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Veröffentlicht am 10.11.2022

Spannende Suche nach der eigenen Identität

Mütter hat man nie genug
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Das Glück ist der 27 Jahre alten Bogenbaumeisterin Stefanie gewogen, denn sie hat es geschafft, sich in der Passauer Innenstadt mit einer Werkstatt selbständig zu machen. Außerdem hat sie einen wohlhabenden ...

Das Glück ist der 27 Jahre alten Bogenbaumeisterin Stefanie gewogen, denn sie hat es geschafft, sich in der Passauer Innenstadt mit einer Werkstatt selbständig zu machen. Außerdem hat sie einen wohlhabenden Freund. Im Roman „Mütter hat man nie genug“ von Monika Maifeld ist sie die Protagonistin. Obwohl Stefanie bereits eine eigene Wohnung bezogen hat, ist sie gerne bei ihren Eltern in Vilshofen zu Gast und fühlt sich im Kreis der Familie geborgen.

Eines Tages kommt ihr jüngerer Bruder Felix auf die Idee, dass sie beide eine DNA-Probe abgeben, weil sie dadurch eventuell noch unbekannte Verwandte finden könnten. Das Ergebnis wirkt sich allerdings im genauen Gegenteil aus, denn es zeigt, dass Felix und Stefanie nicht miteinander verwandt sind. Nachdem aber auch die Eltern das Resultat zerknirscht bestätigen, gerät Stefanie in eine Identitätskrise.

Zu Beginn läuft die Handlung auf zwei Zeitebenen ab. Während Stefanie sich im Mai 2018 auf die Suche nach ihrer leiblichen Mutter begibt, hat Paula im Mai des Jahres 1990 das Anliegen, endlich ein Kind zu bekommen. Paula steigert sich wahnhaft in ihren Wunsch hinein. Das, was sie unternimmt, um ein Baby zu erhalten, klingt fast wie eine Räubergeschichte. Da mir die damaligen Umstände im Zusammenhang mit einer Geburt im Krankenhaus bekannt sind, halte ich die Schilderungen der Begebenheiten für möglich, fesselnd fand ich sie auf jeden Fall. Beim Lesen dieses Handlungsstrangs sah ich gleich einen Zusammenhang mit Stefanie und erhielt durch die Kenntnis der früheren Ereignisse einen Wissensvorsprung ihr gegenüber. Die Schilderung des Geschehens im Jahr 1990 bricht etwa nach der Hälfte der Buchseiten mit einem Cliffhanger ab.

Dank der guten Recherche der Autorin erfuhr ich mehr über den ungewöhnlichen Beruf von Stefanie. Bei deren Suche nach der Mutter durfte ich sie zu einigen sehenswerten Orten begleiten. Während der ganzen Zeit kämpfte die Protagonistin mit ihrem inneren Konflikt, was ich gut nachvollziehen konnte. Sie erhält von ihrem Freund eine ungeahnte Unterstützung. Seine Fürsorglichkeit nimmt sie in ihrer momentan schwierigen Lage gerne an. Von ihm fühlt sie sich gebraucht. Erst spät erkennt sie, wie Liebe sich in einer Beziehung wirklich anfühlt.

Die Autorin macht es ihrer Protagonistin nicht einfach. Immer wieder konfrontiert sie Stephanie mit neuen Konflikten, die mit wachem Verstand auf ihre Möglichkeiten schaut, zu einer Lösung zu gelangen, auch wenn sie an einem toten Punkt angekommen zu sein scheint. Die Erzählung ist stellenweise dialoglastig mit manch bewegendem oder auch amüsantem Austausch der Gesprächspartner, was das Lesen vorantreibt. Stein für Stein setzt die Bogenbaumeisterin die Informationen über ihre Vergangenheit zusammen. Mein durch die zweite Handlungsebene erweitertes Wissen ließ mich hoffen, dass sie ihre Suche nicht abbricht, was für eine gewisse Hintergrundspannung sorgte. Nebenher thematisiert Monika Maifeld dabei den damals zunehmenden Kinderschmuggel aus Osteuropa.

Leider kommt es im Roman zu einigen Darstellungen, die ich nicht ganz nachvollziehen konnte wie das lange Siezen eines guten Freunds oder das Öffnen des Geschäfts ganz nach Belieben. Auch ein paar kleine logische Fehler haben sich eingeschlichen, die aber aufgrund der gelungenen komplexen Konstruktion unwichtig sind.

Der Roman „Mütter hat man nie genug“ von Monika Maifeld wirft den Wunsch nach der eigenen Identität auf. Als Leserin fürchtete ich, so wie die Protagonistin Stephanie, dass ihre Suche nach der leiblichen Mutter vergeblich sein wird. Möglichst bald wollte ich erfahren, ob die Hauptfigur erfolgreich sein wird und wie sie ihr Gefühlschaos meistert. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 01.11.2022

Schöne Ergänzung der Andor-Spieleserie

Die Legenden von Andor: Varkurs Erwachen
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„Die Legenden von Andor – Varkurs Erwachen“ ist eine Graphic Novel, die von Jens Baumeister gescriptet und von Timo Gruning illustriert wurde. Die Geschichte ist, wie der Name schon sagt, im Fantasy-Universum ...

„Die Legenden von Andor – Varkurs Erwachen“ ist eine Graphic Novel, die von Jens Baumeister gescriptet und von Timo Gruning illustriert wurde. Die Geschichte ist, wie der Name schon sagt, im Fantasy-Universum von Andor angesiedelt, einer Brettspielwelt, die von Michael Menzel und Stefanie Schmitt erdacht wurde. Kenntnisse des Spiels sind für das Lesen nicht erforderlich. Auf den Buchklappen vorne und hinten sind vier Karten enthalten, die als Erweiterung des Basisspiels gemeinsam eine Legende bilden, die mit dem Andor-Brettspiel gespielt werden kann, das man zu diesem Zweck besitzen sollte.

Varkur ist ein Magier. Die Graphic Novel thematisiert seine Vergangenheit bis zum Erwachen seiner dunklen Kräfte. Eines Tages wird er an der Küste von Andor ohne Erinnerung an seine Vergangenheit von Ranja, einer Fischerin aus dem anliegenden Ort, aufgefunden. Sie kümmert sich um ihn. Einer der Dorfbewohner hat ein Auge auf sie geworfen und wird eifersüchtig. Später wird dieser Mann zum eifrigsten Verfolger von Varkur. Der Magier flieht gemeinsam mit Ranja, um herauszufinden, wer er wirklich ist. Ranja geht aus Neugierde mit, um die Welt von Andor jenseits des Fischerdorfs kennenzulernen.

Auf dem Reiseweg begegnen ihnen Kreaturen, die Übles im Sinn haben. Varkur kann zur Verteidigung seine Kräfte zeigen, von denen er selbst überrascht ist. Dadurch beginnt er, sich selbst zu hinterfragen.

Beim Lesen entfaltete sich eine spannende Geschichte, bei der Wesen der Andorwelt wie im Brettspiel zur Bedrohung der Bevölkerung werden. Die Illustrationen in schwarz-weiß schaffen eine dunkle Atmosphäre. Durch Flashbacks erfuhr ich mit und mit mehr über die Ereignisse, die dazu führten, dass Varkur nach Andor kam. Ein offenes Ende gibt Spielraum für eine Fortsetzung. Für alle Andor-Fans ist das Buch ein Muss.

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Veröffentlicht am 10.10.2022

Beeindruckender Auftakt für die Ermittler Johanna Böhm und Rasmus Falk

Der Zirkel. Sie wollen dich. Sie finden dich.
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In seinem Thriller „Der Zirkel“ konfrontierte Leon Sachs mich als Leserin mit einem Gedankenspiel großen Maßstabs, denn es geht um nichts Geringeres als die Manipulation der Bundestagswahl in Deutschland. ...

In seinem Thriller „Der Zirkel“ konfrontierte Leon Sachs mich als Leserin mit einem Gedankenspiel großen Maßstabs, denn es geht um nichts Geringeres als die Manipulation der Bundestagswahl in Deutschland. Unser X wird an der richtigen Stelle der Listung der Kandidaten und Parteien benötigt. Der Untertitel des Buchs „Sie wollen dich. Sie finden dich“ spiegelt die Radikalität der Gruppierung wider, die in der Geschichte im Fokus steht.
„Der Zirkel“ ist als Reihe angekündigt, bei der Johanna Böhm und Rasmus Falk ermitteln. Im ersten Band wird es für die 29-jährige Anfängerin auf der Polizeiakademie sehr persönlich, denn die Bedrohung führt mitten ins Herz ihrer Familie. Allerdings hat sie sich bereits vor Jahren von dieser gelöst. Es geschehen drei Morde in drei verschiedenen Ländern und Johanna erkennt einen Zusammenhang, der in einem Ereignis in der Vergangenheit liegt. Auch der frühere Geheimdienstler und IT-Experte Rasmus kennt die Verbindung und hat ein privates Interesse daran, die Hintergründe aufzuklären. Er übt Druck auf Johanna aus, die ihre Gefühle in der Regel im Griff hat, um sie zur Mitarbeit zu motivieren. Dadurch leidet ihr Vertrauensverhältnis, obwohl sie sich in manchen Situationen aufeinander verlassen müssen.

Leon Sachs baut von Beginn an Spannung auf. Zunächst wird es ein wenig mystisch und bleibt es auch weiterhin in Bezug auf den Geheimbund. Gleichzeitig ist es beängstigend darüber zu lesen, welche Möglichkeiten es gibt, manipulativ tätig zu werden. Verschleierungstaktiken sind an der Tagesordnung. Um seinen Willen durchzusetzen, finden sich Hintermänner, die vor Gewalt nicht zurückschrecken. Es gibt Personen, die sich mit Technik und Software auskennen, und die die meisten Barrieren online und offline überwinden können. Der Autor beschreibt ein komplexes Gefüge. Im Mittelteil gönnt er dem Lesenden eine kurze Pause, um danach die Spannung wieder anzuziehen und in mehreren, für die Protagonisten gefährlichen Szenen, zur überraschenden Aufdeckung der Verschwörung zu führen.
Die Figuren sind vorstellbar gestaltet und vor allem Johanna wirbt um Sympathie. Es ist jedoch erschreckend, vermutlich aber durchaus realistisch, wie schnell Gewalt zur Durchsetzung gewisser Interessen angewendet wird. Mehr als einmal nimmt die Erzählung eine unerwartete Wendung. Zeitungsberichte aus aller Welt unterstützen die Glaubwürdigkeit der dargestellten Ereignisse, die dadurch umso beunruhigender wirken.
Das Buch „Der Zirkel“ von Leon Sachs ist ein Thriller, dessen Szenario auf beeindruckende Weise darstellt, wie es möglich wäre, die Grundfeste der Demokratie zu unterwandern. Er zeigt die Schwierigkeiten auf, die Drahtzieher eines Komplotts zu finden. Gerne empfehle ich ihn weiter, vor allem an Krimilesende mit Interesse an Politik.

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Veröffentlicht am 05.10.2022

Denkmal für alle Frauen des Widerstands im Zweiten Weltkrieg

Die Wagemutige
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Caroline Bernard greift in ihrem Roman „Die Wagemutige“ das Leben der Widerstandskämpferin Lisa Fittko in der Zeit zwischen 1940 und 1941 auf und betrachtet es in Hinblick auf deren Gefühle beim täglichen ...

Caroline Bernard greift in ihrem Roman „Die Wagemutige“ das Leben der Widerstandskämpferin Lisa Fittko in der Zeit zwischen 1940 und 1941 auf und betrachtet es in Hinblick auf deren Gefühle beim täglichen Kampf für die Résistance. Lisa Fittko ist eine historisch verbürgte Person, die selbst zwei autobiographische Bücher geschrieben hat, die der Autorin als Grundlage dienten. Sie war Jüdin und entwickelte schon als Jugendliche eine sozialistische und kommunistische Einstellungen. Später verlor sie ihre Stelle bei einer Bank in Berlin aufgrund ihrer Gesinnung und musste untertauchen. Weiterhin half sie bei der Verbreitung von Flugblättern mit antinazistischem Inhalt. Der Titel des Buchs trifft den Kern ihres Charakters.

Im Jahr 1940 wird Lisa Fittko als feindliche Ausländerin von den Deutschen, die inzwischen Frankreich besetzten, in das Camp de Gurs, einem Internierungslager für Frauen am Rand der französischen Pyrenäen gebracht. Caroline Bernard lässt die schwierigen Bedingungen in den Barackenunterkünften lebendig werden. Ihre Protagonistin entwickelt behutsam einen Plan zur Flucht aus dem Lager. Es wird deutlich, dass sie sich dort Sorgen um ihre Liebsten macht, um ihren festen Freund Hans, ihren Bruder und seine Familie sowie ihre Eltern, fast mehr als um sich selbst.

Sie flieht nach Marseille und versucht dort, Ausreise-Visa für sich und Hans zu erhalten. In dieser Zeit lernt sie einen Mann kennen, von dem sie sich angezogen fühlt. Diese Figur ist fiktiv und steht für den möglichen Wunsch von Lisa nach einem Leben in Frieden und Freiheit. Die Autorin beschreibt ihren inneren Aufruhr darüber, sich zwischen Liebe und Widerstandskampf entscheiden zu müssen. Als Leserin konnte ich nachvollziehen, dass es nicht einfach ist, sich dem Schicksal zu ergeben. Ich fand es bedauerlich, dass Hans zu diesem Zeitpunkt in ihrem Herzen keinen größeren Platz eingenommen hat. Lisas Entscheidung für die Résistance hat später vielen Menschen das Leben gerettet.

Dank der sehr guten Recherche ist Caroline Bernard das Bild einer forschen starken Frau gelungen, die sich nicht blind einer Idee verschreibt, sondern auch Zweifel hat und sich selbst hinterfragt. Die Entschlossenheit von Lisa Fittko machte anderen Mut, obwohl sie in ihrem Leben auch von der ständigen Angst aufzufliegen, begleitet wurde. Sie war eine Meisterin im Organisieren. Viele Male geleitete sie bekannte und unbekannte Persönlichkeiten ihrer Zeit über eine feste Fluchtroute von Frankreich nach Spanien. Dabei stellt sie sich jedes Mal ihren eigenen Ängsten. Die Aktivitäten bleiben nicht unbemerkt und schließlich fliehen Hans und sie selbst.

Caroline Bernard setzt mit ihrem Roman „Die Wagemutige“ allen Frauen, die im Verborgenen im Widerstand gegen die Nationalsozialisten kämpften, ein Denkmal. Einfühlsam gelingt es ihr, eine gefühlvolle Seite der historisch verbürgten Person Lisa Fittko zu zeigen. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 28.09.2022

Raubkunst im 2. WK - geschickte Verbindung zwischen Fiktion und Fakten

Das neunte Gemälde
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Im Kriminalroman „Das neunte Gemälde“ von Andreas Storm steht das Thema Raubkunst im Mittelpunkt und in Bezug auf den Titel. Die Handlungszeit der Geschichte reicht von der Gegenwart zurück bis in das ...

Im Kriminalroman „Das neunte Gemälde“ von Andreas Storm steht das Thema Raubkunst im Mittelpunkt und in Bezug auf den Titel. Die Handlungszeit der Geschichte reicht von der Gegenwart zurück bis in das Jahr 1943, der kurze Prolog spielt im Sommer 1914. Die vordere und hintere Klappe des Buchs wurde ansprechend mit zwei Karten von Handlungsschauplätzen versehen.

Der Kunstexperte Lennard Lomberg mit festem Wohnsitz in Bonn, ein ehemaliger Mitarbeiter des Auktionshauses Christie‘s in London und ausgewiesener Experte für NS-Beutekunst, erhält einen seltsamen Anruf des Vertreters einer privaten Stiftung. Er wird, unter Androhung von persönlichen Konsequenzen, dazu aufgefordert, ein im Besitz der Stiftung befindliches Gemälde zurückzugeben. Der Anrufer behauptet, dass die Familie von Lomberg am Verschwinden des Bilds beteiligt war. Wenige Zeit später wird der Anrufer tot aufgefunden.

Der Autor erzählt detailliert, wie es im Jahr 1943 dazu kommen konnte, dass das Gemälde verschwindet. Den Raub siedelt er im Umfeld einer historisch verbürgten Verbrennung von Gemälden in Frankreich an. Lomberg versucht die Schatten aufzudecken, die über der Vergangenheit seines Vaters liegen. Er stößt dabei auf ein Netz von Alt-Nazis, die in den jungen Jahren der Bundesrepublik Deutschlands die Strukturen der Sicherheitsbehörden unterwandert haben.

Andreas Storm wählt für seine Darstellung der Ereignisse wieder den direkten Weg und lässt das Geschehen in den 1960er spielen. Die Nebenfiguren und -handlungen beschreibt er ausführlich, was meiner Meinung nach zu Längen führt und die Spannung ausbremste. Die Figuren sind vorstellbar gestaltet und gehören fast alle einer erlauchten Gesellschaft an, deren Umgangsformen an Konventionen und Förmlichkeiten gebunden sind.

Das Buch „Das neunte Gemälde“ greift unverbrauchte Themen auf. Geschickt verbindet Andreas Storm Fakten und Fiktion. Ich empfehle das Buch denjenigen, die Interesse haben an den Themen Kunstschutz der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg und Einfluss eines „Braunen Netzes“ beim Aufbau der Gefahrenabwehr der BRD.

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