Opfermond
Opfermond - Ein Fantasy-ThrillerMeinung
Aufgrund des Vortrag zum Thema „Die Do’s und Dont’s des phantastischen Weltenbaus“ durch Elea Brandt auf dem Litcamp 2017 waren meine Erwartungen an „Opfermond“ doch relativ hoch. Es sind oft ...
Meinung
Aufgrund des Vortrag zum Thema „Die Do’s und Dont’s des phantastischen Weltenbaus“ durch Elea Brandt auf dem Litcamp 2017 waren meine Erwartungen an „Opfermond“ doch relativ hoch. Es sind oft die kleinen Details, die eine fiktive Stadt oder ein fiktives Land zum Sturz oder Fall bringen können. Im Fall von „Opfermond“ ist die Erschaffung einer zwar nicht real existierenden, jedoch vom Setting her an den Orient unserer Welt angelehnten, Stadt wahrlich geglückt.
Was diesen phantastischen Thriller ausmacht, sind seine düsteren Gassen mit ihren zwielichtigen Gestalten. Es sind die Antihelden, die sich trotz ihres Wesens – in welcher Art auch immer – in die Herzen der Leser stehlen. Und es sind genau die oben genannten Details, durch die man sich in Straßen von Ghor-el-Chras versetzt fühlt.
Die vorherrschende Politik wird durch die Kirche und den Hohepriester bestimmt. Schutz für die Bewohner der Stadt oder ein Sozialwesen gibt es nicht. Dementsprechend rau geht es auf den Straßen vor. Die Menschen sind arm, dreckig und krank und viele von ihnen üben nicht all zu ruhmreiche Berufe aus, um sich über Wasser halten zu können. Und in all diesem Elend wird der Leser durch eine erzählende Sicht mit den beiden Protagonisten Varek und Idra auf die Suche nach einem Mörder geschickt.
Varek erfüllt dabei alle Punkte, die man von einem klassichen Antihelden erwartet, was auch dazu geführt hat, dass ich ihn teilweise mochte, was jedoch durch bestimmte Handlungen wieder aufgehoben wurde. Sein Charakterprofil ist schlüssig ausgebaut und seine Handlungen immer nachvollziehbar. Nach außen wirkt er stets hart und kühl, was bei seinem Beruf angemessen erscheint. Doch nachts kommen seine wahren Ängste zum Vorschein. Varek ist dadurch ein vielschichtiger und interessanter Charakter, wenn auch kein liebenswerter.
Im Gegensatz dazu stehe ich mit Idra nach wie vor auf dem Kriegsfuß. Auch wenn man ihr hartes Leben auf der Straße berücksichtigt und in Bezug auf ihren einzigen richtigen Freund so etwas mit Mitgefühl durchblitzt, ist mir ihr Charakter zu unnahbar und brüsk. Durch ihre Herkunft wirkt sie sehr einfach, was auch in den Dialogen mit ihr stark zum Ausdruck gebracht wird. Technisch und erzählerisch passt dies hervorragend, ich selbst finde es immer ein wenig anstrengend, solche Charaktere über viele Seiten hinweg zu verfolgen.
Die Handlungsstränge der beiden Charaktere werden in einem perfekten Timing miteinander verwoben und laufen zusammen, ohne dabei Längen zu erzeugen. Sie sind beide auf ihre eigene Art durchtrieben und verdorben. Würde man sie in eine andere Geschichten setzten, wären sie sicher sehr abschreckend. In dieses Setting eingefügt, passen sie jedoch sehr natürlich in ihre Umgebung. Andere Wesenszüge wären unpassend und nicht nachvollziehbar, jedoch hätte ich mir teilweise einfach mehr „Menschlichkeit“ bei ihnen gewünscht. Nach manchen ihrer Taten stellte ich mir unweigerlich die Frage, ob diese oder jene nicht doch zu viel war. Selbst Antihelden sollten ein gewisses Maß an Punkten erfüllen, dass man sich mit ihnen identifizieren kann.
Das Setting ist, wie oben bereits schon einmal angemerkt, obwohl es sich um eine Fiktion handelt, wahnsinnig authentisch gestaltet worden. Man merkt der Autorin ihre Kenntnisse – die sie durch Pen&Paper Rollenspiele wie „Das schwarze Auge“ erlangen hat – an, da sie diese wirklich gut in ihre Erzählung einfließen lassen hat. Auch wenn man quasi direkt ins kalte Wasser geschmissen wird, decken sich die Geheimnisse Ghor-el-Chras erst nach und nach auf und als Leser erhält man so schrittweise einen Einblick in die Gebräuche, die Politik und den Glauben. Und auch das Phantastische wird einem nicht direkt am Anfang um die Ohren gehauen. Es entfaltet sich ebenfalls Stück für Stück, dafür aber mit voller Wirkung. Opfermond ist ein Roman, den man nicht so einfach wieder aus den Händen legen kann.
Erzählerisch wechselt sich die wunderschöne Schreibweise Eleas mit ihren detailreichen, jedoch nicht überladenen, Ausführungen mit den derben und fluchenden Dialogen der Figuren ab. Auch wenn sich der Plot bereits im Vorfeld interessant und spannend angehört hat, war die Mischung aus Fantasy und Thriller eine ganz neue Erfahrung für mich. Normalerweise bevorzuge ich die beiden Genres getrennt von einander. In meinen Augen ist diese Verschmelzung jedoch sehr geglückt.
Fazit
„Opfermond“ ist ein düsterer Thriller mit einem orientalischem Setting und phantastischen Elementen, der sich vom derzeit erscheinenden Einheitsbrei abzuheben weiß. Eine Leseempfehlung für Fans von blutigen Geschichten und derben Antihelden und für Leser geeignet, die Mord, Totschlag und nicht immer freiwilligen Sex nicht abschrecken können.