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Veröffentlicht am 24.10.2022

Schuld und Verrat

Feldpost
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Der Anfang vom Ende, das ist der 22. Dezember 2000, ein Freitag. Cara sitzt in einem gut besuchten Café, sie schreibt Weihnachtskarten. Eine Unbekannte bittet, sich an ihren Tisch setzen zu dürfen. Sie ...

Der Anfang vom Ende, das ist der 22. Dezember 2000, ein Freitag. Cara sitzt in einem gut besuchten Café, sie schreibt Weihnachtskarten. Eine Unbekannte bittet, sich an ihren Tisch setzen zu dürfen. Sie kommen ins Plaudern und so unauffällig wie diese Frau gekommen ist, ist sie wieder verschwunden. Lediglich eine Tasche mit Feldpost-Briefen bleibt zurück. Cara findet darin nicht nur Briefe, auch Unterlagen über den dubiosen Verkauf einer Villa kommen zum Vorschein. Was tun? Kurzentschlossen macht sie sich auf die Suche.

Es ist die Zeit des beginnenden Nationalsozialismus, dann folgt der Zweite Weltkrieg mit all seinen Schrecken. Man muss nicht Jude sein, um ins Visier der Machthaber zu gelangen. Eine unachtsame Äußerung genügt.

In zwei sich abwechselnden Zeitsträngen erzählt die Autorin von damals, ab 1935, von der Entfremdung zweier Familien und von der heutigen Suche nach dem Verfasser dieser Briefe, die er vor über 50 Jahren geschrieben hat. Cara findet ihn tatsächlich, jedoch bleibt das Schicksal des Adressaten ungewiss.

Jeder Feldpostbrief ist ein Lebenszeichen, er ist wertvoll, wird herbeigesehnt. Das Cover zeigt dies eindrucksvoll, es ist der gelungene Einstieg in ein beeindruckendes Buch, in eine düstere Zeit. Zunächst musste ich mich schon einlesen, Caras Interesse an den Briefen war für mich eher nicht so prickelnd. Aber dann bin ich abgetaucht in die Vergangenheit und diese hat mich nicht mehr losgelassen. Ihr Schicksal hat mich sehr berührt, das Familiendrama vor dem geschichtlichen Hintergrund ist lebendig und authentisch dargestellt. Das Weiterlesen war unabdingbar, ihre Geschichte wie ein Sog, dem ich mich nicht mehr entziehen konnte und es auch nicht wollte.

Eine verbotene Liebe, ein Verrat und die fatalen Folgen eines Hausverkaufs sind Thema dieses erschütternden Zeitdokuments. Die tragische Familiengeschichte wird zunehmend intensiver, Mechtild Borrmann hat mich mit ihrer „Feldpost“ tief in diese Zeit, in ihre gut recherchierte Geschichte gezogen, die auf wahren Begebenheiten beruht. Sehr lesenswert, absolut empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 22.10.2022

Finstere Zeiten

Das verborgene Paradies
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Luca Di Fulvio nimmt mich mit in „Das verborgene Paradies“, ein bildgewaltiges Epos, geprägt von Tradition und Aberglaube.

Suzanna erblickt unter dramatischen Umständen das Licht dieser Welt. Es ist eher ...

Luca Di Fulvio nimmt mich mit in „Das verborgene Paradies“, ein bildgewaltiges Epos, geprägt von Tradition und Aberglaube.

Suzanna erblickt unter dramatischen Umständen das Licht dieser Welt. Es ist eher eine düstere Welt, in die sie hineingeboren wird. Einzig Fra‘ Thevet nimmt sich ihrer an, allen anderen ist sie eher suspekt. Auch der kleine Daniele hat ein schweres Los, das ihn schier zu erdrücken droht. Die Kirche hat einen hohen Stellenwert, ihre Inquisitoren verfolgen jeden, der sich ihrer Lehre widersetzt. Der Aberglaube ist weit verbreitet, auch in Borgo San Michele, dem kleinen Dorf in den Ostalpen, halten sie daran fest. Sie sind weitgehend ungebildet und so soll es auch bleiben.

In zwei Zeitebenen begleite ich Susanna und Daniele und so manch anderen. 1610 ist das Jahr, in dem Susanna geboren wird, Daniele ist da schon fünf Jahre alt. Beide sind sie etwas besonderes, sie sind wissbegierig, haben ihren eigenen Kopf, sie lassen sich nicht verbiegen. Was so manchem gar nicht gefällt. Im Jahre 1633 ist der Prozess, der sich durchs Buch zieht, in vollem Gange, geleitet von dem Inquisitor Constantin Tron. Er, der Instructor Domini, klagt an. Der Verteidiger in diesem Prozess, in dem es um eine Mordanklage geht, ist der Instructor Daomonii, er ist der Anwalt des Teufels. Schon diese beiden Titel sagen viel aus, die Gerechtigkeit bleibt eher außen vor.

Mir gefällt wieder sehr, was ich von Luca Di Fulvio lese. Die beiden Zeitebenen, die sich immer wieder abwechseln, sind gut lesbar, wenn auch anfangs ein wenig gewöhnungsbedürftig. Die Kirche und ihre weltlichen Vertreter haben viel Macht, ihre Lehre darf nicht angezweifelt werden. Wer es dennoch wagt, bracht viel Mut und einen eisernen Willen dazu. Hexenprozesse sind weit verbreitet, es braucht nicht viel, um in die Fänge der Inquisition zu geraten. Es muss einen nicht wundern, wenn sich viele wegducken, einfach nichts gesehen und gehört haben wollen.

Die einzelnen Charaktere sind eindrucksvoll und lebensnah dargestellt. Mich hat der Autor mit seinem neuesten Werk wieder sehr gefesselt, ich bin regelrecht abgetaucht, habe den Prozess mit Schaudern und Bangen und einem Fünkchen Hoffnung verfolgt. Wie ist es dazu gekommen? Wer ist der wahre Mörder und warum? Wird die Gerechtigkeit siegen?

„Lass dir niemals die Flügel stutzen.“ Dies hat eine ihr wohlgesonnene Äbtissin Susanna mit auf den Weg gegeben. Und Susanna, das „verrückte Köpfchen“, ist immer aufrecht gegangen.

„Das verborgene Paradies“ war nicht paradiesisch. Es war eine grausame Zeit, geprägt von der Lehre der Kirche und deren gnadenloser Durchsetzung. Der historische Roman hat diese finstere Epoche gut eingefangen und auch das Ende war für mich erwartbar, ja nachvollziehbar. Luca Di Fulvio hat mich mit seinem neuesten Werk wiederum gut unterhalten, er hat mir viel von der damaligen Zeit erzählt, er hat mich mitgerissen. Ich habe mit ihnen allen gefühlt im Guten wie im Bösen.

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Veröffentlicht am 18.10.2022

Schuldig?

Rachejagd - Gequält
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Die Journalistin Anna Jones ist zutiefst schockiert, als sie diese wenigen Zeilen liest: „Ich vermisse dich… ich sehe dich…“. Harris ist zurück! Schlagartig wird ihr klar, dass sie ihm, ihrem damaligen ...

Die Journalistin Anna Jones ist zutiefst schockiert, als sie diese wenigen Zeilen liest: „Ich vermisse dich… ich sehe dich…“. Harris ist zurück! Schlagartig wird ihr klar, dass sie ihm, ihrem damaligen Entführer, nie entkommen ist, auch wenn sie vor drei Jahren fliehen konnte. Sie wendet sich an ihren Jugendfreund, dem FBI-Agenten Nick Coleman.

„Gequält“ ist der Auftakt der Rachejagd-Trilogie, es folgen „Verraten“ und „Zerstört“. Dass es hier, beim ersten Band, blutig zur Sache geht, verrät schon das Cover mit dem blutgetränkten Messer.

Die Jagd beginnt! Aber wer jagt hier wen? Nick holt sich mit Lynette McKenzie eine kompetente Profilerin als Verstärkung und Annas Kollege Zane Newton ist der stets hilfsbereite IT-Experte, der so manch verschlossen geglaubte Tür öffnet. Ein ungewöhnliches Team. Eine beklemmende Situation. Ein wiederaufgetauchter Täter.

Der Prolog führt mich drei Jahre zurück, das Martyrium von Anna und Natalie wird mir so richtig bewusst. Harris will Rache, so viel meine ich zu wissen. Anna ist ihm damals entkommen, sie hat sich ins Leben zurückgekämpft und doch hat sie Schuldgefühle - sie konnte ihre Freundin nicht retten.

Ein so spannend wie nervenaufreibender Wettlauf beginnt, der sich durchs Buch zieht. Ich lese einen dieser Thriller, die mich extrem fesseln. Ein Katz- und Mausspiel, ich bin auf der Seite der Guten, der Verfolgten. Obwohl ich mir zwischendurch nicht sicher bin, ob sich nicht doch eine Figur ins Vertrauen schleicht, ich habe über viele Seiten einen vagen Verdacht. Und zwischendurch blitzt immer mal wieder die Vergangenheit auf.

Es ist nichts so, wie es scheint. Niemandem ist zu trauen, so etlichen ist alles zuzutrauen. Der Täter ist ihnen immer einen Schritt voraus, auch wenn sie zwischendurch aufholen - er ist einfach nicht greifbar. Und auch wenn man meint, das war es dann wohl, wendet sich das Blatt. Bis zur buchstäblich letzten Zeile hält mich dieser so rasante Thriller gefangen. Der erste Fall geht so dramatisch wie spannungsgeladen dem Ende zu, der zweite Band will unbedingt gelesen werden.

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Veröffentlicht am 13.10.2022

Über den Wolken…

Die Stewardessen. Eine neue Freiheit
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Die große weite Welt wartet auf sie. All die Sehenswürdigkeiten, all Träume sind greifbar, eine grenzenlose Freiheit scheint nahe. „Die Stewardessen – Eine neue Freiheit“ Svea Lenz erzählt eindrucksvoll ...

Die große weite Welt wartet auf sie. All die Sehenswürdigkeiten, all Träume sind greifbar, eine grenzenlose Freiheit scheint nahe. „Die Stewardessen – Eine neue Freiheit“ Svea Lenz erzählt eindrucksvoll von den Anfängen der Lufthansa.

Wenn das nicht Margot ist, die da ein wenig verschmitzt über die Gläser ihrer Sonnenbrille lugt, ein Flugzeug am Himmel – ja, das ist ihre Welt, ihre neue Freiheit. Sie ist eine aufgeschlossene junge Frau, die dem kleinbürgerlichen Mief entkommen will. Und da – sie entdeckt die Anzeige in der Zeitung: Stewardessen gesucht! Das wär doch was für sie. Natürlich ist sie nicht die einzige, die unbedingt hier landen will, sie muss sich schon was einfallen lassen, muss nicht nur gut sein, sie muss besser sein als all die anderen. Die Prüfungsfragen sind nicht ohne, es wird ein breites Allgemeinwissen verlangt und Margot schafft es tatsächlich, sie ist eine der ersten Luftstewardessen der Lufthansa. Man spürt, dass eine Anstellung bei der Lufthansa schon was ganz besonderes war.

In den 50er Jahren bin ich gelandet, ganz genau im Jahre 1954, als die Lufthansa ihren Flugbetrieb wieder aufnehmen will. „Die Stewardessen“ begrüßen mich mit einem Song, der gleich mal gute Laune macht. Que sera, sera… was wird sein, ja - was wird die Zukunft wohl bringen?

Margot ist entschlossen, ihren Traum von der großen weiten Welt wahr werden zu lassen, auch wenn sie sich diesen auf ihre so kreative Art ein wenig zurechtbiegen muss. Dafür kann ich ihr aber nicht böse sein, sie war mir gleich sympathisch, sie ist eine aufgeweckte junge Frau. Noch bevor der Lehrgang beginnt, stolpert sie dem Nachwuchspiloten Claus Sturm direkt vor sein Cabrio. Und bald lernt sie auch Thea und Almuth kennen, die eine mit Berliner Schnauze, die andere eher in sich gekehrt. Drei ganz und gar unterschiedliche Frauen, die sich wunderbar ergänzen.

Es ist Sommer in Hamburg und viel zu heiß, die Nachwehen des Krieges sind noch zu spüren und doch geht es aufwärts. Svea Lenz hat das Lebensgefühl dieser Zeit gut eingefangen. Die Wohnverhältnisse ließen noch sehr zu wünschen übrig und doch hatten sie Träume. Gerade die jungen Leute waren voller Tatendrang, Rock´n´Roll und all die damals angesagten Songs, die vom großen Teich herüberschwappten, swingten im Hintergrund mit, dazu die hierzulande noch schwer zu bekommenden Nylonstrümpfe, die fast unerschwinglichen Petticoats und zwischendurch das Selbstgenähte und noch so viel mehr. Man kann sich ein gutes Bild machen - es ging aufwärts, die 6-Tage-Woche war normal, die Gleichberechtigung steckte noch in den Kinderschuhen.

Viel habe ich erfahren vom Alltag einer Stewardess, von ihren ersten Gehversuchen bis hin zu den Flügen, die sie in so etliche europäische Städte führten. Dann die begehrten Überseeflüge, alles noch sehr exklusiv. Ein Flug war etwas Besonderes und genau so wurden auch die Fluggäste behandelt. Ich treffe Adenauer, begegne vielen damals bekannten Persönlichkeiten und auch die legendäre Tante Ju hat ihren Auftritt. All dies ein sehr informativer, interessanter und äußerst unterhaltsamer Blick zurück.

Das launige Nachwort steht dem Roman in nichts nach. Ich habe mich in die Lüfte erhoben, bin über den Wolken geschwebt und wieder sicher gelandet, auch wenn der Flug hin zu den Anfängen der Lufthansa viel zu schnell vorüber war. Aber ist es nicht so wie mit jeder guten Geschichte? Schade, dass es vorüber ist und dann ist die Vorfreude da auf die Fortsetzung, auf den Weiterflug. „Bis zum Horizont“ heißt es bald, ich werde bestimmt wieder mitfliegen.

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Veröffentlicht am 04.10.2022

Eine beeindruckende Geschichte

Emmanuels Traum: Die wahre Geschichte von Emmanuel Ofosu Yeboah
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Zwei strahlende Augen, zwei gesunde Lungen, zwei kleine Fäuste – alles ist dran an dem kleinen Jungen, der in Ghana geboren wurde. Aber er hat nur ein starkes Bein. Sein Vater konnte damit nicht umgehen, ...

Zwei strahlende Augen, zwei gesunde Lungen, zwei kleine Fäuste – alles ist dran an dem kleinen Jungen, der in Ghana geboren wurde. Aber er hat nur ein starkes Bein. Sein Vater konnte damit nicht umgehen, er ging. Doch seine Mutter gab ihm Selbstvertrauen, sie stärkte ihn, stand immer hinter ihm. Emmanuel, so heißt der Junge, ging - oder eher - er hüpfte zur Schule. Jeden Tag nahm er den weiten Weg auf sich, es hat sich gelohnt. Als seine Mutter krank wurde, musste er für seine kleineren Geschwister da sein. Er fuhr mit dem Nachtzug in die Hauptstadt, auch hier musste er sich tagtäglich neu beweisen.

Es ist die wahre Geschichte von Emmanuel Ofosu Yeboah. Von klein auf musste er sich durchkämpfen, unterstützt von seiner Mutter. Alles, was er hat, was er ist, hat er sich selbst erarbeitet. Heute ist der ghanische Sportler Aktivist für Behindertenrechte, er fuhr 2001 durch Ghana, um auf die Notlage behinderten Menschen aufmerksam zu machen. Und seitdem ist er unermüdlich für seine Sache unterwegs.

Seine Geschichte ist in diesem zauberhaft gestalteten Buch kindgerecht erzählt. Gleich mal nahmen uns die Illustrationen gefangen. Das Buch hat 40 Seiten, jede davon erzählt eine ganze Menge. Die Bilder sprechen für sich, da müssen die Kinder nicht lesen können, sie nehmen Emmanuels Leben visuell wahr. Wir haben durch die Seiten geblättert und zunächst nichts vorgelesen, das kam dann erst danach. Und mittlerweile haben wir es schon ganz oft zur Hand genommen, um immer wieder darin zu lesen.

Emmanuel lässt einen so schnell nicht wieder los, er regt Klein und Groß zum Nachdenken an. Eine Behinderung sollte nicht ausgrenzend sein, die Kinder wissen das sofort und sie fangen immer wieder an, von einem wie Emmanuel zu erzählen. Man merkt, dass sie seine Geschichte verinnerlicht, ja verstanden haben.
Emmanuels Traum sollte kein Traum bleiben.

Verständnis füreinander, ein unbedingtes Miteinander, Vorurteile abbauen, Anderssein tolerieren – all das wäre wünschenswert. Das großformatige (Bilder)Buch möchte ich jedem ans Herz legen, es ist wunderschön erzählt und sehr liebevoll gestaltet.

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