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Veröffentlicht am 24.11.2022

Charmanter französischer Cosy Crime

Monsieur le Comte und die Kunst des Tötens
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MEINE MEINUNG
Mit „Monsieur le Comte und die Kunst des Tötens“ ist dem deutschen, unter dem Pseudonym Pierre Martin schreibenden Bestseller-Autor, den viele durch seine Provence-Krimi-Reihe um »Madame ...

MEINE MEINUNG
Mit „Monsieur le Comte und die Kunst des Tötens“ ist dem deutschen, unter dem Pseudonym Pierre Martin schreibenden Bestseller-Autor, den viele durch seine Provence-Krimi-Reihe um »Madame le Commissaire« kennen, ein kurzweiliger Auftakt zu einer neuen, humorvollen Wohlfühlkrimi-Reihe gelungen, die uns an die französische Riviera entführt und ein nettes Sommer-Feeling an der Côte d’Azur aufkommen lässt.
Im Mittelpunkt der unterhaltsamen Krimi-Reihe steht der liebenswerte wie eigenwillige Protagonist, Lucien Comte de Chacarasse, der ein Bistro im südfranzösischen Villefranche-sur-Mer leitet und ansonsten als sprichwörtlicher Lebemann die schönen Seiten des Lebens in vollen Zügen genießt. Als ihm sein schwer verletzter Vater allerdings auf seinem Sterbebett das Versprechen abnimmt, das Familienerbe anzutreten, steckt er in einer großen Zwickmühle, denn nun muss er entgegen seiner Überzeugung als Auftragsmörder in die Fußstapfen seines Vaters treten.
Schon die skizzierte Ausgangslage zeigt, dass der Autor sich hier für seinen liebenswerten Auftragskiller wider Willen als „Helden“ einen originellen, aber nicht allzu realistischen und manchmal recht konstruiert wirkenden Plot hat einfallen lassen. Trotz etlicher Spannungselemente sorgen vor allem humorvolle wie skurrile Episoden, die wendungsreiche Handlung sowie der lockere Erzählstilstil für Abwechslung und gute Unterhaltung. Und natürlich, wie es für regionale Krimis typisch ist, kommen auch das stimmungsvoll eingefangene südfranzösische Lokalkolorit mit dem französischen 'Savoir-vivre' sowie anschauliche Schilderungen des wundervollen Settings und etlicher kulinarischer Genüsse nicht zu kurz. Mit dieser wohldosierten Mischung versteht es Pierre Martin hervorragend, in uns eine gewisse Reiselust zu wecken. Man merkt an den detaillierten Beschreibungen der Schauplätze und dem tollen Flair deutlich, dass der Autor diese Gegend gut kennt und Land und Leute sehr schätzt.
Die Handlung ist sehr wendungs- und abwechslungsreich angelegt. Trotz des ruhigen Erzähltempos steigert sich die Spannung nach einigen unerwarteten Wendungen bis zum fesselnden Finale.
Auch das Privatleben des charmanten Protagonisten kommt zwischendrin nicht zu kurz und lockert die Geschichte immer wieder auf. Die verschiedenen Charaktere sind insgesamt eher klischeehaft angelegt und unabhängig von ihrer Rolle mit wenig Tiefgang ausgearbeitet. Gelungen ist aber neben der sympathischen Hauptfigur Lucien vor allem die alte liebenswerte schwerhörige Haushälterin Rosalie, deren nette Dialoge mich immer wieder schmunzeln ließen. Auf der Suche nach dem Mörder seines Vaters erhält Lucien tatkräftige Unterstützung von Francine, der attraktiven Sekretärin und Geliebten seines Vaters, und legt bei seinen Aufträgen und Nachforschungen erstaunlichen Einfallsreichtum und überraschenderweise durchaus James Bond-mäßige Fähigkeiten an den Tag.
Zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse und halten so manche Überraschung für uns bereit. Man darf gespannt sein, wie es mit Lucien Comte de Chacarasse und der schönen Francine in der Fortsetzung dieser unterhaltsamen französischen Cosy-Crime-Reihe weitergehen wird.
ZUM HÖRBUCH
Das gekürzte Hörbuch ist von Schauspieler Wolfram Koch unaufgeregt und sehr überzeugend eingelesen. Mit seiner ruhigen, angenehmen Stimme und einem angemessenen Sprechtempo versteht er es, die Handlung nuancenreich einzufangen und diese mitreißend und abwechslungsreich umzusetzen. Gekonnt schlüpft er in die Rolle des charmanten Lucien und lässt seinen Charakter lebendig werden. Mühelos setzt er die humorvollen Passagen mit gewissem Augenzwinkern um und lässt uns auch die spannenden Passagen hautnah miterleben. Insgesamt ein abwechslungsreiches Hörerlebnis!

FAZIT
Ein kurzweiliger und humorvoller Wohlfühlkrimi - mit einem originellen Plot, liebenswertem Protagonisten und tollem südfranzösischen Lokalkolorit!
Empfehlenswert für alle, die eine vergnügliche Krimiunterhaltung für Zwischendurch suchen!

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Veröffentlicht am 15.11.2022

Unterhaltsamer Spannungsroman mit tollem historischen Flair

Die Passage nach Maskat
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MEINE MEINUNG
Mit die »Die Passage nach Maskat « hat der deutsche Autor Cay Rademacher einen nicht übermäßig spannenden, aber unterhaltsam zu lesenden historischen Spannungsroman vorgelegt, der vor allem ...

MEINE MEINUNG
Mit die »Die Passage nach Maskat « hat der deutsche Autor Cay Rademacher einen nicht übermäßig spannenden, aber unterhaltsam zu lesenden historischen Spannungsroman vorgelegt, der vor allem mit seinem detailgenauen Zeitkolorit und einem atmosphärisch höchst ansprechenden Flair, das an Agatha Christie-Romane wie „Tod auf dem Nil“ erinnert, punkten kann. Gewürzt ist das Ganze zudem mit einer geheimnisumwitterten Familiengeschichte, die es zu ergründen gilt. Die Handlung ist in den ausgehenden 1920ger Jahren angesiedelt und konnte mich mit einem faszinierenden, sehr vielversprechenden Ausgangssetting auf Anhieb begeistern.
Der Autor versteht es hervorragend, nicht nur die faszinierende Stimmung an Bord des luxuriösen Ozeanliners Champollion auf seiner Reise von Marseille bis nach Maskat im Oman, sondern auch das bunte Treiben der illustren Reisegesellschaft so schillernd einzufangen, so dass man mühelos in die wundervolle historische Kulisse eintauchen kann. Gekonnt lässt er uns an den diversen Reisehighlights während der Passage durch den Suezkanal oder den spannenden Ausflügen zu den Pyramiden und Ausgrabungen im Tal der Könige teilhaben. Geschickt sind zudem interessante politische und historische Hintergrundinformationen zur damaligen Epoche eingeflochten. Der bildhafte, unaufgeregte Schreibstil des Autors liest sich sehr angenehm und lässt ein schönes Kopfkino anspringen.
Der eigentliche Kriminalfall schreitet leider recht gemächlich voran und hätte für meinen Geschmack ruhig ein wenig mehr Spannungs- und Überraschungsmomente vertragen können. Als der Protagonist Theodor Jung seine Ehefrau Dora nach einigen Tagen der Schiffsreise spurlos verschwindet und man ihm einzureden versucht, sie sei nie an Bord des Kreuzfahrtschiffs gewesen, beginnt der verwirrte Theodor an seinem Verstand zu zweifeln und versucht gemeinsam mit der französischen Stewardess Fanny den mysteriösen Hintergründen auf die Spur zu kommen. Schon bald entspinnt sich ein wendungsreiches und gefährliches Katz-und-Maus-Spiel mit vielen Geheimnissen.
Gerne folgt man den beiden bei ihren Nachforschungen und versucht sich selbst einen Reim auf die Scharade von Doras Familie und zahlreicher Mitreisender zu machen. Die mysteriöse Handlung mit diversen Verdächtigen sowie etlichen möglichen Motiven und Erklärungen lädt zum Mitraten ein und lässt viel Raum für eigene Spekulationen.
Perspektivwechseln, geschickt gewählten Cliffhanger und etlichen überraschenden Wendungen sorgt der Autor für reichlich Tempo und einen rasanten Spannungsaufbau. Auch wenn einige Entwicklungen vielleicht nicht immer ganz realitätsnah wirken und einiges in der Handlung vorhersehbar war, ist die vielschichtige Geschichte vom Plot her interessant und abwechslungsreich angelegt. Erler versteht es, den Spannungsbogen seines fesselnden Falls durch eine geschickte Zuspitzung der Ereignisse immer weiter anzuziehen. Erst allmählich offenbaren sich immer mehr Zusammenhänge, so dass es ausreichend Raum zum Mitspekulieren gibt.
Rademacher ist eine vielschichtige Zeichnung seiner interessanten, sehr unterschiedlichen Figuren aus der illustren Reisegesellschaft und der Mannschaft an Bord gelungen. Ob nun die Hauptfigur Theodor Jung als traumatisierter Kriegsveteran und talentierter Pressefotograf für die Berliner Illustrirte, Doras reicher Vater, der Gewürzhändler Rosterg nebst Gattin und ihrem Bruder als schwarzes Schaf der Familie, der ehrgeizige Prokurist Lüttgen, der ein Auge auf Dora geworfen hat und Jung gerne aus dem Weg hätte, oder aber der gewitzte Jurist aus Rom, der sich als gewitzter Hochstapler entpuppt, der zwielichtige Boxer und Geldeintreiber aus der dritten Klasse bis hin zur berühmten Berliner Nackttänzerin Anita Berger nebst Gatten – sie alle spielen mit ihren Geheimnissen und Eigenarten eine mehr oder wenige bedeutsame Rolle bei diesem verzwickten Fall und tragen insgesamt zum unnachahmlichen Flair dieser Orientreise bei. Auch wenn einige etwas blass geraten sind und eher schmückendes Beiwerk sind, hat Rademacher sich mit ihnen eine abwechslungsreiche Mischung an Figuren einfallen lassen, die für so manche Überraschung sorgen.
Erst zum Ende hin zieht die Spannung zunehmend an, die Ereignisse spitzen sich immer mehr zu und die Geschichte endet mit einer nachvollziehbaren Erklärung der Ereignisse und einer nicht ganz überzeugenden Auflösung, die ich teilweise leider schon recht früh erahnen konnte.
FAZIT
Ein solider, aber unterhaltsamer historischer Spannungsroman im Agatha Christie-Style, der vor allem von seiner prächtigen, sehr stimmungsvollen Kulisse und dem historischen Flair lebt. Etwas mehr Tempo und Spannung hätten der Handlung gut getan!
Ideal für Fans von etwas ruhigeren, gemütlichen Krimis!

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Veröffentlicht am 31.10.2022

Fesselnder Auftakt

Catan
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MEINE MEINUNG
Bereits 25 Jahre ist das mehrfach ausgezeichnete und äußerst populäre Brettspiel „CATAN“ auf dem Markt. In CATAN und seinen Spiele-Erweiterungen kann man als Spieler in die Rollen der Siedler ...

MEINE MEINUNG
Bereits 25 Jahre ist das mehrfach ausgezeichnete und äußerst populäre Brettspiel „CATAN“ auf dem Markt. In CATAN und seinen Spiele-Erweiterungen kann man als Spieler in die Rollen der Siedler schlüpfen, seine eigene Welt erschaffen, darin abtauchen und zugleich nachempfinden, wie damals wohl gewesen sein mag.
Bereits 2003 erschien der historische Roman „Die Siedler von Catan“ aus der Feder der Erfolgsschriftstellerin Rebecca Gablé, der auf Teubers Vorstellungen vom Spiel basierte und ursprünglich eine Trilogie werden sollte, dann aber von der Autorin doch nicht fortgesetzt wurde.
Spiele-Erfinder und Autor Klaus Teuber erzählt nun in seinem historischen Roman „Catan“ die spannende Geschichte hinter seinem weltweit beliebten Spiel, die um 860 in Norwegen ihren Ausgang nimmt. Es handelt sich um den spannenden Auftakt zu einer als Trilogie angelegten historischen Familien-Saga um eine große Liebe, einen erbitterten Kampf um Macht und die Hoffnung auf eine neue Heimat. Hierin begibt sich eine Gruppe von nordländischen Siedlern mit ihren Knorren auf eine ungewisse, abenteuerliche Seereise und beginnt schließlich auf der unbewohnten Insel Catan, dem Land der Sonne, ein neues Leben.
Dieser Roman richtet sich nicht nur an Fans des Brettspiels, sondern auch an alle, die Interesse an gut recherchierten historischen Romanen haben und gerne etwas über das Leben zu jener Zeit erfahren möchten, denn der Autor schildert seine an der überlieferten nordischen Kultur ausgerichtete Geschichte über das seekundige, kriegerische Volk, das auch weit entfernte Länder eroberte und besiedelte, sehr glaubwürdig und mit historischer Genauigkeit.
Der ausdrucksstarke, bildhafte Erzählstil ist sehr unterhaltsam, so dass keine Langeweile aufkommt.
An der Seite der drei verbannten Halb-Brüder Thorolf, Yngvi und Digur und ihrer Gefolgsleute tauchen wir mühelos in die damalige Zeit ein und durchleben so manche Herausforderung und Katastrophe. Gekonnt greift Teuber in seiner Handlung viele klassische Szenarien, die auch im Catan-Spiel eine Rolle spielen, auf. Auch eher zeitlose Themen wie die Vermeidung von kämpferischen Auseinandersetzungen und erste Bestrebungen eines gerechteren, friedvollen Zusammenlebens, Diskussionen um Glaubensfragen, der Kampf um Menschenrechte sowie Verhandlungen und Kooperationen zugunsten des gesamten Volks werden sehr fesselnd und anschaulich in Szene gesetzt. Zudem wird auch die Problematik der Unterdrückung und Ausbeutung von Sklaven, die Benachteiligung von Frauen sowie Willkürakte machtbesessener Anführer in den Mittelpunkt der Handlung gerückt.
Aber auch die diversen Schwierigkeiten bei der Besiedlung, Bestellung der Felder, die Notwendigkeit, Handel zu treiben sowie die Bedeutsamkeit der Heilkunde werden sehr authentisch und nachvollziehbar dargestellt.
Die Charakterisierung seiner zahlreichen Hauptfiguren ist dem Autor wirklich gut gelungen. Es sind lebendige Menschen, mit Stärken und Schwächen, die beim Leser Interesse und Anteilnahme wecken. Alle agieren angemessen in ihrer jeweiligen Zeit, so dass man kann sich stets recht gut in ihre Situation hinein versetzen kann.
Insgesamt hält Teuber im Laufe der wendungsreichen Geschichte viele fesselnde Momente, nervenaufreibende Konflikte sowie allerlei menschliche Verwicklungen wie Ehebruch, Untreue und Verrat bis hin zu Mord für uns bereit. Nach dem packenden Ausklang des Auftaktbands bin ich sehr gespannt, wie es im zweiten, für Herbst 2023 angekündigten Teil weitergehen wird.
ZUM HÖRBUCH
Das gekürzte Hörbuch wurde von Schauspieler, Regisseur und Sprecher Alexander Bandilla eingelesen.
Dank seiner facettenreiche Lesung und einem angemessenen Tempo kann man der Handlung gut folgen, muss allerdings bei der Vielzahl an Akteuren stets bei der Sache sein. Durch seine angenehme Stimme und souveränen Vortragsweise wirkt die Geschichte ausgesprochen lebendig und gerät nie in Gefahr langatmig zu werden.
Alexander Bandilla versteht es gut, durch gekonnte Betonung bestimmter Passagen sowie mit dem Spiel von Lautstärke und Lesetempo viel Abwechslung und Dynamik ins Geschehen zu bringen.
FAZIT
Ein fesselnder Auftaktband einer historischen Familien-Saga mit der lehrreichen und unterhaltsamen Geschichte rund um das weltweit beliebte Brettspiel CATAN!

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Veröffentlicht am 31.10.2022

Ein unvergesslicher Roman

Das Leuchten der Rentiere
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MEINE MEINUNG
Ein unvergesslicher Roman
Der schwedischen Journalistin und vielfach preisgekrönten Kinder- und Jugendbuch-Autorin Ann-Helen Laestadius ist mit »Das Leuchten der Rentiere« -ihrem ersten Roman ...

MEINE MEINUNG
Ein unvergesslicher Roman
Der schwedischen Journalistin und vielfach preisgekrönten Kinder- und Jugendbuch-Autorin Ann-Helen Laestadius ist mit »Das Leuchten der Rentiere« -ihrem ersten Roman für Erwachsene- auf Anhieb ein Nummer-1-Bestseller-Erfolg in Schweden gelungen.
Hierin erzählt sie die ergreifende Geschichte des Sámi Mädchens Elsa und ihrer Familie, die als samische Rentierzüchter tagtäglich um ihre Lebensgrundlage und ihren Platz in der Gesellschaft kämpfen müssen. Neben der fesselnden Familiengeschichte ist es aber auch eine berührende und nachdenklich stimmende Coming-of-age Geschichte eines unbeirrbaren Mädchens, das mutig um Gerechtigkeit kämpft, sich im Laufe der Zeit trotz aller Widerstände und Gefahren zu emanzipieren weiß und schließlich ihren Platz in der Welt findet. Trotz der ruhigen, einfühlsamen Erzählweise und der faszinierenden Thematik war für mich anfangs nicht ganz einfach, in die Geschichte hineinzukommen, lohnt es sich durchzuhalten, denn nach und nach entwickelte diese eine tolle, unaufgeregte Dynamik.
Als gebürtige Sámi widmet sich die Autorin in ihrem Roman insbesondere der einzigartigen Kultur und dem Alltagsleben der Samen, der letzten indigenen Volksgruppe Europas. Diese im hohen Norden lebende Bevölkerungsgruppe, deren Existenzgrundlage die Rentierzucht ist, versucht ein Leben im Einklang mit der Natur - zwischen Tradition und Moderne - zu meistern.
In ihrer auf wahren Begebenheiten beruhenden Geschichte führt die Autorin uns sehr eindringlich die vielfältigen Schwierigkeiten vor Augen, die diese traditionelle Lebensweise in einer sich rasant wandelnden Welt mit sich bringt, und thematisiert auch die erschreckende Ausgrenzung und eklatante Diskriminierung der Samen durch die schwedische Gesellschaft und Staatsorgane. Doch neben offener Gesellschaftskritik zeigt sie auch die starren patriarchalischen Strukturen der Samen auf und deren Unfähigkeit, sich den ihrem Volk zugefügten Ungerechtigkeiten entgegenzustellen sowie entschlossen für ihre Rechte und den Fortbestand ihrer kulturellen Identität zu kämpfen.
„Samisch zu sein bedeutet, seine Geschichte in sich zu tragen, als Kind vor dem schweren Rucksack zu stehen und sich zu entscheiden, ihn zu schultern oder nicht.“
Neben schönen bildhaften Landschaftsbeschreibungen des nordschwedischen Sápmi, wundervollen mystischen Momenten sorgen auch eingestreute samische Ausdrücke, die entweder direkt übersetzt werden oder gelegentlich im angehängten Glossar nachzuschlagen sind, für ein gelungenes, authentisches Flair.
Im düsteren Ausgangsszenario erleben wir, wie Elsa Zeugin eines brutalen Mordes an ihrem geliebten Rentierkalb Nástegallu wird, vom Wilderer durch eine unmissverständlich drohenden Geste zum Schweigen gebracht wird und lange Zeit aus Angst dieses verheerende Geheimnis mit sich herumtragen und ihre Trauer allein bewältigen muss. Aus der Sicht der neunjährigen Elsa tauchen wir in das für uns fremde Alltagsleben der Samen und deren Kultur ein, und lernen nach und nach ihre enge Verbundenheit zur Natur und ihren Rentieren aber auch ihre alltäglichen Sorgen und Nöte kennen. Rasch ist man von der eindringlichen und aufwühlenden Geschichte gefesselt und verfolgt gebannt das beklemmende Schicksal der verschiedenen Charaktere und ihrem verzweifelten Ringen um Normalität.
Äußerst faszinierend ist es im zweiten, zehn Jahre später spielenden Teil mitzuerleben, wie Elsa schließlich den Mut und die Kraft findet, Schuldgefühle und Ohnmacht hinter sich zu lassen, die Problematik der von der Polizei gänzlich ignorierten Rentier-Wilderei, grausamen Tierquälereien und Bedrohungen der Sámi in die Öffentlichkeit zu bringen und sich dem skrupellosen Täter von damals in den Weg zu stellen. Sehr packend inszeniert die Autorin dies schließlich im letzten Drittel ihres Romans und lässt die Handlung in einem fesselnden Finale gipfeln.
Einfühlsam und anschaulich zeigt die Autorin am Beispiel von Elsas Familie und ihrem Umfeld auf, welche gravierenden Auswirkungen die permanente Diskriminierung und behördliche Gleichgültigkeit auf das indigene Volk der Sámi hat, wie sich dies auch nachhaltig auf die Psyche der jungen Generation auswirkt und den Fortbestand der Traditionen zunehmend gefährdet.
Die verschiedenen Figuren sind facettenreich und authentisch ausgearbeitet. Die schrittweise, sehr glaubwürdige Entwicklung ihrer Protagonistin Elsa schildert die Autorin ergreifend und empathisch, so dass man Elsas Kampf gegen ihre inneren Dämonen und ihr Handeln gut nachvollziehen kann.

FAZIT
Ein berührender Roman mit einer bewegenden Geschichte über Familie, Identität und Gerechtigkeit und faszinierenden, aber auch nachdenklich stimmenden Einblicken in das Leben der Sámi.
Sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 21.10.2022

Fesselnde dystopische Zeitreise

Auf See
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MEINE MEINUNG
Mit ihrem Buch „Auf See“ hat die junge deutsche Autorin Theresia Enzensberger einen beeindruckenden, fesselnden und anspruchsvollen Roman vorgelegt, der ein origineller Genre-Mix aus spannender ...

MEINE MEINUNG
Mit ihrem Buch „Auf See“ hat die junge deutsche Autorin Theresia Enzensberger einen beeindruckenden, fesselnden und anspruchsvollen Roman vorgelegt, der ein origineller Genre-Mix aus spannender Zukunftsvision, beklemmender Dystopie und einer Coming-of-age-Geschichte der jungen Protagonistin Yada darstellt.
Sehr anschaulich führt uns die Autorin unterschiedliche faszinierende Zukunfts- und Lebenskonzepte vor Augen und zeigt eindrücklich die Notwendigkeit auf, jegliche Machtverhältnisse in Frage zu stellen und hilfreiche resiliente Strategien zu entwickeln, um mit seinen Zukunftsängsten angesichts post-apokalyptischer Zustände umzugehen. Die fesselnde und vielschichtig angelegte Geschichte regt zu einer Auseinandersetzung mit interessanten gesellschaftspolitischen Fragestellungen und tiefgründigen Zukunftsthemen an - Themen also, die jeden von uns betreffen (sollten).
Angesiedelt ist Enzensbergers Ausgangsszenario in einer nicht allzu fernen, aber nicht näher verortbaren Zukunft zu einer Zeit geprägt durch die Folgen des Klimawandels und gesellschaftliche Unruhen. Schon der Einstieg in die beklemmende, prägnant erzählte Handlung hat mich auf Anhieb mit ihren deutlichen Bezügen zur Gegenwart gefesselt. Die Autorin stellt zwei unterschiedliche Erzählperspektiven gegeneinander, die offensichtlich auf bislang noch unbekannte Weise zusammenhängen, und gibt uns zugleich faszinierende Einblicke in zwei sehr verschiedene Handlungsorte. Zum einen erleben wir die interessante, etwas unwirkliche Welt der 17-jährigen Yada, die isoliert vom Rest der vermeintlich im Chaos versunkenen Welt auf einer kleinen künstlichen Insel, der schwimmenden Seestatt mitten in der Ostsee lebt – zusammen mit ihrem unnahbaren Vater Nicholas Verney, der Gründer und Leiter dieses visionären Zukunftsprojekts ist und so einiges vor ihr zu verbergen scheint. Man spürt deutlich zwischen den Zeilen, dass hier so einiges im Argen liegt und vertuscht werden soll. Zum anderen lernen wir in einem zweiten Erzählstrang die faszinierende Figur von Helena kennen, eine Künstlerin, Aktivistin und unfreiwillige Gründerin einer libertären Sekte und erleben aus ihrer Sicht ihren bewegten Alltag in einer etwas anarchistischen, aber eigentlich immer noch „normalen“ Welt, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergedriftet ist.
Obwohl schon bald klar wird, welche Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Handlungssträngen und den jeweiligen Figuren bestehen, ergeben sich manche Hintergründe und Bezüge zur Handlung aufgrund der cleveren, komplexen Konzeption auch erst im Nachhinein. Eingeschoben in die sich abwechselnden Erzählstränge der Haupthandlung sind die mit Archiv betitelten Kapitel, in denen historisch verbürgte Fakten über fantastische Utopien und ihr Scheitern in der Vergangenheit vorgestellt werden. In diesen fundiert recherchierten Abhandlungen erfahren wir neben lehrreichen Hintergründen zum modernen Neoliberalismus und zur Gründung eigener Nationen allerlei Faszinierendes wie Unglaubliches wie beispielsweise über den legendären Betrüger Gregor MagGregor, die Insel Ascension oder die Geschichte der Piratenkommune Libertatia.
An der Seite der beiden in ihren Lebenskonzepten so unterschiedlichen Hauptfiguren Yada und Helena nimmt uns die Autorin mit auf eine interessante Zeitreise, in der es zunächst viele Ungereimtheiten, überraschende Wendungen aber auch spannende Ansätze zu neuen Lebensgemeinschaften im Angesicht des allgegenwärtigen Untergangs zu ergründen gibt.
Dank des lebendigen Erzählstils wird man zwar rasch in die Geschichte hineingezogen und doch fiel es mir nicht leicht, mich auf die vielschichtigen Charaktere und ihre Gedanken- und Gefühlswelt einzulassen, da insbesondere Helena auf mich sehr unnahbar und distanziert wirkte. Beim Lesen ist zudem große Aufmerksamkeit vonnöten, um durch die eingeschobenen, detailreichen Archiv-Kapitel im Lesefluss zu bleiben und die verschiedenen Ebenen dieser genialen Geschichte zu erfassen. Zum Ende hin fügen sich schließlich die vielen verschiedenen Mosaikteilchen sehr stimmig zusammen zu einem faszinierenden Gesamtbild. Gekonnt lässt die Autorin ihren Roman mit einem hoffnungsvollen, versöhnlichen Ausklang enden, der einen sehr nachdenklich zurücklässt.

FAZIT
Ein fesselnder und anspruchsvoller Roman, der uns in eine nicht allzu ferne Zukunft blicken lässt.
Eine nicht einfache aber interessante und zum Nachdenken anregende Lektüre!

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