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Veröffentlicht am 31.10.2022

Die Schweiz der Zukunft

Der Wille des Volkes
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Mit um die Siebzig hat der pensionierte Journalist Kurt Weilemann nicht mehr viel zu tun. Hin und wieder darf es ein Nachruf sein 1200 Zeichen, für mehr ist kein Platz. Da meldet sich sein alter Kumpel ...

Mit um die Siebzig hat der pensionierte Journalist Kurt Weilemann nicht mehr viel zu tun. Hin und wieder darf es ein Nachruf sein 1200 Zeichen, für mehr ist kein Platz. Da meldet sich sein alter Kumpel Felix Derendinger und sie verabreden ein Treffen. Von Angesicht zu Angesicht wirkt Derendinger sehr ängstlich, fahrig und nervös. Er sei einer großen Sache auf der Spur. Nur kurze Zeit später ist Derendinger tot. So wie beschrieben kann er nicht gestorben sein, sollte er ermordet worden sein? Ist Weilemann etwa auch in Gefahr? Weilemann will wissen, was geschehen ist.

Eigentlich ist man mit siebzig nicht alt und so will es Weilemann nochmal wissen. Schließlich hat er vor Jahren mal einen Fall aufgeklärt, der schon auf andere Weise gelöst schien. Vielleicht kann so ein Clou nochmal gelingen. Nach der Beerdigung lernt Weilemann die junge Eliza kennen, die eine Freundin von Derendinger war. Gemeinsam gedenken sie des Toten und sie bestärkt Weilemann darin, den Tod des Freundes genauer zu untersuchen. Doch wo anfangen, schließlich hatten sich die Männer ewig nicht gesehen. Zum Glück kann Eliza mit dem Wohnungsschlüssel Derendingers aushelfen. Da ist dann sogar die knarrende Hüfte des Kurt Weilemann, genannt kw, egal.

Kurt Weilemann wirkt mit seinen siebzig Jahren irgendwie tatteriger als es nötig wäre. Seine Abschweifungen, die schmerzende Hüfte, seine Teilnahmslosigkeit, da kennt man andere in dem Alter, die dem Leben mehr zugewandt sind. Und doch ist Weilemann gewieft und er ist in der Lage, den verschlüsselten Hinweisen Derendingers zu folgen. In einer Schweiz, von der man hofft, dass sie so nie existieren wird, sucht er nach dem mutmaßlichen Mörder seines Kumpels. Dass er dabei den Fängen der Täter immer näher kommt, lässt einen erschauern. Auch wenn der Roman nicht richtig zündet, weil Weilemann zwar schlau, aber gleichzeitig auch dem Schicksal ergeben wirkt, will man doch wissen, was hinter allem steckt. Mal wieder wird klar, dass die Menschen sich ihr Grab mit Freude selbst graben.

Veröffentlicht am 28.10.2022

Der unverliebte Toni

Die Mauersegler
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In mittleren Jahren hat es Toni immerhin zum Philosophielehrer gebracht, zu einer geschiedenen Ehe und einem Sohn, der bei der Verteilung der Intelligenz nicht zugelangt hat. Am liebsten ist ihm wohl noch ...

In mittleren Jahren hat es Toni immerhin zum Philosophielehrer gebracht, zu einer geschiedenen Ehe und einem Sohn, der bei der Verteilung der Intelligenz nicht zugelangt hat. Am liebsten ist ihm wohl noch sein Hund Pepa. Eines Tages beschließt Toni, es reicht, in genau einem Jahr wird er sich das Leben nehmen. Und bis dahin wird er jeden Tag aufzeichnen. An was er sich erinnert, was ihm wichtig erscheint oder auch nur die alltäglichen kleinen Dinge. Und neben seiner niedergedrückten Stimmung freut er sich über die Dinge, die er nie wieder tun muss.

Über 800 Seiten, jeden Tag, jeden Monat lässt Toni den Leser oder die Leserin an seinem Leben teilhaben, dass sich nun dem Ende entgegen neigen soll. Sein Elternhaus war oft nicht leicht zu ertragen. Seine Ehe mit Amalia auf Wolke sieben gestartet hat doch eine harte Landung hingelegt. Und auch sein Sohn, auf dem alle Hoffnungen lagen, ist nur normal. Seinen besten und einzigen Freund, der bei einem Anschlag einen Fuß verloren hat, nennt er insgeheim Humpel. Und so beginnt Tonis letztes Jahr mit Gemecker und Genörgel. Kann es etwas geben, was seinen Entschluss ändert? Etwa Pepas treue Augen, der er eigentlich nicht im Stich lassen kann.

Der Ansatz dieses Romans weckt großes Interesse. Wie denkt jemand, der sich umbringen will, wie geht er sein letztes Jahr an, was sind die Gedanken und Erinnerungen, die Toni gerne hinterlassen möchte, ändert sich etwas im Laufe des Jahres. Leider stellt sich heraus, dass Toni ein eigenbrötlerischer Charakter ist, der den Eindruck erweckt, dass er den Misserfolgen viel zu lange hinterher hängt. Seinen einzigen Freund belegt er mit einem blöden Spitznamen und hat dann noch nicht mal den Mut, das offen auszusprechen. Wer will Toni retten? Man kommt bei der Lektüre des Buches, das den Weg auf die Wunschliste gefunden hat, weil man es mögen wollte, an den Punkt, an dem man sich fragt, ob man weiterlesen möchte. Wenn man sich befreit vom Wunsch des mögen wollens, kommt man mit der Lektüre gut voran, weil der Autor sehr gut mit Sprache umzugehen weiß. Wenn dieser Roman inhaltlich enttäuscht, kann das ja auch an der Person liegen, die vor den Zeilen sitzt. Der Autor jedenfalls hat eine tolle Idee verarbeitet.

Veröffentlicht am 17.10.2022

Novemberabend

Totenblass
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Eines Abends im November spürt der Hund eines Obdachlosen eine weibliche Leiche auf. Kommissar Joachim Fuchs und seine neue Kollegin, die Fallanalystin Lara Schuhmann von der Kripo Frankfurt werden an ...

Eines Abends im November spürt der Hund eines Obdachlosen eine weibliche Leiche auf. Kommissar Joachim Fuchs und seine neue Kollegin, die Fallanalystin Lara Schuhmann von der Kripo Frankfurt werden an den Fundort gerufen. Die junge Frau ist offensichtlich nicht eines natürlichen Todes gestorben. Genauere Untersuchungen bringen die Ermittler auf den Gedanken, dass der Täter nicht das erste Mal gemordet hat. Ein Serienkiller in Frankfurt, keine schöne Vorstellung. Am besten wäre es natürlich, den Mord schnellstmöglich aufzuklären. Zunächst muss das Opfer identifiziert werden. Dass ausgerechnet Staatsanwalt Becker die Ermittlung leitet, ist für Kommissar Fuchs nicht gerade erfreulich.

Mit diesem ersten Band einer Reihe werden die Frankfurter Ermittler Fuchs und Schuhmann vorgestellt. Lara Schuhmann soll das Team ergänzen und mit den Erfahrungen, die sie in der Schweiz und in Amerika gesammelt hat, etwas frischen Wind bringen. Der geschiedene Fuchs ist ein gewiefter Kommissar, der manchmal seinen eigenen Weg geht, was dem Staatsanwalt nicht immer gefällt. Als eine weitere Frau von einer Freundin als vermisst gemeldet wird, ergeben sich erste Spuren und auch Ähnlichkeiten. Auch die Freundin der Verschwundenen ist ist im medizinischen Bereich tätig. Eine fieberhafte Suche beginnt, vermutlich befindet sich die verschwundene junge Frau in großer Gefahr.

Bei den Untersuchungen in ihrem ersten Fall werden die neuen Kollegen noch ein wenig zurückhaltend geschildert. Besonders Lara Schuhmann hält sich zurück. Als Team ergänzen sich Fuchs mit seiner Erfahrung und Schuhmann mit dem frischen Ansatz gut. Der Fall erweist sich als kompliziert und nicht leicht zu entschlüsseln. Zwar werden einige Schilderungen hin und wieder etwas zu ausführlich vorgenommen, doch grundsätzlich baut sich Spannung auf und die Auflösung überrascht. Vielleicht sollte man im Blick behalten, dass es sich um den Start einer Reihe handelt, bei dem noch nicht alles offenbart werden soll, so dass das Vage durchaus gewollt ist. Ob einem eine Reihe mit einer fortlaufenden Rahmenhandlung gefällt, muss jeder selbst entscheiden. Insgesamt liest sich dieser Thriller flüssig und kurzweilig.

Veröffentlicht am 18.09.2022

Neuanfang

Die im Dunkeln sieht man nicht
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Im Jahr 1950 kehrt der Schriftsteller Karl Wieners aus Berlin nach München zurück. Er hat im Krieg alles verloren, insbesondere seine Familie, aber auch seinen Willen zu schreiben. Dennoch nimmt er das ...

Im Jahr 1950 kehrt der Schriftsteller Karl Wieners aus Berlin nach München zurück. Er hat im Krieg alles verloren, insbesondere seine Familie, aber auch seinen Willen zu schreiben. Dennoch nimmt er das Angebot seines alten Kumpels Georg an, für die Zeitschrift, welche dieser neu auflegen will, zu recherchieren. Dass seine Nichte Magda hinter diesem Angebot steht, weiß Karl nicht. Kommissar Ludwig Gruber, mit dem Karl zur Schule gegangen ist, ermittelt in einem Mordfall. Ein Spediteur wurde ermordet und aus seinem Büro wurde ein Bild gestohlen. Hängt dies vielleicht mit dem Verschwinden der Bilder zusammen, deren Spuren sich bei Kriegsende verloren?

Bei diesem zeitgeschichtlichen Kriminalroman um Karl Wieners, seine Nichte und Kommissär Gruber handelt es sich um den ersten Band einer Trilogie. Der zweite Weltkrieg ist noch nicht so lange her und die Menschen haben die Zeit noch nicht überwunden. Es gibt die Ewiggestrigen, die immer noch von einem anderen Staat träumen, aber auch die, bei denen ein Denkprozess eingesetzt hat. Jedoch sind alle vom Krieg geprägt. Karl ist sich nicht sicher, ob es eine gute Idee war zurückzukommen. In Berlin hat ihn allerdings auch nichts mehr gehalten. Gruber hadert mit dummen und faulen Kollegen und mitunter auch mit seinen eigenen Schwächen.

Die 1950er sind eine interessante Epoche in Deutschland. Ein toller Hintergrund für eine spannende Geschichte, die mit vielen Informationen aufwartet und die Nachkriegszeit ehrlich beschreibt. Leider sind die Beschreibungen des privaten Umgangs insbesondere von Karl und Magda nicht so fesselnd, dieser Teil der Story wirkt etwas aufgesetzt. Auch entsteht ein wenig der Eindruck, es habe sich in diesem Fall alles Schlechte versammelt, was München damals zu bieten hatte. Abgesehen davon ist der Zeitkolorit aber sehr gut eingefangen. Man lernt sehr gut, zu verstehen, dass nur fünf Jahre nach dem Krieg eben noch nicht alles in Ordnung war. Vielen fehlte es an Einsicht über die Verbrechen des Krieges und nur langsam konnte ein wenig Hoffnung einsetzen, dass es vielleicht zu einem Umdenken kommen könnte.

Veröffentlicht am 27.07.2022

Brandgefahr

Der Anfang von morgen
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Ihr Haus haben sie vermietet und nun verbringen Didrik, seine Frau und die drei Kinder die Tage in einem Sommerhaus. Es herrscht eine Hitzewelle und die Waldbrandgefahr steigt schon seit Längerem. Nun ...

Ihr Haus haben sie vermietet und nun verbringen Didrik, seine Frau und die drei Kinder die Tage in einem Sommerhaus. Es herrscht eine Hitzewelle und die Waldbrandgefahr steigt schon seit Längerem. Nun sind Brände ausgebrochen und nicht mehr unter Kontrolle. Die Familie will nach Stockholm zurück. Entsetzt müssen sie feststellen, dass die Zivilisation schneller wegbricht als sie es für möglich gehalten hätten. Die Straßen sind verstopft, Sammelplätze kaum zu erreichen und da niemand mit der Katastrophe gerechnet hat, werden auch schnell die Vorräte knapp. Zwar helfen sich Menschen gegenseitig, aber viele sind sich selbst die Nächsten.

Aus Sicht von Didrik, seiner jungen Geliebten Melissa, dem ohne Halt dahin treibenden André und Didriks Tochter Vilja bekommt man einen Einblick wie sie diese Ausnahmesituation einer wirklich bedrohlichen Naturkatastrophe erleben. In Schweden, einem Land, welches sich vor derartigen Ereignissen einigermaßen sicher geglaubt hatte. Doch der Klimawandel macht auch vor der Wohlfahrtsgesellschaft nicht halt. Die Vier reagieren sehr unterschiedlich und suchen verschiedene Wege, sich an die außergewöhnliche Lage anzupassen. Je länger es dauert, desto eher bildet sich wieder eine Art Normalität, die allerdings mit der Welt vorher nicht zu vergleichen ist. Kann die Gesellschaft in diesem Ausnahmezustand bestehen? Zumindest kann sie es versuchen.

Der Ansatz dieses Romans ist an Aktualität kaum zu überbieten. Wie man auch hier im letzten Jahr an der Flutkatastrophe gemerkt hat, ist man nirgendwo gefeit vor einem dramatischen und für möglicherweise große Teile der Bevölkerung sehr bedrohlichen Ereignis. Leider ist es schwierig, den Protagonisten wirklich zu folgen, da sie weder in ihren Reaktionen noch in ihren Ansichten wirklich sympathisch werden. Eine Ausnahme bildet Vilja, die tatsächlich an der Situation zu wachsen scheint. Dass sich die Zeiträume, in der die handelnden Personen begleitet werden, teilweise überschneiden, ist ein interessanter Ansatz, aus dem der Roman allerdings nicht so viel Spannung ziehen kann. Leider hält der Roman nicht ganz, was die Neugier weckende Beschreibung verspricht. Dafür ist die Thematik des Buches mit dem Cover gut dargestellt.