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Veröffentlicht am 11.10.2022

Wenn man zur falschen Zeit geboren ...

Das Wolfsmädchen
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Christian Hardinghaus, 1978 geboren, ist Dr. phil. Er hat unter anderem Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft studiert. Im Bereich Propaganda- und Antisemitismusforschung promovierte er. Zudem ...

Christian Hardinghaus, 1978 geboren, ist Dr. phil. Er hat unter anderem Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaft studiert. Im Bereich Propaganda- und Antisemitismusforschung promovierte er. Zudem ist er noch Lehrer als auch Lektor wie Fachjournalist.

Er hat also alle Voraussetzungen, um in just seinem Schwerpunkt, eben der Erforschung des NS-Systems und des Zweiten Weltkrieges hervorragende Bücher zu verfassen.

Und dies ist ihm auch diesmal wieder gelungen. Er schreibt keineswegs akademisch abgehoben und trocken, sondern auf eine sehr nahbare Weise, sodass einem die individuellen Schicksale sehr nahe gehen und keinesfalls kalt lassen.

Die Wolfskinder thematisiert er in diesem Werk. Im Mittelpunkt steht das Los der zehnjährigen Ursula Dorn, die im eisigen Februar 1946 Königsberg verlässt, als den Hungertod zu sterben.

In Litauen helfen ihr Einheimische, unter anderem Bauern. Aber ein gnadenloser Kampf der litauischen Partisanen gegen die Sowjets lässt auch die auf sich gestellten Wolfskinder zwischen die Fronten geraten.

Nicht nur, dass in Königsberg zig letale Gefahren drohten, dort nun auch. Hat sie überhaupt eine Chance und wie könnte diese aussehen?

Der Autor braucht da wahrlich nichts hinzuzudichten, denn die nackte Realität ist grausam genug. In Kriegen und ihrem Nachspiel sind es immer die Schwächsten, die zermalmt werden. Frauen, Kinder, Alte, Kranke. Das hört anscheinend nie auf. Ist der eine Feind fort, taucht ein neuer auf. Destruktive Kräfte entladen sich gegen die falschen Gruppen, weil man die wahren Schuldigen nicht zu schnappen vermag.

Das Buch hat auch eine Fotostrecke. Es ist zudem ein enorm wichtiges Werk, um Humanität und Unmenschlichkeit in Zeiten des Krieges sowie danach aufzuzeigen. Wer vergisst, auch im kollektiven Sinne, tendiert dazu, verhängnisvolle Fehler zu wiederholen.

Sehr ergreifend und lange nachwirkend. Für den Rest ihres Lebens wünsche ich Ursula und all den anderen noch viel Glück sowie Freude. Danke, Christian Hardinghaus!

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Veröffentlicht am 11.10.2022

"Als nah ich der Verzweiflung stand"

Nacht. Ein Gedicht
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Ein episches Poem über 123 Seiten? Ist das überhaupt noch zeitgemäß? Meines Erachtens war es nie außer Mode, weil immergrün.

Im Reimschema abab, konsequent durchgehalten kann man hier ein hochemotionales, ...

Ein episches Poem über 123 Seiten? Ist das überhaupt noch zeitgemäß? Meines Erachtens war es nie außer Mode, weil immergrün.

Im Reimschema abab, konsequent durchgehalten kann man hier ein hochemotionales, bewegendes Werk auf sich wirken lassen. Mit Nachhall.

Ich persönlich mag alle gute Lyrik, egal ob nun gereimt oder nicht. Aber es gibt ja die Fraktion jener, die gereimte Texte durchaus bevorzugen, dann wäre dies hier auf jeden Fall ihre Wahl.

Liebe und schwarze Romantik paart sich hier zu einem Nachtstück der Seele. Man kann es natürlich zu jeder Tageszeit lesen, aber in den Stunden, wenn die meisten schlafen, wirkt es (bei mir) am Allerbesten.

Nicht, weil das hier ein Buch zum Schauern ist, sondern, weil eben des nachts jeder dem sich selber innewohnenden Abyssus am nächsten ist. Tagsüber, im schönsten Sonnenschein, nimmt man diesen in den dichten Schatten nicht so sehr wahr, wie eben in den stillen Stunden.

Und wer wahrlich ehrlich ist, ist sich bewußt, schon einmal zumindest den Anhauch des Wahnsinns gespürt zu haben. Ergeht es dem Protagonisten hier genauso? Wer weiß?

Edle Ausgabe, Hardcover mit Lesebändchen, aber das brächte nichts, wenn es am Inhalt krankte, was aber hier definitiv nicht der Fall ist. Ein Buch, dessen Wucht sich in die Synapsen einschreibt. Danke, Thomas Adamek!

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Veröffentlicht am 11.10.2022

Unbilden in filigranen Worten ...

Gewetter
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Jakob Leiner, der Lyriker par excellence, entspricht zum Glück so gar nicht seinem Familiennamen, weil er die Worte so gar nicht an die Leine nimmt.

Er als Arzt, aus Freiburg, hat ohnehin einen geschärften ...

Jakob Leiner, der Lyriker par excellence, entspricht zum Glück so gar nicht seinem Familiennamen, weil er die Worte so gar nicht an die Leine nimmt.

Er als Arzt, aus Freiburg, hat ohnehin einen geschärften Blick, aber das nimmt ihm keineswegs die poetische Verve.

In 52 hochintensiven Gedichten, die mal wieder dem Wort huldigen und eine Profundität enthalten, die einem sich manchmal auf überraschende Weise erschließt, präsentiert der Autor einem verschiedene Länder, in denen er war.

In chronologischer Reihenfolge. Deutschland, Schweiz, Slowakei, Frankreich, Österreich, Wales. Der Kosmopolit at his very best.

Die gewollte Verdichtung schwingt und singt in den Saiten der Seele, wie es nur die beste Lyrik vermag.

Und ich persönlich bin dergestalt noch nie von ihm enttäuscht worden. Meine Erwartungen wurden immer mehr als "nur" erfüllt.

Wer Gedichte und Sprache, überhaupt das Spiel mit Worten liebt, ist hier genau richtig.

10.02

Heidelberg

4 Uhr



nachts klopft es an der Tür

niemand macht auf

das muss wohl SABINE sein

sie kommt später als erwartet

ihre Vorboten hatten uns noch

am frühen Abend den

Infekt

beschert dessen Fieber

im Sturm enthalten ist

dann brachen wir

die Wanderung ab und auf

um nicht aus Versehen

ins Auge des Orkans zu geraten

welches

nun durchs Schlüsselloch linst

und träge blinzelt



tiktok



macht es

mit Atempausen dazwischen

dann wieder

ein Wüten in Natur und Körper.


Danke, Jakob Leiner!

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Veröffentlicht am 11.10.2022

Sind Tiere etwa frei von Gefühlen und Intelligenz?

Streicheln oder Schlachten
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Dr. Marcel Sebastian ist Experte für die Soziologie der Tier-Mensch-Beziehungen.

Viele Menschen sind im übertragenen Sinne "schizophren". Sie haben kein Problem damit, Haustiere zu vergöttern und aus ...

Dr. Marcel Sebastian ist Experte für die Soziologie der Tier-Mensch-Beziehungen.

Viele Menschen sind im übertragenen Sinne "schizophren". Sie haben kein Problem damit, Haustiere zu vergöttern und aus falsch verstandener "Tierliebe" sogar krank zu machen, aber Nutztiere?

Wer Fleisch isst, blendet aus, dass diese Tiere, jedes ein individuelles Lebewesen mit Emotionen und Intelligenz, ermordet werden, damit jemand grillen kann usw. Sie selber töten ja meist diese Tiere nicht.

Der Bogen wird von der Historie über die Gegenwart bis in die Ausblicke in die Zukunft gespannt. Alles hängt mit allem zusammen. Der Klimawandel eben direkt mit der Massentierhaltung, was allmählich bekannt sein sollte.

Wenn wegen Tierfutters, ja, und auch Veganern, (Soja), Regenwald abgeholzt wird, ist das äußerst fragwürdig.

Der Autor vermeidet Populismus und Polemik. Er schildert interessante Fakten und zeigt die Kluft deutlich auf.

Ich habe schon etliche Bucher über diesen Komplex gelesen und kann dennoch nie zuviel davon lesen, weil man mit jedem Werk etwas dazulernt. Man sieht auch grausame Bilder im Fernsehen und anderen Medien. Wird sich jemals etwas ändern?

Ich bin Vegetarierin und bleibe es auch. Wenn man Leute überzeugen will, heißt es in meinem Umfeld gleich: Sie spinnen wohl Titel. Der Mensch besucht doch Fleisch.

Petitionen unterschreiben hilft auch nur minimal. Der Autor beschreibt auch, wie jeder selbst aktiv werden kann.

Die EU verteilt Gelder an Großbauern und kümmert sich einen Dreck um kleine Biobauern.

Hier, bei uns auf dem Land, siehst du kaum noch eine Biene oder Schmetterling. Früher war die Lerche über den Feldern zu hören und heute? Ist die Erde zum Untergang verdammt? Scheint so.

Wie sagte schon Albert Schweitzer: Man sieht den Fortschritt einer Nation daran, wie sie ihre Tiere behandelt. Vielen Dank!

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Veröffentlicht am 11.10.2022

Eine Bank aus purem Nebel ....🌫

Wenn der Nebel schweigt
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Dieser Roman ist ein Alptraum im allerbesten Sinne und nichts für schwache Nerven.

Zu Anfang tat ich mich etwas schwer einzusteigen, aber das legte sich schnell, denn ich wurde von der düsteren Grundstimmung ...

Dieser Roman ist ein Alptraum im allerbesten Sinne und nichts für schwache Nerven.

Zu Anfang tat ich mich etwas schwer einzusteigen, aber das legte sich schnell, denn ich wurde von der düsteren Grundstimmung und den Protagonisten gepackt.

Ein kleines Dorf, irgendwo und meistens von einer Nebelhülle bedeckt. Jana hat einen triftigen Grund, dass sie keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater hat, denn er gilt als Tatverdächtiger im Mordfall ihrer Mutter, auch wenn das nie belegt werden konnte.

Sie kommt aber wegen eines Anrufs nach Hause. Sie ist entsetzt. Ihr Vater ist ein Messie geworden und will nichts mit ihr zu tun haben.

Jana fängt mit Nachforschungen an und gerät in ein Hornissennest. Sie wird zusammengeschlagen, beleidigt, belogen und herumgeschubst.

Menschen sind verschwunden. Der Tod scheint allgegenwärtig in diesem Dorf. Chris will ihr helfen. Kurt ist auch nett, Tante Gabi und die Oma aber nicht.

Was ist das alles für ein grausames Spiel? Sind Chris und Kurt je eine sichere Bank, oder sind sie nur Bänke aus purem Nebel?

Es ist nicht ungefährlich, aber Janas Ehrgeiz ist nun erst recht geweckt.

Sehr gut geschrieben. Ein surrealer Nachtmahr, in bester Stephen King-Manier In einer kleinen Stadt, aber ohne dass es der übersinnlichen Elemente bedürfte. Dazu ist der Nächste schon wandelnder Horror genug.

Verschiedene Zeitebenen gibt es zu Beginn und der Autor verwischt schön seine Spuren, dass man den Intentionen seines Plots nicht so schnell auf die Schliche kommt. Äußerst fesselnd. Jana ist eine überzeugende, starke Protagonistin. Auch positiv besetzte LGBTQI-Elemente sind enthalten.

Dafür fünf von fünf substantiellen Nebelkerzen (paradox? Nein! Dem Autor gelingt dieses Kunststück der substantiellen Nebelkerzen. Danke, Roman Klementovic!

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