So wunderbar wie der erste Band
Auch der Folgeroman um Nina, ihre Tante Joëlle und den verschollenen Großvater Moritz lässt mich bewegt und begeistert zurück. Mit „Jaffa Road“ legt Autor Daniel Speck nach meinem Gefühl sogar noch eine ...
Auch der Folgeroman um Nina, ihre Tante Joëlle und den verschollenen Großvater Moritz lässt mich bewegt und begeistert zurück. Mit „Jaffa Road“ legt Autor Daniel Speck nach meinem Gefühl sogar noch eine Schippe drauf, denn er stürzt sich und seine Held*innen nicht nur in ein schwer zu verkraftendes Gefühlschaos, sondern auch in den Nahost-Konflikt. Erneut akribisch recherchiert, raffiniert inszeniert, präzise und spannend geschrieben und einfühlsam gesprochen von Luise Helm und Michael Rotschopf - Hörgenuss pur!
1948. Moritz, Yasmina und Joëlle landen mit dem Schiff in Haifa und finden in der Jaffa Road ein neues Zuhause. Die Straße heißt so, weil sie vom Hafen der Altstadt bis nach Jaffa führt. Dort liegen die Orangenhaine von Amals Familie, die sie als Palästinenser nun für immer verlassen müssen. Obwohl sich die Wege beider Mädchen nie kreuzen, wird ihr Schicksal einmal eng verflochten sein…
Die Berliner Archäologin Nina reist nach Palermo, denn ihr verschollener Großvater Moritz ist erschossen in der Garage seiner Villa aufgefunden worden und hat sie offenbar im Testament bedacht. Vor Ort trifft sie auf die fassungslose Joëlle, die nicht an Selbstmord glaubt, und - den palästinensischen Arzt Elias, der behauptet, Moritz‘ Sohn zu sein. Während Joëlle zunächst jeden Kontakt zu Elias verweigert, versucht Nina hinter die Geheimnisse ihres Großvaters zu kommen und gleichzeitig zwischen den beiden Geschwistern zu vermitteln.
In vielen Gesprächen und Rückblenden tauchen wir tief ein ins Deutschland der Nachkriegszeit, Israels Gründerjahre und das leidvolle Exil der Palästinenser: drei Familien, drei Kulturen und Moritz, der alles verbindet. Stück für Stück entsteht ein facettenreiches Puzzle, in dem es um Liebe in vielen Formen, Identität, der Sehnsucht nach einer (verlorenen) Heimat, um Täter- und Opfersein und nicht zuletzt um die direkte Verstrickung in eine epochale Krise geht.
Es ist an sich schon große Kunst, einen Konflikt von diesem weltumspannenden Ausmaß so ausgewogen und differenziert darzustellen. Daniel Speck gelingt nicht nur dieser Balanceakt grandios, er macht ihn durch seine liebenswerten und wieder einmal sehr sorgsam entwickelten Charaktere für uns emotional nahbar. Wir können (mit)fühlen und verstehen, ohne uns auf eine Seite schlagen oder Partei ergreifen zu müssen.
Der Roman schließt mit einem wunderschönen leinwandreifen Bild. Ich habe mich kurz gefragt, ob es nicht ein bisschen zu idealisiert, gar kitschig daherkommt. - Aber nein, ich denke, gerade auf dieser Ebene gibt es vermutlich jeden Tag ein solches kleines Happy End, das auf ein großes hoffen lässt, getreu diesem Satz, der sinngemäß irgendwo im Buch zu finden ist.
„Es gibt kein jüdisches Leben, kein deutsches oder palästinensisches Leben, es gibt nur Leben.“
Unbedingt lesen!