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Veröffentlicht am 28.10.2022

Sehr ehrlich und informativ

How To Be an Antiracist
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Ich hab mal wieder ein großartiges Buch gelesen! How to be an Antiracist von Ibram X. Kendi. Ja, es geht mal wieder um Rassismus und wenn ihr euch jetzt denkt ‚Ach komm, muss das sein?‘ dann kann ich nur ...

Ich hab mal wieder ein großartiges Buch gelesen! How to be an Antiracist von Ibram X. Kendi. Ja, es geht mal wieder um Rassismus und wenn ihr euch jetzt denkt ‚Ach komm, muss das sein?‘ dann kann ich nur sagen ‚JA! Und wenn ihr das nicht versteht, wirds Zeit, auch mal anzufangen, sich damit zu beschäftigen.‘

Genau wie Ibram X. Kendi würde ich auch gern in einer Rassismusfreien Welt leben. Aber der Wunsch, dass Rassismus aufhört und ‚colorblind‘ sein, lösen das Problem nicht, wie der Autor hier wundervoll aufarbeitet. Wir alle haben eine Verantwortung und müssen eine Entscheidung treffen. Rassist, oder Antirassist?

“Wir wissen, wie man rassistisch ist. Wir wissen, wie man so tut, als ob man nichtrassistisch wäre. Jetzt müssen wir nur noch lernen, wie man antirassistisch wird.”
Obwohl How to be an Antiracist viel theoretisches bietet und viele Themen behandelt, wird es nicht trocken. Das liegt besonders an Ibram X. Kendi. Er reflektiert sich selbst, beleuchtet seine Vergangenheit und ist schonungslos ehrlich. Sein Mut hat mich wirklich beeindruckt. In den letzten Jahren hat er viel dazu gelernt und spricht heute offen über früherer Fehler und seinen ‚Schwarzen Richter‘.

Bisher habe ich mich tatsächlich mehr mit deutschen Autorinnen und dem Rassismus in Deutschland beschäftigt. Hier bekommen wir jetzt mal einen Einblick in Amerika und puh. An sich ist das alles nichts neues, aber so noch mal so geballt zu lesen, ist wirklich schlimm. Trotzdem bin ich froh, es getan zu haben.

“Wir waren unbewaffnet, aber wir wussten, dass unser Schwarzsein auch ohne Waffen als bewaffnet galt. Ihr Weißsein entwaffnete die Polizisten - sie machte aus ihnen furchtsame, potentielle Opfer -, selbst wenn sie sich nur einer Gruppe harmloser und ängstlicher Teenager näherten.”
Nach einer allgemeinen Einführung widmet Ibram X Kendi dann verschiedenen Ebenen des Rassismus. Immer im Hinterkopf dabei der intersektionelle Gedanke. Er spricht von biologischen, raumspezifischen, verhaltensspezifischen, klassenspezifischen, ethischen und körperspezifischen Rassist
innen. Auch kultureller, antiqueerer und gender Rassismus werden behandelt. Viele Themen, viele Probleme. Aber alle verständlich dargestellt, immer mit einer persönlichen Note, die dieses Buch so einzigartig macht.

Über How to be an Antiracist gibt es unheimlich viel zu sagen, aber diesem Buch würden meine Worte niemals gerecht werden. Es ist bisher definitiv eins der besten Bücher, die ich zum Thema gelesen habe. Ich kann es euch nur empfehlen und bin sehr dankbar, für die wertvollen Denkanstöße.

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Veröffentlicht am 24.10.2022

Eine berührende, ehrliche Reise

Wodka mit Grasgeschmack
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Wodka mit Grasgeschmack erzählt von einer Reise in die Vergangenheit, um die Gegenwart besser verstehen zu können. “Letztlich verreist man immer zu sich selbst.”
Zwei erwachsene Söhne und die Eltern machen ...

Wodka mit Grasgeschmack erzählt von einer Reise in die Vergangenheit, um die Gegenwart besser verstehen zu können. “Letztlich verreist man immer zu sich selbst.”
Zwei erwachsene Söhne und die Eltern machen sich in einem gelben VW-Beetle auf Richtung Osten. Im ‚Zitronenauto‘ werden Witze gemacht, die Nähe und die Gefühle der Familie sind in jeder Zeile spürbar, vor allem, als sie ihren Zielen näher kommen.

Die Ziele sind die Dörfer, in denen die Eltern aufgewachsen sind, bevor ihre Kindheit ein frühes Ende fand. Vertrieben aus Schlesien, übrig sind heute nur noch die Erinnerungen und die Mohnmühle. Sie schätzen ihren Mohn und den Frieden heute viel mehr, als die junge Generation, die all diese schrecklichen Dinge nicht mitbekommen haben.

“Noch bevor meine Eltern verstehen konnten, was Heimat ist, haben sie sie verloren.”

Dass auch die Kinder der Vertriebenen einen Schmerz in sich tragen, ist kein Geheimnis. Der Erzähler und sein Bruder lernen nicht nur die Eltern auf dieser besonderen Reise besser kennen. Gerade zum Ende hin wird das eigene Leben und Empfinden immer öfter hinterfragt.

Eine Reise, die Wunden aufzureißen scheint, die eh nur grob verheilt waren. Der Wunsch, nach Heilung und Verständnis. Fragen, die in der Luft hängen bleiben und Antworten, die ausgesprochen werden mussten.

“Schmerzen von damals, aber die Tränen frisch und von heute.”

Ich hatte mich unheimlich auf Wodka mit Grasgeschmack gefreut und hatte schon fast Angst, zu große Erwartungen gehabt zu haben. Tatsächlich hat Markus Mittmann es dann aber geschafft, meine großen Erwartungen noch zu übertreffen.

Wunderschöne, bildhafte Beschreibungen, die das Gefühl wecken, live dabei zu sein. Beeindruckende Orte und leckeres Essen werden eindrücklich beschrieben. Dazu eine Familie, voller Liebe und Unterstützung, gerade in so einer emotionalen Zeit.

Vor allem am Ende, als die Mutter erzählt und in Erinnerungen schwelgt, habe ich einige Tränen verdrückt. Mir gefällt die Entwicklung des Romans unheimlich gut und wie wir immer tiefer in die Zeit rutschen. Der Humor vom Anfang wird weniger und wir erleben intime, rührende Momente mit einer Familie, die ihre Wurzeln ergründen.

Gerade am Anfang gibt es einige Sprünge in der Erzählung, mit denen ich mich nicht immer leicht getan habe. Das lässt zum Glück nach, lasst euch also bitte nicht verunsichern, wenn ihr am Anfang Probleme haben solltet!

Danke für diese außergewöhnliche Reise Markus Mittmann! Ich habe historisch einiges dazu gelernt und auch emotional hast du mich sehr berührt. Ich kann Wodka mit Grasgeschmack weiterempfehlen, wenn euch diese Perspektive interessiert und hoffe, dass noch sehr viele Menschen zu diesem tollen Werk greifen.

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Veröffentlicht am 13.10.2022

Wichtige Inhalte knackig und schön verpackt

Ein rassismuskritisches Alphabet
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Tupoka Ogette ist schon lange kein unbekannter Name mehr, wenn es um rassismuskritisches Denken in Deutschland geht. Nach ihren großartigen Büchern exit Racism & Und jetzt du, die ich immer gern empfehle, ...

Tupoka Ogette ist schon lange kein unbekannter Name mehr, wenn es um rassismuskritisches Denken in Deutschland geht. Nach ihren großartigen Büchern exit Racism & Und jetzt du, die ich immer gern empfehle, hat sie jetzt Ein rassismuskritisches Alphabet rausgebracht.

Ein schmales, wunderschön aufgemachtes Buch, das inhaltlich absolut überzeugt. Nach einer kurzen Einführung folgen 26 Begriffe, die knackig erklärt und eingeordnet werden. Dazwischen gibt es Immer wieder Platz für Gedanken und Raum, eigene Erkenntnisse zu benennen. Außerdem gibt es ‚Aufgaben‘, sich zum Beispiel schon mal zu überlegen, was man auf bestimmte Aussagen im Umfeld antworten könnte, um vorbereitet zu sein. Auch Buchtipps und andere Empfehlungen, um Themen noch weiter zu vertiefen, kommen hier nicht zu kurz.

Thematisch wird ziemlich viel abgedeckt. Natürlich müssen wir über Kolonialismus reden, wenn es um Rassismus geht. Außerdem geht es darum, warum Blackfacing, Yellowfacing und das N-Wort rassistisch sind. Auch das Thema Diskursverschiebung kommt immer wieder auf, hier geht sie auf bekannte Strategien wie Gaslighting und Derailing ein.

Allgemeine Themen wie Vorurteile und die Frage, wo sie beginnen, werden aufgegriffen und vieles mehr. Tupoka Ogette bietet hier eine großartige Einführung in verschiedene Themen, holt dabei aber auch alle ab, für die viel der Begriffe nichts neues sind.

Wenn ihr also bereit seid Happyland (noch weiter) zu verlassen und ein (noch) besserer Ally sein wollt, kann ich nur empfehlen, mal in das rassismuskritsche Alphabet zu schauen.

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Veröffentlicht am 05.10.2022

Einzigartige Geschichte, die fesselt

Prophezeiung - Excidium Babylon
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Finn und sein Bruder Jamie stehen sich nahe, obwohl Jamie einige Geheimnisse mit sich trägt. Seit Jahren gilt er als tot und auch Finn weiß nicht immer was passiert, wenn Jamie wieder untertaucht. In einem ...

Finn und sein Bruder Jamie stehen sich nahe, obwohl Jamie einige Geheimnisse mit sich trägt. Seit Jahren gilt er als tot und auch Finn weiß nicht immer was passiert, wenn Jamie wieder untertaucht. In einem Streit macht er komische Andeutungen, bittet Finn, sich um seine Freundin Alé zu kümmern, sollte etwas passieren. Am nächsten Tag ist die Welt nicht mehr die gleiche.

Das Jahrhundert des Tholos beginnt. Ein Kraftfeld, dessen Existenz nicht wissenschaftlich erklärbar ist, teilt die Welt in 8 Sektoren. Handys werden unbrauchbar, Flüge sind nicht mehr möglich und es gibt kein Chance auf Kontakt mit den Menschen in anderen Sektoren. Ein Jahrhundert bekommen die Menschen, um die große Probleme, die sie gemeinschaftlich nicht lösen konnten, nun im kleinen anzugehen. Weltfrieden ist der große Plan, auch wenn die Welt gar nicht so begeistert von den anonymen Exesor ist.

“Wir lebten in Freiheit. Wir beherrschten die Welt. Wir sahen die Zukunft, das Ende der Welt.”

Jamie bleibt verschwunden und so macht Finn sich auf die Suche nach Antworten. Er hofft, diese bei Alé zu bekommen, aber die Frau, von der er nur ein kleines Foto gesehen hat, auf dem sie die Hand vor dem Gesicht hat, bleibt ein Phantom.

Auch Katharina versucht, mit der Situation klarzukommen. Ihre Familie ist nicht bei ihr in Belgien, sondern in einem anderen Sektor. Ihr Weg führt sie in eine arrangierte Ehe mit Finn. Beide haben ihre Geheimnisse, die sie nicht miteinander teilen können und trotzdem kommen sie sich immer näher. Die neue Welt um sie herum stellt dabei immer wieder neue Anforderungen an sie.

Kriege, Verschwörungen und sanfte Gefühle tragen durch diese einzigartige Geschichte. Das Geheimnis um Alé macht neugierig, die Freundschaften im Buch berühren. Ich war wirklich positiv überrascht, wie gut mir das Buch gefallen hat. Wie emotional und fesselnd es schnell wurde.

Ich muss sagen, dass ich kleine Startschwierigkeiten hatte und auch zwischendurch immer mal etwas rausgeworfen wurde. Das ganze Ding ist sehr ausführlich und an einigen Stellen einfach zu lang für mich. Die Charaktere werden eingeführt und groß erklärt. Es wäre schöner gewesen, sie mehr im Geschehen kennen zu lernen.

Dafür sind sie aber wirklich gut ausgearbeitet und realistisch. Vor allem Katharina hat mich immer wieder sehr fasziniert und ich mochte die Beziehung zu ihrem besten Freund, ihrem Wahlbruder Benjamin, sehr gern. (Auch wenn ich nach dem zehnten mal ‚Die Wahlgeschwister‘ etwas genervt davon war.)

Obwohl das Buch mit knapp 500 Seiten nicht super dünn ist, kam ich gut durch. Es gab einige fesselnde Stellen, in denen ich das Buch gar nicht weglegen konnte. Die Geschichte ist wirklich unheimlich gut konstruiert, auch das Ende konnte mich zufrieden stellen.

Die Geschichte ist außerdem tiefgründiger, als sie auf den ersten Blick wirken mag. Gesellschaftliche Probleme werden klar benannt. Schnell wird deutlich, wie Zerbrechlich die Demokratie ist und wie sehr Egoismus und Ignoranz Menschen im Weg steht.

Excidium Babylon ist ein wirklich fesselndes Werk, mit einer neuen, gut konstruierten Story. Trotz kleiner Längen hat es mich gut unterhalten und viel in mir ausgelöst. Gebt dem Buch unbedingt eine Chance, wenn ihr mal etwas neues probieren wollt und mitreißende Geschichten mit Gefühl und Gesellschaftskritik mögt.

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Veröffentlicht am 26.09.2022

Einzigartiges Buch

Der Duft der Dunkelheit
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“Wer die Bewegungsabläufe beim Abernten der Blüten nicht perfekt koordinieren kann, nimmt nicht mehr als die Menge für den Eigenbedarf mit nach Hause. Bei uns in der Gegend beherrscht das niemand außer ...

“Wer die Bewegungsabläufe beim Abernten der Blüten nicht perfekt koordinieren kann, nimmt nicht mehr als die Menge für den Eigenbedarf mit nach Hause. Bei uns in der Gegend beherrscht das niemand außer mir, und das freut mich. Die Linden hier gehören mir.”

Anna weiß genau, was sie tut, mit Pflanzen kennt sie sich aus. In der Natur und auf ihrem Dachboden, wo sie die Pflanzen trocknet, fühlt sie sich am wohlsten. Im Sommer wird gesammelt, alles andere ist nebensächlich. Die eigene Gesundheit, das soziale Umfeld und immer mehr die Realität, werden ausgeblendet.

Gelernt hat sie alles von ihrer Oma, von der sie auch das Haus in einer südböhmischen Kleinstadt geerbt hat, in dem sie jetzt für ihre Heilkräuter lebt. Nebenan die neugierige Cousine, die den Dorfklatsch antreibt und sich in Dinge einmischt, mit denen Anna sich nicht beschäftigen möchte.

So idyllisch Annas Leben in und mit der Natur wirken kann, ist es natürlich nicht. Ihr Körper birgt viele Geheimnisse, die Vergangenheit lässt sie nicht los. Der Duft der Dunkelheit ist ein düsteres Buch. Ungewöhnlich, teils phantastisch und einfach fesselnd.

Anna ist eine wirklich außergewöhnliche Protagonistin. Ihre Leidenschaft hat mich unglaublich gepackt. Ich habe absolut keine Ahnung von Heilkräutern, konnte mich aber wirklich gut drauf einlassen und war unheimlich schnell in der Geschichte gefangen, wollte das Buch kaum weglegen.

“Außer dem Sammeln interessierte mich im Leben nichts mehr. Das Sammeln, das mir alle möglichen Situationen, Menschen und Ereignisse beschert hat und dann alles so kompliziert gemacht hat.”

Gleichzeitig ist es erschreckend zu beobachten, wie Anna immer weiter abrutscht, sich verrennt und verliert. Ihre Handlungen sind nicht immer nachvollziehbar, ihr ganzes Wesen ist außergewöhnlich und bietet viel Interpretationsspielraum. Mich hat ihre Geschichte total fasziniert und bewegt.

Wir erleben Anna wirklich viel beim Sammeln, Trocknen und Verkaufen, aber natürlich nicht nur. Ich wusste überhaupt nicht richtig, was mich erwartet und muss im Nachhinein sagen, dass der Verlag mit “Schnell entfaltet der Roman einen ungewöhnlichen Sog, dem sich die Leser*innen nicht mehr entziehen können” absolut recht hat. Über den weiteren Inhalt möchte ich gar nicht viel verraten, ihr müsst das einfach erleben.

Besonders hervorzuheben ist auch der Schreibstil. Anna Bolavá hat die perfekte Mischung aus Natur-und Charakterbeschreibungen gefunden und hat es geschafft einige Bilder in meinem Kopf zu zeichnen. Der teils poetische Schreibstil lädt zum Träumen ein, während sich die Geschichte immer weiter auf ihren düsteren Höhepunkt zubewegt.

“Alle Menschen haben mich verraten und verlassen, jetzt verlassen mich auch noch meine Kräfte, aber solange etwas blüht, werde ich sammeln.”

Der Duft der Dunkelheit ist ein einzigartiges Buch, das mich absolut überraschen und überzeugen konnte. Wenn ihr Lust auf eine ruhige Geschichte und eine besondere Protagonistin habt, schaut es euch unbedingt an.

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