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Veröffentlicht am 03.08.2023

Queere Liebesgeschichte mit Schwächen

Girls like girls – Sag mir nicht, wie ich mich fühle
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Die 17-jährige Coley hat ihre Mutter verloren und muss nun bei ihrem Vater leben, der die Familie vor Jahren verlassen hat. An ihrem ersten Tag in der neuen Stadt begegnet sie Sonya und ist sofort wie ...

Die 17-jährige Coley hat ihre Mutter verloren und muss nun bei ihrem Vater leben, der die Familie vor Jahren verlassen hat. An ihrem ersten Tag in der neuen Stadt begegnet sie Sonya und ist sofort wie elektrisiert. Auch diese fühlt sich von Coley angezogen, doch 1. hat sie einen Freund – oder zumindest eine On-/Off-Beziehung – und 2. steht sie gar nicht auf Frauen, oder etwa doch? Für die beiden beginnt ein Sommer voller Emotionen, aber auch komplizierter Entscheidungen.

„Girls like Girls“ ist der erste Roman der Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin Hayley Kiyoko und basiert auf ihrer gleichnamigen Single. Erzählt wird aus Coleys Perspektive in der Ich- und Gegenwartsform, was uns unmittelbar an ihrer Innensicht teilhaben lässt. Sonyas Blickwinkel erfahren wir hingegen aus ihrem Online-Tagebuch, also in bearbeiteter, literarisierter Form. Das bildet einen interessanten Kontrast zwischen Coleys entwaffnender Ehrlichkeit und Sonyas verzweifeltem Versuch, sich an einem Leben festzuhalten, das sie nicht einmal besonders mag.

Mit Coley und Sonya treffen Welten aufeinander. Sonyas Familie ist reich, die von Coleys musste sich immer irgendwie durchschlagen. Sonya hat zwei Väter, einen leiblichen und einen Stiefvater, während Coley lange Zeit auf ihren verzichten musste. Die jeweiligen Mütter spielen eine große Rolle im Leben der beiden und beeinflussen es massiv. Und auch wenn Coley es zuhause nicht immer einfach hatte, vermisst sie ihre Mutter in jeder Sekunde und lässt die Bemühungen ihres Vaters an sich abprallen.

Im Fokus steht aber die Liebesgeschichte, an der ich leider Kritik äußern muss. Zum einem wird nicht deutlich, woher die plötzliche Anziehung zwischen beiden kommt. Sonya bewundert vielleicht Coleys Haltung und ihre starke Meinung zu den unterschiedlichsten Themen; was sie jedoch umgekehrt an Sonya findet, ist unklar oder rein äußerlicher Natur. Zudem sind die beiden über ein Drittel des Buches getrennt und ihre Charaktere bleiben farblos. So wird am Anfang zwar erwähnt, dass Coley das Gefühl hat, nicht asiatisch, aber auch nicht weiß genug zu sein, danach wird das Thema ihrer Identität aber nicht mehr aufgegriffen. Und das ist nur ein Beispiel von vielen, an denen der Roman Potenzial verschenkt – schade!

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Veröffentlicht am 14.12.2022

Wichtiges Thema, blasse Figuren

Die Pachinko-Kugeln
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Claire ist nach Japan gereist, um ihre koreanischen Großeltern, die schon seit 50 Jahren dort leben, zu besuchen und mit ihnen noch ein letztes Mal in die Heimat zu reisen. Der Großvater betreibt eine ...

Claire ist nach Japan gereist, um ihre koreanischen Großeltern, die schon seit 50 Jahren dort leben, zu besuchen und mit ihnen noch ein letztes Mal in die Heimat zu reisen. Der Großvater betreibt eine Pachinko-Halle und verbringt fast seine gesamte Zeit dort; die Beziehung zur Großmutter ist merklich abgekühlt – auch weil Großeltern und Enkelin keine gemeinsame Muttersprache haben. Um sich die Tage bis zur Abreise zu vertreiben, gibt Claire Mieko, einem zehnjährigen, stillen Mädchen Nachhilfe in Französisch.

„Die Pachinko-Kugeln“ ist nach „Winter in Sokcho“ der zweite ins Deutsche übersetzte Roman der Autorin Elisa Shua Dusapin, die – wie ihre Protagonistin – französische und koreanische Wurzeln hat. Die Handlung wird von Claire selbst in der Gegenwartsform und der Ich-Perspektive erzählt, so dass wir unmittelbar am Geschehen teilnehmen. Auf diese Weise entsteht eine persönliche, aber auch wenig literarisierte Textform, die an Tagebucheinträge erinnert.

Hauptthema der Geschichte ist sicherlich die Frage nach der eigenen Identität. Claires Großeltern sind schon so lange in Japan, dass sie den Bezug zu ihrem Heimatland fast verloren haben. Die Reise dorthin schieben sie immer wieder auf, denn was sollen sie nach so langer Zeit dort noch finden? Für die Japaner jedoch werden sie immer „Zainichi“ bleiben, koreanische Einwanderer. Enkelin Claire ist ihr Koreanisch verloren gegangen, als sie Französisch lernte – so fehlt eine gewisse sprachliche Verbindung zu den Großeltern.

So, wie Claire sich in Japan manchmal verloren fühlt, so verloren fühlte ich mich in der Handlung des Romans. Besonders der Sinn und Zwecks des Strangs um die zurückhaltende Schülerin Mieko wollte sich mir nicht recht erschließen. Die beiden verbringen zwar gemeinsam Zeit, eine Barriere bleibt aber stets bestehen. Die Mutter wünscht, ihre Tochter möge wie Claire ins Ausland gehen, was weiter geschieht, bleibt aber offen. Auch der Titel gebende Pachinko-Parlour des Großvaters taucht nur selten auf und wird zu einem Symbol seiner Hassliebe zu Japan.

Fazit: Wichtiges Thema, aber die Figuren bleiben blass.

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Veröffentlicht am 05.11.2022

Schöne Gestaltung, seltsame Auswahl

In 80 Büchern um die Welt
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Reisen und ferne Länder gehören zu den größten Sehnsüchten der Menschheit. Und wenn das Geld nicht reicht oder andere Gründe das Reisen unmöglich machen, dann können uns zumindest Bücher in die Ferne entführen. ...

Reisen und ferne Länder gehören zu den größten Sehnsüchten der Menschheit. Und wenn das Geld nicht reicht oder andere Gründe das Reisen unmöglich machen, dann können uns zumindest Bücher in die Ferne entführen. Sei es eine Pilgerreise, eine Schifffahrt, die Flucht vor Unterdrückung oder ein Roadtrip – alles ist möglich.

Das vorliegende Buch bietet genau, was der Titel verspricht. „In 80 Büchern um die Welt“ und legt in der Einleitung werden noch Regeln fest: nur literarische Werke, keine Sachbücher und nur reale Orte. Die Sammlung beginnt chronologisch mit dem ältesten Werk (Homers „Odyssee) und endet mit einem Roman aus dem Jahr 2021. Dabei ist das Buch in vier Kapitel eingeteilt: Expeditionen und Reisen (bis 1897), Zeitalter des Reisens (bis 1953), Postmoderne neue Wege (bis 1999) und Reisen in der Gegenwart (bis 2021); wobei Kapitel vier die meisten Werke umfasst.

Das Buch ist wirklich ansprechend gestaltet. Zum einen gefällt mir das recht handliche Format, zum anderen ist jede Buchvorstellung mit einem Foto der Originalausgabe, weiteren Bildern, Skizzen oder Karten und am Rand mit zusätzlichen Hinweisen zu Autorin oder Entstehungsgeschichte versehen. Die Qualität der Texte ist dabei durchaus unterschiedlich, was bei den mehr als 50 Autorinnen, die mitgewirkt haben, nicht weiter verwunderlich ist. Einige Texte sind staubtrocken oder verraten zentrale Elemente der jeweiligen Geschichte, andere hingegen sind sehr ansprechend und machen Lust auf die Lektüre.

Bei der Auswahl lässt sich ein klarer Fokus auf englischsprachige Literatur und speziell auf Nordamerika feststellen. Wir finden also eine Vielzahl von Roadtrips durch die USA, Geschichten über die Sklaverei und Romane, die in der Prärie spielen. Natürlich kann ein solches Buch nur subjektiv sein, aber hier hätte ich mir mehr Werke aus anderen Ländern gewünscht, auch Frauen sind (angeblich aus historischen Gründen) sehr unterrepräsentiert, ebenso deutschsprachige Romane. Das letzte Kapitel hingegen macht vieles richtig und präsentiert eine wunderbare Diversität, was Autor*innen, Herkunfts- und bereiste Länder angeht.

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Veröffentlicht am 24.08.2022

Reihenauftakt mit Schwächen

Die Geister von New York
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Lionel ist investigativer Journalist und er ist gut in seinem Job. Hauptsächlich beschäftigt er sich damit, Scharlatane auffliegen zu lassen – an Übernatürliches kann und will er nicht glauben. Eines Tages ...

Lionel ist investigativer Journalist und er ist gut in seinem Job. Hauptsächlich beschäftigt er sich damit, Scharlatane auffliegen zu lassen – an Übernatürliches kann und will er nicht glauben. Eines Tages wird er dann von der mysteriösen Regina Dunkle kontaktiert. Die erteilt ihm den Auftrag, für sie ein verschollenes Manuskript von Edgar Allan Poe zu beschaffen; im Gegenzug wird sie ihm helfen, seine Vergangenheit für immer unter Verschluss zu halten.

„Die Geister von New York“ ist der Auftakt einer Urban Fantasy-Reihe und Craig Schaefers erster Roman, der ins Deutsche übersetzt wurde, während im Englischen bereits mehr als 20 Romane vorliegen. In diesem ersten Band begleiten wir Lionel bei einem Auftrag, der sein ganzes Leben und das, woran er geglaubt hat, auf den Kopf stellen wird. Erzählt wird hauptsächlich aus seiner Perspektive, in der Er- und Vergangenheitsform; ab und zu steht aber auch Maggie im Fokus, eine Frau, die denselben Auftrag zu haben scheint, wie er selbst.

Die Handlung nimmt von Anfang an schnell an Fahrt auf und erweist sich als Mix aus Agententhriller und fantastischem Roman, komplett mit Hexen, Geistern, Ghouls und weiteren übernatürlichen Wesen. Gemeinsam jagen Lionel und Maggie einen geheimnisvollen Mann mit unheimlich blauen Augen und kommen dabei dem Geheimnis um Lionels düstere Vergangenheit immer näher. Die Geschichte rund um das Poe-Manuskript dient dabei leider nur als Aufhänger der Handlung, der Autor und seine Werke spielen keine größere Rolle.

Auch der Zugang zu den Protagonisten fiel mir nicht leicht. Maggies Identität ist in der Geschichte recht schnell klar und mit einigen Klischees ausgestattet. Auch Lionel präsentiert sich als starker Held, der sich quasi sofort in einer magischen Welt zurechtfindet, die er zuvor mit aller Macht verleugnet hat und darüber hinaus als Fels in der Brandung für Maggie, die ihn eigentlich in jeder Hinsicht in die Tasche steckt. Das Worldbuilding hingegen ist durchaus gelungen und macht Lust, tiefer in diese Welt einzutauchen.

Fazit: Ein typischer erster Band mit einigen Schwächen, aber dennoch Potenzial

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Veröffentlicht am 15.08.2022

Von der Spanischen Grippe bis zur Corona-Pandemie

Violeta
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Violeta del Valle wird 1920 als jüngste Schwester von 5 Brüdern geboren. Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges sind noch zu spüren, als die Spanische Grippe in ihrem Heimatland ausbricht. Ein ganzes ...

Violeta del Valle wird 1920 als jüngste Schwester von 5 Brüdern geboren. Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges sind noch zu spüren, als die Spanische Grippe in ihrem Heimatland ausbricht. Ein ganzes Jahrhundert wird ihr Leben andauern und als Violeta schließlich im Jahr 2020 verstirbt, hat mit dem Coronavirus erneut eine Pandemie die Welt im Griff.

Mit „Violeta“ legt die Bestsellerautorin Isabel Allende einen Roman vor, der nicht nur 100 Jahre im Leben ihrer Protagonistin schildert, sondern damit auch einen wichtigen Teil der Geschichte Chiles miterzählt. (Obwohl der Handlungsort nie klar benannt wird, ist er doch durch die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse klar zu erkennen.) Die Geschehnisse werden vollständig aus Violetas Perspektive in der Ich- und Vergangenheitsform erzählt – und zwar in einem Brief an einen Mann namens Camilo, dessen Identität und seine Verbindung zu Violeta erst nach und nach gelüftet werden.

Jeweils ca. zwanzig Lebensjahre Violetas werden dabei immer zu einem Abschnitt zusammengefasst. Der erste widmet sich ihrer Geburt, dem Aufwachsen und dem Verlust des Elternhauses. Im zweiten Abschnitt geht es um die Liebe, sowohl in Beziehungen, als auch zu den eigenen Kindern, einer Tochter und einem Sohn. Der dritte Abschnitt erzählt von schweren Verlusten, die Violeta erleiden muss, während sich im vierten Abschnitt ihr Leben im hohen Alter noch einmal grundlegend wandelt.Als Hintergrund für diese im Grunde 100 Jahre andauernde Familientragödie dienen historische Ereignisse.

Obwohl mir der Roman grundsätzlich gut gefallen hat, muss ich doch zugeben, mehr erwartet zu haben. Gerade Violeta bleibt einen Großteil ihres Lebens viel zu passiv und lässt ihr Schicksal zu oft von Männern bestimmen. Erst viel zu spät entdeckt sie ihr Interesse für den Feminismus, von dem ich gehofft hatte, er würde eine größere Rolle spielen. Auch die geschichtlichen Ereignisse dienen leider nur als Motor der Handlung oder Spannungsmoment und werden im Prinzip nur von Violetas Sohn kritisch hinterfragt. Hier verschenkt Allende, in meinen Augen, Potenzial – schade!

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