Profilbild von Dreamworx

Dreamworx

Lesejury Star
offline

Dreamworx ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Dreamworx über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.10.2022

Du musst einen Traum haben, damit Du morgens aufstehst. (Billy Wilder)

Das Licht der frühen Jahre
0

1919 Berlin. Als Tochter des bekannten Fotografen Rufus Adler mit eigenem Fotoatelier in der Friedrichstraße hineingeboren, wurde Lilly schon früh mit der Faszination für Film und Fotografie infiziert ...

1919 Berlin. Als Tochter des bekannten Fotografen Rufus Adler mit eigenem Fotoatelier in der Friedrichstraße hineingeboren, wurde Lilly schon früh mit der Faszination für Film und Fotografie infiziert und träumt davon, ihre eigenen Fußstapfen in der Branche zu hinterlassen. Eines Tages verhindert sie einen Unfall und lernt dabei ihre bis dahin unbekannte Cousine Ariane kennen, die Tochter des Filmmoguls Benno Adler. Die beiden Frauen werden schnell zu engen Freundinnen und unterstützen sich bei ihren jeweiligen Vorhaben, denn Ariane will nichts mehr als eine berühmte Schauspielerin werden. Hinter dem Rücken ihrer Väter arbeiten Ariane und Lilly an der Erfüllung ihrer Träume. Lilly trifft durch Zufall auf den aufstrebenden Regisseur Theo Stiller, der ihr bei einer seiner Produktionen die Regieassistenz anvertraut. Derweil bekommt Ariane eine Hauptrolle in einem großen Film. Doch als die Väter von der Freundschaft und den Aktivitäten der beiden Frauen Wind bekommen, versuchen sie mit aller Macht, dies zu unterbinden. Doch sie haben die Rechnung ohne ihre Töchter gemacht, die sich von der Familie abnabeln, um ihr eigenes Ding durchzuziehen. Lilly versucht herauszufinden, warum ihr Vater keinerlei Kontakt zu seinem Bruder hat und stößt dabei auf ein altes Familiengeheimnis, das sie selbst vor große Herausforderungen stellt…
Charlotte Lyne hat mit „Das Licht der frühen Jahre“ den Auftaktband ihrer historischen Adler-Saga vorgelegt, der den Leser nicht nur einlädt, in die Anfänge der Filmwelt der Goldenen Zwanziger des vergangenen Jahrhunderts einzutauchen, sondern auch die Geheimnisse der Familie Adler an die Oberfläche zu holen. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil katapultiert den Leser sofort in die Geschichte hinein, die sich über zwei Zeitebenen erstreckt, wobei sich die eine im Jahr 1895 mit der Vergangenheit der beiden Brüder Rufus und Benno befasst, während die andere das Leben von Lilly und Ariane 1919 thematisiert. Über wechselnde Perspektiven steigert die Autorin nicht nur die Spannung ihrer Handlung, sondern veranlasst den Leser auch zu einigen Spekulationen, was die Beziehung zwischen Rufus und Benno angeht. Als unsichtbarer Schatten verfolgt der Leser Lillys Anstrengungen, auf eigenen Beinen zu stehen und in der Filmwelt Fuß zu fassen, aber auch ihre langsam wachsende Liebe zu Theo Stiller. Lyne hat exzellent recherchiert und den historischen Hintergrund gekonnt mit ihrer Handlung verknüpft. So erlebt der Leser den damaligen Zeitgeist und dessen politischen und gesellschaftlichen Lebensumstände hautnah mit sowie die Sorgen und Nöte der Menschen kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Die Geschichte wird so fesselnd erzählt, dass der Leser das Buch kaum aus der Hand legen kann.
Den Charakteren wurde liebevoll Leben eingehaucht, mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften ausgestattet, nehmen sie den Leser sofort in ihre Mitte, der sich nur zu gern unter ihnen tummelt, um keinen Augenblick zu verpassen. Lilly Adler ist eine hilfsbereite, offene und liebenswerte Frau mit dem nötigen Quäntchen Phantasie, die es in der Filmwelt braucht. Mutig und entschlossen geht sie ihren Weg, wobei ihr die Schwierigkeiten wohl bewusst sind. Cousine und Freundin Ariane ist ehrlich und sympathisch, eine aufstrebende talentierte Schauspielerin, die den Kampf für ihren Traum ebenfalls aufnehmen will. Theo Stiller macht seinem Namen alle Ehre, denn er ist aufgrund seiner Kriegserlebnisse eher ein ruhiger, in sich gekehrter Mann, der seine Visionen auf Zelluloid bannen will. Arianes Bruder Alexander ist ein Intrigant, der mit seinen Spielchen einiges an Unfrieden stiftet. Aber auch die Brüder Benno, Rufus, deren Ehefrauen sowie einige andere Protagonisten spielen in dieser Geschichte tragende Rollen.
„Das Licht der frühen Jahre“ ist nicht nur eine wunderbare Zeitreise in die Vergangenheit, sondern überzeugt auf allen Ebenen mit einer unterhaltsamen Familiengeschichte, Geheimissen, lebensechten Protagonisten, exzellenter Historienrecherche und einen Ausflug in die Zeit, „als die Bilder laufen lernten“. Absolute Empfehlung für zauberhaftes Kopfkino!

Veröffentlicht am 18.10.2022

Hoffe nicht ohne Zweifel und zweifle nicht ohne Hoffnung. (Seneca)

Ein Heim voller Liebe
0

1943 Toronto/Kanada. Sozialarbeiterin Jane Lindner hat ein großes Herz für Kinder und hofft, für die Position als stellvertretende Direktorin bei der Children’s Aid Society ernannt zu werden, die von Spenden ...

1943 Toronto/Kanada. Sozialarbeiterin Jane Lindner hat ein großes Herz für Kinder und hofft, für die Position als stellvertretende Direktorin bei der Children’s Aid Society ernannt zu werden, die von Spenden unterstützt wird und sich um Heimkinder und deren Vermittlung in Pflegefamilien kümmert. Doch dann bekommt sie mit dem Wirtschaftsprüfer Garrett Wilder einen neuen Kollegen und potentiellen Konkurrenten auf die Stelle, der die missliche finanzielle Situation der Organisation überprüfen soll. Während der gemeinsamen Zusammenarbeit lernen sich Jane und Garrett näher kennen und schätzen. Ihnen beiden liegt auch das Schicksal des Heimkindes Martin am Herzen, der wie viele andere Kinder dringend ein schützendes und liebevolles Zuhause braucht…
Susan Ann Mason hat mit „Ein Heim voller Liebe“ einen sehr berührenden und emotionalen Roman vorgelegt, der den Leser in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts versetzt, wo er auf die vom Schicksal gebeutelte Jane, den Kriegsverletzten Garrett und den Waisen Martin trifft, deren Leben schon bald auf fesselnde Weise miteinander eng verbunden wird. Der flüssige, bildhafte und empathische Erzählstil der Autorin fängt den Leser sofort ein, der sich nur zu gern an Janes Seite begibt, um nicht nur ihre Gedanken- und Gefühlswelt kennenzulernen, sondern auch ihre Hingabe und Liebe für die Kinder mitzuerleben, die sie über die Organisation betreut. Jane hat privat in der Vergangenheit schon einige Niederlagen einstecken müssen, ist im Herzen tief verletzt, doch hindert es sie nicht daran, sich für die Kleinsten der Gesellschaft stark zu machen und sich schützend vor sie zu stellen. Mit dem Garrett als neuem Kollegen hadert sie erst einmal, doch schon bald erkennt sie, dass er ein umsichtiger Mann ist, dem das Schicksal der Kinder ebenso am Herzen liegt. Vor allem das des kleinen Martin schweißt Jane und Garrett immer mehr zusammen, denn beide sorgen sich um den Jungen. Die Autorin verbindet die Schicksale ihrer Protagonisten auf wunderbare Weise, denn jeder hat etwas zu geben, was der andere sucht. Der christliche Aspekt kommt hier sehr schön zum Tragen, denn es geht um Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und Hoffnung.
Die Charaktere sind mit glaubwürdigen menschlichen Attributen ausgestaltet, so dass sie sich sehr schnell ins Leserherz schleichen und es ihm leicht machen, ihnen zu folgen. Jane wurde von ihrem ersten Mann sehr verletzt, zudem hütet sie ein Geheimnis, dass schwer auf ihrer Seele lastet. Sie ist eine zurückhaltende, aber liebevolle und gütige Frau, die ein großes Herz besitzt. Garrett hat ebenfalls Narben aus der Vergangenheit, doch er strahlt Zuversicht aus. Er ist ehrlich, freundlich und offen anderen gegenüber. Martin wurde schon zu oft von einer Familie zur anderen durchgereicht. Er fühlt sich ungeliebt, abgeschoben und wird dazu noch von anderen gehänselt, was an seiner kleinen Seele nagt. Er wünscht sich so sehr eine liebende Umgebung, doch hat er innerlich schon aufgegeben. Die Geschichte lebt aber auch von den Auftritten der weiteren Protagonisten wie Cassie, Sarah, Ben und Olivia.
„Ein Heim voller Liebe“ ist ein wunderschöner Mix aus menschlichen Schicksalen, Liebe und Geheimnissen vor historischer Kulisse. Die Handlung ist sowohl emotional als auch tiefgründig, manchmal traurig, aber dann umso hoffnungsvoller mit einer gewissen Spannung. Sie trifft mitten in das Herz des Lesers, der sich ihr nicht entziehen kann und daher bis zum finalen Schluss an den Seiten klebt. Absolute Leseempfehlung für eine sehr gefühlvolle, wunderbare Geschichte!

Veröffentlicht am 03.10.2022

Ein Held ist, wer das Leben Großem opfert. (Grillparzer)

Die Wagemutige
0

1940 Frankreich. Die in Ungarn geborene Österreicherin Lisa Fittko ist die Tochter eines jüdischen Journalisten. Als die Nazis in Deutschland immer mehr an Macht gewinnen und es für Juden gefährlich wird, ...

1940 Frankreich. Die in Ungarn geborene Österreicherin Lisa Fittko ist die Tochter eines jüdischen Journalisten. Als die Nazis in Deutschland immer mehr an Macht gewinnen und es für Juden gefährlich wird, verlässt die Familie das Land Richtung Tschechoslowakei, zumal Lisa durch die Verbreitung von Flugblättern bereits im Visier der Machthaber ist. Mit ihrem Ehemann Hans Fittko, der sich als Fluchthelfer engagiert und nebenbei politische Dokumente schmuggelte, landet sie nach unterschiedlichen Stationen 1938 schließlich in Paris, wo Lisas Familie bereits ihr Domizil aufgeschlagen haben. Aber in Frankreich sind die Deutschen nicht sehr gut gelitten, zumal Paris schon bald von den Nazis eingenommen wird, die auch in der französischen Hauptstadt mit ihren Säuberungsaktionen nicht Halt machen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Hans geht Lisa in den Widerstand und verschreibt sich der Fluchthilfe, um von den Nazis oder durch das Vichy-Regime bedrohte Menschen zu retten. Dabei geht sie immer wieder große persönliche Risiken ein, um die Menschen über die Pyrenäen nach Spanien zu bringen…
Caroline Bernard hat mit „Die Wagemutige“ einen sehr unterhaltsamen biografischen Roman mit fiktiven Zügen über die historisch belegte Widerstandskämpferin vorgelegt, der nicht nur mit einer exzellenten Recherche punktet, sondern Lisa Fittko samt ihres Schaffens ein Denkmal setzt. Der flüssige und bildhafte Schreibstil der Autorin lässt den Leser per Zeitsprung ins vergangene Jahrhundert reisen, um sich an Lisas Seite wiederzufinden und ihr wie ein Schatten zu folgen. Lisa wird schon als junge Frau immer wieder mit Ablehnung und Schikanen konfrontiert, die auch ihre Familie betreffen. Unter den Nazis verlässt die Familie 1933 Deutschland und lässt Lisa endgültig in den Widerstand gehen. Nach Stationen in mehreren europäischen Ländern landet sie in Paris, wo sich ihre Eltern bereits aufhalten. Der Nazieinmarsch in Frankreich veranlasst Lisa dazu, sich in den noch unbesetzten Süden des Landes abzusetzen, doch dann wird auch sie ins Internierungslager Camp de Gurs verbracht, aus dem sie fliehen kann und in Marseille unterkriecht. Dort startet sie mit der Unterstützung des dortigen Bürgermeisters und dem Rettungsnetzwerk des amerikanischen Journalisten Varian Fry ihre Fluchthelferkarriere. Fry konnte mit Erlaubnis der USA Visa besorgen, die den Verfolgten die Ausreise ermöglichte. Lisa Fittko und ihr Mann Hans nahmen seine Hilfe 1941 in Anspruch und verließen Frankreich Richtung Kuba. Die intensive Eintauchen in Fittkos Leben sowie die Erzählweise der Autorin lassen die Seiten während der Lektüre dem Leser nur so durch die Finger gleiten.
Die Charaktere sind sehr lebendig in Szene gesetzt und überzeugen den Leser mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften. Gern heftet er sich an die Fersen der Protagonisten und folgt ihnen durch eine spannende, aber auch gefährliche Zeit. Lisa ist eine starke und kämpferische Frau, die ihren eigenen Kopf hat und sich für andere einsetzt. Sie hat einige Schicksalsschläge sowie ständig wiederkehrende Ablehnung erfahren, doch wirkt sie nie mutlos, sondern noch entschlossener, den Kampf aufzunehmen. Dass sie sich nach Sicherheit sehnt, ist gut nachvollziehbar, denn sie musste schon viel zu oft die Flucht ergreifen, um ihr Leben zu retten. Ehemann Hans teilt ihren Kampf im Widerstand, hat ähnliche Ansichten und Ideale, zudem erweist er sich oftmals als Ruhepol und Fels in der Brandung.
„Die Wagemutige“ ist ein sehr unterhaltsames und gleichsam spannendes Zeitzeugnis einer starken und mutigen Frau. Bernard lässt Fittko wieder lebendig werden, während sie Autobiografie und Fiktion gekonnt miteinander verbindet und dabei zusätzlich den Blick auf all diejenigen richtet, die sich im Zweiten Weltkrieg für andere eingesetzt haben. Absolute Leseempfehlung für eine fesselnde und authentische Geschichte!

Veröffentlicht am 03.10.2022

Die Vernunft kann nur reden. Es ist die Liebe, die singt. (Joseph de Maistre)

Ulla und die Wege der Liebe
0

1919 Berlin. Endlich ist der Erste Weltkrieg vorbei, doch die Dehmels haben nicht nur Paulas Tod zu verkraften, sondern müssen sich, wie viele andere auch, mehr schlecht als recht durchs Leben schlagen. ...

1919 Berlin. Endlich ist der Erste Weltkrieg vorbei, doch die Dehmels haben nicht nur Paulas Tod zu verkraften, sondern müssen sich, wie viele andere auch, mehr schlecht als recht durchs Leben schlagen. Als Heinrich Dehmel endlich aus dem Krieg zurückkehrt, ist die junge Künstlerin Ursula Stolte froh, ihre große Liebe endlich wieder in die Arme schließen zu können und mit ihm gemeinsam den Tod seiner Mutter zu verarbeiten, denn Paula war ihr immer ein großes Vorbild. Ulla nimmt Heinrichs Heiratsantrag an, um mit ihm eine eigene Familie zu gründen, doch ihre Eigenständigkeit als Künstlerin möchte sie deshalb nicht aufgeben. Aber Heinrich macht es ihr nicht leicht, denn er fällt als Ernährer der Familie aus, da ihm nach seiner Approbation als Arzt ein weiteres Studium wichtiger ist. Mit der Geburt der gemeinsamen Tochter Fine sollte das Glück eigentlich perfekt sein, doch bleibt es vor allem Ursula, Spitzname Ulla, vorbehalten, sich um Haushalt, Kind und das Wohl der Familie zu kümmern. Dabei will sie auch ihre künstlerischen Tätigkeiten weiterverfolgen. Ob ihr das gelingen wird? Und auch bei den anderen Mitgliedern der Familie Dehmel bahnen sich Probleme an…
Ulrike Renk hat mit „Ulla und die Wege der Liebe“ den dritten Teil ihrer historischen Dehmel-Familiensaga vorgelegt, der den Leser erneut in der Zeit zurückreisen lässt, um dort die Geschicke der einzelnen Protagonisten mitzuverfolgen, während er gleichzeitig den geschichtlichen Hintergrund der damaligen Zeit hautnah miterlebt. Der flüssige, bildhafte und empathische Erzählstil erlaubt dem Leser den Zutritt zum engsten Familien- und Freundeskreis. Der Zeitrahmen erstreckt sich über einen Zeitraum von 1919 bis 1924, den die Autorin ihre Handlung aus realen und fiktiven Komponenten sehr gekonnt gewebt hat, so dass der Leser einmal mehr fasziniert das Leben der belegten Berliner Familie eintauchen kann. Paula Dehmel ist inzwischen verstorben, sie war die Seele und der Mittelpunkt der Dehmels, die alle miteinander verbunden und die Familie zusammengehalten hat. Mit ihrer Heirat wird Ulla Stolte ebenfalls eine Dehmel, auf die einige Herausforderungen zukommen, denn zu jener Zeit sind es immer noch die Männer, die in fast allen Dingen den Ton angeben und Entscheidungen treffen, die die Frauen zu akzeptieren haben. In Freundin Vera hat sie einen Fels in der Brandung an ihrer Seite, obwohl diese in dem Künstler Tetjus einen Ehemann an der Seite hat, der in seiner Lebensweise nur zu sehr ihrem Vater Richard Dehmel ähnelt und seine eigenen Bedürfnisse im Blick hat. Durch die sehr akribische Recherche der Autorin nimmt der Leser nicht nur regen Anteil am Familiengeschehen, sondern erlebt auch die Folgen des Krieges mit, die sich auf die Bevölkerung niederschlagen. So muss diese nicht nur unter der Inflation leiden, auch die Anzeichen von Judenfeindlichkeit mehren sich.
Die Charaktere wurden liebevoll und glaubwürdig weiterentwickelt, der Leser fühlt sich sofort wohl in ihrer Mitte und fühlt sich als Teil der Familie. Ulla ist eine liebenswerte Frau, die mit ihrem ruhigen und ausgeglichenen Wesen so mancher Familienzwistigkeit den Wind aus den Segeln nimmt und für einen Lösungsweg sorgt. Vera ist mit ihrer Extrovertiertheit Ullas perfektes Gegenstück. Tetjus und Heinrich wirken beide auf ihre Weise egoistisch in der Art, wie sie ihr Leben gestalten wollen, wobei sie keine Rücksicht auf ihre Frauen nehmen, von diesen aber alles erwarten. Aber auch Ida sorgt für einigen Wirbel nach Richards Tod, was sie nicht gerade zur Sympathieträgerin macht.
„Ulla und die Wege der Liebe“ ist nicht nur eine unterhaltsame Fortsetzung der Familiensaga, sondern besticht durch den gelungenen Mix aus historischem Hintergrund, Liebe, Freundschaft und einigen Schicksalsschlägen, die gemeistert werden wollen. Absolute Leseempfehlung für ein Abtauchen in alte Zeiten und in eine interessante Familie, die es wirklich gegeben hat. Einfach wunderbar!

Veröffentlicht am 25.09.2022

Was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht. (Marie v. Ebner-Eschenbach)

Zwischen heute und morgen
0

1960 Hamburg, Köln, San Remo. Das neue Jahrzehnt läutet endlich den Aufbruch für die drei vom Krieg gebeutelten und miteinander befreundeten Familien Borgfeldt, Aldenhoven und Canna ein. Die Kunstgalerie ...

1960 Hamburg, Köln, San Remo. Das neue Jahrzehnt läutet endlich den Aufbruch für die drei vom Krieg gebeutelten und miteinander befreundeten Familien Borgfeldt, Aldenhoven und Canna ein. Die Kunstgalerie der Aldenhovens in Köln hat die Durststrecke überwunden und hat nun großen Zulauf. Schon bald werden Gerda und Heinrich Großeltern, denn ihre Tochter Ursula erwartet ihr erstes Kind. Die lebt mit Ehemann Joachim bei den Borgfeldts in Hamburg, was vor allem oft mit Elisabeth zu Konflikten führt, die alle sehr für sich vereinnahmt, vor allem Ursels Töchterchen Henrike. Elisabeths Kurt kann seine Ehe nur noch aushalten, indem er genügend Abstand zwischen sich und seine Frau bringt. Derweil hat Pips, der als Jazz-Pianist für Gianni Canna in dessen Bar gearbeitet hat, San Remo für Hamburg verlassen, um in der Nähe seiner großen Liebe Ursula zu sein, die jedoch nun einem anderen gehört. Dabei hat er immer noch nicht verarbeitet, was er durch die Nazis erdulden musste…
Carmen Korn hat mit „Zwischen heute und morgen“ den zweiten Teil ihrer historischen Drei-Städte-Trilogie vorgelegt, der den Leser sowohl mit den Geschichten dreier eng miteinander verbunden Familien unterhält als auch den damaligen historischen Hintergrund wunderbar wieder aufleben lässt. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil Korns lässt den Leser in der Zeit zurückreisen, um sich in den 60er Jahren wiederzufinden und über wechselnde Perspektiven sowie dreier unterschiedlicher Handlungsorte einen Blick durchs Schlüsselloch der einzelnen Familien zu werfen und ihre Sorgen und Nöte zu erfassen. Auch diesmal legt die Autorin wieder großen Wert auf Authentizität, die sie durch exzellente Recherche in ihre Geschichte mit einfließen lässt. Der Romantitel ist erneut Programm, denn die Handlung erzählt nicht nur von der älteren Generation, die immer noch mit den Kriegsfolgen zu kämpfen hat, sondern bringt nun auch ihre Kinder ins Spiel, die sich mit ganz anderen täglichen und zeitgemäßen Problemen herumschlagen, während die Zeit des Wirtschaftswunders Fahrt aufnimmt und der Zweite Weltkrieg anscheinend verblasst. Korn schafft es sehr geschickt, den Spagat zwischen den Älteren und Jüngeren aufzuzeigen, während die damaligen gesellschaftlichen und politischen Ereignisse unterschwellig vorbeiziehen und Einfluss nehmen wie z.B. den Bau der Berliner Mauer, das Hamburger Hochwasser, die Ermordung John F. Kennedys und die Zeit des Kalten Krieges. Vor allem die zwischenmenschlichen Beziehungen und ihre Entwicklung bringen einiges an Spannungen mit sich und lassen den Leser die Seiten nur so durch die Finger rinnen.
Die Charaktere wurden weiterentwickelt und glaubwürdig inszeniert, so dass der Leser sich gut mit ihren Ecken und Kanten identifizieren kann. Schnell hat er sich in ihrer Mitte eingenistet und verfolgt voller Spannung ihren Erlebnissen. Während Ursula mit Joachim ihr Glück gefunden hat, entfremden sich Elisabeth und Kurt immer mehr voneinander, was Kurt kaum noch erträgt, Elisabeth dagegen kaum bemerkt. Heinrich und Gerda haben ihre Durststrecke überstanden und atmen endlich auf. Margarethe und Bruno sind sich ebenfalls noch sehr eng verbunden. Neben Carla und Uli hat auch Gianni endlich die Liebe gefunden. Pips ist ein trauriger, melancholischer Zeitgenosse, der zu viel erlebt und bisher nicht verarbeitet hat. Aber auch Jules, Nina und Vinton spielen in dieser Handlung wichtige Rollen.
„Zwischen heute und morgen“ bietet mit einem Mix aus unterschiedlichen Familiengeschichten und –schicksalen sowie ausgezeichnet recherchiertem historischen Hintergrund eine wunderbare Zeitreise in die jüngste Vergangenheit. Absolute Leseempfehlung für eine sehr unterhaltsame Lektüre!