Vom Zauber und Leid Venedigs
Als ich einmal in den Canal Grande fielPetra Reski ist seit etwa 30 Jahren Wahlvenezianerin und kennt die Stadt wirklich wie kaum ein anderer. Man merkt, wie sehr ihr Venedig am Herzen liegt und wie sehr ihr selbiges oft blutet, wenn sie Zeugin ...
Petra Reski ist seit etwa 30 Jahren Wahlvenezianerin und kennt die Stadt wirklich wie kaum ein anderer. Man merkt, wie sehr ihr Venedig am Herzen liegt und wie sehr ihr selbiges oft blutet, wenn sie Zeugin wird, wie die Stadt immer mehr zu einem Open-Air-Museum, einer Kulisse für Instagramfotos verkommt.
Die Sache mit dem Tourismus ist wirklich ein zweischneidiges Schwert für Venedig. Das die Menschenmassen, die sich durch die Stadt drängen, nicht gut für so ein kleines Städtchen sein können und das Leben für die noch wenigen Verbliebenen schwer machen, liegt auf der Hand. Bei vielem stimme ich Petra Reski völlig zu. Riesige Kreuzfahrtschiffe, neben denen der Markusplatz wie eine Puppenstube aussieht, sind inakzeptabel und da lasse ich auch das Argument, dass sie (vielen) Venezianern Arbeit geben, nicht gelten, denn durch die Zerstörung der Stadt werden sie langfristig noch viel mehr Menschen ihres Arbeitsplatzes berauben. Auch Auswüchse wie Picknick auf dem Markusplatz veranstalten, in Badekleidung in Kirchen gehen, Selfies machen, während man im Hochwasser planscht, da fehlen mir auch die Worte. Bei anderen Punkten bin ich mir nicht so sicher. So prangert die Autorin an, dass immer mehr Wohnraum verloren geht, da dieser als Airbnb genutzt wird, dass immer mehr kleine Läden aufgeben mussten und stattdessen dort jetzt Souvenirläden oder Eisdielen zu finden sind. Die Sache mit den fehlenden Tante-Emma-Läden kann ich zwar schon verstehen, zumal man in Venedig ja nicht mal schnell ins Auto springen kann und zum nächsten Laden fahren kann, aber dennoch ist das ein Phänomen, das (leider)unserer Zeit geschuldet ist. Auch wenn ich da nostalgisch in meine Kindheit blicke, muss man da wohl – auch in Venedig- realistisch sein. Und auch bei der Argumentation Reskis, dass aufgrund der vielen Airbnbs Wohnraum in Venedig fehlt, bin ich nicht völlig von ihrer Argumentation überzeugt. Es sind halt doch viele ehemalige Venezianer, die aufs Festland ziehen und ihre Immobilien auf Venedig vermieten. Für viele ist es tatsächlich bequemer, auf dem Festland zu leben und zu arbeiten. Und wer sollte es verdenken, wenn sie sich ein so lukratives Nebeneinkommen entgehen ließen.
Ich habe aber auch nicht den Eindruck, dass Petra Reskis Intention ist, komplett von einem Besuch in Venedig abzuraten. Es sind nämlich wirklich viele Menschen in dieser Stadt vom Tourismus abhängig. Vielmehr verstehe ich es als ein Plädoyer für verantwortungsvollen Tourismus.
Insgesamt ist es ein wirklich empfehlenswertes, informatives und gleichzeitig sehr unterhaltsam geschriebenes Buch, vor allem wenn die Autorin Episoden aus ihrem Privatleben mit dem Venezianer an ihrer Seite einfließen lässt. Besonders amüsiert hat mich, weshalb die beiden für ihre Hochzeit dem Ruhrgebiet Vorzug gegeben haben.