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Veröffentlicht am 12.02.2023

Gar nicht so unrealistisch

Freiheitsgeld
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Im Jahr 2064, also in nicht allzu ferner Zukunft, scheint die Menschheit das drängendste Problem, nämlich den rasant fortschreitenden Klimawandel durch einige drastische Maßnahmen einigermaßen in den Griff ...

Im Jahr 2064, also in nicht allzu ferner Zukunft, scheint die Menschheit das drängendste Problem, nämlich den rasant fortschreitenden Klimawandel durch einige drastische Maßnahmen einigermaßen in den Griff bekommen zu haben.

Die Natur hat wieder Raum bekommen, indem man gigantische Naturschutzzonen errichtet hat, in denen quasi alle kleineren Ortschaften verschwinden mussten, um dort aufforsten zu können. Recycling findet in ganz anderen Dimensionen als heute statt und die Automatisierung ist in allen Lebensbereichen angekommen. 30 Jahre ist es jetzt her, dass Altkanzler und Alt EU Präsident Havelock das sogenannte Freiheitsgeld eingeführt hat, was mit der Abschaffung des Bargelds einherging und das eine Art bedingungsloses Grundeinkommen darstellt. Den Menschen ermöglicht es eine Existenz auch ohne der Notwendigkeit einer eigenen Arbeit nachgehen zu müssen. Kurz vor seiner Rede zum Jahrestag, die Havelock als Vater des Freiheitsgelds halten will, wird er in seinem Luxusappartment in der Gated Community „Oase“ tot aufgefunden. Dieser Wohnkomplex für die Reichen hat sein eigenes Sicherheitssystem, so dass die Polizei schon an den Eingangsbereichen ausgebremst wird.

Die Geschichte wird unter anderem aus der Sicht des Polizisten Ahmad Müller, einem ehemaligen Steuerfahnder erzählt, der diesem Fall nachgehen möchte, obwohl der Todesfall offiziell schnell als „Freitod“ abgetan werden soll.

Außerdem schlüpft der Leser noch in die Haut des Physiotherapeuten Valentin, der in der Oase arbeitet und einen sehr fragwürdigen Arbeitsvertrag hat. Auch die Innensicht seiner Frau Lina lernt der Leser näher kennen.

Des Weiteren gibt es noch eine Familie, die in der Oase in Ungnade gefallen ist und aus dem Luxuskomplex ausziehen musste und sich jetzt wieder in der normalen Umgebung zurechtfinden muß, die wir im Laufe der Geschichte näher kennenlernen.

Wie immer fesselt Eschbach mit seinen interessanten Zukunftsfantasien und lässt gekonnt Gesellschaftskritik in seinen Roman einfließen.

Der Schreibstil ist mitreißend und die Geschichte weitestgehend plausibel.

Allerdings sind die beschriebenen Probleme natürlich global und es ist fraglich, ob die im Buch umgesetzten, sehr radikalen Lösungsansätze bezogen auf die ganze Erde angesichts der unterschiedlichen Kulturen und Regime weltweit so funktionieren könnten. Das Buch regt auf jeden Fall zum Nachdenken an und wirft interessante Fragestellungen auf. Es gefällt einem nicht, was man hier liest, es verursacht einem Grusel und Magenschmerzen aber es ist durchaus denkbar, dass sich die Gesellschaft in eine ähnliche Richtung entwickeln könnte.

Der Autor liefert auch in diesem Buch wieder zeitgemäße Denkansätze und fasziniert mich mit seinem umfangreichen Hintergrundwissen.

Ich habe „Freiheitsgeld“ sehr gerne gelesen und teilweise gehört.

Die Vertonung von Mathias Koeberlin fand ich sehr gelungen.

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Veröffentlicht am 17.01.2023

Entwurzelt

Dschinns
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Nach 30 Jahren Schufterei als Gastarbeiter in Deutschland will Hüseyin Yilmaz jetzt endlich seinen Ruhestand genießen. Er hat lange gespart, um sich seinen Traum von einer Eigentumswohnung in Istanbul ...

Nach 30 Jahren Schufterei als Gastarbeiter in Deutschland will Hüseyin Yilmaz jetzt endlich seinen Ruhestand genießen. Er hat lange gespart, um sich seinen Traum von einer Eigentumswohnung in Istanbul erfüllen zu können. Doch ein Herzinfarkt macht alle seine Träume zunichte. Er verstirbt in der Türkei, noch bevor er auch nur eine Nacht in der neuen Wohnung hat verbringen können.

Seine Frau Emine, ihre 4 erwachsenen Kinder Sevda, Hakan, Peri und Ümit und ihre 2 Enkelkinder reisen übereilt nach Istanbul zur Beerdigung des Familienoberhaupts.

Mit den einzelnen Charaktere, die Fatma Aydemir sehr authentisch und vielschichtig angelegt hat, treten wir in den folgenden Kapiteln in Kontakt und lernen sie recht gut kennen. Nachdem im ersten Kapitel die Einführung in die Geschichte ausschließlich aus Hüseyin‘s Sicht beschrieben wird und der Leser live miterlebt, wie in seinen letzten Minuten die Stationen seines Lebens nochmal an ihm vorbeiziehen, sind die folgenden Kapitel jeweils aus der Perspektive eines seiner Kinder geschrieben.

Die Persönlichkeiten der Kinder, die sehr unterschiedlich sind, spiegeln sich auch in dem Erzählton wieder, den die Autorin dem jeweiligen Charakter anpasst. Das machte für mich die Figuren noch glaubwürdiger.

Gemeinsam scheint allen Familienmitgliedern zu sein, dass sie ihr Glück in Deutschland nicht gefunden haben. Ihre Migrationsgeschichte spiegelt die missglückte Integrationspolitik der 90er Jahre bis heute wieder und macht betroffen.

Es geht in diesem Buch aber auch um Missverständnisse, Familientraumata, Akzeptanz und sexuelle Orientierung. Im letzten Kapitel wird auch Mutter Emine‘s Geheimnis aufgedeckt und die Autorin lässt alle Stränge der Geschichte kunstvoll zusammenlaufen. Am Ende wird es nochmal sehr dramatisch, was mir dann schon fast eine Spur too much war, aber das ist wirklich meckern auf hohem Niveau.

Der Roman ist auf jeden Fall eine Empfehlung und sehr lesenswert.

4,5 Sterne

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Veröffentlicht am 04.12.2022

Alptraum autonome Fahrzeuge

The Passengers
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John Marrs spielt in seinem Near Future Roman „The passengers“ mit den Uröngsten seiner Leser*innen. Es geht um autonome Fahrzeuge, in denen es weder Bremse noch Lenkrad gibt und in denen sich die Fahrgöste ...

John Marrs spielt in seinem Near Future Roman „The passengers“ mit den Uröngsten seiner Leser*innen. Es geht um autonome Fahrzeuge, in denen es weder Bremse noch Lenkrad gibt und in denen sich die Fahrgöste ihrem Fahrzeug und der eingebauten KI völlig ausliefern.

Angeblich sollen diese autonomen Fahrzeuge der Klasse 5 nicht gehackt werden können. Die Unfallrate ist seit der flächendeckenden Einführung in Großbritannien auch merklich gesunken. Sollte es doch einmal zu einem Unfall kommen, gibt es eine Kommission, die den Unfallhergang aufarbeitet und entscheidet, ob die Maschine versagt hat oder der Mensch, z.B ein unachtsamer Fußgänger Schuld an dem Unfall trägt. Bei Verschulden der KI des Fahrzeuges, zahlt die Versicherung dann den Schaden. Das passiert aber, man wundert sich nicht, nur äußerst selten.

Während in der Kommission, die immer auch einen Bürger oder eine Bürgerin verpflichtend zu der Sitzung hinzubestellt, ein Unfall bearbeitet wird, gibt es einen Zwischenfall. Ein Hacker meldet sich über den Videoschirm zu Wort und unterrichtet die Kommission über die Entführung von 8 autonomen Fahrzeugen und kündigt gleichzeitig an, dass die Passagiere von 7 dieser Fahrzeuge innerhalb weniger Stunden durch einen von ihm herbeigeführten Unfall zu Tode kommen würden. Die Kommission solle jetzt entscheiden, wer verschont werden solle. Im Internet wird das grausame Spektakel live zu verfolgen sein.

Was für ein Alptraum. Der 1. Handlungsstrang bringt uns zunächst die Geschichten und Hintergründe der gekaperten Fahrzeuge näher, während uns der 2. Handlungsstrang in die Kommission führt und die Protagonistin Libby einführt wird. Sie ist die Bürgerin, die man verpflichtet hat an der heutigen Sitzung teilzunehmen, einer Pflicht der sie mehr widerwillig als freudig eingewilligt hat, denn sie ist absolut gegen autonome Fahrzeuge eingestellt.

Mir hat das Buch wirklich gut gefallen. Es ist spannend und mitreißend geschrieben und hatte so einige interessante Wendungen.

Es werden moralische und ethische Fragen aufgeworfen, es geht aber auch um Datenschutz, und Vorurteile. Am Anfang muss man sich wohl sehr viele Namen, nämlich die der Passagiere merken, und ich musste manchmal zurückblättern, um wieder zu wissen, um wen es in den Folgekapiteln gerade ging. Diese Passagiere werden auch nur recht oberflächlich gezeichnet. Trotzdem hat mich das nicht übermäßig gestört, denn das Buch war sehr fesselnd und unterhaltsam. Trotz der fast 500 Seiten lässt es sich flüssig und flott weglesen. Den Vorgängerroman „The One“ , den man unbedingt zuerst lesen sollte, fand ich noch etwas besser, aber auch für „The Passengers“ gebe ich gerne eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 11.11.2022

Fesselnd

Das Verschwinden der Linnea Arvidsson
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Im Fokus der Geschichte, die im schwedischen Malmö spielt, steht eine Einwandererfamilie aus Kroatien. Die Familie hat drei Kinder, Lydia,Mila und Dani, und große Pläne, doch nach dem Tod der Mutter verlieren ...

Im Fokus der Geschichte, die im schwedischen Malmö spielt, steht eine Einwandererfamilie aus Kroatien. Die Familie hat drei Kinder, Lydia,Mila und Dani, und große Pläne, doch nach dem Tod der Mutter verlieren sie den Boden unter den Füßen. Die Familie bricht auseinander und Dani gerät in die falschen Kreise.



Als die Studentin Linnea Arvidsson verschwindet, fällt der Verdacht schnell auf Dani, denn er hatte zuletzt Kontakt zu ihr, was ein Überwachungsfoto eindeutig beweist. In dem fesselnden Spannungsroman von Frida Skyböck geht es um Vorurteile, Ausländerfeindlichkeit, Ausgrenzung, soziale Strukturen in einer Gesellschaft aber auch um Geschwisterbeziehungen, Paarbeziehungen und Beziehungen innerhalb von Familien.



Sehr gut gefallen hat mir aus der Ich Perspektive unterschiedlicher Personen zu lesen. Das hatte ich gar nicht erwartet. Die Autorin erreicht damit aber, dass wir diesen Personen besonders nahe kommen und uns besser in sie hineinfühlen können. Der Roman ist ein wirklicher Pageturner, und gerade zum Ende hin konnte ich ihn kaum zur Seite legen. Das Ende kam für meinen Geschmack etwas zu schnell und war mir auch etwas zu glatt, aber es war durchaus zufriedenstellend.



Alles in allem hat das Buch meine Erwartungen übertroffen, und ich empfehle es sehr gerne weiter.

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Veröffentlicht am 25.08.2022

Medizinhistorisches - Der 3. Teil der Charité Reihe

Die Charité: Neue Wege
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Wir befinden uns im Jahr 1858, als das Hausmädchen Sophie ohne eigenes Verschulden und ohne Referenzen auf die Straße gesetzt wird, damit der Sohn des Hauses nicht noch auf die Idee kommt sie ehelichen ...

Wir befinden uns im Jahr 1858, als das Hausmädchen Sophie ohne eigenes Verschulden und ohne Referenzen auf die Straße gesetzt wird, damit der Sohn des Hauses nicht noch auf die Idee kommt sie ehelichen zu wollen. Sophie ist verzweifelt, hat sie doch keine Familie, die sie finanziell unterstützten kann, und ohne Zeugnis ist in Berlin keine Arbeit zu bekommen. Unterschlupf gewährt man ihr nur im Freudenhaus an der Königsmauer, wo sich die Schulden zunächst anhäufen und dann abgearbeitet werden können. So widerlich Sophie die Freier auch sind, sie findet tatsächlich auch treue Freundinnen. Auszeiten haben die Frauen immer dann, wenn sie sich mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt haben und vom Amtsarzt aus dem Verkehr gezogen und die Charité geschickt werden. Die Syphilis ist der Schrecken jener Tage und Prostituierte, die sich der Gefahr daran zu erkranken sowieso ständig aussetzen, könnte man doch zum Wohle der Wissenschaft mal ein paar Experimenten aussetzen, denkt sich ein verbissener Doktor in der Charité. Mit Grausen erfährt man im Nachwort, dass es diesen Arzt tatsächlich gegeben hat.


Vieles was im Buch erzählt wird, orientiert sich streng an der Historie. Ulrike Schweikert und Petra Grill haben hervorragend recherchiert und eine spannende und interessante Geschichte erzählt. Zeitlich schließt dieser 3. Teil an den 1. Band der Reihe an und befasst sich im Wesentlichen mit der Entwicklung der Abteilung für Syphilitische Krankheiten. Natürlich wird auch das politische Geschehen mit erzählt und wir verfolgen den Werdegang der sympathischen Protagonistin Sophie Ahlbeck, die in einer Zeit lebte, in der es für Frauen, insbesondere aus den unteren Schichten, unglaublich hart war zu überleben. Und auch die Gesundheitsversorgung ließ noch sehr zu wünschen übrig, so dass man froh und dankbar sein kann in einer anderen Zeit geboren worden zu sein.


Wie schon die beiden Vorgängerbände ist auch dieser 3. Teil der Charité Reihe wieder ein großer Lesespaß und sehr zu empfehlen.

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