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Veröffentlicht am 15.10.2022

Weihnachtsflair in London

All I (don’t) want for Christmas
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All I (don’t wan’t) for Christmas
Tonia Krüger

Ach, da ist es wieder: Ein etwas kitschiges Cover und eine Liebesgeschichte - mag ich doch eigentlich gar nicht. Aber mittlerweile sollte ich aufhören diesen ...

All I (don’t wan’t) for Christmas
Tonia Krüger

Ach, da ist es wieder: Ein etwas kitschiges Cover und eine Liebesgeschichte - mag ich doch eigentlich gar nicht. Aber mittlerweile sollte ich aufhören diesen Satz immer zu wiederholen, denn in der Vergangenheit haben mir doch so einige Liebesgeschichten gefallen und für das Weihnachtsflair mag ich Geschichten, die in der Weihnachtszeit spielen und wo ich gerade dabei bin, ich kann es gleich vorwegnehmen:
5 Sterne von mir. So eine liebenswerte Geschichte! 💫🎄Ich bin noch ganz beseelt.

Worum geht es:
Febe hat keine Familie. Ihren Vater hat sie nie kennengelernt, ihre Mutter ist seit dem Tsunami in Thailand verschwunden, wahrscheinlich gestorben und nun ist auch noch ihre Grossmutter kürzlich verstorben.
Ausser ei
nem Haus und Schulden wurde ihr nur ein Hund vererbt.
Da sie Weihnachten nicht alleine sein möchte und ein ein bisschen Geld gut gebrauchen kann, nimmt Febe das Angebot eines Bekannten an, ihn für die Weihnachtswoche zu seinen Eltern nach Kensington, als Fake-Freundin, zu begleiten. Er möchte seine Ex-Freundin Charlotte eifersüchtig machen und sie zur Umkehr bewegen, denn sie ist mittlerweile mit seinem Bruder liiert.
Ob dieser Plan aufgeht, müsst ihr selber herausfinden, denn ich muss jetzt Plätzchen backen und den Tannenbaum schmücken und habe leider keine Zeit mehr hier zu schreiben.

Der Schreibstil ist locker, leicht und ❤️erwärmend und genau das Richtige für kalte Wintertage🍷🔥.
Eine klitzekleine Anmerkung an den Verlag: Für meinen Geschmack ist das Buch zu früh erschienen (21. September 22). Gerne hätte ich es in der Vorweihnachtszeit gehört/gelesen.
Die Sprecherin des Hörbuches gefiel mir sehr! Marylu Poolmann hat eine wunderbare Stimme und passt perfekt zu der Protagonistin.
Klare Leseempfehlung für alle, die in Weihnachtsstimmung kommen wollen!

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Veröffentlicht am 21.09.2022

Hochbrisante Geschichte

Diese eine Entscheidung
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Diese eine Entscheidung
Karine Tuil,
aus dem Französischen von Maja Ueberle-Pfaff


Alma ist 49 Jahre alt und hat drei Kinder, sie ist Ermittlungsrichterin in der Abteilung Terrorismusbekämpfung in Paris. ...

Diese eine Entscheidung
Karine Tuil,
aus dem Französischen von Maja Ueberle-Pfaff


Alma ist 49 Jahre alt und hat drei Kinder, sie ist Ermittlungsrichterin in der Abteilung Terrorismusbekämpfung in Paris. Sie koordiniert ein Team, bestehend aus elf Anti-Terror Richtern und Staatsanwälten. Diese Richter agieren im Verborgenen. Sie führen Ermittlungen durch, sie befragen Verdächtige und deren mutmaßliche Komplizen, sie sprechen mit den Angehörigen der Opfer. Sie erheben keine Anklage, sie befassen sich nicht mit der Schuld. Ihre Aufgabe ist die Beweiserhebung und die Klärung des Sachverhalts, sie entscheidet am Ende darüber, ob ein Verdächtiger freigelassen oder in Haft bleibt.

Der 21-jährige Abdeljalil Kacem ist gemeinsam mit seiner jungen Frau Sonia und deren Baby an der Grenze von Syrien in die Türkei festgenommen wurden. Beide haben vor über einem Jahr Frankreich verlassen, ohne ihre Familien vorab zu informieren. Angeblich wollten sie nicht mehr in einem Land der „Ungläubigen" wohnen, ihre Idee war es, in Syrien für eine humanitäre Hilfe zu arbeiten. Dem jungen Paar gefiel es aber nicht in Syrien, ''sie hätten sich das anders vorgestellt'', ''man habe sie auch räumlich voneinander getrennt''. Sie wollten sofort zurück, doch Soldaten hatten ihnen ihre Pässe abgenommen.

Rückkehrer aus Syrien werden automatisch verhaftet. Alma und ihren Kollegen obliegt es, herauszufinden, ob Kacem zu einem Krieger oder Schläfer des IS ausgebildet wurde.
Auf Kacems Handy befinden sich Videos von Enthauptungen. Vor der Ausreise aus Frankreich wurde er plötzlich extrem religiös und Sonia konvertierte zum Islam.
Die Entscheidung, ihn aus der Haft zu entlassen, ihn als ungefährlich einzustufen, könnte bei einer Fehleinschätzung für viele Menschen in Frankreich fatale Folgen haben.

Tuil schreibt ihr Buch in zwei Erzählsträngen:
- Die Befragung des Inhaftierten Kacem
- Das berufliche und persönliche Leben der Richterin Alma

Karine Tuil hat hier ein ganz besonderes Buch, mit einem hoch brisanten, zeitgenössischem Thema geschrieben. Gut recherchiert, mit viel Gefühl baut sie in den ersten Seiten den Spannungsbogen auf, der bis zum Ende nicht abbricht. Das Buch liest sich wie ein Krimi und ich interpretiere aus der Danksagung am Ende des Buches heraus, dass einiges hier in der Geschichte auf einer wahren Begebenheit beruht.

Dieses Buch hat den Weg zu mir nur durch einen Zufall gefunden und leider muss ich auch sagen, dass ich an dem Buch, bezüglich des eher unscheinbaren Covers, wahrscheinlich vorbeigelaufen wäre.
Ich bin jetzt doppelt froh, dass ich dieses Buch lesen durfte, denn dieses ist ein absoluter #highlight.
5+/ 5

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Veröffentlicht am 17.09.2022

Feines Buch, ohne hast geschrieben, dafür mit Tiefgang

Kleine Dinge wie diese
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Für mich das schönste Buchcover des Jahres 2022:

Kleine Dinge wie diese
Claire Keegan,
aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser

New Ross, Irland im Südosten:
Obwohl Bill Furlong 1946 als unehelicher ...

Für mich das schönste Buchcover des Jahres 2022:

Kleine Dinge wie diese
Claire Keegan,
aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser

New Ross, Irland im Südosten:
Obwohl Bill Furlong 1946 als unehelicher Sohn eines Hausmädchens geboren wurde, wuchs er privilegiert auf. Die Hausherrin und Chefin seiner Mutter, Mrs. Wilson, hatte keine eigenen Kinder und so durfte seine Mutter in Anstellung bleiben und bei ihr wohnen. Dort wurde er bescheiden und gottesfürchtig erzogen, und als seine Mutter früh starb, blieb er bis zu seiner eigenen Hochzeit bei Mrs. Wilson im Hause wohnen.

1985: Jahre später ist Furlong ein selbständiger Brennmaterial- und Kohlenhändler, hat eine Frau und fünf Töchter. Er ist ein strebsamer und freundlicher Mann, meidet die Irischen Pubs und ist ein liebevoller Vater.
Irland versinkt in Arbeitslosigkeit, doch Furlongs Geschäfte laufen gut und bei ihm darf man anschreiben. Für die Armen hat er immer ein wenig Kleingeld in der Tasche.

Über der Stadt thront ein Kloster. Wohlhabende Leute bringen ihre Wäsche dorthin. Junge Frauen waschen diese weißer, als sie je waren.
Dabei hinterfragt keiner im Dorf, was es mit den jungen Frauen auf sich hat, woher sie kommen oder wohin sie gehören. Das ganze Dorf nimmt diese Frauen als gegeben hin.

Kurz vor Weihnachten beliefert Furlong das Kloster mit Brennmaterial. In dem Kohlenkeller findet er ein Mädchen eingesperrt vor.
Diese Begegnung und auch die empathielose Reaktion seiner Frau, nachdem er ihr von dem Vorfall erzählt, führen dazu, dass er sein ganzes Leben neu überdenkt.

Das kleine, schmale Buch mit gerade einmal 105 Seiten hat Tiefgang. Keegan verbindet eine fiktionale Geschichte mit einer traurigen historischen Tatsache, nämlich die der Magdalena-Wäschereien, die erst 1996 geschlossen wurden. (Schwangere) Mädchen und Frauen wurden in diesen Einrichtungen versteckt und zur Arbeit gezwungen. Unzählige Frauen und Babys starben.

Unglaublich ausdrucksstark! Viel zu schnell war dieses Buch gelesen.
Große Leseempfehlung von mir.

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Veröffentlicht am 15.09.2022

Schiller war gestern, heute ist es Schmidt

Tell
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Habt ihr Wilhelm Tell früher auch in der Schule gelesen? Entschuldigung, lesen müssen? Ich meine das Buch mit der Sage über den Schweizer Nationalhelden? Der mit dem Apfel! Ahhh … gut, ihr erinnert euch! ...

Habt ihr Wilhelm Tell früher auch in der Schule gelesen? Entschuldigung, lesen müssen? Ich meine das Buch mit der Sage über den Schweizer Nationalhelden? Der mit dem Apfel! Ahhh … gut, ihr erinnert euch!

Hier kommt der moderne Tell, sozusagen Tell reloaded:

Tell
Joachim B. Schmidt

Es ist die Geschichte von Wilhelm Tell, der sich mit der falschen Person anlegt - nämlich mit dem Habsburger Landvogt Gessler.
Tell, der eigentlich ein einfacher Bergbauer ist, von jeher ein Eigenbrötler und sehr stur, lehnt es ab sich vor dem Hut des Vogtes zu verbeugen. Als Strafe soll er, aus 50 Schritte Entfernung, mit der Armbrust, auf einen Apfel schiessen, der zuvor auf den Kopf seines Sohnes gelegt wurde. Zum Leidwesen der Habsburger gelingt Tell dieser Schuss: Der Sohn sackt unverletzt zu Boden und der Apfel wurde von dem Pfeil in vier Teile gespalten. Trotz des Erfolges soll Tell bestraft werden. Er wird festgenommen und abgeführt. Doch Tell gelingt die Flucht und sinnt nach Rache. …

Das besondere an diesem Buch ist, dass mehr als 20 Personen aus der Ich-Perspektive die Geschichte erzählen. So kommen u.a. seine Familie, der Pfarrer, der Vogt, die Soldaten und seine Söhne zu Wort.
Die neue Interpretation von Tell ist dem Autor Joachim B.Schmidt großartig gelungen. Die kleinen kurzen Kapitel lasen sich für meinen Geschmack viel zu schnell. Ein grossartiges Buch und eine Leseempfehlung von mir!
5 /5

P.S Lehrer, habt ihr gut aufgepasst? Schiller war gestern, heute ist Joachim B.Schmidt! Bringt dieses Buch an die Schulen!

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Veröffentlicht am 28.08.2022

Toxische Ehe

Lügen über meine Mutter
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''Schämst du dich nicht? Wie kann man so überhaupt kein Schamgefühl haben? Deine eigene Tochter schämt sich für dich! Friss endlich die Hälfte! Wie siehst du wieder aus? Du bist zu fett! Bei dir sind Hopfen ...

''Schämst du dich nicht? Wie kann man so überhaupt kein Schamgefühl haben? Deine eigene Tochter schämt sich für dich! Friss endlich die Hälfte! Wie siehst du wieder aus? Du bist zu fett! Bei dir sind Hopfen und Malz verloren. Du hast Fettsucht! Fett und Schizophrenie, Du bist krank im Kopf! ''

Lügen über meine Mutter
Daniela Dröscher,
gesprochen von Sandra Voss

Elas Mutter ist zu dick, findet der Vater. Er beobachtet sie beim Essen, zwingt sie auf die Waage und lässt keine Gelegenheit aus, sie bloßzustellen und zu demütigen.
Dabei hat die 6-Jährige Ela überhaupt nicht das Gefühl, dass ihre Mutter zu dick ist. Doch ihr Vater ist da anderer Meinung.
Der Vater, der jede Minute für sich Bestätigung sucht, sich in der Firma unabkömmlich fühlt und sich sicher ist, dass '‘ohne ihn’’ sowieso nichts funktioniert. Darüber, dass er nicht genug Geld verdient, um die Familie alleine zu ernähren, wird nicht gesprochen.

Elas Mutter, die zwar eine Zugezogene ist, verdient gut, trotzdem wird das von ihrem Mann nicht gewürdigt und eher zum Anlass genommen, über ihre Arbeit herzuziehen.
Dabei ist die Mutter eine Frau mit vielen wunderbaren Werten, die sich wiederum um ihre kranke Mutter kümmert und für jeden Bedürftigen Zeit und Geld übrig hat. Sie springt von einer Diät in die nächste und lernt erst langsam sich gegen ihren Mann aufzulehnen.

„Zu arm, zu krank, zu dick oder zu schwach. Mein ganzes Leben lang ist immer irgendwas an mir zu wenig gewesen. Oder zu viel!“ (Section 153)

Ela ist in ständiger Alarmbereitschaft, da sie befürchtet, ihr Vater könne ihre Mutter verlassen. Der beleibte Umfang der Mutter ist ein Dauerthema im Hause.
Den Konflikt, den Ela zwischen ihren Eltern erlebt, stellt sie auf permanente Zerrissenheit, weil sie die Beziehung der Eltern schützen und retten will.

Doch wie würde sich der ewig nörgelnde und beleidigende Vater bei plötzlichen Reichtum verhalten?

Ela erzählt ihren autobiographisch inspirierten Roman aus zwei Ich-Perspektiven: Die kindliche Ela und die erwachsene Ela, die sich für ihren Roman im Austausch mit ihrer Mutter befindet.


Es ist eine aufwühlende und fesselnde Geschichte, die in den 80er Jahren im kleinen Dorf Hunsrück, spielt. Der Schreibstil ist leicht und sofort ist man als stiller Beobachter mitten im Familiendrama. Die Sogwirkung, die die fantastische Sprecherin des Hörbuches Sandra Voss aufbaut, lässt einen bis zum Ende nicht mehr los.
Der Vater, der Patriarchat, der Mann im Haus, hat Gefühle in mir ausgelöst, die am besten mit Wut, Ablehnung und Nichtverständnis beschrieben werden können.
Für mich ist dieses Buch zu Recht auf der Longlist und nominiert für den Deutschen Buchpreis 2022.

Ich drücke Daniela Dröscher meine Daumen und wünsche dem Buch eine große Leserschaft.
Große Leseempfehlung und 5/ 5 Sterne von mir.

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