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Veröffentlicht am 10.01.2023

Liebe in Zeiten des Krieges

Durch das große Feuer
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Schon als Schüler im englischen Eliteinternat verband sie eine ganz besondere Freundschaft, Henry Gaunt und Sidney Ellwood. Jeder der beiden jungen Männer war in den anderen verliebt, doch keiner traute ...

Schon als Schüler im englischen Eliteinternat verband sie eine ganz besondere Freundschaft, Henry Gaunt und Sidney Ellwood. Jeder der beiden jungen Männer war in den anderen verliebt, doch keiner traute sich diese Liebe einzugestehen. Was verboten ist, konnte auch nicht sein. Dann kam der Erste Weltkrieg. Wie so viele meldeten auch sie sich freiwillig zum Militär. In den französischen Schützengräben, im Angesicht des Feindes und der Gräuel, kommen sie sich allmählich näher und finden kurze Momente des Trostes - bei der Schlacht an der Somme entscheidet sich dann ihr Schicksal …

Der Verlag über die Autorin: Alice Winn lebt in Brooklyn, wo sie Drehbücher schreibt. Sie wuchs in Paris auf und wurde in britischen Internaten erzogen. Sie hat einen Abschluss in englischer Literatur von der Oxford University. „Durch das große Feuer“ (engl. Original: „IN MEMORIAM“) ist ihr Debütroman.

Es ist kaum zu glauben, dass dies der Debütroman der Autorin ist, so großartig und mitreißend ist er geschrieben. Die zutiefst berührende Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Männern steht dem Grauen, der Brutalität und Erbarmungslosigkeit des Ersten Weltkriegs gegenüber – ein Chaos der Gefühle für den Leser. Deutliche Beschreibungen schrecklicher Kriegshandlungen im Wechsel mit poetischen, gefühlvollen Szenen halten die Spannung hoch, so dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. Leben und Tod, Liebe und Hass, alles liegt so nah beieinander. Man empfindet die Figuren sehr real und lebendig, liebt und leidet mit ihnen. Dabei ist der Krieg stets präsent, es werden viele verletzt, verstümmelt und es wird gestorben – nichts wird verharmlost.

Fazit: Ein großartiger Roman, eine poetische Geschichte über die Liebe und eine realistische Darstellung der Kriegsgräuel - mit Charakteren, die lange in Erinnerung bleiben werden. Meine Empfehlung!

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Veröffentlicht am 17.12.2022

Viel Licht und viel Schatten

Licht
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Was für uns heute eine Selbstverständlichkeit ist, elektrischer Strom und Glühbirne, war in Amerika der 1880er Jahre eine revolutionäre Erfindung, zu der Thomas Alva Edison den entscheidenden Beitrag geleistet ...

Was für uns heute eine Selbstverständlichkeit ist, elektrischer Strom und Glühbirne, war in Amerika der 1880er Jahre eine revolutionäre Erfindung, zu der Thomas Alva Edison den entscheidenden Beitrag geleistet hat. Das Buch wirft einen Blick auf den Menschen Edison und stellt dabei den Erfinder und seine Verflechtungen zu dem Bankier J.P. Morgan in den Mittelpunkt. Der Leser folgt wichtigen Stationen seines Lebens, erfährt mehr über seine beiden Ehen, über seine zahlreichen Erfindungen und seine Beziehung zu anderen Erfindern. Während Edison auf seiner Erfindung, dem Gleichstrom, beharrt, schwört sein Konkurrent und ehemaliger Mitarbeiter George Westinghouse auf den mehr Sicherheit versprechenden Wechselstrom. Ein interessanter Aspekt der Geschichte ist auch die Erfindung des Elektrischen Stuhls und das Fiasko seiner ersten Anwendung.

Mit dem Roman „Licht“ ist es dem 1961 in New Plymouth/Neuseeland geborenen Autor Anthony McCarten wieder einmal gelungen, dem Leser ein ernsthaftes Thema auf unterhaltsame Weise zu vermitteln. Mitreißend, wie er Edison zum Leben erweckt und über seine genialen Erfindungen berichtet. Neben dem Fortschritt zu Ende des 19. Jahrhunderts stieg auch die Macht des Geldes, der Korruption und der Einfluss der Bankiers an, was hier durch Edisons Verbindung zu J.P. Morgan veranschaulicht wird. McCartens unaufdringlicher, humorvoller Schreibstil ist wie geschaffen für diese Geschichte in deren Nachwort er ausdrücklich bemerkt, dass er keine weitere Biografie über Edison geschrieben hat, sondern er einen alten Mann auf sein Leben zurückblicken lässt. Der Autor zahlreicher Theaterstücke, Drehbücher, Kurzgeschichten und Romane hat drei Kinder und wohnt abwechselnd in Los Angeles, London und München.

Fazit: Ein Buch, das gut unterhält und ganz nebenbei noch Wissen vermittelt. Meine Leseempfehlung für alle, die an Geschichte und Technik interessiert sind!

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Veröffentlicht am 09.12.2022

Töten um zu überleben

Die Nadel
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Unter dem Namen Henry Faber operiert in England ab 1940 ein deutscher Spion, der stets mit einem Stilett tötet und daher von der britischen Abwehr als „Die Nadel“ gesucht wird. Erbarmungslos tötet er jeden ...

Unter dem Namen Henry Faber operiert in England ab 1940 ein deutscher Spion, der stets mit einem Stilett tötet und daher von der britischen Abwehr als „Die Nadel“ gesucht wird. Erbarmungslos tötet er jeden der ihm gefährlich werden könnte, ihn beim Morsen überrascht, seine Tarnung entdeckt oder in dem er ein Mitglied des britischen Geheimdienstes vermutet. So zieht er bereits eine blutige Spur hinter sich her, als er 1944 einen kriegswichtigen Auftrag erhält. Er soll einen großen Stützpunkt der britischen Armee beobachten und fotografieren, um dessen Stärke und Gefährlichkeit einschätzen zu können. Es gelingt ihm, aber ab jetzt ist ihm der MI5 auf den Fersen. Faber möchte die Negative persönlich nach Deutschland bringen, dazu soll ihn wie geplant ein U-Boot an der Küste von Schottland abholen. Doch ein Orkan verhindert das Treffen und alles läuft plötzlich anders als geplant …

Ken Follett, geb. 1949 in Cardiff/Wales, ist ein britischer Schriftsteller. Internationale Beachtung erwarb er zunächst als Autor von Kriminalgeschichten und Thrillern. Seinen Durchbruch schaffte er 1978 mit dem Spionage-Roman „Die Nadel“. Später entdeckte er das Genre des Historien-Romans für sich und wurde zu einem der meistgelesenen Autoren. Follett ist in zweiter Ehe verheiratet und lebt in Chelsea (London) und Hertfordshire.

Dem Autor ist es ausgezeichnet gelungen, die Stimmung des II. Weltkriegs zu vermitteln. Dass er dabei nicht wertet sondern klar darstellt, dass die Engländer und die Deutschen Kriegsgegner sind und beide Seiten den Krieg gewinnen wollen, ist ihm hoch anzurechnen. Dass dabei der Protagonist, der deutsche Spion Henry Faber, trotz mehrerer brutaler Morde ein Sympathieträger ist, erstaunt doch sehr. Man hofft während der spannenden Jagd quer durch England die ganze Zeit, dass Faber seinen Verfolgern entwischt und er trotz aller Gefahren das rettende UBoot erreichen wird. Ob ihm das gelingt erfährt der Leser erst im äußerst dramatischen Finale.

Fazit: Ein extrem spannender Spionagethriller, mit dem Ken Follett international bekannt wurde und für den er 1979 den Edgar Award erhielt. Überaus lesenswert!

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Veröffentlicht am 21.10.2022

Wenn Liebe in zerstörerischen Hass umschlägt …

Verbrenn all meine Briefe
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Als Alex Schulmann bemerkt, dass seine unvermittelten Wutanfälle seine Frau schockieren und seinen Kindern Angst bereiten, versucht er diese zu ergründen und stößt dabei auf ein Familiengeheimnis seiner ...

Als Alex Schulmann bemerkt, dass seine unvermittelten Wutanfälle seine Frau schockieren und seinen Kindern Angst bereiten, versucht er diese zu ergründen und stößt dabei auf ein Familiengeheimnis seiner Großeltern mütterlicherseits. Er erinnert sich an die Ferien, die er bei den Großeltern verbracht hat, an den ewig mürrischen und nie zufriedenen Großvater und an die Großmutter, die stets beflissen war und Angst vor seiner Wut hatte. Das begann im Sommer 1932, als das junge Ehepaar Sven und Karin Stolpe einige Tage Gäste im Hause einer Literaturstiftung waren, wo Sven, der schon damals ein bekannter Autor war, einige Lesungen hielt. Ebenfalls anwesend war auch der noch unbekannte junge Schriftsteller Olof Lagercrantz. Karin, die sich von ihrem berühmten Mann ständig überwacht und bevormundet fühlt, verliebt sich sofort in den zurückhaltenden und schüchternen Olof. Auch er entbrennt in heißer Liebe zu Karin und schreibt schwärmerische Gedichte über und für sie. Das bleibt Sven nicht lange verborgen und Karins Trennungsversuch von ihm endet in einer Katastrophe. Karin fürchtet um ihr Leben …

Alex Schulman, geb. 1976 in Hemmesdynge, ist einer der populärsten schwedischen Schriftsteller der Gegenwart. Er studierte Film-, Literaturwissenschaft und Philosophie an der Universität Stockholm und ist Autor, Journalist, Blogger und Fernseh- und Radiomoderator. Er schrieb einige Bühnenshows und veröffentlichte ein paar autobiografische Geschichten über seine Familie, bevor ihm 2021 mit „Die Überlebenden“ der große Durchbruch gelang. Sein ein Schweden bereits 2018 erschienener und vielbeachteter Roman „Bränn alla mina brev“ wurde jetzt, 2022, ins Deutsche übersetzt und erschien unter dem Titel „Verbrenn all meine Briefe“ bei der dtv-Verlagsgesellschaft. Alex Schulman ist ein Enkel mütterlicherseits des schwedischen Schriftstellers Sven Stolpe. Er ist seit 2010 in dritter Ehe mit Amanda Schulman verheiratet, hat zwei Töchter und mit ihr einen gemeinsamen Sohn.

Dank der intensiven und äußerst akribischen Recherche des Autors erfahren wir, wie sein tyrannischer Großvater Sven Stolpe drei Leben zerstörte, das seiner Frau Karin Stolpe, das von Olof Lagercrantz und nicht zuletzt sein eigenes. Zwar funktioniert Karin weiterhin als Ehefrau, bringt vier Kinder zur Welt, lebt aber nur in der Erinnerung an ihre große Liebe. „Verbrenn all meine Briefe“, bittet sie den Geliebten aus Furcht, sie könnten eines Tages Sven in die Hände fallen. In Olofs Gedichten von 1935 und 1937 ist diese Liebe immer noch zu spüren.

Der Roman ist kein Krimi, aber eine spannende, aufregende Geschichte, bei der diese kurze und tragische Liebesgeschichte sehr feinfühlig wieder zum Leben erweckt wird. Behutsam nimmt man Teil an deren Leben, hofft und leidet mit ihnen. Die in jedem Kapitel wechselnden Handlungsstränge, das Kennenlernen der Liebenden in den dreißiger Jahren, die Zeit in den Achtzigern, als der Autor Alex Schulman die Ferien bei seinen Großeltern Sven und Karin verbrachte und sein Leben heute als Erwachsener, Ehemann und Vater, halten die Spannung aufrecht und machen das Lesen abwechslungsreich. Zum Schluss kann man für Schulman nur hoffen, dass er sein Gemüt besänftigen kann und seine Wutausbrüche unter Kontrolle bringt, da er nun ihren Ursprung kennt.

Fazit: Einfach nur schön, sehr emotional, ein großes Lesevergnügen!

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Veröffentlicht am 19.10.2022

Wenn Diäten das Leben bestimmen …

Lügen über meine Mutter
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Ela ist etwa acht Jahre alt als sie zum ersten Mal bemerkt, dass in der Ehe ihrer Eltern etwas nicht stimmt. Der Vater kritisiert die Mutter ständig wegen ihres Gewichts, er schämt sich für sie und macht ...

Ela ist etwa acht Jahre alt als sie zum ersten Mal bemerkt, dass in der Ehe ihrer Eltern etwas nicht stimmt. Der Vater kritisiert die Mutter ständig wegen ihres Gewichts, er schämt sich für sie und macht ihre Figur sogar für sein berufliches Scheitern verantwortlich. Die Mutter hingegen fühlt sich wohl in ihrem Körper, sie braucht das Essen als Ausgleich für alles, was sie täglich leistet. Sie kümmert sich um ihre Familie, erträgt die Launen ihrer Schwiegermutter, bekommt noch ein Baby, nimmt ein Pflegekind auf und versorgt auch ihre demente Mutter, währenddessen ihr Mann immer nachdrücklicher fordert, dass sie endlich abnehmen soll. Ja, er schafft sogar eine Waage an, um das Gewicht seiner Frau in demütigender Weise kontrollieren zu können. All den Streitigkeiten ist die kleine Ela ständig ausgesetzt. Sie liebt ihre Mutter, doch durch den Einfluss des Vaters beginnt auch sie, sich allmählich für den dicken Körper der Mutter zu schämen …

Daniela Dröscher ist eine deutsche Schriftstellerin. Sie wurde 1977 in München geboren und wuchs in Rheinland-Pfalz auf. Nach ihrem Studium der Germanistik, Philosophie und Anglistik in Trier und London promovierte sie im Fach Medienwissenschaft an der Universität Potsdam. Sie schrieb und veröffentlichte Theaterstücke, Romane, Geschichten und Essays, für die sie zahlreiche Preise erhielt. „Lügen über meine Mutter“ schaffte es 2022 auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises.

Dass es für die Autorin sehr schmerzhaft gewesen sein muss diesen Roman zu schreiben kann man nur vermuten, denn es handelt sich, nach ihren eigenen Aussagen, um die Geschichte ihrer Eltern und die ihrer eigenen Kindheit. Über einen Zeitraum von vier Jahren erzählt sie über das Aufwachsen in dieser Familie und nennt es den „Versuch einer Rekonstruktion“, um mit zeitlichem Abstand „die Dinge anders zu sehen und besser zu verstehen“. Deshalb wird auch die Geschichte, die das Kind aus der Ich-Perspektive erzählt, immer wieder durch Rückblicke als erwachsene Tochter unterbrochen und das damalige Geschehen reflektiert.

Auch als Leser wird man von vielfältigen Emotionen gepackt. Wut und Empörung darüber, wie abwertend und abfällig der Mann über das Gewicht seiner Ehefrau urteilt und wie selbstherrlich er das Leben der Familie bestimmt, Beklemmung und Verwunderung darüber, wie klaglos die Frau sich damals in den 80er Jahren damit abfindet, und nicht zuletzt Mitleid mit dem Mädchen, das mit seinen Gefühlen ständig zwischen den beiden Elternteilen hin und her schwankt. Es kann durchaus sein, das der ein oder andere Leser oder Leserin gelegentlich an die eigene Kindheit, oder gar an seine eigene Ehe, erinnert wird.

Fazit: Ein Roman der Emotionen weckt, unter die Haut geht und in Teilen sogar wütend macht – mitreißend und aufwühlend!

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