Obwohl sich Fantasy-Romane oft einer besonders schönen Umschlagsgestaltung erfreuen, haben Edel Kids Books mit dem Cover und dem Vorsatzblatt von Marliese Arnolds Roman 'Das Geheimnis der Flüstermagie – Der Zauberwald erwacht' einen echten Volltreffer gelandet! Man kann sich gar nicht sattsehen an den dunkelbunt schillernden Farben, die, ganz zu Recht, auf ein außergewöhnliches Fantasy-Abenteuer zwischen den Buchdeckeln hinweisen. Denn obwohl der Markt seit einigen Jahren regelrecht überflutet wird mit Fantasy-Geschichten, von denen ich die wenigsten, die ich kenne, als herausragend bezeichnen würde, treffe ich gelegentlich doch auf eine, die sich abhebt von dem großen Rest, die be- und verzaubert, die man am liebsten nicht mehr aus der Hand legen möchte, die einen mitnimmt in magische Welten, in denen man den Wunsch verspürt, sich häuslich einzurichten.
Marliese Arolds erster Band der auf mehrere, mindestens aber zwei Bände angelegten Reihe, 'Flüstermagie', dem ich im folgenden einige Gedanken widmen möchte, gehört zu diesen rühmlichen Ausnahmen! Nicht nur kann die erfahrene Autorin tatsächlich schreiben (was heutzutage alles andere als selbstverständlich ist) – und dies richtig gut und grammatikalisch wie orthographisch einwandfrei -, sondern sie beherrscht darüberhinaus auch die Kunst, eine schlüssige, logische, folgerichtige Geschichte zu erzählen mit nachvollziehbaren, sorgfältig ausgearbeiteten Charakteren, die man mühelos visualisieren kann. Kurz und gut – ihre Romane erfüllen formal wie inhaltlich alle Kriterien, die eine gute, eine sehr gute Geschichte ausmachen. Und was desweiteren für die Qualität ihrer Bücher spricht, ist die Tatsache, dass sie nicht nur von der Zielgruppe, den Kindern und Jugendlichen also, sondern mit genauso viel Freude auch von Erwachsenen gelesen werden können, mögen sie denn gut geschriebene und ersonnene Fantasy.
Aber kommen wir nun zu der Geschichte selbst, die zur Untergruppe der Urban Fantasy gezählt werden kann, denn parallel zur Welt, wie wir sie kennen, wie sie für unsere Sinne wahrnehmbar ist, gibt es hier eine zweite, eine magische Welt, die nur den Eingeweihten, denen deren Wahrnehmung über die Grenzen des Sichtbaren hinausgeht, zugänglich ist. Dass Sophie, Protagonistin und Ich-Erzählerin in einem, ein völlig normaler Teenager mit den typischen Eigenschaften, Verhaltensweisen, Wünschen und Träumen eines solchen, mit besonderen Fähigkeiten oder, wenn man so möchte, ungewöhnlich feinen Antennen ausgestattet ist, hätte sie womöglich niemals erfahren, wäre sie denn in dem eher gehobenen Umfeld geblieben, in dem sie aufgewachsen ist, mit sehr spießigen, ganz auf Äußerlichkeiten bedachten Eltern übrigens, die wenig sympathisch beschrieben sind und bei denen es durchaus verwundert, dass sie eine so patente, richtig nette Tochter mit dem Herzen auf dem rechten Fleck hervorgebracht haben, die in Denken und Handeln so viel konsequenter, so viel bewusster ist, als die auf eine lange Kreuzfahrt ganz versessenen Eltern. Sophies Argumente, damit der Umweltzerstörung und der daraus resultierenden Klimaveränderung Vorschub zu leisten, wischen sie einfach beiseite. Sie arbeiten schwer – als besserwisserischer Oberlehrer er und als gestylte Kosmetikstudioinhaberin sie! - und haben sich das 'verdient'. Derartige Totschlagsargumente hört man ja sehr oft und man muss schon den Mut haben sich äußerst unbeliebt zu machen, wenn man dagegenhält – oder eben eine reflektierende Tochter sein wie Sophie.
Diese umweltschädliche Kreuzfahrt auf den größten Verschmutzern der Weltmeere ist dann auch indirekt der Grund, warum Sophie mit einer Welt konfrontiert wird, die sie nur staunen lässt und die ihr Leben nachhaltig verändern wird. Denn hätten die Eltern nicht auf der langen Reise bestanden, hätten sie für Sophie nicht eine so langfristige Unterkunft suchen müssen. Und wäre die geplante Ferienfreizeit mit ihrer besten Freundin Paula nicht ins Wasser gefallen, dann hätte Mutters ungeliebte, weil aus der Art geschlagene Schwester mit ihrer unkonventionellen, ein wenig chaotischen Lebensweise und dem komplett fehlenden Interesse an Äußerlichkeiten nicht einspringen müssen! Nur widerwillig lassen die Eltern Sophie also bei der Tante zurück, sie könnte ja die ganze sorgfältige Erziehung der Tochter zunichte machen! Ohne Worte....
Aber nun, Sophie gefällt Tante Kathi – so eine wie sie kann man sich wirklich nur wünschen! -, auf deren langsam zerfallendem Hof mitten auf dem tiefsten Land sich allerlei Tiere tummeln, die hier, wie es heißt, ihr Gnadenbrot bekommen. Ja, das stimmt schon, ist aber nicht die ganze Wahrheit, wie Sophie recht schnell herausfindet, denn vom Tag ihrer Ankunft an spürt sie, dass eine geheimnisvolle, nicht fassbare Aura über dem Hof der Tante schwebt und dass nicht alles so 'normal' ist, wie es scheint. So weicht Sophies anfängliche Begeisterung einem beklemmenden Gefühl und dem sie belastenden Eindruck, eigentlich gar nicht willkommen zu sein, wozu noch das ihr unverständliche feindselige Verhalten der drei Mädchen, mehr oder minder in ihrem Alter, beiträgt, die sich auf dem Hof Tante Kathis ihr Taschengeld verdienen und sich gar wie die Eigentümerinnen persönlich aufspielen. Alle Annäherungsversuche von Seiten der versöhnlichen Sophie, der es immer leichtgefallen ist Freunde zu finden und die alles andere als eine Zicke ist, scheitern zunächst. Doch geschehen sehr bald Dinge, die ihre Gedanken in eine ganz andere Richtung lenken und die sie an ihrem Verstand zweifeln lassen: sie hat unerklärliche Träume, in denen sie einen leibhaftigen, schwerkranken Drachen heilt, kann plötzlich mit den Tieren des Hofes sprechen, allen voran mit dem Noriker Hjalmar, einem riesigen Pferd, in das sie sich auf Anhieb verguckt hat – was sie wahrscheinlich schon längst herausgefunden hätte, hätte der Vater sich nicht hinter einer angeblichen Tierhaarallergie verschanzt, um Sophie nicht das sehnlichst gewünschte Haustier gestatten zu müssen. Sie versucht ihre Fähigkeiten zu verbergen, doch der aufmerksamen und feinfühligen Tante Kathi entgeht das nicht und sie beschließt, ein großes, ein besonderes Geheimnis mit Sophie zu teilen, nachdem sie begriffen hat, dass die außergewöhnliche Gabe, die sie selbst besitzt, auch in ihrer Nichte nicht nur schlummert sondern soeben erwacht ist.
Und von nun an wird es wirklich märchenhaft – und mein Erzählfluss muss an dieser Stelle stoppen! Sophie, soviel darf aber gesagt werden, erlebt den schönsten Sommer ihres Lebens, der für sie gleichzeitig der Beginn von etwas ganz Neuem ist, der ihr die Wege aufzeigt, die ihr bestimmt sind, wenn sie denn Mut und Verantwortungsgefühl genug hat, sie zu gehen. Und, das Beste von allem vielleicht, jedenfalls aber das, was sie weder gewünscht noch erwartet hätte, ist die Begegnung mit Silvio, einem rätselhaften, unergründlichen Jungen mit der gleichen Gabe wie die ihre, in den sie sich Hals über Kopf verliebt und mit dem sie, das suggeriert das Ende des ersten Bandes der 'Flüstermagie', erst am Anfang einer so wundervollen wie gefährlichen Reise steht.... Freuen wir uns also auf den Folgeband!