Ein penibel recherchierter hist. Roman
1799 - Die Schatten von OldenburgDas kleine Fürstentum Oldenburg ist die Kulisse dieses historischen Romans, der zehn Jahre nach der Französischen Revolution spielt. Inzwischen ist ein korsischer General namens Napoleon Bonaparte Oberbefehlshaber ...
Das kleine Fürstentum Oldenburg ist die Kulisse dieses historischen Romans, der zehn Jahre nach der Französischen Revolution spielt. Inzwischen ist ein korsischer General namens Napoleon Bonaparte Oberbefehlshaber der Revolutionstruppen und überzieht ganz Europa mit Krieg und Verwüstung. Daneben kommt das wirtschaftliche Leben ziemlich zum Erliegen, denn die Warenein- und Ausfuhr ist durch gegenseitiges Handelsembargo empfindlich gestört. Das muss auch Johannes Friedrich von Marburg auf tragische Weise zur Kenntnis nehmen. Denn während er in Hamburg dem studentischen Leben frönt, werden seine Eltern und ihre Bediensteten in Oldenburg ermordet und das Schiff „Friederike“ im Hafen von Le Havre festgsetzt.
Leider scheint die Oldenburgische Polizei nicht gewillt zu sein, das Verbrechen aufzuklären. Es steht vielmehr Mord und Selbstmord des Handelsherrn im Raum, der in Geldschwierigkeiten steckt.
Das will Johannes Friedrich weder auf sich noch auf seinem Vater sitzen lassen und macht sich auf, um Licht in das Dunkel zu bringen und stolpert dabei nicht nur über eine russischen Presspatrouille und „darf“ einen Tag und eine Nacht dem Zaren „dienen“. Der Polizeidragoner Lürssen rettet den Kaufmannsohn aus dieser und anderen misslichen Lagen und wächst ein wenig in die Rolle eines Retters hinein.
Vor den Irrungen des Herzens kann Lürssen Johannes Friedrich allerdings nicht retten. In Hamburg hat sich Johannes Friedrich in die Schankmagd Jette verliebt und hier in Oldenburg verdreht im Claire, eine junge Französin, die auf der Suche nach einer Kiste mit dem Schmuck der geköpften Madame du Barry ist, den Kopf.
Meine Meinung:
Jörg Kohn ist mit diesem historischen Roman eine interessante Geschichte gelungen. Mir persönlich macht es wenig aus, dass der Krimi eher in den Hintergrund gedrängt wird wird. Die Ermittlungsmethoden sind ja längst nicht ausgereift. Ich mag es, wenn historische Romane penibel recherchiert sind. Und das ist hier der Fall. Hintergrund ist eben das postrevolutionäre Jahrzehnt, das, nachdem der gewalttätige Umsturz Abertausenden von Royalisten den sprichwörtlichen Kopf gekostet hat, durch Napoleon Bonaparte seinen Fokus auf Weiterverbreitung dieses Gedankengutes hat. Kein Land in Europa bleibt von den Expansionsbestrebungen verschont und jede noch so kleine Monarchie will ihren status quo behalten. Das muss auch das kleine Fürstentum Oldenburg erkennen, das noch (?) nicht verschluckt worden ist, aber für zahlreiche ausländische Truppen Durchgangsland ist.
Aber, zurück zu diesem Buch ...
Die Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet.
Johannes Friedrich ist stellenweise ziemlich naiv, was aber seiner bislang unbeschwerten Jugend geschuldet ist. Nie hat er es mit Existenzsorgen zu tun bekommen, nun, da die Eltern tot sind, das Vermögen (vermutlich) futsch ist, beginnt für ihn der Ernst des Lebens.
Claire, die ehemalige Kammerzofe von Madame du Barry, ist ihm an Gewitztheit haushoch überlegen. Ist ja klar, immerhin hat sie das Köpfe rollen überlebt, die Juwelen in Sicherheit gebracht, auch wenn die nun ebenfalls verloren sind. Ich glaube ja nicht, dass es für die beiden ein Happy End geben wird. Dem stehen mehrere Gründe entgegen: der Standesunterschied, auch wenn beide nun verarmt sind, sie ist Französin, vermutlich einiges älter als er, und selbst wenn sie ihre Zeit am Französischen Hof unbeschadet überstanden hat, ist sie ja von Guérin und seinen Männern geschändet worden. Und das kann kein Mann der damaligen Zeit unvergessen machen, zumal er ja dazu gekommen ist.
Dass Jette jetzt so plötzlich vor der Türe steht, ist interessant. Auch hier ist der Standesunterschied bestehen geblieben.
Nun ja, wir wird sehen und lesen. Ich würde mich sehr über eine Fortsetzung freuen, da das Napoleonische Zeitalter noch rund fünf Jahre andauern wird.
Gut gefallen hat mir, Heinrich Sartorius, der nun gemeinsam mit Johannes Friedrich von Marburg als Polizeiagent arbeiten darf.
Fazit:
Wer gerne penibel recherchierte historische Romane liest, ist hier goldrichtig. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.