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Veröffentlicht am 27.10.2022

Sehr einfühlsames Buch

Die Gewandnadel
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„...Das Tuch wärmt mich, Harun wärmt mich. Ich fühle mich geborgen.Über uns spannt sich der Wüstenhimmel. Um uns spannt sich Geborgenheit und an meinem Gewand funkelt die Hoffnung...“

Mit diesen poetischen ...

„...Das Tuch wärmt mich, Harun wärmt mich. Ich fühle mich geborgen.Über uns spannt sich der Wüstenhimmel. Um uns spannt sich Geborgenheit und an meinem Gewand funkelt die Hoffnung...“

Mit diesen poetischen Sätzen endet der Prolog. Dann geht die Geschichte in der Gegenwart weiter.
Die Autorin hat ein spannendes und tiefgründiges Buch geschrieben. Es laufen zwei Handlungsstränge parallel. Zum einen geht es um das Leben in der Seniorenresidenz Herbstlust, zum anderen erfahre ich viel über das Schicksal von Josefine bis zum Jahre 1951.
Der Schriftstil ist ausgereift. Das bedeutet, dass auch schwierige Situationen behutsam beschrieben werden.
Yasser oder Yakob, ein junger Mann aus dem Stamm der Amazigh in Libyen, arbeitet seit fünf Jahren als Altenpfleger. Seine Eltern sind einst aus der Heimat geflohen. Er zeichnet sich durch seine Empathie gegenüber den Bewohnern aus.
Die Residenz wird so beschrieben:

„...Die Seniorenresidenz Herbstlust ankert wie ein Kreuzfahrtdampfer in der Landschaft, doch im Inneren gleicht sie einem Militärschiff. Alle Passagiere sind pensionierte Rotkreuzschwestern. Die Herbstlust, ein ehemaliges Jagdschloss, ist nun ihr Ruhesitz...“

Es ist hart, dass diejenigen, die ihr Leben lang für andere da waren, nun nicht von allen mit der nötigen Achtung behandelt werden. An einer Stelle im Buch wird das so formuliert:

„...Es ging immer nur darum, sie ruhigzustellen. Sie wurde aufgeräumt wie ein Gegenstand, der immer im Weg liegt, an dem man sich stößt und stört...“

Es ist Yakob, dem auffällt, dass Josefine ab und an Worte einer fremden Sprache gebraucht. Zwar lebt er schon lange in Deutschland, doch er erkennt seine Muttersprache. Die anderen halten das für wirres Zeug.
Der Strang der Vergangenheit zeigt Josefine als Tochter eines Regisseurs. Sie träumt davon, Ärztin zu werden. Da sich ihre Eltern gegen das Naziregime stellen, wollen sie die Tochter in Sicherheit wissen. Sie geben sie nach München zur Ausbildung als Rotkreuzschwester. 1940 wird sie als Krankenschwester nach Afrika geschickt. Diese Zeit hat tiefe Spuren hinterlassen. Dem Geschehen aber ist zu entnehmen, dass sie später nie darüber gesprochen hat. Jetzt aber, wo die Gegenwart verschwimmt, kommen Bruchstücke hoch und sorgen für Unruhe.
Gekonnt fügt die Autorin das Leben von Yakob in die Geschichte ein. Sein Vater hat dafür gesorgt, dass sich die Familie integriert. Die Heimat ist kaum noch ein Thema. Doch seit der Begegnung mit Josefine fragt Yakob nach seinen Wurzeln.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Der Autorin gelingt es, eine Entwicklung darzustellen, die nicht nur den Senioren ihre Ruhe wiedergibt und sie mit der Vergangenheit versöhnt, sondern auch Yakob und seiner Familie eine Perspektive aufzeigt, die den Verlust der Heimat nicht mehr ausblendet..

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Veröffentlicht am 26.10.2022

Richtig schön

Ein Winter wie dampfender Kakao
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„...Jannis kommt gleich mit zu meinem Opa. Er ist mein bester Freund, hier, auf der neuen Schule.. Ich bin erst seit einigen Wochen in der fünften Klasse...“

Luzy erzählt kurz, was in Band 1 der Reihe ...

„...Jannis kommt gleich mit zu meinem Opa. Er ist mein bester Freund, hier, auf der neuen Schule.. Ich bin erst seit einigen Wochen in der fünften Klasse...“

Luzy erzählt kurz, was in Band 1 der Reihe passiert ist. So lerne ich ihren Freund Jannis, der aus Griechenland stammt, und dessen Esel kennen. Band 1 ist mir zwar unbekannt, aber die wenigen Informationen genügen, um in die Geschichte einzusteigen.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Er ist kindgerecht und humorvoll, lässt aber auch Raum für ernste Themen. Luzy passt gut als Ich – Erzählerin.

„...Während Sophia eine wahre Sportskanone und dazu noch supergut in der Schule ist, bin ich in unserer Familie die Technikfrau. Ich liebe es mit Papa zusammen Fahrräder zu reparieren...“

Lucy unternimmt viel mit Jannis und Jakob. Auch in der Schule ist sie meist mit Jannis zusammen. Jakob besucht eine andere Schule. Beide kennen sich schon lange. Als Lucy ihren kleinen Bruder Piet aus dem Kindergarten abholt, spricht Flo sie an. Deren Schwester geht ebenfalls in Piets Gruppe.
Als Jannis ein paar Tage nicht in die Schule kommt, integriert Flo Lucy in der Pause in ihre Mädchengruppe. Plötzlich fühlt sich Lucy aufgenommen und angekommen.
Anders geht es Jannis` älteren Bruder Niko. Der hat Heimweh nach Griechenland.

„...Wisst ihr, bei uns in Griechenland ist das normal. Wenn es jemand nicht gutAuf lockerleichte Art geht, ist man einfach für ihn da, das ist sonnenklar. Alles andere muss sich dann in die Warteschlange stellen...“

Jannis war zu Hause geblieben, um für Niko einzuspringen.
Auch der Esel Tzatziki will nichts fressen. Fehlt ihm die Sonne Griechenlands? Ist ihm der Winter in Deutschland zu kalt?
Erster Schnee und Schlittenfahrt, heißer Kakao und Waffeln, es sind die vielen Kleinigkeiten, die der Geschichte ihre weihnachtliche Stimmung geben und selbst Abschied und Trennung erträglich machen. Dass es dabei mit dem Esel eine handfeste Überraschung gibt, war nicht zu erwarten. Der weiß nämlich, was er will.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die Geschichte ist in sich stimmig-

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Veröffentlicht am 25.10.2022

Tod im Britischen Museum

Der Tod steigt aus dem Sarkophag
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„...Wenn Sie an den Fluch von Mumien glauben, gehören Sie vielleicht ins Fernsehen. Aber nicht in einen Kurs für Privatermittler...“

Der Fluch der Mumien ist in London wieder in aller Munde, seit drei ...

„...Wenn Sie an den Fluch von Mumien glauben, gehören Sie vielleicht ins Fernsehen. Aber nicht in einen Kurs für Privatermittler...“

Der Fluch der Mumien ist in London wieder in aller Munde, seit drei verschollene Mumien, die einst ins Britische Museum gehörten, wieder gefunden worden. Zu Mildred Granvilles 77. Geburtstag sollen die dem ägyptischen Ministerpräsidenten Mustafa Madbuli übergeben werden. Mildreds Enkelin Alison ist für die Gestaltung der Feier verantwortlich.
Der Autor hat eine fesselnde Geschichte im Stile des klassischen englischen Krimis geschrieben.
Der Schriftstil passt sich dem Genre an. Ab und an blitzt eine feiner Humor auf.
Die Überschriften der einzelnen Kapitel zählen die Tage bis zur Feier. Der Spannungsbogen nimmt extrem zu, als eine der Museumswächterinnen tot aufgefunden wird. Gleichzeitig ist Peggy verschwunden, Alisons beste Freundin, die bei der Ausgestaltung der Feier vieles in ihre r Hand hat.
Mit Mildred hat der Autor eine typisch schrullige alte Dame kreiert, die weiß, was sie will, In Geld schwimmt und sich durchzusetzen weiß.

„...Die Uhr tickt. Niemand von uns bekommt eine zweite Chance. Wenn Sie wirklich etwas verändern wollen, brauchen Sie den Mut, Regeln zu brechen und Dinge anzupacken. Das Zauberwort heißt Improvisation...“

Auch Mildreds Hund Alfie sorgt für Abwechslung.
Bei dem Mordfall stellt sich die Frage: Ist Peggy Täterin oder ein weiteres Opfer? Alison setzt auf letzteres, Teddy Chan vom Scotland Yard auf ersteres.
Natürlich dürfen geheime Räume und unterirdische Gänge nicht fehlen. Das sind allerdings nicht die einzigen Überraschungen. An ihrem Selbstschutz muss dabei Alison definitiv noch arbeiten.
Wer ist Freund, wer Feind? Auch diese Frage lässt sich nur schwierig beantworten. Dazu gibt es zu viele überraschende Wendungen, auch was die Mumien betrifft. Außerdem scheint es jemand insbesondere auf Alisons Familie und Freunde abgesehen zu haben. Beim Thema Fluch kann Alison nur müde lächeln. Sie rechnet mit sehr irdischen Motiven.
Ganz nebenbei erfahre ich einiges über den ägyptischen Totenkult.

„...Aber so weit ich von meinen Kunden weiß, war der Schlangengott ein Gott der Wiedergeburt. Nach der Ankunft im Jenseits hat die Kobra den toten Pharao ernährt...“

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es hat alles, was einen guten Krimi ausmacht.

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Veröffentlicht am 25.10.2022

Sehr einfühlsam

Auf Wiedersehen, kleiner Bruder
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„...Meine Mutter redet immer mit allen Menschen, sie sprudelt nur so. Wie eine Quelle, aus der Wasser blubbert. Paps ist wie ein Fischer. Er fischt die Worte erst vom Meeresgrund. Das dauert länger...“

Mit ...

„...Meine Mutter redet immer mit allen Menschen, sie sprudelt nur so. Wie eine Quelle, aus der Wasser blubbert. Paps ist wie ein Fischer. Er fischt die Worte erst vom Meeresgrund. Das dauert länger...“

Mit diesen kindlichen Worten beschreibt Leo seine Eltern. Leo lebt an er Küste Dänemarks. Er hat zwei jüngere Geschwister.
Die Autorin hat ein stimmige Kinderbuch geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Durch die Wahl von Leo als Ich – Erzähler wird die Zielgruppe direkt angesprochen. Ab und an erfindet er völlig neue Worte wie „schleckmaulhungrig“.
Schnell tauche ich als Leser in das Familienleben von Leo ein. Sie unternehmen viel zusammen. Leo freundet sich mit Josie an. Sie ist erst vor kurzem zugezogen.
Doch kaum sind die ersten Ferientage vorbei, wird Leos kleine Bruder Paul krank. Er ist müde, hat keinen Appetit und klagt über Kopfschmerzen.
Dann stellt sich heraus, dass eine ernste Krankheit dahintersteckt. Noch gibt es Hoffnung. Trotzdem ist Leo wütend. Mir gefällt, wie behutsam der Vater mit seinem Sohn spricht. Er nimmt sich Zeit und macht ihm deutlich, dass viel passieren kann.

„...Niemand weiß, wie viel Zeit er hat. Ob man alt wird wie Frau Larsen, die schon hundert geworden ist, oder ob man jung stirbt. Keiner weiß das...“

Als klar wird, dass Paul sterben muss, nimmt sich die Familie Zeit für ihn. Trotzdem ist das für Leo nicht einfach.

„...Trotzdem bin ich sauer. Stinksauer. Warum musste ausgerechnet Paul krank werden? Mein kleiner Bruder?...“

Sehr berührend finde ich den wütenden Brief, den Leo an Gott adressiert. Josie steht Leo zur Seite. Sie weiß, was Verlust und Trauer bedeutet, denn ihr Vater ist verstorben.
Das Buch enthält sehr schöne Schwarz – Weiß - Illustrationen, die das Geschehen widerspiegeln und Raum für Emotionen lassen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Einerseits zeigt auf, wie man mit Trauer und Verlust umgehen könnte, andererseits erlebe ich eine Familie, deren letzte Zeit mit ihrem Jungen voller bleibender Erlebnisse ist.

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Veröffentlicht am 24.10.2022

Gelungener Auftakt

Die Wintergarten-Frauen. Der Traum beginnt
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„...Lassen Sie sich ein Nacht lang aus ihrem Alltag entführen – bei uns ist nichts wirklich, aber alles ist echt, nichts gelogen, aber alles erfunden, nichts unschätzbar, aber alles unwiederbringlich...“

Mit ...

„...Lassen Sie sich ein Nacht lang aus ihrem Alltag entführen – bei uns ist nichts wirklich, aber alles ist echt, nichts gelogen, aber alles erfunden, nichts unschätzbar, aber alles unwiederbringlich...“

Mit diesen Worten lädt mich die Autorin selbst ein, in die Welt des Varieté und des Berliner Wintergartens einzutauchen. Sie aht einen spannenden und abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben.
Der Schriftstil hat mich begeistert. Die Autorin beherrscht das Spiel mit Worten und kreiert eine Einheit von Form und Inhalt.
Das Buch beginnt Heftig. Die 16jährige Nina wartet 1917 sehnsüchtig darauf, dass der Vater nach Hause kommt. Doch der Reiter, der vor dem Haus hält, bringt eine Todesnachricht.
Mittlerweile sind 4 Jahre vergangen. Oma Hulda und Carlo, Ninas Zwillingsbruder kümmern sich um das Gut. Sie wollen Reitpferde züchten. Hulda charakterisiert die Frauen der Familie so:

„...Meine Schwiegertochter ist ein Prinzesschen und meine Tochter ein Sperling – beide entzückend, aber ganz und gar lebensunfähig. Ich kann es mir schlicht nicht leisten, alt zu werden...“

Nina hat schon als Kind Theaterstücke auf dem Hof inszeniert. Nun macht ihr die Familie ein besonderes Geschenk. Vor allem Carlo glaubt, dass dies auch im Sinne ihres Vaters ist. Nina soll nach Berlin gehen und ihr Glück am Theater versuchen.
An ihrer Seite tauche ich tief in das Berlin der 20er Jahre ein. Alles ist möglich, so scheint es. Doch für Nina kommt eine harte Zeit. Sie muss sich durchbeißen. Eine Frau am Regiepult? Das geht gar nicht!

„...Theater ist eine Illusion, Theater ist ein Festival für die Sinne. Theater hat nichts mit Alltag und schon gar nichts mit Politik zu tun...“

Das galt viele Jahre. Aber die Zeiten haben sich geändert. Man will vergessen und sich amüsieren. Doch das Leben wird von Tag zu Tag teurer. Nina kann nicht nur ihrer Kunst leben, sie nimmt einen Job an.
Als Nina eine Aufführung im Wintergarten sieht, weiß sie, was sie will. Sie sucht sich Frauen und fördert deren Begabung. Sie bereitet eine Show vor. Mit ihnen will sie einen Vertrag im Wintergarten.

„...Es ist alles im Entstehen, im Fluss, noch nicht festgelegt. Ein Gebilde aus Leichtigkeit, dass sich jeder Zeit ändern kann, wenn einem eine bessere Idee kommt oder man die alte satt hat. So habe ich Theater gespielt, als ich ein Kind war...“

Es zeigt sich, dass Berlin ein Schmelztiegel vieler Nationen ist. Jede Person, mit der Nina arbeitet, stammt aus einer anderen Ecke der Welt. Es sind spannende Schicksale, die da erzählt werden.
Ganz nebenbei wird auch die aktuelle Politik gestreift.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

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