gelandet, an dem ich nur ganz minimal etwas zu bemäkeln habe.
Minna ist eine großartige Person, ich hätte sie sehr gerne kennengelernt. Sie strotzte nur so vor Schlagfertigkeit in jungen Jahren. Als das Schicksal ein paarmal arg zuschlägt, gibt sie trotzdem nicht auf und arbeitet fleißig weiter und wird optimistischer. Der Roman umfasst die Jahre 1924-1951, der Prolog und Epilog spielen im Jahr 1978. Somit weiß man, dass man sich auf mehrere Zeitsprünge und Zeitraffungen einstellen muss. Dies war aber überhaupt kein Problem. Der Roman ist gut aufgebaut und man kann der Autorin problemlos folgen. Vor jedem neuen Kapitel ist das Datum genannt und die Person aus welcher Sicht, die Episode erzählt wird.
Neben Minna spielen ihre Mutter Ida, ihre Schwester Adele und ihre Brüder, allen voran Karl eine große Rolle. Die Familie hält immer zusammen, egal in welchen Zeiten, sie sind füreinander da. Der Fokus liegt aber ganz klar bei Minna. Die Weltwirtschaftskrise, die Inflation, der Nationalsozialismus und der zweite Weltkrieg, der Wiederaufbau sowie das Schicksal der Sinti und Roma zu dieser Zeit spielen in dem Roman eine entscheidende Rolle. Das Thema Nationalsozialismus hätte man meiner Meinung nach noch etwas diffiziler beleuchten und bearbeiten können.
Mit ihrem Schreibstil hat die Autorin bei mir voll gepunktet, ich habe diesen Roman innerhalb von mehr oder weniger zwei Tagen gelesen. Ich bin regelrecht durch die Seiten gerauscht, so sehr hat mich der Schreibstil getragen. Er ist humorvoll, er ist spritzig, er ist so, dass er hervorragend zu Minna passt. Die vielen Dialoge, das einer oder andere Mal im Dialekt sorgen dafür, dass der Roman die nötige Authentizität bekommt. Wer ein Fan von eher einem ruhigen Schreibstil mit vielen Beschreibungen ist, wird es sehr wahrscheinlich etwas schwerer haben sich mit dem Werk anzufreunden.
Ein Roman für alle, die gerne in die Zeit unserer Eltern zurückblicken möchte, wobei der Fokus deutlich auf dem Schicksal der Frauen und der „kleinen Leute“ liegt. Ein Roman, der zeigt, dass der Mensch sehr viel aushalten kann und meist viel stärker ist, als man selbst denkt. Ein für mich fast perfekter Auftakt, ich werde die Reihe mit Sicherheit weiterverfolgen und freue mich schon auf den zweiten Band „Hanne. Die Leute gucken schon.“ Dieser erscheint im Januar 2023. Dann steht Minnas Tochter Hanne im Fokus der Erzählung, sodass es sehr wahrscheinlich ratsam ist die Bücher chronologisch zu lesen.