Auch in den dunkelsten Zeiten gibt es Hoffnung
Die Wiege der HoffnungLang ersehnt war ich sehr froh das neuste Buch von Tara Haigh lesen zu dürfen und ohne etwas vorweg zu nehmen, es war meiner Meinung nach das bisher beste Buch von ihr, auch wenn die anderen natürlich ...
Lang ersehnt war ich sehr froh das neuste Buch von Tara Haigh lesen zu dürfen und ohne etwas vorweg zu nehmen, es war meiner Meinung nach das bisher beste Buch von ihr, auch wenn die anderen natürlich auch toll sind. Dieses Buch hat mich auf eine unglaubliche und einzigartige Weise mitgenommen, berührt und es lässt mich nicht mehr los. Doch worum geht es eigentlich?
In diesem Roman nimmt uns Tara Haigh mit in eines der dunkelsten Kapitel unseres Landes, wenn nicht sogar in das schwärzeste Kapitel der deutschen Geschichte. Als Leser verfolgen wir die Geschichte von der Protagonistin Louise Rosenbaum. Louises Familie besitzt eine Apotheke und die Eltern hoffen natürlich, dass ihre Tochter in deren Fußstampfen tritt. Dies kann Louise jedoch nicht, da ihr als Jüdin ein Pharmaziestudium verwehrt bleibt, aber Louise hat eh die Liebe zur Kunst für sich entdeckt. Das gerade diese Liebe zur Kunst ihr und ihrer Familie erst mal Sicherheit bringt hätte Louise sich nicht vorstellen können, denn aus Liebe zur Kunst kollaboriert sie mit den Nazis um bedeutende Kunstwerke zu retten. Aber sie rettet nicht nur die Kunst vor dem Feind, sondern verhilft anderen Juden unter Bedrohung ihres eigenen und das ihrer Familie zur Flucht. Doch auch für Louise zieht sich die Schlinge zu und sie wagt gemeinsam mit ihrem geliebten Emilio die Flucht. Das Ziel: Apulien, Emilios Heimat und die Wiege der Hoffnung für viele Juden, die in Palästina ihre Zukunft sehen.
In diesem Roman öffnet Tara Haigh den Lesern die Augen für die grausamen Verbrechen der Nazi-Zeit. Im Vordergrund stehen Themen wie die Enteignung jüdischer Haushalte, aber auch die Verfolgung und Flucht von Juden. Dadurch, dass wir als Leser diese geschichtlichen Ereignisse aus den Augen der Protagonistin Louise erleben, gehen einem die Erlebnisse tief unter die Haut, anders wie bei einem wissenschaftlichen Text aus dem Geschichtsbuch. Auch wenn Louise ein fiktiver Charakter ist erscheint sie so lebendig und ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht nur eine „Louise“ in Berlin und anderen Städten gab, die versucht hat im Verborgenen zu helfen, so sehr wie sie konnten. Auch regt das Gelesene zum Nachdenken an, denn auch wenn Louise hilft wo es nur geht, kollaboriert sie dennoch mit dem Feind, was viele ihrer Glaubensbrüder und Schwestern kritisch beobachten und auch Louise hegt immer wieder Zweifel. Dieses intensive Nachdenken hat mich lange beschäftigt, was mir persönlich gefallen hat, denn so bekommt man doch einen anderen Blick auf die Geschichte. Und ich weiß nicht, ob ich wie Louise und zahlreiche reale Menschen den Mut gehabt hätte gegen die Nazis zu arbeiten, auch nicht im Geheimen. Durch Louise und die anderen Charaktere durchlebt man die unterschiedlichsten Gefühle, die so intensiv beschrieben werden, dass ich beim Lesen oft nicht mehr unterscheiden konnte, ob es noch die Emotionen der Charaktere sind oder meine eigenen. Aber nicht nur ernste Themen spielen eine Rolle, denn Louises Liebe zu Emilio schafft einen emotionalen Ausgleich und es ist sehr schön zu lesen, wie sich die beiden näherkommen.
Die Autorin hat die Charaktere mit so viel Liebe und Sorgfalt gestaltet, dass sie nicht nur lebendig erscheinen, sondern auch ans Herz wachsen, die meisten zumindest. Louise ist für mich mein bisher liebster Buchcharakter, aus allen Büchern die ich je gelesen habe. Wir Leser begleiten sie von ihrer Schulzeit, in der wir sie als intelligente Schülerin erleben, über ihre Studienzeit, die in einem ganz anderen Sinne aufregend ist wie bei heutigen Studenten bis zu ihrer Flucht nach Italien. Ihre Weiterentwicklung über die Kapitel hinweg, hat mich sehr beeindruckt, denn sie ist nicht nur schlau, sondern auch selbstreflektierend und hat ihr Herz am rechten Fleck, auch wenn es für sie nicht immer einfach ist. Aber auch die anderen Familienmitglieder sind detailgetreu gestaltet worden. Besonders interessant waren die verschiedenen Ansichten der einzelnen Familienmitglieder zu den aktuellen Geschehnissen im Land, vor allem auch wie sich diese Ansichten im Laufe der Jahre verändert haben. Während Louises Mutter von Anfang an skeptisch ist und am liebsten ihre Sachen packen will, spielt ihr Vater die Ereignisse herunter und ihr Bruder, der seine Zukunft in der Schauspielerei sieht, schlägt sich eh mehr auf die Seite der Nazis als die der Juden. Was mich auch sehr gepackt hat waren die Ansichten der deutschen Schulkameraden und Kunden in der Apotheke, auch wie Juden in der Öffentlichkeit präsentiert wurden und wie sehr die Bürger diese Geschichten geglaubt haben.
Das Gelesene erschüttert auch, gerade die Szene der Rassenkunde in der Schule hat mich sehr ergriffen, was ein Unsinn damals verbreitet wurde. Die Ereignisse machen einen sprachlos, machen traurig und nehmen einen mit, aber dennoch bleibt immer ein Funken Hoffnung. Die Handlung ist unglaublich spannend, denn Louise riskiert sehr viel und nicht nur sie hatte Angst, dass sie erwischt wird. Die Spannung gipfelt in der Flucht nach Apulien, bei der ich nicht nur einmal den Atem vor Spannung angehalten habe. Italien war ein weiteres Highlight für mich. Die Landschaft und die Landsleute werden so bildlich beschrieben, dass ich das Gefühl hatte dort zu sein. Auch habe ich viele spannende Fakten über Apulien erfahren.
Ich kann dieses Buch wirklich jedem empfehlen, denn es fesselt unglaublich, lässt einen nicht mehr los und beschert einem viele spannende Lesestunden, denn der Schreibstil nimmt den Leser einfach mit. Das Buch ist mein neues Lieblingsbuch und ich weiß schon jetzt, dass ich dieses Buch noch mehrmals lesen werde.