Kleine emotionale Barriere
Nachdem ich „Heartstopper“ von Alice Oseman durch Netflix entdeckt habe, habe ich natürlich auch mitbekommen, dass Loewe nun nach und nach auch die anderen Werke der Autorin übersetzen und auflegen lässt. ...
Nachdem ich „Heartstopper“ von Alice Oseman durch Netflix entdeckt habe, habe ich natürlich auch mitbekommen, dass Loewe nun nach und nach auch die anderen Werke der Autorin übersetzen und auflegen lässt. Nachdem ich schon das wirklich großartige „Loveless“ lesen durfte, zu dem ich noch nie etwas Vergleichbares gelesen habe, war nun also „Nothing Left for Us“ dran, das im Englischen unter „Radio Silence“ erschienen ist. Hier war ich wieder sehr gespannt, welche Geschichte mich diesmal erwarten würde.
Während es bei „Loveless“ nach Anlaufschwierigkeiten schnell die große Liebe wurde, ist es mir bei „Nothing Left for Us“ etwas anders gegangen. Ich war gespannt, weil ich schon gehört hatte, dass mit Aled jemand eine Hauptfigur ist, die mit Charlie aus „Heartstopper“ befreundet ist. Ich wollte mehr über ihn herausfinden, doch die Geschichte ist aus der Sicht von Frances geschrieben, während Aled erstmal sehr unscheinbar bleibt. Nun ist Frances eine Figur, mit der ich mich durchaus auch gut identifizieren konnte, denn wieder schafft es Oseman viele Themen anzusprechen, die für mich in der Jugend Alltag waren, aber über die nie jemand sprechen wollte und die man auch sonst nirgendwo verarbeitet sah. Hier bei Frances ist eben besonders interessant, dass sie in der Schule im Grunde eine Marionette ist, die glaubt, ihren Intellekt unbedingt für etwas Großes einsetzen zu müssen und deswegen sklavisch alles lernt, ohne es aber wirklich für sich zu tun, sondern für ein Außenbild. Zudem bezeichnet sie viele Mitschülerinnen immer wieder als Freundinnen, doch es ist schnell festzustellen, dass es wahrlich keine Freundschaften, sondern vielleicht eher Zweckgemeinschaften sind. Dazu ist das alles mit der ‚Schul-Frances‘ verbunden, denn sie ist dort eine andere Person, als sie bei ihrer liebevollen Mutter zuhause ist. Das hat sich vertraut angefühlt, da ich auch lange für etwas gearbeitet habe, das völlig abstrakt war und mich immer unter Druck gesetzt habe, was später aber nie wichtig wurde und war ich dabei jemals wirklich ich selbst?
Der mit Frances geschaffene Rahmen war für mich also wieder mal sehr vertraut und ich fand es tröstlich, die ganzen Gedankengänge zu lesen. Dennoch hatte für mich die Geschichte lange keinen richtigen roten Faden. Große ‚Schuld‘ trägt daran Universe City, der Podcast mit Skript von Aled. Zwar waren immer mal wieder Auszüge abgedruckt, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass ich mir wirklich ein Bild davon machen konnte. Die Auszüge waren nämlich weniger dazu da, einen Eindruck vom Podcast zu schaffen als vielmehr eben aufzuzeigen, wie sehr Aleds Zustand, hier personifiziert durch Radio, immer mehr in einer Abwärtsspirale geriet. Das hat mir aber nicht gereicht, um mich wirklich in diesen Kult um Universe City einzudenken. Zwar sind im weiteren Verlauf immer mehr inhaltliche Geheimnisse aufgedeckt worden und es war sicherlich auch interessant, die Macht von Fans online mit ihren Recherchenkünsten zu beleuchten und dennoch war es mir einfach zu wenig, um mich wirklich inhaltlich in diese Teilhandlungen einzusteigen.
Durch diese Barriere ist es mir glaube ich auch nicht wirklich gelungen, mich mit Aled zu arrangieren, obwohl vollkommen klar ist, dass er eigentlich eine Figur sein müsste, die ich ganz fest in den Arm nehmen möchte sollte. Doch irgendwie passierte das nicht. Ich habe auch nie wirklich verstanden, wenn Frances betonte, sie und Aled seien quasi gleich, denn bei ihr war ich mittendrin, bei ihr hatte ich wirklich das Gefühl, sie zu kennen, aber Aled? Zudem fand ich die ganze Familiengeschichte mitsamt Carys sehr mysteriös und sie erschien mir auch ein weniger zu viel des Guten. Dennoch fand ich das Ende schön, denn Frances kommt zu wichtigen Erkenntnissen, die ich auch machen konnte und am Ende sind auch all die ungewöhnlichen Figuren zusammengekommen und dadurch wurde alles zu einem guten Abschluss gebracht.
Fazit: „Nothing Left for Us“ hat auch wieder viele wichtige Themen für Jugendliche und junge Erwachsene zu bieten, doch diesmal hat der zentrale Handlungsstrang rund um den Podcast mich nicht richtig überzeugen können. Ich bin nicht auf die Ebene gekommen, die wohl intendiert war und damit hat mich ein wichtiger Teil nicht erreicht. Dennoch ohne Frage wieder ein wichtiges Buch von Oseman, mit breitem Themenspektrum.