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Veröffentlicht am 02.11.2022

Ein außergewöhnlich guter Roman

Als die Welt zerbrach
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"Als die Welt zerbrach" kann im Grunde als Fortsetzung oder "Spin-off" zu John Boyne's Bestseller Roman "Der Junge im gestreiften Pyjama" verstanden werden. Die zentralen Themen dieses Romans sind Schuld, ...

"Als die Welt zerbrach" kann im Grunde als Fortsetzung oder "Spin-off" zu John Boyne's Bestseller Roman "Der Junge im gestreiften Pyjama" verstanden werden. Die zentralen Themen dieses Romans sind Schuld, (fehlende) Aufarbeitung und auch die generationsübergreifende Last und Trauer, die sich aus einem weltbewegenden Trauma ergeben.
Es ist unglaublich fesselnd geschrieben und die Geschichte ist meisterhaft ausgearbeitet. Für mich ist "Als die Welt zerbrach" in jeder Hinsicht wie die große Schwester von "Der Junge im gestreiften Pyjama". Während letzterer auf bewegende Weise, aber durch Bruno's kindlicher Naivität und Unschuld das Grauen von Auschwitz betrachtet, ist diese Fortsetzung erwachsener, schonungsloser und eindringlicher als sein Vorgänger. Ich empfehle auf jeden Fall den "ersten Teil" vorher gelesen zu haben, da es doch viele Bezüge zu der Handlug gibt, die auch wichtig für das Verständnis beim Lesen sind.

Man folgt der Erzählung von Gretel Fernsby, einer wohlhabenden Mit-Neunzigerin, die im heutigen Mayfair ein geruhsames Leben als Witwe führt. Doch Gretel war nicht immer eine Fernsby. Einst hatte sie einen deutschen Namen getragen. Sie hatte einen einflussreichen Vater, eine wunderschöne Mutter, Bruno, ihren liebenswerten Bruder und sogar einen Schwarm, in den sie im zarten Alter von 12 ganz vernarrt gewesen ist.
Doch eines Tages war ihr Bruder verschwunden, der Führer besiegt, der Krieg verloren und Gretel fand sich in einer neuen Welt wieder, in der die Tochter des Teufels keinen Platz hatte.
Während sie versucht dem Chaos am Ende des zweiten Weltkrieges zu entkommen und gleichzeitig auch ihrer eigenen Schuld, wird sie immer wieder von den Erinnerungen an Auschwitz, ihre Eltern und ihrer tragischen Rolle beim Tod ihres Bruders eingeholt. Im Laufe ihres Lebens wird sie noch viele Namen tragen, doch keiner vermag sie von ihrer Trauer und den schwer-lastenden Schuldgefühlen zu befreien.
Erst als in der Wohnung unter ihr neue Nachbarn einziehen, scheint sie die Vergangenheit entgültig einzuholen. Es sind nämlich diese Nachbarn, die schöne und oh-so-unglückliche Madelyn, ihr in sich gekehrter kleiner Sohn Henry, der ihrem Bruder Bruno so ähnlich ist und der kaltschnäutziger Vater und berühmter Filmproduzent Alex, die sie schon bald in eine Lage bringen, in der sie sich mit ihren dunkelsten Geheimnissen auseinander setzen muss.
Stück für Stück und punktuiert setzt sich Gretel's Geschichte zusammen, während die Handlung gekonnt von der heutigen Zeitlinie, in eine bewegte und nomadische Vergangenheit springt, spitzen sich die Ereignisse zu, bis Vergangenheit und Gegenwart schließlich aufeinander prallen. Gretel hat eine kluge, einnehmende und auch kompromisslose Art, die mich sofort in den Bann gezogen hat. Gerade zu Anfang erinnert sie ein wenig an eine klassische Cosy-Crime-Heldin, die mit ihrer gemütlichen Art den bösen Machenschaften ihrer neuen Nachbarn auf die Schliche kommt.
Doch schon bald und je mehr man über ihre Vergangenheit erfährt, desto grauer wird ihr Charakter.

Besonders in den Nachkriegsjahren hat sie viele ihrer Schuldgefühle und Verantwortung unter der Decke ihres jungen Alters vergraben. Während der Ereignisse vom ersten Teil war sie gerade mal 12 Jahre alt, vielleicht 14 als der Krieg endete. Sie redete sich ein, sie habe nicht gewusst, was hinter dem Zaun vor sich ging, habe die NS-Indoktrination gar nicht so sehr verinnerlicht und auch generell nicht allzu viel von dem verstanden, was damals vor sich ging. Doch je tiefer man in ihre Vergangenheit eintaucht, umso klarer wird, dass sie sich die ganze Zeit in die eigene Tasche lügt. Die Erinnerung an ihren Besuch in Auschwitz an der Seite ihres Vaters und Kurt (ihres Schwarms), die Bestätigung, die sie von beiden gesucht hat, wann immer sie Gesten und Ideologien wiederholte, und schließlich das Wiedersehen mit Kurt Jahre später, waren für mich Schlüsselszenen, die verdeutlichen, dass sie doch sehr viel mehr von dem verstanden hat was passiert war.
Ich fand Gretel's Figur emotional enorm herausfordernd. Sie hat in mir eine verworrene Mischung hervorgerufen aus Sympathie für die alte Frau, die sie geworden war, Mitgefühl, für das was sie durchmachen musste (besonders in Paris) und Verachtung, wegen der Lügen, die sie sich selbst und anderen erzählt hat. Beispielweise war die Unterhaltung zwischen Gretel und Kurt in dem Café für mich unglaublich schwer zu lesen. Dieses eine Mal hat sie zugelassen, dass die Mauern von Lügen, die sie in ihrem Inneren errichtet hat, ein wenig Licht durchlassen und enthüllen, was tief in ihr verborgen lag. Boyne hat es geschafft, dass Gretel wirklich nie nur schwarz oder nur weiß geblieben ist, sondern hat immer genau so viel Information beigesteuert, dass man auf dem Drahtseil nicht auf einer Seite herunterfällt.

Auf die Handlung will ich gar nicht groß eingehen, nur dass der Schluss in meinen Augen sehr passend war. Ein Happy End ist nicht zu erwarten, genauso wenig wie es bei "der Junge im gestreiften Pyjama" zu erwarten war. Dafür hinterlässt einen dieser Roman aufgewühlt, emotional aufgeraut, vielleicht sogar ein wenig ruhelos, weil es für eine solche Geschichte einfach schwerlich ein "perfektes" Ende geben kann. Es gibt keine Gewinner, keine vollkommene Gerechtigkeit, keine Absolution.

"Als die Welt zerbrach" ist beileibe keine leichte Lektüre. Die Geschichte ist rau, einfühlsam und vielschichtig, gräbt sich tief in dei Gedanken- und Gefühlswelt seiner Leser und Leserinnen ein und lässt einen nicht so schnell wieder los. John Boyne ist ein Meister der Erzählung und hat sich in diesem Roman mit Geschick und Entschlossenheit den dunkelsten Aspekten der menschlichen Natur angenommen. Ein grandioses Buch und uneingeschränkt empfehlenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.07.2022

Knallharter Krimi mit knallhartem Ermittler

Princess Margarita Illegal
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“Princess Margarita Illegal“ ist der zweite Teil der von Stephen Mack Jones geschaffenen Krimi-Reihe rund um den Detroiter Ex-Cop und Ex Marine August Snow. Er knüpft nahtlos an die Ereignisse des ersten ...

“Princess Margarita Illegal“ ist der zweite Teil der von Stephen Mack Jones geschaffenen Krimi-Reihe rund um den Detroiter Ex-Cop und Ex Marine August Snow. Er knüpft nahtlos an die Ereignisse des ersten Teils an, es ist allerdings nicht zwingend nötig diesen zu kennen.
Dieses Buch ist in meinen Augen ein wirklich genialer Kriminal-Roman und kombiniert tolle Charaktere, einen fesselnden Plot und unerwartete Wendungen mit einem sehr authentischen Einblick in die Menschen und Probleme der Stadt Detroit.
Der Protagonist, engagiertes Mitglied in Detroit’s Mexicantown und wichtiger Teil der Community, wird durch einen Bekannten aus seiner Zeit als Polizist in eine Mordermittlung hineingezogen, die viele Fragen aufwirft. Eine unbekannte Mexikanerin wurde aus dem Detroit River gezogen und weder ihre Verkleidung als Prinzessin noch die schlimmen Verletzungen, die sie vor ihrem Tod erlitten haben muss, scheinen einen Sinn zu ergeben.
Von den Behörden hat die junge Frau keine Gerechtigkeit zu erwarten, also nimmt sich August des Falles an und stößt schon bald auf eine Spur, die ihn nah an die dunkelsten Abgründe der Gesellschaft führt.
Jones Schreibstil hat mir sehr gefallen. Mit seinem zynischen und ungefilterten Tonus hat der Erzählstil etwas von der Atmosphäre eines Film Noir, ist aber gleichzeitig temporeich und modern, was das Buch ungleich mitreißender macht. Auch Jones Detailliebe sticht heraus. Seine Beschreibungen der Figuren und insbesondere der Stadt kreieren ein unglaublich echtes und authentisches Bild von Mexicantown und seiner Bewohner. Kleinigkeiten wie z.B. das Essen, die auf den Ersten Blick unerheblich erscheinen, tragen ganz stark dazu bei, sich beim Lesen in die Community versetzt zu fühlen. Ich war sehr schnell von der Geschichte und ihrer Atmosphäre eingenommen.
August als Protagonist hat mich ebenfalls schnell von sich überzeugt. Er hat das Herz am rechten Fleck und gute Intentionen, ist allerdings auch bereit gewisse Grenzen zu übertreten. Weder schwarz noch weiß bewegt er sich häufiger mal in einer moralischen und ethischen Grauzone. In Kombination mit seinen derben Sprüchen und dem trockenen Humor hat er etwas von Stirb Langsams John McClane.
Schließlich mochte ich auch die Handlung sehr. Es dauert ein wenig bis sich richtig Spannung aufbaut, allerdings wird es früh genug ordentlich turbulent. Der Handlungsverlauf bietet einige überraschende Wendungen und verbindet die Elemente eines spannenden Detektivromans mit denen eines atemlosen Großstadt-Thrillers.
Natürlich gab es die ein oder andere Szene, die in der Realität vermutlich nicht so abgelaufen wäre, allerdings wirkt der Roman trotz der gehörigen Portion Waffen und Gewalt auch tragisch realistisch.
Wer also auf der Suche nach einem düsteren, atmosphärischen Krimi ist, sollte es definitiv einmal mit „Princess Margarita Illegal“ versuchen.

Veröffentlicht am 12.07.2022

Geistreich, unterhaltsam und voll mit wertvollen Denkanstößen

Von hier betrachtet sieht das scheiße aus
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"Von hier betrachtet sieht das scheiße aus", der Debütroman von Autor Max Osswald, sticht bereits durch seinen Titel aus der Menge heraus. Und der Name ist Programm:
Ben Schneider (29) ist im Leben festgefahren. ...

"Von hier betrachtet sieht das scheiße aus", der Debütroman von Autor Max Osswald, sticht bereits durch seinen Titel aus der Menge heraus. Und der Name ist Programm:
Ben Schneider (29) ist im Leben festgefahren. Genauer noch befindet er sich in einer ermüdenden Endlosschleife aus Belanglosigkeit und Erschöpfung. Erschöpfung durch die immer gleichen Sorgen, die immer gleiche Arbeit in der seelenvernichtenden Wirtschaftsprüfungskanzlei und die immer gleiche, allumfassende Einsamkeit, die in seinem Leben Einzug gehalten hat.
Aber Ben hat die Schnauze voll von diesem "Kreislauf beschwerlicher Scheiße" und trifft einen folgenschweren Entschluss: Er will sterben.
Und noch eine Sache steht fest: Sein Tod soll keineswegs so mittelmäßig werden, wie sein Leben. Also engagiert Ben einen Auftragskiller, der ihn in genau 50 Tagen die Lichter ausknipsen soll.
Klingt düster? Ist es auch. Max Osswald hat sich hier ein sehr ernstes Thema zum Schreiben gewählt und trifft damit genau den Zahn der Zeit. In einer Gesellschaft, die uns bereits von Klein auf einzutrichtern versucht, das Geld und Karriere der Maßstab allen Seins sind und die Chancen im Leben an die eigene Leistung und Produktivität gebunden sind, haben sicher schon so einige im Laufe ihres Lebens an ihrem Werdegang gezweifelt und sich auf die Suche nach persönlichen Glück begeben.
In einer ganz ähnlichen Ausgangslage begegnen wir dem Protagonisten dieses Romans. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass Ben vom Leben nichts mehr erwartet. Mit seinen 29 Jahren ist er verbittert, von Zynismus zerfressen und hat sich jedwedes Schönreden erfolgreich abtrainiert. Für ihn gibt es nur die gnadenlose, zuweilen bitterböse und ungefilterte Wahrheit. Doch genau diese kompromisslose Ehrlichkeit des Protagonisten gibt dem ganzen Roman eine herrlich humorvolle Note.
Mir hat „Von hier betrachtet sieht das scheiße aus“ wirklich gut gefallen und ich finde es ist ein außergewöhnliches und beeindruckendes Roman-Debüt. Es ist diese Kombination aus Düsternis und humorvoller Spitzzüngigkeit, die mir auf Anhieb gefallen hat.
Der Schreibstil ist packend und modern und die Seiten fliegen binnen kürzester Zeit nur so dahin. Ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen, weil ich es nicht beiseitelegen könnte.
Ich sollte dabei erwähnen, dass sich Osswald sehr expliziter Sprache bedient (was angesichts des Titels keine Riesenüberraschung ist) und damit vielleicht nicht jedermanns Geschmack trifft. Meiner Meinung nach hat das aber auch sehr gut zum Charakter der Geschichte und des Protagonisten gepasst.
Zuletzt haben mir auch die Kapitel und einzelne Gestaltungselemente im Buch sehr gefallen, sozusagen das Tüpfelchen auf dem i.

Geschrieben wird in der Ich-Perspektive, sodass man uneingeschränkten Zugang zu den Gedanken und Gefühlen Bens bekommt. Das fand ich super, denn so erhält seine Figur schnell Kontur und wird nahbarer. Dadurch wurde es auch um einiges leichter seinen düsteren Gedanken zu folgen und sich in ihn hineinzuversetzen. Mit seiner sarkastischen und der negativen Grundeinstellung wirkt er zwar nicht immer sympathisch, aber als Figur sehr echt.
Ben ist in der Tat ein außergewöhnlicher Protagonist und hat eine sehr mitreißende Entwicklung gemacht. Von seiner anfänglichen Lähmung durch die Last seines eigenen Lebens beginnt er in seinen letzten 50 Tagen weitere drastische Veränderungen vorzunehmen und scheint sich dabei nach und nach aus seinem Käfig zu befreien. Dabei fand ich wirklich gut, dass der Autor hier auf jedwede rosarot geschmückte Szene neuentfachter Lebensfreude verzichtet hat und Ben sich stattdessen langsam und ausführlich mit seiner Situation befassen musste.
Dabei ergibt sich so manch eine überraschende Situation oder neue Begegnung, die auch den Leser den ein oder anderen Denkanstoß mit auf den Weg gibt.
Unterm Strich ist „Von hier betrachtet sieht das scheiße aus“ ein sehr gelungenes Erstlingswerk. Kurzweilig und doch ungewöhnlich lädt es seine Leser ein auf eine Suche nach den Sinnbringenden Dingen des Lebens und macht Mut sein Leben einzig nach den eigenen Ansprüchen und Wünschen auszugestalten.
Ich hoffe, wir werden noch einiges von Max Osswald hören, bis dahin kann ich aber nur jedem nahelegen, diesem Roman eine Chance zu geben.

Veröffentlicht am 17.05.2022

Richtig gute Hör-Unterhaltung

Affenhitze (Ein Kluftinger-Krimi 12)
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Affenhitze von Volker Klüpfel und Michael Kobr ist ein Krimi, den man diesen Sommer auf keinen Fall verpassen sollte. Vor dem malerischen Hintergrund der Allgäuer Postkartenidylle begleiten wir den urigen ...

Affenhitze von Volker Klüpfel und Michael Kobr ist ein Krimi, den man diesen Sommer auf keinen Fall verpassen sollte. Vor dem malerischen Hintergrund der Allgäuer Postkartenidylle begleiten wir den urigen Interims-Polizeipräsidenten Kluftinger auf seinem inzwischen zwölften Fall. Das Interesse am beschaulichen Allgäu ist groß, nachdem bei Ausgrabungen in einer Tongrube das berühmte Skelett des Urzeitaffen „Udo“ ausgegraben wurde. Nur größer wird die Aufregung als der für die Ausgrabung Verantwortliche, Professor Brunner, selbst zum Ausgrabungsobjekt wird. Verscharrt unter einem Schaufelbagger, wirft der allgemein unbeliebte Tote nun eine Menge Rätsel auf, die nur Kluftinger zu lösen vermag.
Eigentlich hat dieser privat schon genug um die Ohren und auch die brütende Hitze gibt nicht viel Anlass vor die Tür zu gehen, aber das ist natürlich kein Grund für den erfahrenen Ermittler, sich nicht auf die Suche nach dem Mörder zu begeben.
Für mich war es das erste (Hör-)Buch dieses Autoren-Duos und damit auch meine erste Begegnung mit Kommissar Kluftinger. Was soll ich sagen? Ich werde mir ziemlich sicher noch weitere Fälle suchen. Ob es ein „typischer Klufti“ ist, kann ich natürlich nicht beurteilen, aber als eigenständig betrachteter Krimi, hat mir das Hörbuch doch viel Freude bereitet.
Die ungekürzte Fassung kommt auf eine Dauer von ca.16 Stunden und 36 Minuten (bei normaler Hörgeschwindigkeit) und hat damit, finde ich, eine wirklich gute Länge. Gelesen wird „Affenhitze“ von den beiden Autoren selbst, mit der Unterstützung der unverkennbaren Stimme Martin Umbachs.
Diese Kombination hat mich sehr glücklich darüber gemacht, mich für die Hörbuchfassung entschieden zu haben, denn es sind die Sprecher, die dem Buch das Gewisse etwas verleihen. Die Dialekte der Protagonisten, sowie die humorvollen Dialoge und Interaktionen zwischen ihnen, entfalten damit erst ihre volle Wirkung. Die spürbare Leichtigkeit der Sprecher tut ihr übriges, um dieses Buch zu einem astreinen Hörerlebnis zu machen.

Zum Inhalt möchte ich eigentlich gar nicht zu viel schreiben. Der eigentliche Kriminalfall ist spannend ausgearbeitet und überrascht mit seinen Wendungen. Besonders gefallen hat mir aber, dass es eben nicht „nur“ Ermittlung ist, sondern auch viel Drumherum, wie etwa die privaten Hürden, die Kluftinger zu nehmen hat. Das kreiert eine ganz andere Atmosphäre beim Hören/ Lesen und trägt nach meinem Empfinden auch sehr zum Unterhaltungsfaktor bei. „Affenhitze“ hatte für mich viel von einem Cozy-Crime-Buch, was ich bei dem Cover irgendwie nicht erwartet habe. Das war eine schöne Überraschung.
Insgesamt hat mich das Hörbuch durch seine interessante Handlung, die einfallsreichen, lebendig ausgearbeiteten Figuren, aber vor allem die wunderbare Darstellung der Sprecher sehr begeistern können!

Veröffentlicht am 04.05.2022

Faszinierend, erschütternd und unglaublich eindrucksvoll.

Firekeeper's Daughter
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Tauchen wir ein in eines der zweifellos besten und aufregendsten YA-Highlights dieses Jahres. „Firekeeper’s Daughter“ ist das beeindruckende Debut von Angeline Boulley und spielt in Sault Ste. Marie, auf ...

Tauchen wir ein in eines der zweifellos besten und aufregendsten YA-Highlights dieses Jahres. „Firekeeper’s Daughter“ ist das beeindruckende Debut von Angeline Boulley und spielt in Sault Ste. Marie, auf der oberen Halbinsel von Michigan, inmitten der indianischen Ojibwe-Gemeinschaft. Es erzählt die Geschichte der 18-jährigen Daunis Fontaine.
Ihre Welt teil sich in zwei Teile. Die weiße, gutbürgerliche Familie ihrer Mutter und die Ojibwe-Seite ihres Vaters. Sie ist das Kind eines Skandals und obwohl Daunis eine tiefe Verbundenheit mit ihrem indianischen Erbe hat, gehört sie dennoch nicht zum Stamm. Sie ist auffallend blass, fühlt sich von keiner Gemeinschaft wirklich akzeptiert, eine Außenseiterin, die kürzlich ihren Traum von einer vielversprechenden Sportkarriere verloren hat. Zuletzt zwingen sie schwere Schicksalsschläge in ihrer Familie dazu, ihre Pläne für das College zu ändern. Statt an der University of Michigan zu studieren, entschließt sie sich zu bleiben. Bei ihrer Mutter. Ihrem Eishockey-Star-Halbbruder Levi. Und ihrer besten Freundin Lily. Mit ihren Liebsten um sich, erschafft Daunis sich ein neues Normal.
Eine aufregende Ergänzung in diesem neuen Normal ist auch der neue, attraktive Spieler Jamie, der das Eishockeyteam ihres Bruders verstärken soll. Er ist mysteriös mit seiner sonderbaren Narbe und noch dazu gefährlich charismatisch, aber er ist auch verschlossen und scheint voller Geheimnisse zu stecken. Aber wie das mit Geheimnissen so ist, finden sie immer einen Weg hervorzubrechen und als ein weiterer fataler Schlag Daunis Leben erschüttert, muss sie von Grund auf überdenken, wem sie überhaupt noch trauen kann.
Die ersten Kapitel lassen den Leser in Daunis Leben und Geschichte eintauchen, in ihre enge Beziehung zu ihrem über-beschützenden Bruder und dem Rest ihrer indigenen Familie, einschließlich ihrer knallharten Tante Teddie. Man liest über die historischen Gräueltaten und den Rassismus, die die schmerzhafte Geschichte der Stämme geprägt haben, und erhält einen Einblick in die Kultur, die Strukturen, die zeitgenössische Politik, die traditionelle Medizin, die Rituale, die Zeremonien, die Stammesältesten und die alltäglichen Interaktionen in der Gemeinschaft und in der Familie.
Während diese Aspekte im Laufe der Handlung mehr Substanz bekommen und facettenreicher ausgestaltet werden, entwickelt sich auch der Hauptplot in eine fesselnde Richtung, überrascht mit spannenden Wendungen und gut durchdachten Szenen. Ich habe einige Kapitel gebraucht, um mich wirklich in der Geschichte einzufinden, aber nachdem dieser Punkt erreicht war, war es sehr schwer das Buch aus der Hand zu legen. Der Schreibstil ist sehr bildlich und führt einen in einem guten Tempo durch die Handlung. Auch ist mir sehr positiv aufgefallen, wie geschickt die Autorin rhetorische bzw. sprachliche Stilmittel eingebaut hat. Man kann sehr schnell herauslesen, dass Boulley ihr Handwerk versteht. Es gibt viele gute Schreiber da draußen, aber es ist immer wieder schön, ein Buch in die Hände zu bekommen, dass sprachlich etwas raffinierter ist.
Die konsequente Einbeziehung der Anishinaabe-Sprache war (nach einer gewissen Eingewöhnungszeit) auch eine wirkliche Bereicherung, wobei eingangs ein Hinweis auf das Glossar schon hilfreich gewesen wäre.
Daunis ist als Protagonistin sehr spannend. Sie ist wirklich stark und für ihr doch sehr junges Alter wirklich Widerstandsfähig, bedenkt man alles, was sie in kurzer Zeit durchmachen muss. Auch ihr Verständnis von Eigenliebe und Selbstwert ist etwas, was ich mir für mehr Protagonistinnen wünschen würde, die gerade jungen Leserinnen zum Vorbild werden können.
Interessanterweise ist Daunis Trauma bzw. ihre Traumata aber eher ein Sub-Plot der Geschichte, daher fühlt es sich teilweise unausgewogen an, wie schnell sie gewisse Dinge beiseiteschiebt und weiteragiert, als hätte sie nicht gerade erlebt, was sie erlebt hat. Es ist schwierig, weil das Buch vorrangig eine Kriminalgeschichte erzählt, die entsprechend Raum einnimmt und da bleibt nur begrenzt Raum, um bei schwierigen Themen in die Tiefe zu gehen. Boulley spricht wichtige und essentielle Probleme an, wie die anhaltende Gewalt gegen indigene Frauen und auch die Art und Weise wie das Justizsystem sie übersieht und abwertet, aber es ist und bleibt eine Gratwanderung. Ich finde sie hat hier einen guten Weg gefunden, auf diese Dinge aufmerksam zu machen, aber ich bin sicher, dass es genug Leser
innen geben wird, die anders empfinden und denen dieses an-der-Oberfläche-kratzen weniger gefallen wird.
Wichtig zu erwähnen ist, dass dieses Buch keine Triggerwarnung beinhaltet. Es behandelt Themen wie Verlust, Tod, Gewalt (insb. sexuelle Gewalt) und Substanzmissbrauch. Da manche Leser auf solche Themen sensibel reagieren können, wäre es nur verantwortungsvoll und angemessen darauf hinzuweisen, bevor diese von der Handlung überrumpelt werden.
„Firekeeper’s Daughter“ hat bei mir irgendwie einen Nerv getroffen. Ich bin so froh, dass ich die Gelegenheit hatte in diese Geschichte, diese Kultur mitsamt ihrer Traditionen, Sprache, Geschichte und Weisheit einzutauchen. Die starken und vielschichtigen Charaktere waren die grundlegende Stärke dieses Romans. Die intensiven Hintergrundgeschichten, die tiefgehende Darstellung der Community, insbesondere des Stammesrats ermöglichen einen beispiellosen Einblick in eine wunderschöne Kultur, die ich bisher nie auf so einer Ebene kennenlernen durfte. Die Lebendigkeit und Widerstandsfähigkeit der in diesem Buch dargestellten Gemeinschaft hat mich sehr berührt und ich habe große Hochachtung davor, wie viele Aspekte die Autorin in dieser Geschichte untergebracht hat.
Ich glaube nicht, dass dieses Buch ausnahmslos für jeden geeignet ist, weil es für einen vielleicht zu viele Handlungsstränge hat, einem anderen könnte die emotionale Aufarbeitung nicht zusagen oder wieder einem sind die Beziehungen zu verworren. Trotzdem kann ich aber nur jedem nahelegen, es zumindest zu versuchen. Für mich war „Firekeeper’s Daughter“ aber einer der besten Jugendromane den ich seit langem gelesen habe.

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