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Veröffentlicht am 24.10.2022

Im Stillen

Ein Kind namens Hoffnung
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Elly Berger, 1900 als Tochter einer Pfarrerfamilie geboren, ist Köchin im bekannten Berliner Hotel Adlon und geht später in Stellung bei der jüdischen Familie Sternberg. Anfangs genießt sie das Leben in ...

Elly Berger, 1900 als Tochter einer Pfarrerfamilie geboren, ist Köchin im bekannten Berliner Hotel Adlon und geht später in Stellung bei der jüdischen Familie Sternberg. Anfangs genießt sie das Leben in der Stadt in vollen Zügen, als jedoch Sternbergs Sohn Leon das Licht der Welt erblickt, schlägt ihr Herz für den kleinen Erdenbürger. Daher denkt sie keine Sekunde nach, den Buben als den ihren auszugeben und zu fliehen, nachdem die Familie bei den Nazis denunziert worden ist.

Schwere Zeiten stellt Marie Sand dar in diesem bedrückenden und düsteren Roman. Aufgrund von Erzählungen ihrer Großmutter, welche ebenfalls Köchin gewesen ist in einem jüdischen Haushalt, beginnt die Autorin zu recherchieren und bildet hier – stellvertretend für viele stille Helden – die fiktive Geschichte von Elly Berger ab. Beeindruckend zeigt sich, wie Elly ihr eigenes Leben hintenanstellt, um dem kleinen Leon Schutz und Sicherheit zu bieten, ohne selbst zu wissen, wie sie das denn in diesen Zeiten bewerkstelligen kann. Ihr Augenmerk ist stets auf das Wohl des zarten und schwachen Kindes gerichtet, selbst wird sie immer mehr zu einem funktionierenden Wesen.

Obwohl die tristen Lebensumstände und die schwierigen Verhältnisse in Zeiten von Hunger und Kälte spürbar unter die Haut gehen, so bleibt Elly doch die vielen Jahre hindurch distanziert und wenig greifbar für den Leser. Spiegelt diese Verzerrung der Figur vielleicht den inneren Rückzug wider, die einzige Möglichkeit, durchzuhalten? Ist das Reduzieren auf Arbeiten und Schlafen eine Strategie, nicht durchzudrehen oder zu resignieren, sondern für die Kinder, die Zukunft, einen maschinengleichen, strikten Tagesablauf einzuhalten und aus den letzten Überresten noch ein paar Bissen Nahrung auf den Tisch zu bringen? Möglich, dass deshalb kaum eine unmittelbare Nähe zu dieser wunderbaren und uneigennützigen Person aufgebaut werden kann. Lange hat der Leser das Gefühl, die gesamte Geschichte wie durch einen nebulösen Schleier zu betrachten, als ob Elly eine unsichtbare Wand rund um sich und Leon aufgezogen hätte, hinter der sie sich verstecken möchte, bis endlich alles vorbei ist.

Erst sehr spät, nämlich am Ende des stillen Romans, der ohne mahnenden Zeigefinger dunkle Kapitel des letzten Jahrhunderts wachruft, wandelt sich auch die Gefühlswelt, welche nunmehr auf den Leser überzuspringen vermag. Plötzlich verspürt man ein Kribbeln unter der Haut und Glück, das die kommenden Tage bringen werden. Wie viel hat passieren müssen, dass Elly und ihre Lieben ankommen können in einer neuen Welt, in einer Welt, die dem Namen des Romans „ Ein Kind namens Hoffnung“ gerecht werden kann?

Düster, traurig, mit kaum wahrzunehmender Zuversicht, so präsentiert Marie Sand ihr Romandebüt – man darf gespannt sein auf ihr nächstes Buch …



Titel Ein Kind namens Hoffnung

Autor Marie Sand

ISBN 978-3-426-30909-4

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 288 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 4. Oktober 2022

Verlag Droemer

Veröffentlicht am 20.10.2022

Vernichtender Regen

Dark Clouds
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Grau, düster und dystopisch, so präsentiert sich nicht nur das Titelbild, sondern auch der Inhalt dieses Thrillers rund um eine gewaltige Naturkatastrophe. Der Versicherungsspezialist Philip Graf, die ...

Grau, düster und dystopisch, so präsentiert sich nicht nur das Titelbild, sondern auch der Inhalt dieses Thrillers rund um eine gewaltige Naturkatastrophe. Der Versicherungsspezialist Philip Graf, die Wolkenkundlerin Fjella Lange und der Datenanalytiker Arian Fischer mit seinem ungarischen Hirtenhund sind an unterschiedlichen Orten in Deutschland ganz plötzlich mit Starkregen konfrontiert. Die Hinweise mehren sich, dass nicht alles von selbst in wenigen Tagen vorbei sein wird.

Mit den häufigen Schauplatzwechseln und Zeitungsmeldungen aus verschiedenen Regionen erinnert die Handlung immer wieder an einen bekannten Roman über den großflächigen Zusammenbruch aller europäischen Stromnetze. Auch hier stehen unterschiedlichste Personen in den einzelnen Szenen im Mittelpunkt und scheinen lange keine Berührungspunkte zu haben, außer, dass ihnen der Regen zusetzt bzw. sie beruflich mit der Katastrophe zu tun haben. Mitfühlen kann der Leser insbesondere bei den Kapiteln rund um einen alleinerziehenden Vater und dessen entzückender Tochter Mia. Trotz der eher nüchternen und sachlichen Schreibweise fühlt man beim Lesen Mitleid, Entsetzen und Ärger zugleich. Skrupellosigkeit und Eigennutz sind im Notfall leider immer noch die stärksten Antriebskräfte, wie auch in diesem Buch wieder bestens dargestellt wird.

Kurze Kapitel und verschiedene Blickwinkel sorgen für Tempo und Abwechslung. Die wesentlichen Figuren lernt der Leser schon zu Beginn kennen. Lediglich den Überblick zu bewahren über das vielfältige Geschehen, das dauert ein wenig. Einzelne Details zu Wetter und Klima sind gut recherchiert und widergegeben, die Protagonisten realistisch abgebildet, so ist beispielsweise der IT-Nerd authentisch in seiner Ausdrucksweise mit sonderbaren Wörtern, die aber dann verständlich „übersetzt“ werden. Während über weite Strecken spannende Inhalte für gute Unterhaltung sorgen, war dann das Ende fast ein wenig zu einfach gelöst. Dafür finden sich im Nachwort noch einige wissenswerte Details zum Thema Umwelt- und Klimaschutz.

Unterhaltsam, abseits von Überzeichnungen nicht gänzlich unrealistisch und ein Weckruf, auf den Planeten Erde ein bisschen mehr achtzugeben. 4*



Titel Dark Clouds

Autor Thilo Falk

ISBN 978-3-423-22021-7

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 512 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 19. Oktober 2022

Verlag dtv

Veröffentlicht am 19.09.2022

Fräulein mit Verstand

Fräulein vom Amt – Die Nachricht des Mörders
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Baden-Baden, 1922: Alma Täuber arbeitet flott und freundlich als Telefonistin: „Hier Amt, was beliebt?“, flötet sie gut gelaunt in den Apparat. Als sie eines Tages eine Stimme mit dem Klang von Nägeln ...

Baden-Baden, 1922: Alma Täuber arbeitet flott und freundlich als Telefonistin: „Hier Amt, was beliebt?“, flötet sie gut gelaunt in den Apparat. Als sie eines Tages eine Stimme mit dem Klang von Nägeln auf einer Schiefertafel hört und noch dazu einen Ausschnitt des verstörenden Gespräches erhascht, ist sie alarmiert. Gibt es hier einen Zusammenhang mit der Toten, die bei den Kolonnaden gefunden worden ist? Neugierig und mit scharfem Verstand verfolgt sie selbst eine Spur, da sie den halbherzigen Ermittlungen der Polizei nicht so recht traut.

Mit dem Flair der 1920er-Jahre spielt Charlotte Blum gekonnt: Seidenstrümpfe, Hosenträger und Schiebermützen, Automobile, prunkvolle Kurhotels und geheime Casinos bilden eine überaus gelungene Kulisse für eine Gesellschaftsstudie und einen darein verwobenen, interessanten Kriminalfall. Sympathisch und durch ihre unterschiedlichen Charaktere recht unterhaltsam gehen Alma und ihre Freundin Emmi an die spannende Tätersuche heran, welcher sich schlussendlich auch Kommissaramtsanwärter Schiller anschließt. Indizien werden gesammelt, Beweise jedoch fehlen immer wieder, der Fall soll zu den Akten gelegt werden. So leicht gibt das lustige Trio aber nicht auf.

Der Mord rückt immer wieder in den Hintergrund, während Szenen aus Almas Familie mit Waschtagen und anderen eher belanglosen Schauplätzen beleuchtet werden, beispielsweise detaillierte Automobildarstellungen – passt in den Rahmen der Zeit, lenkt aber vom spannenden Geschehen doch ein bisschen zu sehr ab. Ansonsten ist die Geschichte stimmig und amüsant, das werte Fräulein Alma hat immer wieder den richtigen Riecher. Logisch und umfassend aufgelöst, laufen am Ende alle Fäden zusammen, Alma hingegen wird bestimmt weiterhin ihren scharfen Verstand nicht nur beim Einstöpseln an der Schalttafel nützen. Man darf sich also schon jetzt auf die Fortsetzung freuen.



Titel Fräulein vom Amt

Autor Charlotte Blum

ISBN 978-3-651-00111-4

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 416 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 31. August 2022

Verlag Fischer Scherz

Veröffentlicht am 11.09.2022

West Coast Trail

Der finstere Pfad
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Am West Coast Trail lernt die eher schüchterne Maisie Seraphine und Ric kennen. Gemeinsam marschieren sie durch die beeindruckende Landschaft, bis Sera in einer dunklen Nacht ermordet wird. Durch Alkohol ...

Am West Coast Trail lernt die eher schüchterne Maisie Seraphine und Ric kennen. Gemeinsam marschieren sie durch die beeindruckende Landschaft, bis Sera in einer dunklen Nacht ermordet wird. Durch Alkohol und ungewohnte Drogen benebelt, weiß Maisie nicht, was sie bei der Polizei aussagen soll, um sich selbst zu schützen. Zwanzig Jahre später erinnert sich Laura mit Schrecken an ihre Wanderung in Kanada, als sie von Skelettfunden in der Nähe des Trails hört und eine Serie an sonderbaren Ereignissen erschüttert jetzt ihr harmonisches Familienleben. Eine spannende Geschichte in zwei Zeitebenen beginnt.

Mit wenigen eindringlichen und packenden Sätzen nimmt Autorin Jenny Blackhurst den Leser gleich auf der ersten Seite gefangen. Warum bringt die Radiomeldung über „menschliche Überreste“ in Kanada die in England lebende Laura derart aus der Fassung? Scheint sie doch eine selbstbewusste Frau und Mutter, welche ihre Kinder zu entscheidungsfreudigen Menschen erzieht. Während hier anschaulich und nahe am Geschehen im Präsens und in der Ich-Form geschildert wird, erfährt der Leser Maisies Geschichte klassisch im Präteritum und aus der Sicht eines neutralen Erzählers, der auch einmal den Blickwinkel wechselt. Durch eingestreute Zeitungsartikel und Diskussionsbeiträge aus unterschiedlichen Medien wird zusätzlich Information preisgegeben, welche die eher unterschwellige Spannung schürt.

Blackhurst vermag es auch diesmal, ohne brutale und blutrünstige Gewaltszenen auszukommen. Ihre Thriller sind eher darauf ausgelegt, wie Menschen mit schwierigen Sachverhalten umgehen oder reagieren, wenn sie in die Enge getrieben werden. So darf der geneigte Leser viel über Lauras und Maisies Einschätzungen erfahren und schon einmal überlegen, was sich damals tatsächlich zugetragen haben könnte und welche Auswirkungen zwanzig Jahre später möglich sind. Lange stecke ich als Beobachterin in einem festgefahrenen Gedankenmuster und bin ehrlich überrascht, was ich in den letzten Kapiteln erfahre. Während wenige Dinge vorhersehbar sind, gibt es am Ende unerwartete Wendungen, allerdings vereinzelt konstruiert und mit zu vielen Zufällen behaftet. Dennoch ist Blackhursts Thriller – oder eher Spannungsroman – ein gelungenes Lesevergnügen, welches ich gerne weiterempfehle.



Titel Der finstere Pfad

Autor Jenny Blackhurst

ISBN 978-3-404-18583-2

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 336 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 26. August 2022

Verlag Lübbe

Übersetzer Anke Angela Grube

Veröffentlicht am 30.08.2022

Im goldenen Käfig

Die Verlorenen
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In einem Elendsviertel Londons, im Dreck des Hafens ist Bess aufgewachsen. Seit dem frühen Tod der Mutter verkauft sie Krabben und schlägt sich mit ihrem Vater und dem älteren Bruder mehr schlecht als ...

In einem Elendsviertel Londons, im Dreck des Hafens ist Bess aufgewachsen. Seit dem frühen Tod der Mutter verkauft sie Krabben und schlägt sich mit ihrem Vater und dem älteren Bruder mehr schlecht als recht durchs Leben. Als sie ein Kind zur Welt bringt, sieht sie sich gezwungen, das kleine Bündel im Waisenhaus abzugeben, gleichzeitig fest entschlossen, Geld anzusparen, um so bald wie möglich selbst für Clara sorgen zu können. Aber sechs Jahre später ist das Mädchen nicht mehr da.

In vier Abschnitte gegliedert, abwechselnd aus der Sicht von Bess und Alexandra, jeweils in der Ich-Form, erzählt Stacey Halls diese berührende Geschichte über ein verschwundenes Waisenmädchen, Mutterliebe und gesellschaftliche Schranken. Aufregend und spannend sind die ersten Szenen rund um Bess und ihre neugeborene Tochter, die anstrengenden Tage als Krabbenverkäuferin und die schiere Unmöglichkeit, diesem schweren und trostlosen Alltag zu entkommen. Dennoch sieht Bess Hoffnung und Zuversicht – bis sie die unglaubliche Wahrheit hören muss – Clara ist schon längst abgeholt worden.

Ab hier verliert sich die Spannung ein wenig, dennoch ist die Geschichte aus beiden Blickwinkeln eine interessante und der Leser kann den Versuch wagen, beide Seiten zu verstehen. Die Charaktere sind sehr gut und lebendig ausgearbeitet, das historische London bildet eine passende Kulisse. Einige Zufälle und ein nicht so ganz realistisches Ende schmälern die Bewertung, dennoch bietet das Lesen dieses Buches insgesamt unterhaltsame Lesestunden rund um eine Mutter, die wie eine Löwin um ihr Kind kämpft.



Titel Die Verlorenen

Autor Stacey Halls

ISBN 978-3-86612-495-0

Sprache Deutsch

Ausgabe gebundenes Buch, 384 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 1. März 2021

Verlag Pendo

Originaltitel The Foundling

Übersetzer Sabine Thiele

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