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Veröffentlicht am 31.10.2022

Fesselnder Auftakt

Catan
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MEINE MEINUNG
Bereits 25 Jahre ist das mehrfach ausgezeichnete und äußerst populäre Brettspiel „CATAN“ auf dem Markt. In CATAN und seinen Spiele-Erweiterungen kann man als Spieler in die Rollen der Siedler ...

MEINE MEINUNG
Bereits 25 Jahre ist das mehrfach ausgezeichnete und äußerst populäre Brettspiel „CATAN“ auf dem Markt. In CATAN und seinen Spiele-Erweiterungen kann man als Spieler in die Rollen der Siedler schlüpfen, seine eigene Welt erschaffen, darin abtauchen und zugleich nachempfinden, wie damals wohl gewesen sein mag.
Bereits 2003 erschien der historische Roman „Die Siedler von Catan“ aus der Feder der Erfolgsschriftstellerin Rebecca Gablé, der auf Teubers Vorstellungen vom Spiel basierte und ursprünglich eine Trilogie werden sollte, dann aber von der Autorin doch nicht fortgesetzt wurde.
Spiele-Erfinder und Autor Klaus Teuber erzählt nun in seinem historischen Roman „Catan“ die spannende Geschichte hinter seinem weltweit beliebten Spiel, die um 860 in Norwegen ihren Ausgang nimmt. Es handelt sich um den spannenden Auftakt zu einer als Trilogie angelegten historischen Familien-Saga um eine große Liebe, einen erbitterten Kampf um Macht und die Hoffnung auf eine neue Heimat. Hierin begibt sich eine Gruppe von nordländischen Siedlern mit ihren Knorren auf eine ungewisse, abenteuerliche Seereise und beginnt schließlich auf der unbewohnten Insel Catan, dem Land der Sonne, ein neues Leben.
Dieser Roman richtet sich nicht nur an Fans des Brettspiels, sondern auch an alle, die Interesse an gut recherchierten historischen Romanen haben und gerne etwas über das Leben zu jener Zeit erfahren möchten, denn der Autor schildert seine an der überlieferten nordischen Kultur ausgerichtete Geschichte über das seekundige, kriegerische Volk, das auch weit entfernte Länder eroberte und besiedelte, sehr glaubwürdig und mit historischer Genauigkeit.
Der ausdrucksstarke, bildhafte Erzählstil ist sehr unterhaltsam, so dass keine Langeweile aufkommt.
An der Seite der drei verbannten Halb-Brüder Thorolf, Yngvi und Digur und ihrer Gefolgsleute tauchen wir mühelos in die damalige Zeit ein und durchleben so manche Herausforderung und Katastrophe. Gekonnt greift Teuber in seiner Handlung viele klassische Szenarien, die auch im Catan-Spiel eine Rolle spielen, auf. Auch eher zeitlose Themen wie die Vermeidung von kämpferischen Auseinandersetzungen und erste Bestrebungen eines gerechteren, friedvollen Zusammenlebens, Diskussionen um Glaubensfragen, der Kampf um Menschenrechte sowie Verhandlungen und Kooperationen zugunsten des gesamten Volks werden sehr fesselnd und anschaulich in Szene gesetzt. Zudem wird auch die Problematik der Unterdrückung und Ausbeutung von Sklaven, die Benachteiligung von Frauen sowie Willkürakte machtbesessener Anführer in den Mittelpunkt der Handlung gerückt.
Aber auch die diversen Schwierigkeiten bei der Besiedlung, Bestellung der Felder, die Notwendigkeit, Handel zu treiben sowie die Bedeutsamkeit der Heilkunde werden sehr authentisch und nachvollziehbar dargestellt.
Die Charakterisierung seiner zahlreichen Hauptfiguren ist dem Autor wirklich gut gelungen. Es sind lebendige Menschen, mit Stärken und Schwächen, die beim Leser Interesse und Anteilnahme wecken. Alle agieren angemessen in ihrer jeweiligen Zeit, so dass man kann sich stets recht gut in ihre Situation hinein versetzen kann.
Insgesamt hält Teuber im Laufe der wendungsreichen Geschichte viele fesselnde Momente, nervenaufreibende Konflikte sowie allerlei menschliche Verwicklungen wie Ehebruch, Untreue und Verrat bis hin zu Mord für uns bereit. Nach dem packenden Ausklang des Auftaktbands bin ich sehr gespannt, wie es im zweiten, für Herbst 2023 angekündigten Teil weitergehen wird.
ZUM HÖRBUCH
Das gekürzte Hörbuch wurde von Schauspieler, Regisseur und Sprecher Alexander Bandilla eingelesen.
Dank seiner facettenreiche Lesung und einem angemessenen Tempo kann man der Handlung gut folgen, muss allerdings bei der Vielzahl an Akteuren stets bei der Sache sein. Durch seine angenehme Stimme und souveränen Vortragsweise wirkt die Geschichte ausgesprochen lebendig und gerät nie in Gefahr langatmig zu werden.
Alexander Bandilla versteht es gut, durch gekonnte Betonung bestimmter Passagen sowie mit dem Spiel von Lautstärke und Lesetempo viel Abwechslung und Dynamik ins Geschehen zu bringen.
FAZIT
Ein fesselnder Auftaktband einer historischen Familien-Saga mit der lehrreichen und unterhaltsamen Geschichte rund um das weltweit beliebte Brettspiel CATAN!

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  • Handlung
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Veröffentlicht am 31.10.2022

Ein unvergesslicher Roman

Das Leuchten der Rentiere
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MEINE MEINUNG
Ein unvergesslicher Roman
Der schwedischen Journalistin und vielfach preisgekrönten Kinder- und Jugendbuch-Autorin Ann-Helen Laestadius ist mit »Das Leuchten der Rentiere« -ihrem ersten Roman ...

MEINE MEINUNG
Ein unvergesslicher Roman
Der schwedischen Journalistin und vielfach preisgekrönten Kinder- und Jugendbuch-Autorin Ann-Helen Laestadius ist mit »Das Leuchten der Rentiere« -ihrem ersten Roman für Erwachsene- auf Anhieb ein Nummer-1-Bestseller-Erfolg in Schweden gelungen.
Hierin erzählt sie die ergreifende Geschichte des Sámi Mädchens Elsa und ihrer Familie, die als samische Rentierzüchter tagtäglich um ihre Lebensgrundlage und ihren Platz in der Gesellschaft kämpfen müssen. Neben der fesselnden Familiengeschichte ist es aber auch eine berührende und nachdenklich stimmende Coming-of-age Geschichte eines unbeirrbaren Mädchens, das mutig um Gerechtigkeit kämpft, sich im Laufe der Zeit trotz aller Widerstände und Gefahren zu emanzipieren weiß und schließlich ihren Platz in der Welt findet. Trotz der ruhigen, einfühlsamen Erzählweise und der faszinierenden Thematik war für mich anfangs nicht ganz einfach, in die Geschichte hineinzukommen, lohnt es sich durchzuhalten, denn nach und nach entwickelte diese eine tolle, unaufgeregte Dynamik.
Als gebürtige Sámi widmet sich die Autorin in ihrem Roman insbesondere der einzigartigen Kultur und dem Alltagsleben der Samen, der letzten indigenen Volksgruppe Europas. Diese im hohen Norden lebende Bevölkerungsgruppe, deren Existenzgrundlage die Rentierzucht ist, versucht ein Leben im Einklang mit der Natur - zwischen Tradition und Moderne - zu meistern.
In ihrer auf wahren Begebenheiten beruhenden Geschichte führt die Autorin uns sehr eindringlich die vielfältigen Schwierigkeiten vor Augen, die diese traditionelle Lebensweise in einer sich rasant wandelnden Welt mit sich bringt, und thematisiert auch die erschreckende Ausgrenzung und eklatante Diskriminierung der Samen durch die schwedische Gesellschaft und Staatsorgane. Doch neben offener Gesellschaftskritik zeigt sie auch die starren patriarchalischen Strukturen der Samen auf und deren Unfähigkeit, sich den ihrem Volk zugefügten Ungerechtigkeiten entgegenzustellen sowie entschlossen für ihre Rechte und den Fortbestand ihrer kulturellen Identität zu kämpfen.
„Samisch zu sein bedeutet, seine Geschichte in sich zu tragen, als Kind vor dem schweren Rucksack zu stehen und sich zu entscheiden, ihn zu schultern oder nicht.“
Neben schönen bildhaften Landschaftsbeschreibungen des nordschwedischen Sápmi, wundervollen mystischen Momenten sorgen auch eingestreute samische Ausdrücke, die entweder direkt übersetzt werden oder gelegentlich im angehängten Glossar nachzuschlagen sind, für ein gelungenes, authentisches Flair.
Im düsteren Ausgangsszenario erleben wir, wie Elsa Zeugin eines brutalen Mordes an ihrem geliebten Rentierkalb Nástegallu wird, vom Wilderer durch eine unmissverständlich drohenden Geste zum Schweigen gebracht wird und lange Zeit aus Angst dieses verheerende Geheimnis mit sich herumtragen und ihre Trauer allein bewältigen muss. Aus der Sicht der neunjährigen Elsa tauchen wir in das für uns fremde Alltagsleben der Samen und deren Kultur ein, und lernen nach und nach ihre enge Verbundenheit zur Natur und ihren Rentieren aber auch ihre alltäglichen Sorgen und Nöte kennen. Rasch ist man von der eindringlichen und aufwühlenden Geschichte gefesselt und verfolgt gebannt das beklemmende Schicksal der verschiedenen Charaktere und ihrem verzweifelten Ringen um Normalität.
Äußerst faszinierend ist es im zweiten, zehn Jahre später spielenden Teil mitzuerleben, wie Elsa schließlich den Mut und die Kraft findet, Schuldgefühle und Ohnmacht hinter sich zu lassen, die Problematik der von der Polizei gänzlich ignorierten Rentier-Wilderei, grausamen Tierquälereien und Bedrohungen der Sámi in die Öffentlichkeit zu bringen und sich dem skrupellosen Täter von damals in den Weg zu stellen. Sehr packend inszeniert die Autorin dies schließlich im letzten Drittel ihres Romans und lässt die Handlung in einem fesselnden Finale gipfeln.
Einfühlsam und anschaulich zeigt die Autorin am Beispiel von Elsas Familie und ihrem Umfeld auf, welche gravierenden Auswirkungen die permanente Diskriminierung und behördliche Gleichgültigkeit auf das indigene Volk der Sámi hat, wie sich dies auch nachhaltig auf die Psyche der jungen Generation auswirkt und den Fortbestand der Traditionen zunehmend gefährdet.
Die verschiedenen Figuren sind facettenreich und authentisch ausgearbeitet. Die schrittweise, sehr glaubwürdige Entwicklung ihrer Protagonistin Elsa schildert die Autorin ergreifend und empathisch, so dass man Elsas Kampf gegen ihre inneren Dämonen und ihr Handeln gut nachvollziehen kann.

FAZIT
Ein berührender Roman mit einer bewegenden Geschichte über Familie, Identität und Gerechtigkeit und faszinierenden, aber auch nachdenklich stimmenden Einblicken in das Leben der Sámi.
Sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 21.10.2022

Fesselnde dystopische Zeitreise

Auf See
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MEINE MEINUNG
Mit ihrem Buch „Auf See“ hat die junge deutsche Autorin Theresia Enzensberger einen beeindruckenden, fesselnden und anspruchsvollen Roman vorgelegt, der ein origineller Genre-Mix aus spannender ...

MEINE MEINUNG
Mit ihrem Buch „Auf See“ hat die junge deutsche Autorin Theresia Enzensberger einen beeindruckenden, fesselnden und anspruchsvollen Roman vorgelegt, der ein origineller Genre-Mix aus spannender Zukunftsvision, beklemmender Dystopie und einer Coming-of-age-Geschichte der jungen Protagonistin Yada darstellt.
Sehr anschaulich führt uns die Autorin unterschiedliche faszinierende Zukunfts- und Lebenskonzepte vor Augen und zeigt eindrücklich die Notwendigkeit auf, jegliche Machtverhältnisse in Frage zu stellen und hilfreiche resiliente Strategien zu entwickeln, um mit seinen Zukunftsängsten angesichts post-apokalyptischer Zustände umzugehen. Die fesselnde und vielschichtig angelegte Geschichte regt zu einer Auseinandersetzung mit interessanten gesellschaftspolitischen Fragestellungen und tiefgründigen Zukunftsthemen an - Themen also, die jeden von uns betreffen (sollten).
Angesiedelt ist Enzensbergers Ausgangsszenario in einer nicht allzu fernen, aber nicht näher verortbaren Zukunft zu einer Zeit geprägt durch die Folgen des Klimawandels und gesellschaftliche Unruhen. Schon der Einstieg in die beklemmende, prägnant erzählte Handlung hat mich auf Anhieb mit ihren deutlichen Bezügen zur Gegenwart gefesselt. Die Autorin stellt zwei unterschiedliche Erzählperspektiven gegeneinander, die offensichtlich auf bislang noch unbekannte Weise zusammenhängen, und gibt uns zugleich faszinierende Einblicke in zwei sehr verschiedene Handlungsorte. Zum einen erleben wir die interessante, etwas unwirkliche Welt der 17-jährigen Yada, die isoliert vom Rest der vermeintlich im Chaos versunkenen Welt auf einer kleinen künstlichen Insel, der schwimmenden Seestatt mitten in der Ostsee lebt – zusammen mit ihrem unnahbaren Vater Nicholas Verney, der Gründer und Leiter dieses visionären Zukunftsprojekts ist und so einiges vor ihr zu verbergen scheint. Man spürt deutlich zwischen den Zeilen, dass hier so einiges im Argen liegt und vertuscht werden soll. Zum anderen lernen wir in einem zweiten Erzählstrang die faszinierende Figur von Helena kennen, eine Künstlerin, Aktivistin und unfreiwillige Gründerin einer libertären Sekte und erleben aus ihrer Sicht ihren bewegten Alltag in einer etwas anarchistischen, aber eigentlich immer noch „normalen“ Welt, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergedriftet ist.
Obwohl schon bald klar wird, welche Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Handlungssträngen und den jeweiligen Figuren bestehen, ergeben sich manche Hintergründe und Bezüge zur Handlung aufgrund der cleveren, komplexen Konzeption auch erst im Nachhinein. Eingeschoben in die sich abwechselnden Erzählstränge der Haupthandlung sind die mit Archiv betitelten Kapitel, in denen historisch verbürgte Fakten über fantastische Utopien und ihr Scheitern in der Vergangenheit vorgestellt werden. In diesen fundiert recherchierten Abhandlungen erfahren wir neben lehrreichen Hintergründen zum modernen Neoliberalismus und zur Gründung eigener Nationen allerlei Faszinierendes wie Unglaubliches wie beispielsweise über den legendären Betrüger Gregor MagGregor, die Insel Ascension oder die Geschichte der Piratenkommune Libertatia.
An der Seite der beiden in ihren Lebenskonzepten so unterschiedlichen Hauptfiguren Yada und Helena nimmt uns die Autorin mit auf eine interessante Zeitreise, in der es zunächst viele Ungereimtheiten, überraschende Wendungen aber auch spannende Ansätze zu neuen Lebensgemeinschaften im Angesicht des allgegenwärtigen Untergangs zu ergründen gibt.
Dank des lebendigen Erzählstils wird man zwar rasch in die Geschichte hineingezogen und doch fiel es mir nicht leicht, mich auf die vielschichtigen Charaktere und ihre Gedanken- und Gefühlswelt einzulassen, da insbesondere Helena auf mich sehr unnahbar und distanziert wirkte. Beim Lesen ist zudem große Aufmerksamkeit vonnöten, um durch die eingeschobenen, detailreichen Archiv-Kapitel im Lesefluss zu bleiben und die verschiedenen Ebenen dieser genialen Geschichte zu erfassen. Zum Ende hin fügen sich schließlich die vielen verschiedenen Mosaikteilchen sehr stimmig zusammen zu einem faszinierenden Gesamtbild. Gekonnt lässt die Autorin ihren Roman mit einem hoffnungsvollen, versöhnlichen Ausklang enden, der einen sehr nachdenklich zurücklässt.

FAZIT
Ein fesselnder und anspruchsvoller Roman, der uns in eine nicht allzu ferne Zukunft blicken lässt.
Eine nicht einfache aber interessante und zum Nachdenken anregende Lektüre!

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Veröffentlicht am 14.10.2022

Spannender Beutekunst-Krimi

Das neunte Gemälde
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MEINE MEINUNG
"Das neunte Gemälde" des deutschen Autors Andreas Storm ist der fesselnde Auftakt einer neuen Raubkunst-Krimi-Reihe, in deren Mittelpunkt der Kunsthistoriker Lennard Lomberg steht.
Andreas ...

MEINE MEINUNG
"Das neunte Gemälde" des deutschen Autors Andreas Storm ist der fesselnde Auftakt einer neuen Raubkunst-Krimi-Reihe, in deren Mittelpunkt der Kunsthistoriker Lennard Lomberg steht.
Andreas Storms vielschichtiger Krimi rund um einen spektakulären Fall von Nazi-Beutekunst ist in verschiedene, sich abwechselnde Handlungsstränge angelegt, die uns mal nach Bonn, Paris und ins Rheingau führen und auf drei Zeitebenen angesiedelt sind - mit Rückblicken in die 1940er Jahre, ins Jahr 1966 sowie in die Gegenwart von 2016.
Basierend auf bis heute unbelegten Hinweisen und immer wieder neu befeuerten Spekulationen unter Kunsthistorikern, dass 1943 im Pariser Kunstmuseum Jeu de Paume einige wertvolle, von den Nazis der „entarteten Kunst“ zugerechnete Gemälde kurz vor ihrer Verbrennung heimlich durch wertlose Bilder ersetzt worden seien, entwickelte der Autor die Ausgangsidee für seinen hochinteressanten Roman rund um das Thema organisierter Kunstraub der Nationalsozialisten im Dritten Reich. Gekonnt entführt er uns nicht nur in die spannende Welt der Kunst und Provenienzforschung, sondern gibt uns auch aufschlussreiche Einblicke in wichtige Hintergründe zu den Kunstraubzüge in Frankreich durch Hitlers Schergen und Auswirkungen bis in die Gegenwart. Denn viele der damals Involvierten gelang es dank ihrer alten Seilschaften in höchsten Positionen ihre skrupellosen Machenschaften auch in der noch jungen BRD nahezu unbehelligt weiterzuführen.
Schon der Einstieg in diesen hochinteressanten Krimi mit dem ominösen Auftrag eines mysteriösen Anrufers, ein geheimnisvolles, verschollen geltendes Gemälde seinen rechtmäßigen Besitzern zurückzugegeben, ist äußerst packend gestaltet. Bald wird klar, dass Protagonist Lennard Lomberg als Kunsthistoriker und -experte nicht nur die Hintergründe eines dreisten Kunstraubs aufzudecken hat, sondern sich auch mit einem lang gehüteten Geheimnis rund um seinen verstorbenen Vater und dessen Vergangenheit auseinanderzusetzen hat. Nach und nach schält sich heraus, dass das geheimnisvolle verschollene Gemälde eng verbunden mit Lombergs Familiengeschichte ist. Während der Autor sich zunächst Zeit nimmt, die Story aufzubauen und seine Charaktere inklusive Hintergrundgeschichten einzuführen, zieht die Spannung mit immer neuen Details und zutage tretenden Puzzleteilchen allmählich an. Es entspinnt sich schließlich eine komplexe, sehr raffiniert verwobene und überaus wendungsreiche Handlung mit zahllosen Charakteren und einer Unzahl an bedeutsamen Informationen, die für packende Unterhaltung sorgt. Dennoch wird es zeitweise recht anstrengend, um den roten Faden nicht zu verlieren und den Überblick noch zu behalten. Erschwerend für den Lesefluss kommt hinzu, dass der anspruchsvolle Schreibstil des Autors etwas umständlich und sehr detailverliebt ist. Hervorragend ist es Storm jedoch gelungen, die vielen gut recherchierten historischen Fakten und politischen Hintergrundinformationen in seine packende Geschichte einzuflechten. Storm beherrscht es recht gut, seinen Protagonisten Leonard Lomberg mit seinen Ecken und Kanten aber auch die vielen Nebenfiguren vielschichtig auszuarbeiten, so dass sie ausreichend dreidimensional und lebendig wirken.
Nach dem überraschenden Ende, bin ich schon sehr gespannt, auf einen neuen Fall für Kunsthistoriker Lennard Lomberg.

ZUM HÖRBUCH:
Mit Julian Mehne als Sprecher für dieses Hörbuch wurde eine sehr gute Wahl getroffen. Mit seiner angenehm tiefen, und ausdrucksstarken Stimme versteht er es hervorragend, uns sofort in die fesselnde Geschichte hinein zu ziehen und an die unterschiedlichen Handlungsorte mitzunehmen. Mit leichten Temposteigerungen und Verändern der Sprechlautstärke sorgt er für Abwechslung und lässt er immer wieder geschickt Spannung aufkommen. Bei Gesprächen differenziert er die Stimmen der Figuren bewusst nur mit feinen Nuancen, wobei man dennoch stets den jeweils Sprechenden erkennt. Aufgrund der vielen, abwechselnden Handlungsstränge und unzähligen Figuren sowie der vielen bedeutsamen Details bedarf es allerdings einer großen Disziplin und hoher Aufmerksamkeit dieser komplexen und wendungsreichen Geschichte als Zuhörer zu folgen.
FAZIT
Ein packender, vielschichtiger Krimi rund um Beutekunst und Familiengeheimnisse – hervorragend recherchiert, mit einer fesselnden Mischung aus Fiktion und Fakten und überraschenden Wendungen!
Ein sehr anspruchsvolles, aber lohnendes Hörerlebnis!

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Veröffentlicht am 18.09.2022

Ein eindringlich geschriebener, sehr bewegender Roman

Denk ich an Kiew
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MEINE MEINUNG
In ihrem ergreifenden Roman "Denk ich an Kiew" hat sich die US-amerikanische Autorin Erin Litteken mit ukrainische Wurzeln eines traurigen historischen Themas und finsteren Kapitels der ukrainischen ...

MEINE MEINUNG
In ihrem ergreifenden Roman "Denk ich an Kiew" hat sich die US-amerikanische Autorin Erin Litteken mit ukrainische Wurzeln eines traurigen historischen Themas und finsteren Kapitels der ukrainischen Geschichte angenommen– dem Holodomor, einem Anfang der 1930er Jahre systematisch und gnadenlos von Stalin durchgeführten Feldzug gegen das ostukrainische Volk, der in einer beispiellosen Hungersnot und einem unfassbaren Genozid mündete. Wie Erin Litteken in ihrem ausführlichen Nachwort erläutert, haben die vielen Erzählungen ihrer ukrainischen Urgroßmutter sie zu diesem Roman inspiriert. Deren Familie aus der Westukraine musste zwar nicht selbst die damaligen Gräueltaten durchleben, dennoch wurde auch deren Leben von den damaligen Geschehnissen nachhaltig geprägt.
Die Autorin hat ihren Roman in zwei einander abwechselnden Handlungssträngen angelegt, die auf unterschiedlichen Zeitebenen spielen. Zum einen erleben wir die sehr eindringlich erzählte Geschichte der jungen Katja zum Anfang der 1930er Jahre in einem kleinen Dorf in der Ukraine und zum anderen den im Jahre 2004 in Illinois angesiedelten Handlungsstrang, in dem wir nach und nach mehr über Cassie, ihre Familie und vor allem ihre aus der Ukraine einst geflüchtete und nun an Demenz erkrankte Großmutter Bobby erfahren. Durch den lebendigen, ansprechenden Schreibstil und die interessanten Charaktere wird man rasch in die Geschehnisse der Gegenwart hineingezogen und folgt zugleich gebannt dem Fortgang der höchst ereignisreichen und schockierenden Geschichte in der Vergangenheit, die mich deutlich stärker fesseln und emotional bewegen konnte. Die Autorin schildert in ihrer erschütternden Geschichte um Katja sehr anschaulich und glaubhaft die Hintergründe für die systematische Ausrottung der ukrainischen Kultur und damaligen Geschehnisse rund um die Entkulakisierung und den Holodomor. Man merkt deutlich, dass sie sehr sorgfältig hierzu recherchiert hat und viele Details aus Schilderungen der Zeitzeugen in die Handlung eingebaut hat, um uns authentische Einblicke in die unvorstellbaren Zustände und das unsägliche Leid der Menschen vor Augen zu führen. Aufwühlend und nachdrücklich schildert die Autorin, wie Katja und ihre Familie in dieser so extrem menschenverachtenden Zeit ums nackte Überleben kämpfen mussten, dennoch immer wieder Stärke, Mut und Hoffnung fanden und neben all der bedrückenden Trostlosigkeit versucht haben, füreinander da zu sein und anderen zu helfen. Wir haben Anteil an grauenvollen, schonungslos geschilderten Szenen; die schockierenden Grausamkeiten, das Leid der Menschen und die unmenschlichen Zustände gehen in ihrer Intensität unter die Haut und lassen einen nicht mehr los. Schätzungsweise über 3,9 Millionen Ukrainer starben damals im Holodomor durch Krankheiten, Schwäche, Deportationen oder kaltblütigen Mord. Eindrücklich führt uns die Autorin am Beispiel von Cassies Großmutter vor Augen, dass diese traumatischen Erlebnisse die damaligen Überlebenden zeitlebens belastet haben. Zwar wurden die furchtbaren, belastenden Erinnerungen oftmals erfolgreich verdrängt und der Familie völlig verschwiegen, aber gerade im hohen Alter kommen diese unaufhaltsam und ungefiltert wieder hoch.
Geschickt unterbricht die Autorin immer wieder den Handlungsstrang aus der Vergangenheit und kehrt zu den Geschehnissen in der Gegenwart zurück. Zwar ist es schon interessant mit zu verfolgen, wie die beiden Handlungsstränge miteinander verbunden sind, doch wirkte die in der Gegenwart angesiedelte Handlung um Cassie vor allem aufgrund der sehr klischeehaft umgesetzten Liebesgeschichte etwas oberflächlich, unnötig in die Länge gezogen und konnte mich leider nicht wirklich fesseln und bewegen.
Die unterschiedlichen Charaktere hat die Autorin zwar ansprechend angelegt, doch für meinen Geschmack hätten diese ruhig etwas tiefgründiger ausgearbeitet werden können, so dass man sich noch besser in ihr Seelenleben hätte hineinversetzen können.
Dennoch lässt vor allem die bewegende und sehr eindringlich geschilderte Lebensgeschichte von Cassies Großmutter diesen Roman trotz seiner bedrückenden Thematik zu einem fesselnden Page Turner werden, den man nicht so schnell vergisst.

FAZIT
Ein eindringlich geschriebener, bewegender Roman über ein dunkles und prägendes Kapitel der ukrainischen Geschichte, das weitgehend in Vergessenheit geraten ist!
Trotz einiger Schwächen eine lehrreiche und sehr lesenswerte Geschichte mit einem höchst aktuellen Bezug!

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