Profilbild von evaczyk

evaczyk

Lesejury Star
offline

evaczyk ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit evaczyk über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.12.2022

Albtraum unter Freunden

Happy New Year – Zwei Familien, ein Albtraum
0

Es ist Silvester, und fast alles wie immer bei den befreundeten Ehepaaren Lollo und Max, Frederik und Nina. Wie jedes Jahr verbringen sie die letzte Nacht des Jahres zusammen, auch wenn sie sich im Grunde ...

Es ist Silvester, und fast alles wie immer bei den befreundeten Ehepaaren Lollo und Max, Frederik und Nina. Wie jedes Jahr verbringen sie die letzte Nacht des Jahres zusammen, auch wenn sie sich im Grunde auseinandergelebt haben und nicht mehr viel zu sagen haben. Doch insbesondere die jahrzehntelange Freundschaft der Frauen, Lollo, Nina und Malena scheint der Kitt zu sein, der zumindest zweimal im Jahr das Grüppchen zusammenhält, Silvester eben und Mittsommernacht. Das ist der Ausgangspunkt von Malin Stehns Psychothriller "Happy New Year"

Diesmal allerdings verlässt Nina ihr Zuhause mit gemischten Gefühlen, denn die großem Töchter feiern dort erstmal alleine eine Party, und Nina traut Lollos Tochter Jennifer nicht so recht über den Weg, die schon immer das Risiko liebte und das eigene Kind, wie sie fand, auf falsche Gedanken brachte.

Die Silvesterparty im Haus des wohlhabenden Immobilienmaklers Max und seiner statusbewussten Frau Lollo ist für Fredrik nur mit viel Alkohol zu ertragen, das Protzgehabe der beiden geht dem Lehrer jedes Mal auf die Nerven. Der Neujahrstag beginnt nicht nur mit einem Kater, sondern auch mit vielen Fragezeichen: Denn Jennifer hatte die Party, die ziemlich schnell aus dem Ruder gelaufen ist, vor Mitternacht verlassen, um nach Hause zu fahren, ganz untypisch früh. Doch dort ist die 17-jährige nicht angekommen. Eine SMS kurz vor Mitternacht mit Neujahrsgrüßen ist das letzte Lebenszeichen.

Ein vermisstes Kind, das ist der Alptraum für jede Familie. Bei aller Oberflächlichkeit bilden Max und Lollo da keine Ausnahme. Mit jedem Tag der Ungewissheit steigt die Spannung. In ihrem Versuch, mehr über Jennifers Kontakte herauszufinden, muss Lollo feststellen, dass sie ihre Tochter eigentlich gar nicht richtig kennt und Jennifer einige dunkle Geheimnisse hatte. Doch damit ist sie offenbar nicht die einzige.

Malin Stehn schafft es, immer wieder Verdachtsmomente gegen ihre Protagonisten zu legen und Andeutungen zu machen, die gewissen Schlüsse nahelegen und dann doch widerlegt werden. Ihre Finten sorgen für die Leser immer wieder für Überraschungsmomente und einem immer wieder neuen Blick auf das Geschehen während die scheinbar heile Welt ebenso zerfasert wie die alte Freundschaft. Die Lösung des Rätsels ist überraschend, doch bis dahin werden Persönlickeiten seziert und Grenzsituationen ausgekostet. "Happy New Year" ist nichts besinnlich-hyggeliges zur Weihnachtszeit, sondern Spannung in dunkler Jahreszeit. Dabei lässt sich die Autorin manchmal vielleicht etwas viel Zeit, zur Sache zu kommen. Aber letztlich schadet dass der Spannung nicht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.12.2022

Dichter, Trinker und Destillen

Ein Schuss Whiskey
0

Der Titel "Ein Schuss Whiskey" macht klar - Carsten Sebastian Henns dritter kulinarischer Kriminalroman spielt auf der grünen Insel, Irland. Dazu hätte es nocht nicht einmal das Kleeblatt auf der Coverseite ...

Der Titel "Ein Schuss Whiskey" macht klar - Carsten Sebastian Henns dritter kulinarischer Kriminalroman spielt auf der grünen Insel, Irland. Dazu hätte es nocht nicht einmal das Kleeblatt auf der Coverseite gebraucht. Schließlich wird in Irland bekanntlich Whiskey gebrannt - mit einem e-Unterschied etwa zum schottischen Whisky. Um die Konkurrenz zwischen Iren und Schotten in Sachen Hochprozentiges, um die immer bösen Engländer und die Rolle des Whiskeys für die irische Seele geht es hier denn auch - unter anderem. Denn daneben steht eine andere irische Spezialität im Mittelpunkt, nämlich Dichtung und Schriftstellerei. Und natürlich der eine oder andere Mord.

Janus Rosner sucht in Dublin Inspiration. Er will einen Kriminalroman schreiben, doch er leidet unter einer Schreibblockade. Dagegen sollte Whiskey helfen, viel Whiskey. In vino veritas, und im Rausch vielleicht die zündende Idee für den Roman? Zwischen trunkenen Dialogen glaubt Janus zu halluzinieren, als er eine wunderschöne Frau sieht, die auf der anderen Seitedes Flusses erst Gedichte rezitiert und dann von einem maskierten Mann erschossen wird. Die Polizei will Janus keinen Glauben schenken, was teils an seinem offensichtlich alles andere als nüchternem Zustand liegt, aber auch an der Tatsache, dass es keine Leiche gibt, Die gibt es dafür einen Tag später - allerdinga handelt es sich um eine andere Frau.

Der Rheinländer Janus kann seine westfälische Mitbewohnerin überreden, mit ihm gemeinsam Detektiv zu spielen. Und das heißt angesichts der rheinisch-westfälischen Kulturunterschiede eine ganze Menge! Selbst die irisch-englischen Animositäten werden da beinahe in den Schatten gestellt.

Ein paar Leichen, ziemlich viele skurrile Charaktere, ein bißchen Liebe und reichlich Whiskey füllen diesen Roman, der mit viel Humor geschrieben ist und das Genre durchaus auf die Schippe nimmt. Auf den Plot kommt es da gar nicht so sehr an, denn im Vordergrund steht außer dem exzentrischen Detektivspiel die Suche nach dem perfekten Whiskey. Dabei macht die Beschreibung verschiedener Whiskeysorten, die Janus bei seiner Suche nach der Wahrheit verkostet, sehr deutlich, dass Henn auch Restaurantkritiker ist. Geradezu poetisch werden die Empfindungen von Gaumen und Kehle niedergeschrieben.

"Ein Schuss Whiskey" macht vor allem Spaß und vielleicht auch ein bißchen durstig. Mit der Lösung des Falls ist auch noch nichts Schluss, denn es gibt einen whiskeyhaltigen Rezeptteil und auch zwischendurch allerlei historische Schlenker zur Geschichte von Whiskey und Whisky. Slainte!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.11.2022

Nicht nur zur Sommerzeit

Weber's Wintergrillbibel
0

Von wegen, im Frühjahr angrillen! Mit "Webers Wintergrillbibel" zeigt Manuel Weyer Möglichkeiten und Rezepte auf, die nicht nur für laue Sommerabende gedacht sind- Carnovoren, die auch bei Minusgraden ...

Von wegen, im Frühjahr angrillen! Mit "Webers Wintergrillbibel" zeigt Manuel Weyer Möglichkeiten und Rezepte auf, die nicht nur für laue Sommerabende gedacht sind- Carnovoren, die auch bei Minusgraden am Kohle- oder Gasgrill ausharren, die womöglich überm Lagerfeuer den Schwenkgrill aufbauen, sie werden hier fündig werden. Und auch wenn Grillspaß meist mit Fleischgenuss gleichgesetzt wird, gibt es auch durchaus vegetarischhe oder sogar vegane Alternativen - den scharfen Kartoffeöstampf etwa oder den überbackenen Rosenkohl mit Cheddar. Mal ganz zu schweigen von Glutkohl, dem in der Glut gegarten Rotkohl. Das verspricht neue Geschmaksaromen.

Typisch winterliche Muschelgerichte oder Karpfen und Flammlachs sind in der Auswahl ebenso vertreten wie Ente oder Wild. Dabei wird keinesweg nur Fleisch auf den Grill geschmissen, es geht durchaus komplex und vielseitig zu, etwa beim geräucherten Zimtkaninchen mit Maronen. Wintergemüse wie Kürbis oder Wirsing fehlen ebenfalls nicht und selbst Sauerbraten vom Grill wird hier aufgeführt. Eintöpfe und Suppen für die kalte Jahreszeit sind ebenfalls vertreten.

Angesichts dieser Vielfalt versteht sich fast schon von selbst: für den klappbaren Holzkohlegrill meiner Kindheit und Jugend ist das alles eher nichts. Hier ist schon der yeararound Grill gefragt, der eher einer Außenküche gleichkommt. Also nicht gerade ein Standardzubehör, vor allem nicht für Großstadtmieter, die weder Balkon noch Terasse oder Garten haben oder gar im großzügig bemessenen Wintergarten am (Grill-)herd stehen.

Ich denke allerdings, dass viele der vorgestellten Gerichte auch ohne grilltypische Aromen aus der Indooküche ein Genuss und nachkochenswert sind. Für diejenigen, die sich dank des nötigen Equipments auch ein Wintergrillvergnügen leisten können, gibt es Tipps zu Räucherhölzern und -methoden.zu Grilltechniken und Pflege-Basics. Der Kombination von Feuer und Eis steht damit nichts mehr entgegen.

Veröffentlicht am 01.11.2022

Kunstprofessorin auf Abwegen

Dämmerung. Falsch.
0

"Dämmerung.Falsch" ist nicht nur der Buchtitel der schwedischen Autor*innen Tiina Nevala und Henrik Karlsson - es ist auch der Titel eines Gemäldes, Die Frage, ob es sich um ein unbekanntes Werk eines ...

"Dämmerung.Falsch" ist nicht nur der Buchtitel der schwedischen Autor*innen Tiina Nevala und Henrik Karlsson - es ist auch der Titel eines Gemäldes, Die Frage, ob es sich um ein unbekanntes Werk eines russischen Expressionisten handelt oder um eine Fälschung, beschäftigt die Polizei, seit das Bild bei den Ermittlungen zu einem Mordfall aufgetaucht ist. Die Ermittler holen sich professionelle Hilfe von der Kunstdozentin Nea Hallgren, die allerdings selbst Schwierigkeiten hat, sich festzulegen.

Zudem hat Nea gerade reichlich private Sorgen: Ihr spielsüchtiger Ehemann ist rückfällig geworden und hat hohe Schulden bei der Art von Leuten, die nicht lange fackeln, um ihr Geld zurück zu bekommen. Nea kann zwar eine Gnadenfrist erreichen - doch nun ist sie diejenige, die für die Rückzahlung gerade stehen muss. Und nicht nur das, auch Sparmaßnahmen in der Kunstakademie gefährden ihren Job. Ihre begabte Studentin Nadeshda hat eine Idee, wie Nea ihre finanziellen Probleme mit einem Schlag lösen könnte - legal sind die aber nicht.

Spoiler alert: Dass Kunstfälschung existenzrettend sein kann, ist eine Erkenntnis, die nicht nur Nea und Nadeshda teilen. Ein Fiesling von Kaufmann, dessen Beziehung zu Nadeshda Nea zunächst ein Rätsel ist verfolgt da ebenfalls Eigeninteressen und auch der Kommissar, der Nea als Expertin zu seinen Ermittlungen hinzugezogen hat, hat eine Agenda. Erste Eindrücke täuschen in diesem Schwedenkrimi aus der Kunstszene. Nea und Nadeshda sind dabei zwei toughe Frauen, die in einer schwierigen Situation unorthodoxe Wege einschlagen und zunehmend Gefallen an ihnen finden. Zugleich müssen sie aufpassen, dass ihre Aktionen nicht die Menschen gefährden, die ihnen am meisten bedeuten.

Die Grenzen zwischen Gut und Böse, zwischen ethischen Maßstäben und krimineller Energie verschwimmen in diesem Kunstkrimi wie die Farben eines impressionistischen Gemäldes. Gerade diese Ambivalenz gefällt mir allerdings. Die Protagonistinnen sind sympathisch und überzeugend, sorgen für die eine oder andere Überraschung. Das Ende lässt erwarten, dass dies nicht das letzte ist, was man von ihnen hört oder vielmehr liest.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.10.2022

Schottische Ungerechtigkeiten

Das Unrecht von Inverness
0

Mit "Das Unrecht von Inverness" hat Douglas Skelton erneut einen Highland-Krimi um die Reporterin Rebecca Connolly aus Inverness geschrieben, die ich erstmal bei "Grab in den Highlands" kennengelernt ...

Mit "Das Unrecht von Inverness" hat Douglas Skelton erneut einen Highland-Krimi um die Reporterin Rebecca Connolly aus Inverness geschrieben, die ich erstmal bei "Grab in den Highlands" kennengelernt hatte. Auch hier gibt es wieder viel Schottland-Atmosphäre und so manchen Rückblick auf vergangene Clanstreitigkeiten und die Kämpfe zwischen den Hochlandschotten und den Engländern, die bekanntlich bis in die Gegenwart nachwirken.

Rebecca Connolly hat hier mit einem Stalker aus der rechtsextremen Szene und der andauernden Feindseligkeit der Matriarchin eines kriminellen Clan zu tun, die ihr die Schuld am Tod eines ihrer Söhne gibt. Trotzdem findet sie die Energie, mit ihren Recherchen die Hintergründe eines möglichen Justizirrtums in Angriff zu nehmen: Seit nunmehr zehn Jahren sitzt James Stewart hinter Gittern. Er wurde als Mörder seines wesentlich älteren Liebhabers, eines Anwalts und Aktivisten verurteilt. Seine Mutter glaubt an seine Unschuld - und auch die Schwester des Mordopfers ist überzeugt, dass James nicht der Täter gewesen sein kann.

Rebeccs recherchiert, wer sonst noch ein Interesse am Tod des Anwalts gehabt haben könnte, doch ausgerechnet ein Toter bringt ihre Ermittlungen schließlich voran. Wie der Plot dann schließlich aufgerollt wird, das soll hier nicht verraten werden. Skelton schildert auf einer zweiten Erzählebene aus der Ich-Perspektive die Gedanken eines jungen Mannes hinter Gittern, und auch hier wartet am Ende eine Überraschung auf die Leser.

Skelton jongliert gekonnt mit atmosphärischen Schilderungen, mit Gangstern und Anwälten, mit ungesühntem Unrecht, Rache, Loyalität und Auseinandersetzungen die seit den Tagen der Highlander nichts an Gewalt und Heftigkeit eingebüßt haben. Dabei gibt es märchenhaft-poetische Elemente in ganz unerwarteten Zusammenhängen.

Geholfen hat mir beim Lesen, dass ich bereits den Vorgängerband kannte, doch auch für sich gestellt ist "das Unrecht von Inverness" sicher gut verständlich. Nur die Dynamik zwischen einzelnen Protagonisten gewinnte mehr Tiefe, wenn man die Vorgeschichte kennt. Ganz nebenbei geht es einmal mehr um die Lage des Journalismus in tiefer wirtschaftlicher Krise und die Anfeindungen gegen Journalisten, die als unbequem gelten und die ähnlich düster wie ein schottisches Hochmoor an einem späten Novembernachmittag ist. Mich hat "das Unrecht von Inverness" überzeugt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere