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Veröffentlicht am 21.11.2022

Jonathan Lee hat mit seinem Debütroman eine absolut lesenswerte Hommage an das Lebenswerk von Andrew Haswell Green geschaffen.

Der große Fehler
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Beschreibung

Am Freitag, den 13. November im Jahre 1903 wird Andrew Haswell Green auf offener Straße erschossen. Doch warum musste der Mann, der New York City wie kein anderer prägte, sterben? War alles ...

Beschreibung

Am Freitag, den 13. November im Jahre 1903 wird Andrew Haswell Green auf offener Straße erschossen. Doch warum musste der Mann, der New York City wie kein anderer prägte, sterben? War alles nur ein großer Fehler? Die Ermittlungen in diesem prekären Mordfall führen Inspektor McClusky tief in die Vergangenheit des Toten, denn zu dem schwarzen Täter, der am Tatort festgemacht werden konnte, gibt es keinerlei Verbindung…

Meine Meinung

Als großer Fan der atemberaubenden Metropole New York City kam ich nicht um den Debütroman »Der große Fehler« von Jonathan Lee herum, denn er erzählt von einer heute in Vergessenheit geratenen Persönlichkeit, die in vielerlei Hinsicht tragend für die Entwicklung dieser Weltstadt war und das trotz der einfachen Herkunft.

Die Rede ist von Andrew Haswell Green, dem Vater von Greater New York, welcher in eine große Familie und ärmliche Verhältnisse hineingeboren wurde und seine Heimat Massachusetts bereits im Alter von fünfzehn Jahren den Rücken kehrte, als er vom Vater nach New York geschickt wird, um dort eine Lehre als Gemischtwarenhändler zu absolvieren und das dringend benötigte Geld nach Hause zu schicken. Der ausschlaggebende Grund für Andrews Fortgang lag jedoch nicht in der finanziellen Misere seiner Familie, sondern vielmehr in seiner vertraulichen Zuneigung zu seinem Freund Samuel, die vom Vater somit im Aufkeimen unterbunden wurde.

Die Bekanntschaft mit dem später einflussreichen Rechtsanwalt und Politiker Samuel Tilden ist maßgeblich verantwortlich für den weiteren Verlauf von Andrews Leben.

Durch ihn erhält er Zugang zu Büchern, Bildung, und einem gesellschaftlichen Kreis, die ihm auf seinem Weg zum Anwalt und seiner Karriere als Stadtplaner, dem wir den Central Park, das Metropolitan Museum of Art, die New York Public Library und die Verbindung von Manhattan und Brooklyn durch die Brooklyn Bridge zu verdanken haben, als Richtschnur dienen.

Heute erinnert lediglich eine Gedenkbank im Central Park an dessen Schöpfer, der zu seiner Zeit ein zurückgezogenes Leben führte und es verdient hat wieder in Erinnerung gerufen zu werden.

Die mysteriösen Umstände seines Todes im Alter von 83 Jahren bildet den Ausgangspunkt von Jonathan Lees historischem Roman »Der große Fehler«, der zwischen der Ermittlungsarbeit des Inspektors McClusky, welcher mit diesem Mordfall betraut wurde, und der Aufdeckung von Greens Lebensgeschichte in der Retrospektive eine unterhaltsame Lektüre mit wissenswerten Details liefert.

Mehr historischer Roman als Krimi, gelingt es Jonathan Lee mit gut recherchierten Hintergründen zu punkten, die nicht nur die Persönlichkeit des Stadtplaners zum Leben erweckt, sondern auch die politischen und gesellschaftlichen Strukturen zur Jahrhundertwende aufgreift. Die Übergänge zwischen den beiden Handlungssträngen aus der gegenwärtigen Mordermittlung und Andrews Lebensgeschichte sind an manchen Stellen etwas holprig geraten und im Gesamten hätte ich mir hier eine besser ausgearbeitet Verbindung gewünscht, ansonsten hatte ich großen Lesespaß an dieser informativen Story.

Fazit

Jonathan Lee hat mit seinem Debütroman eine absolut lesenswerte Hommage an das Lebenswerk von Andrew Haswell Green geschaffen, die den Erschaffer des Central Park in Erinnerung ruft.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 07.05.2022

Veröffentlicht am 21.11.2022

Eine berauschende Lebensgeschichte über eine beeindruckende Autorin, deren Beharrlichkeit sich aller Resistenzen zum Trotz ausgezahlt hat.

Manifesto. Warum ich niemals aufgebe. Ein inspirierendes Buch über den Lebensweg der ersten Schwarzen Booker-Prize-Gewinnerin und Bestseller-Autorin von »Mädchen, Frau etc.«
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Meine Meinung

Nach ihrem weltweiten Erfolg »Mädchen, Frau etc.« (»Girl, Woman, Other«), durch den Bernardine Evaristo 2019 als erste schwarze Frau im Alter von 60 Jahren den Booker Prize gewann, meldet ...

Meine Meinung

Nach ihrem weltweiten Erfolg »Mädchen, Frau etc.« (»Girl, Woman, Other«), durch den Bernardine Evaristo 2019 als erste schwarze Frau im Alter von 60 Jahren den Booker Prize gewann, meldet sie sich nun mit ihren Memoiren unter dem Titel »Manifesto. Warum ich niemals aufgebe« zurück.

In sieben Kapitel schildert Bernardine Evaristo ihre Lebensumstände von der Herkunft als Tochter einer Mischehe in den 60er Jahren über ihre Kindheit in einer Großfamilie bis hin zu ihren Erfahrungen mit dem Heranwachsen und Älter werden. Themen wie Sexualität, Rassismus und Feminismus sind dabei genauso prägende Bestandteile wie ihre familiären Hintergründe.

Bernardine Evaristo schreibt in einer angenehmen Sprache über ihr Leben, das sie voller Mut und Selbstbestimmung bestreitet und damit den besten Beweis liefert, dass es sich lohnt niemals aufzugeben. Auf beeindruckende Art und Weise reflektiert sie Erlebnisse und diverse Stationen ihrer Karriere und gibt dabei intime Einblicke auf ihre Persönlichkeit.

Die gesellschaftlichen Fallstricke für eine schwarze Frau, die in London ihren Weg zu gehen versucht, pflastern Evaristos Weg zu einer erfolgreichen Romanautorin, die sich zunächst finden muss und dementsprechend ausprobiert. Auf der Suche nach ihren Wurzeln und ihrer sexuellen Orientierung meistert sie mit einer bewundernswerten Beharrlichkeit neue Herausforderungen und trotz aufkommendem Gegenwind.

»Manifesto« ist ein unglaublich spannende Biographie über eine inspirierende Frau, die sich für Toleranz, Gleichberechtigung und das Menschsein starkmacht und die Aufmerksamkeit und den Erfolg durch den Booker Prize mehr als verdient!

Fazit

Eine berauschende Lebensgeschichte über eine beeindruckende Autorin, deren Beharrlichkeit sich aller Resistenzen zum Trotz ausgezahlt hat.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 05.05.2022

Veröffentlicht am 21.11.2022

Bolu Babalola liefert in ihrer Anthologie erfrischend moderne und unterhaltsame Interpretationen alter Mythen, Märchen und Legenden.

In all deinen Farben
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Meine Meinung

Schon alleine die Idee Liebesgeschichten aus Mythologie, Märchen und Folklore neu zu erzählen und dabei die Stärke auf die weibliche Figur zulegen gefällt mir außerordentlich gut und so ...

Meine Meinung

Schon alleine die Idee Liebesgeschichten aus Mythologie, Märchen und Folklore neu zu erzählen und dabei die Stärke auf die weibliche Figur zulegen gefällt mir außerordentlich gut und so hat mich Bolu Babalola mit ihrer Anthologie »In all deinen Farben« direkt angesprochen.

Die britisch-nigerianische Autorin hat sich an einem Sagenschatz aus aller Welt bedient und daraus ein Potpourri bestärkender Geschichten geschaffen, die den patriarchalen Zug der Erzählungen aufbrechen und in etwas gänzlich neues verwandeln.

Bekannte Geschichten über Scheherazade aus 1001 Nacht, Psyche aus der griechischen Mythologie, die schöne Nofretete aus den ägyptischen Legenden oder Thisbe aus dem antiken Babylon werden ebenso in ein modernes Zeitalter transferiert wie unbekanntere Legenden über Osun, Attem, Yaa, Siya, Naleli und Zhinü, womit auch Afrika und der Nahe Osten Einzug in diese prächtige Sammlung erhalten.

Das Spiel mit den Rollen, die Verkehrung der Geschichte oder eine komplette Neuüberarbeitung, somit macht Bolu Babalola sich die Erzählungen zu eigen ohne dabei in das Fahrwasser kitschiger Groschenromane abzudriften. Bei den unbekannteren Mythen hätte ich mir jedoch eine kurze Zusammenfassung der Originalgeschichte gewünscht, denn ich hätte zu gerne einen Anhaltspunkt zur Metamorphose gehabt.

Im Anschluss an diese inspirierenden Geschichten voller Liebe in ihren kontrastreichen Facetten gibt es auch noch drei eigene Geschichten der Autorin, die den Neuadaptionen in nichts nachstehen. »In all deinen Farben« ist eine wunderbare Sammlung unterschiedlichster Liebesgeschichten von starken, selbstbewussten und selbstbestimmten Frauen verschiedener Kulturen, die der Vielfalt von Beziehungen und Liebe ein Denkmal setzt.

Fazit

Bolu Babalola liefert in ihrer Anthologie erfrischend moderne und unterhaltsame Interpretationen alter Mythen, Märchen und Legenden sowie ein paar eigene Storys, die Frauenpower und Empowerment versprühen.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 02.05.2022

Veröffentlicht am 11.11.2022

Eine mitreißende Geschichte über die Emanzipation eines Bauernmädchens.

Ich, Ellyn
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Beschreibung

1573. In England wächst Ellyn auf einer Art Bauernhof unter ärmlichen Verhältnissen heran. Die seit kurzem fünfköpfige Familie hat kaum ausreichend Essen und der Vater ist durch einen Unfall ...

Beschreibung

1573. In England wächst Ellyn auf einer Art Bauernhof unter ärmlichen Verhältnissen heran. Die seit kurzem fünfköpfige Familie hat kaum ausreichend Essen und der Vater ist durch einen Unfall ans Bett gefesselt, sodass ein großer Teil der Arbeit von Ellyn und ihrem Bruder erfüllt werden.

Als sie eines Tages zum Markt in die Stadt geschickt wird, um etwas zu verkaufen, wird sie von der Musik, die aus der Kirche dringt, magisch angezogen. So etwas hat Ellyn noch nie gehört, und so etwas hat sie auch noch nie gefühlt.

Ellyn ahmt den Gesang nach und besitzt ein ungeahntes Talent fürs Singen. Da nur Jungen die Singschule in der Stadt besuchen dürfen, wagt Ellyn den gefährlichen Schritt und sichert sich verkleidet als Junge die Ausbildung ihrer Träume. Doch als königliche Gesandte auf Ellyns wunderschönen Gesang aufmerksam werden, wird das Mädchen für einen Chor rekrutiert, der für Elisabeth die I. singen soll. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist Ellyn weit entfernt von ihrer Familie, ganz alleine mit ihrem Geheimnis…

Meine Meinung

Nell Leyshons berührenden Werke »Die Farbe von Milch« und »Der Wald« haben mich tief beeindruckt, sodass die Erwartungen an ihren neuesten Roman »Ich, Ellyn« dementsprechend hochgesteckt sind. Was soll ich sagen, auch dieser historische Roman aus dem 16. Jahrhundert hat mich gefesselt und bewegt!

Zugegeben, die besonders stilisierte Schreibweise von Nell Leyshon verlangt einem einige Seiten ab, um sich einzulesen, handelt es sich zunächst um einen Fließtext in Kleinschreibung mit fehlender Interpunktion und auch die grammatikalische Ausdrucksweise ist auf den Sprachgebrauch von Nell Leyshons Titelheldin Ellyn angepasst. Im Laufe des Romans spürt man die Entwicklung von Ellyn auch alleine an der Veränderung, die der Text durchmacht, denn nach und nach kommen Großschreibung, Interpunktion und eine gebildetere Sprache hinzu. Natürlich ist das auch große Geschmackssache, aber ich finde es lohnt sich ungemein, sich darauf einzulassen, denn es verleiht der Geschichte einen unglaublich authentischen Touch.

Fasziniert von Ellyns atemberaubender Entwicklung, konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen und habe es fast in einem Rutsch verschlungen. Der größte Reiz an »Ich, Ellyn« übte für mich die Wahrnehmung der Titelheldin aus, wie sich ihre kleine Welt des abgeschiedenen Landlebens nach und nach ausweitet und schließlich Bildung ihren Horizont erweitert und dabei ihr bisheriges Wissen in den Schatten stellt. Dies ist zum Teil auch recht schmerzlich für die Protagonistin, vor allem in Anbetracht ihrer familiären Beziehung, denn Ellyn wächst über das einfache Leben hinaus.

Nell Leyshon steckt unglaublich viel Empowerment in ihre Geschichte, welches Mädchen und Frauen Mut machen kann und sie darin bestärkt ihren Weg zu gehen.

Fazit

Ungewöhnlich wie immer beschert Nell Leyshon mit ihrem neuesten historischen Roman eine mitreißende Geschichte über die Emanzipation eines Bauernmädchens in der frühen Neuzeit.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 27.04.2022

Veröffentlicht am 11.11.2022

Phantastische Mischung mit Gänsehautpotential.

Der Letzte Schatten. Band 1
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Meine Meinung

In Anbetracht der aktuellen Lage könnte der Comic »Der letzte Schatten: 1. Kapitel« von Denis-Pierre Filippi nicht brisanter sein. Während Europa vom russischen Krieg gegen die Ukraine in ...

Meine Meinung

In Anbetracht der aktuellen Lage könnte der Comic »Der letzte Schatten: 1. Kapitel« von Denis-Pierre Filippi nicht brisanter sein. Während Europa vom russischen Krieg gegen die Ukraine in Atem gehalten wird, zeichnet Filippi in seinem Werk ein Bild über die Schrecken des 1. Weltkrieges.

Russische Soldaten und darunter auch überlebende Zivilisten wie ein Arzt und seine zwei Töchter sind am Rande ihrer Kräfte und finden in den Wäldern einen Gutshof, in dem sie von der Baronin herzlich empfangen werden. Die Truppe kann sich ausruhen und die zahlreichen Verwundeten können endlich versorgt werden. Auf dem Dachboden versteckt die Baronin allerdings auch heimlich Kinder und in den Schatten treiben sich mysteriöse Geschöpfe um.

Unter dem Dach des Gutshofs treffen Welten aufeinander, die schmerzliche und erschütternde Welt des Krieges und die unschuldige Welt der Kinder sowie eine schützende Macht, die sich bisher nur am Rande zeigt. Mit geschickt ausgewählten Panels und seinen ausdrucksstarken sowie detailverliebten Bildern setzt Gaspard Yvan die Handlung in ein atmosphärisches Setting, das mich nicht mehr losgelassen hat. Ich mochte den Zeichenstil unheimlich gerne, der in Kombination mit der stimmigen Koloration eine emotionale Wirkung auf mich ausübte.

Die märchenhaft verschneide Landschaft wird von schwer verwundeten und getöteten Soldaten geziert und die Töchter des Doktors sind einem Grauen ausgeliefert, vor dem sie niemand schützen kann. Im Kontrast dazu entwickelt sich die Handlung auf dem Gutshof der Baronin, denn hier gibt es Zuflucht für die Unschuldigen und die älteste Tochter entdeckt die Kinder auf dem Dachboden, wo sich ihr ein Ort Gemeinschaft eröffnet. Doch auch in diesem Haus sind die Auswirkungen des Krieges auf die menschliche Seele spürbar.

Die Mischung aus dem Krieg der Erwachsenen, der unschuldigen Welt der Kinder und mysteriösen Monsterwesen lässt natürlich den Vergleich zu Guillermo del Toros spektakulärem Film »Pans Labyrinth« aufkommen. Es bleibt allerdings noch abzuwarten, ob »Der letzte Schatten« in diese großen Fußstapfen mit dem Folgeband hineinwächst.

Fazit

Mythische Wesen, die Grauen des Ersten Weltkriegs in den russischen Wäldern und eine rettende Rast in einem abgelegenen Gutshof – das zusammen ergibt eine phantastische Mischung mit Gänsehautpotential.

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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 20.04.2022