Fesselnd wie ein James-Bond-Film
Ben Macintyre schildert in "Agent Sonja" die Geschichte von Ursula/Sonja, einer jüdischen deutschen Sozialistin, die von 1930 bis in die 1950er Jahre in Schanghai, Polen, der Schweiz und Großbritannien ...
Ben Macintyre schildert in "Agent Sonja" die Geschichte von Ursula/Sonja, einer jüdischen deutschen Sozialistin, die von 1930 bis in die 1950er Jahre in Schanghai, Polen, der Schweiz und Großbritannien für den sowjetischen Geheimdienst als Spionin tätig war. Die unscheinbar wirkende Mutter und Ehefrau war in Wirklichkeit unter dem Codenamen Sonya bekannt und entzog sich der Gefangennahme durch China, den Nazis, dem MI6 und dem FBI. Sie reiste durch mehrere Länder, mehrere Ehemänner und mehrere Loyalitäten in ihrem Bestreben, den Kommunismus zu fördern und Hitler zu besiegen, als dieser an die Macht kam. In ihrer Tätigkeit als Spionin sendete und empfing sie geheime Funksignale, verwaltete ein Netz von Agenten in ganz Europa, gab geheime Informationen über die Atombombe an die Sowjets weiter und wurde später zur einer äußerst beliebten Kinderbuchautorin in Ostdeutschland.
Obwohl es ein Sachbuch ist, hat man bei der Lektüre eher das Gefühl, dass man einen spannenden Spionageroman als eine wahre Geschichte liest. Das Buch besteht aus lebendig erzählten Abschnitte aus Ursulas Leben, ihrer Tätigkeit als Spionin und interessanten Einblicken hinter die Kulissen des 2. Weltkrieges und des Kalten Krieges. Der Autor schafft es mittels Tagebucheinträgen, Aufzeichnungen und Briefen ein umfassendes und ehrliches Bild von Ursula zu zeichnen. Ebenso ist das Buch eine Sammlung interessanter Enthüllungen über geheime Operationen und die Funktionsweise des sowjetischen Spionagenetzes während des Kalten Krieges. Es erforscht das Aufeinanderprallen von Ideologien, die Herausforderungen, die eine Frau bei der Spionagearbeit zu bewältigen hat, und die allgemeine, oft brutale Aufopferung für die Sache. Trotz mancher langatmiger Textstellen verliert man beim Lesen nicht das Interesse, was auch daran liegt, dass der Autor ab und an auch humorvolle Details in den Text einarbeitet, um so die Absurdität der Situation zu verdeutlichen, vor allem dann, wenn die Leute so schlecht in ihrem Job sind, dass jeder annimmt, sie würden für den Feind arbeiten.
"Agent Sonja" ist eine interessante und fesselnd erzählte wahre Geschichte über eine weibliche Spionin in einer von Männern dominierten Welt. Das Sachbuch zeugt von einer guten Recherchearbeit und liest sich teilweise wie ein James-Bond-Film, sodass auch Fans von Spionageromanen großen Gefallen an dem Buch finden werden.