Bewegender Roman über Liebe, Verlust und die Schönheit des Lebens
Marie arbeitet im Supermarkt, backt gerne und lebt in dem Haus, in dem ihre vor zwei Jahren verstorbene Großmutter sie großgezogen hat. Seit diesem Zeitpunkt hat sie sich sehr aus dem Leben zurückgezogen. ...
Marie arbeitet im Supermarkt, backt gerne und lebt in dem Haus, in dem ihre vor zwei Jahren verstorbene Großmutter sie großgezogen hat. Seit diesem Zeitpunkt hat sie sich sehr aus dem Leben zurückgezogen.
Nachdem sie ihre Arbeit verliert, und ihr Vermieter auch noch Nachzahlungen von ihr fordert, befürchtet sie das Haus nicht halten zu können. Ihr Vermieter Herr Gruber, den sie umgehend aufsucht, schlägt ihr einen Deal vor: Sie geht ihm in seinem Bestattungsinstitut zur Hand, welches gerade nicht sehr gut läuft und er gestaltet die Frist für die Rückzahlung großzügig. Marie beginnt also in dem Bestattungsinstitut zu arbeiten, sie soll sich um die Buchhaltung und die störrische, aber dennoch liebenswerte Tante von Herrn Gruber, Irmie Edel, kümmern.
Wenig später lernt sie Ben kennen. Nach dem Motto „Jeder Tag könnte der letzte sein“, lebt er auf der Überholspur und dokumentiert seine teils waghalsigen Aktionen – wie Mountainbiketouren auf unwegsamen Gelände, Wakeboarden oder Fallschirmspringen – auf dem beliebten V-Log „Mein bester letzter Tag“. Wie sich herausstellt hat seine Adrenalinsucht mit den Hintergrund, dass er einen Hirntumor diagnostiziert bekam, und glaubt, bald sterben zu müssen.
Ben und Marie beginnen Zeit miteinander zu verbringen. Während Ben durch Marie lernt, dass leben nicht nur Geschwindigkeit und Abenteuer bedeutet, beginnt Marie sich wieder mehr dem Leben zu öffnen. Alles wäre wundervoll, wäre da nur nicht Bens Krankheit … Vorsicht, SPOILER in der jetzt folgenden Meinung.
Meine Meinung
„Wir und jetzt für immer“ macht seinem Titel, der einfallsreich, spritzig und originell ist, alle Ehre. Ich habe das Buch binnen kürzester Zeit verschlungen. Katrin Lankers schreibt auf einfühlsame, humorvolle Art und vollbringt so die Meisterleistung schwere Themen wie Trauer, Tod, Verlust und Krankheit leicht aufzubereiten.
Die Charaktere, insbesondere die Hauptprotagonistin, Marie, sind gut ausgearbeitet und sehr lebendig und authentisch dargestellt. Marie habe ich als junge Frau erlebt, die gerne anderen Menschen hilft, und daraus etwas für sich selbst zu ziehen vermag. Sie hätte leicht als Gutmensch überzeichnet werden können: Welcher junge Mensch backt schon regelmäßig für einen Seniorentreff? Aber das passiert nicht, weil man ihr so nah kommt, dadurch, dass sie gleichzeitig als verletzte Seele und manchmal auch als ein bisschen naiv – eben als Mensch aus Fleisch und Blut mit Stärken und Schwächen – dargestellt wird. Ich habe mit Marie gefühlt, habe mir ihr gezittert, geweint, gelacht, und mich mit ihr gefreut, als sie erste Schritte in Richtung Aufarbeitung des Verlusts der Großmutter und Rückkehr ins Leben unternahm. Ben wirkte auf mich zunächst etwas oberflächlich und ich habe mich gefragt, wie zwei, die so unterschiedlich mit ihrem schweren Schicksal umgehen, eine gemeinsame Basis finden sollen. Aber das gibt sich später, wenn seine Geschichte erzählt wird.
Obwohl vorhersehbar ist, dass Marie und Ben sich ineinander verlieben würden, habe ich mich beim Lesen keine Nanosekunde gelangweilt. Der Roman wies einige spannende Wendungen auf, wie beispielsweise, als sich herausstellt, dass Bens Hirntumor operabel ist oder als Marie, am absoluten Tiefpunkt angelangt, sich Hilfe in Form ihrer alten Freundin Sibel holt, zu der der Kontakt abgebrochen war. Überhaupt hat Katrin Lankers die Entwicklung, die die Protagonistin im Laufe des Romans durchmacht sehr einfühlsam und eindrücklich dargestellt.
Die Geschichte ist mit viele Liebe zum Detail ausgearbeitet. Obwohl ich selbst nicht backe, hätte ich Maries Torten und Süßspeisen sofort probiert und die Namen der Kochshows, die sie sah, um sich abzulenken, haben für viel Schmunzeln gesorgt.
Auch mochte ich die Symboliken, die sich durch das Buch zogen, beispielsweise ein Band, das Ben auf Reisen in Tibet auf einem Markt gekauft hat und das ihn mit dem Menschen verbinden sollte, der ihm vorbestimmt sei.
Die Idee, dass eine junge Frau, die sich sozial zurückgezogen hat, auf einen Mann trifft, der, um mit seinem Schicksal umgehen zu können, zum Adrenalinjunkie bis zum Exzess wird, und dass beide voneinander lernen, fand ich wunderschön und sehr gut ausgearbeitet. Unter Maries Talent hätte ich mir allerdings etwas anderes vorgestellt. Sie ist für mich einfach ein Mensch, der sich gerne für andere einsetzt, der selbst etwas draus zieht, anderen zu helfen, und dieser Wesenszug erleichtert ihr die Arbeit im Bestattungsinstitut, wo sie nach und nach neue Aufgaben innehat und gemeinsam mit Irmie Edel Beerdigungsformate entwickelt, die den Wünschen und Bedürfnissen der Angehörigen auf eine individuelle, statt althergebrachte Art gerecht werden. Zwar nennt Herr Gruber es „Gabe“, was Marie kann, aber für mich war es weniger eine spezielle Gabe, als ein Wesenszug, der Ausdruck in ausgefallenen Torten und kreativen Gestaltungsideen für Trauerfeiern fand.
Fazit
„Wir und jetzt für immer“ ist für mich trotz der schweren Themen der perfekte Sommerroman für die Ferien, denn er besticht durch viel Gefühl, originelle Ideen und Humor. Dabei überzeugt er ebenso durch Tiefgang und regt zum Nachdenken an. Ich habe jede einzelne Zeile genossen und werde auch weiter Ausschau nach Katrin-Lankers-Romanen halten.